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Verkehrsunfall – fehlender Nachweis einer behaupteten Unfallmanipulation

OLG Frankfurt, Az.: 7 U 82/13, Urteil vom 10.04.2014

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.3.2013 teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger € 6.988,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.9.2009 und weitere 507,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.1.2010, die Beklagte allein außerdem Zinsen aus 507,50 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.1.2010 bis zum 12.1.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der erstinstanzlichen Kosten der Streithilfe haben der Kläger 37% und die Beklagten 63% zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der im Berufungsverfahren entstandenen Kosten der Streithilfe haben der Kläger 11%, die Beklagte 89% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Beklagten zu 2), die sie für sich und zugleich als Streithelferin des Beklagten zu 1) eingelegt hat, ist nur hinsichtlich der dem Kläger zugesprochenen Gutachterkosten in Höhe von 805,39 € und teilweise hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten für den Schaden haften, der auf dem Verkehrsunfall vom … beruht.

Auch das Berufungsgericht ist mit einem für das praktische Leben ausreichenden Grad der Gewissheit davon überzeugt, dass es am … zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem von dem Beklagten zu 1) gesteuerten Transporter zu einer Streifkollision gekommen ist, der Kläger deshalb nach links gelenkt hat und deshalb die Leitplanke links berührt hat und dass es sich bei diesem Geschehen um einen Unfall und nicht um ein absichtlich und einverständlich herbeigeführtes Ereignis handelte. Umstände, die eine Manipulation zwar nicht beweisen, aber auf deren ernstliche Möglichkeit hinweisen (vgl. BGHZ 71,339), sind hier nicht in einem Ausmaß gegeben, das Zweifel an einer unfreiwilligen Schädigung aufkommen lassen müsste.

Das Berufungsgericht verweist zunächst auf die eingehende Würdigung der Indizien in dem angefochtenen Urteil. Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen noch Folgendes auszuführen.

Die Schäden am Fahrzeug des Klägers sind mit dem behaupteten Hergang vereinbar. Auch wenn nicht jeder Teilschaden erklärbar ist, besteht jedenfalls keine Inkompatibilität. Die Hauptschäden sind kompatibel, nämlich der Karosserieschaden rechts und der Streifschaden links. Dass am Beklagtenfahrzeug keine Schäden erkennbar sind, ist mit der Geringfügigkeit des streifenden Anstoßes zu erklären. Die dem Gutachten SV 1 vorgeworfene schlechte Qualität der Lichtbilder hat die Kompatibilitätsprüfung nicht wesentlich erschwert, sondern nur die Nachprüfung der Reparaturmöglichkeit bzw. Austauschnotwendigkeit bezüglich eines Kotflügels.

Der Beklagte zu 1) hat bei seiner informatorischen Anhörung glaubhaft bestätigt, dass es am behaupteten Unfallort zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen ist. Dafür spricht auch die Höhenlage des Streifschadens links, der die Besonderheit aufweist, dass er so erklärbar ist, dass das klägerische Fahrzeug den Bordstein links befahren hat und dadurch den Streifschaden in einer Höhenlage erhalten hat, die gerade zu dieser besonderen Gegebenheit am behaupteten Unfallort passt und schwerlich bei einer mutwilligen Schadenverursachung an einem Ort vorausgeplant worden sein kann. Auf diese Bordsteinkante hat entgegen dem Berufungsvorbringen der Kläger auch schon in der Klageschrift hingewiesen. Dass der Streifschaden rechts grundsätzlich auch an dem stehenden Fahrzeug des Klägers verursacht sein könnte, mag sein, ändert aber nichts daran, dass er auch in Fahrt, so wie vom Kläger behauptet, entstanden sein kann. Jedenfalls ist der Schaden an der Felge entstanden, als sich das klägerische Fahrzeug in Fahrt befand, jedoch ist einzuräumen, dass sich für diesen kleineren Schaden an dem Fahrzeug des Beklagten keine sichtbare Gegenspur zeigte.

Zu einem gestellten bzw. verabredeten Geschehen passt auch nicht, dass die Beteiligten sich nicht kennen. Sie sind, soweit bekannt, auch unbescholten. Eine auffällige Häufung von Unfällen oder Versicherungsschäden im Zusammenhang mit den hier beteiligten Personen hat die Beklagte zu 2) nicht aufgezeigt. Bei dem Kläger sind drei Schadensereignisse bekannt, von denen aber der Unfall im Juni 2009, das Auffahren einer Kehrmaschine, unauffällig ist. Den von der Beklagten behaupteten, weiteren zeitnahen Unfall des Klägers hat es nicht gegeben; dieser Vortrag muss auf einem Irrtum beruhen.

Da aufgrund der Umstände davon auszugehen ist, dass die Beschädigungen am behaupteten Ort entstanden sind, ist auch festzustellen, dass es sich dabei nicht um einen für einen gestellten Unfall typischen Schauplatz handelt, weil eine mutwillige Kollision mit dem schweren Transporter des Beklagten zu 1) für den Kläger gefährlich und wenig beherrschbar gewesen wäre.

