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Verkehrsunfall – Erstattungsfähigkeit UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung

AG Ebersberg – Az.: 2 C 745/11 – Urteil vom 09.08.2012

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 840,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 08.06.2011 sowie 120,67 Euro (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 01.09.2011 zu bezahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 55 % und die Beklagte 45 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.100,00 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Der Kläger ist Halter eines Krades mit dem amtlichen Kennzeichen … und befuhr am 01.04.2011 den gut 3,5 m breiten ………in Markt Schwaben ortsauswärts.

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dort auf 30 km/h begrenzt.

Kurz vor einer Einmündung nach links in einen Feldweg beabsichtigte der Kläger, die vor ihm mit einem Rad fahrende Beklagte links zu überholen.

Im Zuge des Überholvorganges kam es zu einer Kollision mit der Radfahrerin, die nach links in den Feldweg einbiegen wollte.

Durch die Kollision kamen beide Unfallbeteiligte zu Sturz.

Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger den Ersatz des ihm entstandenen Schadens wie folgt:

Reparaturkosten gemäß Kostenvorschlag (Anlage K2): Netto Euro  1.656,54

Wertminderung: Euro  150,00

Unkostenpauschale: Euro  30,00

Insgesamt Euro  1.836,54

Der Kläger trägt vor, bei Beginn seines Überholvorganges sei die Beklagte an der rechten Fahrbahnseite gefahren.

Als er sich im Zuge des Überholvorganges neben der Beklagten befunden habe, sei diese ohne Handzeichen oder Rückschau nach links gefahren, um in den Feldweg einzubiegen.

Trotz einer Vollbremsung sei die Kollision für ihn nicht mehr zu vermeiden gewesen.

Der Kläger beantragt daher, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.836,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 08.06.2011 und weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 278,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe sich vor dem beabsichtigten Linksabbiegen in den Feldweg unter Beachtung der Rückschaupflicht frühzeitig zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet.

Nachdem bei Beginn ihres Abbiegevorganges der Kläger gleichzeitig zum Überholen angesetzt habe, wobei er mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h gefahren sei, sei es zur Kollision gekommen.

Da der Kläger unter Berücksichtigung der in der Fahrbahnmitte fahrenden Beklagten den Überholvorgang nicht hätte beginnen dürfen, sei er allein für den Unfall verantwortlich.

Im Hinblick auf die Schadenshöhe trägt die Beklagte vor, ein zehnprozentiger Aufschlag auf die Ersatzteilpreise könne der Kläger nicht verlangen, da dieser Aufschlag nur im Falle einer tatsächlichen Reparatur anfalle.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 12.01.2012 durch Erholung eines schriftlichen, unfallanalytischen Sachverständigengutachtens.

Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten vom 04.06.2012 (Bl. 69-98 d.A. Bezug genommen).

Beide Parteien wurden informatorisch zum Unfallhergang angehört.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011 verwiesen.

Nach Eingang des Gutachtens haben sich beide Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheid

Verkehrsunfall - Erstattungsfähigkeit UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung
Symbolfoto: Von tommaso79 /Shutterstock.com

ungsgründe

Die zulässige Klage ist nur zu einem Teil begründet.

Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfall vom 01.04.2011 ein Anspruch auf Ersatz von 50 % des ihm entstandenen Schadens nach den §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 StVO, 823 Abs. 1 und Abs. 2, 249 ff. BGB zu; im übrigen hat er sich die Betriebsgefahr des von ihm geführten Motorrades – erhöht durch ein Verschulden wegen einer überhöhten Geschwindigkeit – nach den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 und Abs. 3 StVG, 1 Abs. 2, 41 StVO i.V.m. Anlage 2, Zeichen 274 zu § 41 StVO, 823 Abs. 1 und Abs. 2, 249 ff. BGB anrechnen zu lassen.

1.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, daß der Kläger im Rahmen des Überholvorganges mit einer überhöhten Geschwindigkeit gefahren ist.

Insoweit ist der beauftragte Sachverständige …, der dem Gericht seit Jahren als kompetenter und zuverlässiger Sachverständiger bekannt ist, unter Berücksichtigung der Unfallspuren und der Angaben des Klägers zu seinem Bremsverhalten zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger vor der Kollision mit der Beklagten mit einer Geschwindigkeit zwischen 48 und 50 km/h gefahren ist.

Weiter ist der Sachverständige unter Berücksichtigung der Unfallspuren zu dem überzeugenden Ergebnis gelangt, daß der Kläger bei Einhaltung der örtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und bei einer unterstellten gleichen Vollbremsreaktion sein Fahrzeug deutlich (etwa 10 m) vor dem Kollisionsort zum Stillstand hätte bringen können.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf das Gutachten vom 04.06.2012 Bezug genommen.

Daß der Kläger im Rahmen des Überholvorganges gegen die Vorschrift des § 5 StVO verstoßen hat, steht jedoch nicht fest.

Zwar hat die informatorisch angehörte Beklagte angegeben, sie habe sich vor dem beabsichtigten Abbiegen nach links zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet; ob sie ein Handzeichen zum Linksabbiegen gegeben hatte, vermochte sie jedoch schon nicht anzugeben.

