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Verkehrsunfall – Haftung beim Rückwärtsfahren

AG Potsdam – Az.: 24 C 155/19 – Urteil vom 06.02.2020

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.178,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.06.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.06.2019 freizustellen.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120,00 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.178,88 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 17.01.2019 auf dem Parkplatz am … ereignete.

Die Zeugin … befuhr am Unfalltag mit einem über die … finanzierten … und dem amtlichen Kennzeichen … den Parkplatz des Supermarktes … am …. Die letzte Ratenzahlung erfolgte am 26.03.2019. Mit Schreiben vom 31.10.2019 teilte die … Bank trat diese ihre Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 27.10.2018 an die Klägerin ab und berechtigte die Klägerin den Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen.

Die Beklagte zu 1) befand sich mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … in einer Parklücke. Die Beklagte zu 1) fuhr rückwärts aus der Parklücke heraus, wobei es zur Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug kam.

Mit Schreiben vom 25.01.2019 begehrte die Klägerin von der Beklagten zu 2) die Bestätigung der grundsätzlichen Einsatzpflicht der Beklagten zu 2).

Mit Schreiben vom 30.01.2019 teilte die Klägerin der Beklagten zu 2) mit, dass der Schaden abzüglich des Restwertes 3.842,00 € betrage und bat die Beklagte zu 2) die Gutachterkosten in Höhe von 817,53 € an den Sachverständigen zu überweisen.

Die Beklagte zu 2) glich die klägerische Forderung unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 50 % in Höhe von 2.158,65 € aus und kürzte dabei die Gutachterkosten um 20,23 €.

Die Klägerin behauptet zum Unfallhergang, dass die Zeugin … verkehrsbedingt stehengeblieben sei, als sie bemerkte, dass die Beklagte zu 1) rückwärts aus der Parkbucht fahre, habe sie noch ein Hupzeichen abgegeben, was jedoch keinen Erfolg gehabt habe, woraufhin die Beklagte zu 1) gegen das stehende Fahrzeug der Klägerin gestoßen sei. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht erkennen können, dass die Beklagte zu 1) aus der Parklücke herausfahren wolle.

Die Klägerin errechne ihren Anspruch wie folgt:

Wiederbeschaffungswert 5.700,00 €

Abzgl. Restwert 2.200,00 €

Kostenpauschale 20,00 €

Gutachterkosten 817,53 €

= 4.337,53

Abzgl. Zahlung der Beklagten zu 2) 2.158,65 €

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten zum Unfallhergang, dass die Beklagte zu 1), nachdem sie ihren Pkw bestiegen habe, den Motor gestartet, den Rückwärtsgang eingelegt habe, das Steuer nach rechts eingelenkt und ihren Pkw dann behutsam zurückgesetzt habe, wobei sie nach rechts und in den Rückspiegel geschaut habe. Es sei offenkundig gewesen, dass sie mit dem Fahrzeugheck nach rechts habe fahren müssen, um den Parkplatz zu verlassen, da sich die Einfahrt zum Parkplatz aus ihrer Sicht links befunden habe. Während die Beklagte zu 1) mit dem Ausparken begonnen habe, sei die Zeugin … mit dem Pkw der Klägerin hinter dem zurücksetzenden Pkw der Beklagten zu 1) zu fahren, um in die rechts neben dem ausparkenden Fahrzeug befindliche Parktasche einzufahren. Dabei sei es zu einer Kollision zwischen dem Fahrzeugheck des Pkw der Beklagten und der linken Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeuges gekommen, wobei sich der klägerische Pkw in der Vorwärtsbewegung befunden habe.

Bezüglich der Sachverständigenkosten behaupten die Beklagten, dass diese überhöht seien, da nicht nachvollzogen werden könne, dass das von der Klägerin beauftragte Sachverständigenbüro pauschal 32,00 € für Fahrtkosten berechnet habe. Darüber hinaus habe der Sachverständige 20,00 € für die Restwertermittlungen in Ansatz gebracht, wobei diese Tätigkeit jedoch nicht zur Hauptleistungspflicht des Sachverständigen gehöre und darüber hinaus seien die Porto- und Telefonkosten deutlich übersetzt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin … sowie des Zeugen …. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.01.2020 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf alle zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie die sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Verkehrsunfall - Haftung beim Rückwärtsfahren
(Symbolfoto: Von Lucky Business/Shutterstock.com)

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch in Höhe des ausgeurteilten Betrages gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG zu.