Entgegen dem Berufungsvorbringen hat der Kläger zu den gesundheitlichen Folgen des Unfalls auch nicht wechselnd vorgetragen, sondern zunächst ein einem anderen Unfall zugehörendes Attest vorgelegt und dann in seinem Schriftsatz die Unfalldaten verwechselt. Es handelt sich dabei um eine offensichtliche und unabsichtliche Verwechslung, der die Beklagte eine unzutreffende Bedeutung beimessen will.

Das Gericht hält es auch für unverdächtig, dass sich der in Stadt 1 wohnende Kläger wegen des Unfalls, der sich in Stadt 2 ereignet hat, eines Sachverständigen aus Stadt 3 im % bedient hat. Gerade wenn man einen gestellten Unfall unauffällig abwickeln möchte, wäre es wenig zweckmäßig, einen Sachverständigen zu beauftragen, der offensiv die Rechte von Geschädigten in seinem Gutachten thematisiert und sich mit einer von ihm als vermeintlich versicherungshörig gescholtenen Bewertungspraxis anlegt. Denn eine solche Vorgehensweise provoziert den Widerspruch der Sachbearbeiter von Haftpflichtversicherern und ist daher für die bei gestellten Unfällen aus der Sicht des Täters erwünschte geräuschlose Abwicklung wenig zuträglich. Im Übrigen war die Begutachtung durch den Sachverständigen, der auswärtige Besichtigungstermine in Stadt 2 abhält, kein zusätzlicher Aufwand. Verdächtige Gründe, die den Kläger verdächtig erscheinen lassen, weil er einen Prozessbevollmächtigten aus Stadt 4 beauftragt hat, sind dem Berufungsgericht nicht ersichtlich.

Im Wesentlichen verbleiben daher zwei Umstände, die das Geschehen von gewöhnlichen Haftpflichtfällen unterscheiden. Der Beklagte zu 1) hat die Schadensanzeige gegenüber der Beklagten zu 1) auch nach wiederholter Aufforderung nicht nachgeholt. Der Kläger hat gegenüber dem von ihm beauftragten Sachverständigen einen geringeren und zeitnäheren reparierten Vorschaden angegeben, nicht aber einen etwas länger zurückliegenden und umfangreicheren, der aber gleichfalls repariert war. Diese beiden Umstände reichen aber nicht aus, um die gesamte Darstellung des Klägers als suspekt und unglaubhaft erscheinen zu lassen.

Die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe der Reparaturkosten sind fehlerfrei. Ins Einzelne gehende Einwände gegen die auf den Feststellungen des Sachverständigen SV 2 beruhenden Annahmen hat die Beklagte nicht mehr erhoben. Soweit der Sachverständige die Erneuerungsbedürftigkeit des rechten Kotflügels und die Instandsetzungszeit für das Kniestück hinten rechts aus den Lichtbildern der Gutachtens SV 1 nicht zweifelsfrei nachvollziehen konnte, hat er aber jedenfalls ausbesserungsbedürftige Schäden festgestellt und lediglich geringe Zweifel geäußert. Die damit gegebene Wahrscheinlichkeit, dass auch diese Schadens- bzw. Instandsetzungsposition richtig ist, genügt (§ 287 ZPO).

Abzuändern ist das angefochtene Urteil, soweit es dem Kläger 80% der Kosten des Gutachtens SV 1 zuspricht und bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten deshalb einen Gegenstandswert von über 7.000 € zugrunde legt. Die gewöhnlich als notwendig anzusehenden Kosten eines Sachverständigengutachtens sind hier nicht zu ersetzen, weil der Kläger durch die Nichtangabe des größeren Vorschadens die Tauglichkeit des Gutachtens in Frage gestellt hat. Ein Sachverständigengutachten darf der Geschädigte auf Kosten des Schädigers einholen, wenn es aus der Sicht des Geschädigten zur Geltendmachung des Anspruchs oder zur Vorbereitung der Reparatur erforderlich und zweckmäßig erscheint. Ein Gutachten, das wegen unzutreffender bzw. unvollständiger Angaben des Geschädigten zu – auch reparierten – Vorschäden auf einer falschen Tatsachengrundlage beruht, kann den ihm zugedachten Zweck nicht erfüllen, weil es keine verlässliche Grundlage für die erforderlichen Reparaturen und den merkantilen Minderwert sein kann (vgl. KG VersR 2004, 470 f.; OLG Köln VersR 2012, 1008). Dies gilt unabhängig davon, dass das Gutachten im Wesentlichen nur bezüglich des merkantilen Minderwerts unzutreffend ist. Denn ein dem Sachverständigen unbekannt gebliebener Vorschaden begründet gegenüber seiner Reparaturkostenschätzung auch bei einem als repariert geltenden Vorschaden regelmäßig die Unsicherheit, ob dennoch von dem Vorschaden herrührende Posten unbewusst in die Kalkulation eingeflossen sind. Demgemäß war der Kläger mit den Gutachterkosten abzuweisen und waren die vorgerichtlichen Anwaltskosten entsprechend zu kürzen.

Die zuerkannten Zinsen beruhen auf Verzug bzw. Rechtshängigkeit.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92, 101 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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