Der Kläger hat hingegen ein Einordnen zur Fahrbahnmitte hin durch die Beklagte unter Geben eines Handzeichens zum Linksabbiegen in Abrede gestellt.

Dementsprechend kann zunächst nicht von einer unklaren Verkehrslage, die einen Überholvorgang verboten hätte, ausgegangen werden.

Selbst wenn man aber unterstellen wollte, die Beklagte sei – ohne weitere Ankündigung des Linksabbiegens – in der Mitte der nicht allzu breiten Fahrbahn gefahren, hätte auch dies einen Überholvorgang zunächst nicht unzulässig gemacht, sondern allenfalls eine besonders aufmerksame Vorbeifahrt unter ständiger Bremsbereitschaft verlangt.

2.

Der Beklagten ist jedoch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 StVO anzulasten.

Bereits nach ihrem Vortrag im Rahmen der informatorischen Anhörung hat die Beklagte angegeben, sie sei zwar vor dem Abbiegen in der Mitte der Fahrbahn gefahren; daß der Abbiegevorgang jedoch rechtzeitig durch Handzeichen angekündigt wurde und daß sie unmittelbar vor dem Abbiegen ihrer Rückschaupflicht genügt hätte, hat die Beklagte aber nicht behauptet.

Im übrigen hat der Sachverständige … im Rahmen seines Gutachtens festgestellt, daß für die Beklagte der Unfall ohne weiteres vermeidbar gewesen wäre, wenn sie angesichts des deutlich in der Lautstärke zunehmenden Fahrgeräusches des hinten kommenden klägerischen Krades das Einfahren in die linke Straßenhälfte zum Abbiegen unterlassen hätte.

3.

Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- bzw. Verschuldensbeiträge erachtet das Gericht eine Haftung je zur Hälfte als sachgerecht.

Hierbei wurde auf Seiten des Klägers die Betriebsgefahr seines Krades – erhöht durch einen Geschwindigkeitsverstoß von 60 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und auf Seiten der Beklagten die Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung im Rahmen des Linksabbiegens (keine rechtzeitige Ankündigung des Abbiegevorganges durch Handzeichen und Unterlassung der Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Abbiegen) berücksichtigt.

4.

Schadenshöhe: Der dem Kläger zu ersetzende Schaden bemißt sich 1.656,54 Euro netto gemäß dem Kostenvoranschlag des Autohauses … GmbH vom 07.04.2011 (Anlage K2).

Soweit die Beklagte den Ersatzteilpreis-Aufschlag in Höhe von 10 % als nicht ersatzfähig erachtet hat, kann dem nicht gefolgt werden.

Das Gericht erachtet in ständiger Rechtssprechung auch bei einer Abrechnung eines Unfalls auf Gutachtensbasis bzw. Basis eines Kostenvoranschlages Aufpreise auf die unverbindlichen Empfehlungen der Hersteller auf die Ersatzteilpreise als ersatzfähig, wenn sie für den Fall einer Reparatur jedenfalls in der Region des Geschädigten eines Verkehrsunfalles üblicherweise anfallen.

Dies ist vorliegend nach dem Kostenvoranschlag des Autohauses … GmbH und im übrigen auch nach Kenntnis des erkennenden Richters als im nördlichen Landkreis Ebersberg wohnhaft üblicherweise der Fall.

Weiter ersatzfähig ist eine Unkostenpauschale, die nach ständiger Rechtssprechung des Gerichts 25,00 Euro beträgt.

Nicht ersatzfähig ist hingegen die geltend gemachte Wertminderung.

Diese wurde durch den Kläger nur rudimentär damit begründet, daß Lackierkosten zu einer Wertminderung führen würden.

Dies ist jedoch für das Gericht im Falle von zur Instandsetzung erforderlichen Lackierarbeiten nicht ersichtlich.

Auch die aus dem Kostenvoranschlag der Firma … GmbH zu entnehmende Art der erforderlichen Instandsetzung rechtfertigt ebenfalls nicht den Ansatz einer merkantilen Wertminderung.

Im übrigen sei insoweit auf die von der Beklagten vorgelegte Überprüfung des Kostenvoranschlages der Firma … GmbH durch die Sachverständigenorganisation … hingewiesen (Anlage B4), die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, daß bei einer durchzuführenden Reparatur des Krades keine merkantile Wertminderung verbleibt.

Dementsprechend ist grundsätzlich von einem ersatzfähigen Schaden in Höhe von 1.681,54 Euro auszugehen, so daß dem Kläger bei Berücksichtigung einer Haftung von 50 % 840,77 Euro zuzusprechen waren.

5.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten waren dem Kläger aus einem Gegenstandwert in Höhe von 840,77 Euro zuzusprechen (1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20 % zuzüglich MWSt.), da die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Unfallregulierung dem adäquaten Kausalverlauf entspricht und die entsprechenden Kosten im Schutzzweck der verletzten Haftungsnorm liegen.

6.

Die Zinsentscheidung zur Hauptsache folgt aus den §§ 286, 288 BGB aufgrund des unstreitigen klägerischen Schreibens vom 19.05.2011 (Anlage K4) mit Fristsetzung zum 01.06.2011.

Zinsen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten konnten antragsgemäß ab Rechtshängigkeit gewährt werden.

7.

Kosten: §§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

8.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Ziff. 11,711 ZPO.

 

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