Soweit die Beklagten die Aktivlegitimation bestritten haben, so steht dem entgegen, dass die Klägerin ist daher zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Eigentümerin gewesen, denn die Klägerin hat mittlerweile sämtliche Raten für das Fahrzeug bezahlt. (vgl auch: LG Potsdam, Urteil vom 28.08.2012 – 3 O 250/10 BeckRS 2012, 210765, beck-online).

Nach der Beweisaufnahme steht überdies für das Gericht fest, dass die Beklagten für die Schäden aus dem Unfall zu 100 % haften.

Zwar war der Unfall für die Klägerin nicht unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG, da ein Idealfahrer möglicherweise vorher erkannt hätte, dass die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw aus der Parklücke ausfahren wollte.

Im Rahmen der gemäß §§ 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmenden Abwägung trifft jedoch die Beklagtenseite die vollständige Haftung.

Denn derjenige, der rückwärts fährt, hat nach §§ 9 Abs. 5 StVO (auf Parkplätzen über § 1 Abs. 2 StVO) eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Dies bedeutet erhöhte Sorgfaltsanforderungen und beinhaltet sich, vor Beginn und während der Rückwärtsfahrt zu vergewissern, dass der Raum hinter dem Fahrzeug frei ist. Nur ein mit Gewissheit freier Raum darf befahren werden. Wer bei der Rückwärtsfahrt mit dem fließenden oder stehenden Verkehrs kollidiert, haftet daher in der Regel allein. Von dieser Regel ist auch im Streitfall nicht abzuweichen.

Denn bereits nach der Einvernahme der Beklagten zu 1) steht fest, dass diese ihren Sorgfaltspflichten nicht vollständig nachgekommen ist. Die Beklagte zu 1) hat zwar angegeben, dass sie nach rechts ausparken wolle, dass sie zuerst, als sie noch gestanden habe, nach links und nach rechts geschaut habe, dort keine Autos gesehen habe, dann in den Rückspiegel geschaut habe, langsam losgefahren und dabei in den Rückspiegel geschaut habe. Die Beklagte zu 1) hat jedoch auch angegeben, dass sie nicht noch einmal nach links geschaut hat, was jedoch in ihrem Pflichtenbereich stand, da sie sich permanent zu vergewissern hatte, ob der Raum hinter ihr frei war oder nicht. Außerdem konnte die Beklagte zu 1) nicht den schriftsätzlich vorgetragenen Sachverhalt bestätigen, dass das andere Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gefahren sei. Denn die Beklagte zu 1) hat insoweit ausgeführt, dass sie nicht wisse, ob das andere Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gestanden oder gefahren sei.

Dieser Unfallhergang wird bestätigt durch die glaubhafte Aussage der Zeugin …. Die Zeugin hat insoweit bekundet, dass sie auf dem Parkplatz gewesen sei um nach einer Parklücke gesucht habe und dann rechts neben den Pkw von Frau …, also die Beklagte zu 1), eine Parklücke gesehen habe. Sie habe dann geblinkt als Frau … noch nicht am Ausparken gewesen sei. Die Zeugin hat weiter ausgesagt, dass sie langsam mit dem Einparkvorgang begonnen habe, also langsam nach links eingeschert habe und dass Frau … in dem Augenblick, als sie, die Klägerin, die Rücklichter am Fahrzeug von Frau … gesehen habe losgefahren sei und zwar nach ihrer Meinung viel zu schnell. Darüber hinaus hat die Zeugin bekundet, dass sie noch gehupt habe und dass sie die Beklagte nach dem Unfall gefragt habe, ob sie ihr Hupen nicht gehört hätte, was die Beklagte bejaht habe.

Nach alledem steht eine 100 %ige Haftung der Beklagten zu 1) fest. Ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin hat dahinter zurückzustehen, zumal auch nicht feststeht, warum die Klägerin den beginnenden Ausparkvorgang der Beklagten zu 1) hätte erkennen können.

Die Klage ist auch der Höhe nach begründet, da die von der Beklagtenseite vorgenommenen Kürzungen der Sachverständigenkosten nicht nachvollziehbar sind. Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 20,23 €. Ein weitergehender Erstattungsanspruch steht ihm nicht zu. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 – VI ZR 491/15 -, juris). Denn der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15 – Rn. 15, juris m.w.N.). Den Geschädigten trifft gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB daher grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des erforderlichen Herstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen, was die Klägerin mit der Anlage K 6 zum Schriftsatz vom 04.11.2019 getan hat (vgl. auch: AG Hamburg-Altona, Urteil vom 26. September 2019 – 318c C 25/19 –, Rn. 14, juris).

Der Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 286, 280 BGB.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

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