AG Aschaffenburg, Az.: 130 C 437/16, Urteil vom 13.03.2017
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Reparaturkosten der …, Rechnungsdatum 19.10.2016, Rechnungs-Nr. …, i.H.v. 67,59 € freizustellen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Mietwagenkosten der …, Rechnungsdatum 19.10.2016, Rechnungs-Nr. …, i.H.v. 122,75 € freizustellen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Sachverständigenkosten des … Rechnungs-Nr. … i.H.v. 90,90 € freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 304,60 € festgesetzt.
Gründe
I. Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
II. Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Haftpflichtschaden vom 19.09.2016. Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
III. Dem Kläger steht gemäß §§ 7,17 StVG i.V.m. 249 II Satz 2 BGB i.V.m. § 115 WG ein Anspruch auf Freistellung von den restlichen Reparaturkosten der… in Höhe des tenorierten Umfangs zu.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger vorliegend Verbringungskosten in Höhe von die tatsächlich angefallenen Verbringungskosten in Höhe von 136,80 € zzgl. MwSt., mithin 162,79 € brutto in Ansatz bringen. Die Verbringungskosen sind zu erstatten, wenn sie ortsüblich und bei einer Reparatur tatsächlich anfallen. Ausweislich der Reparaturrechnung der … vom 19.10.2016 sind Verbringungskosten zur Lackiererei in Höhe von 136,80 € zzgl. MwSt. angefallen. Dass bei der …, mithin auf Seiten der Werkstatt. Verbringungskosten entstehen, hat der klägerischen Sachverständige (Gutachten des Sachverständigen … vom 20.10.2016, Anlage K 2) wie auch der Kläger mit Schriftsatz vom 11.01.2017 substantiiert vorgetragen. Dass die Verbringungskosten nicht ortsüblich sind, wird von der Beklagten nicht geltend gemacht. Soweit die Beklage auf die räumliche Nähe der … zur Lackierern eine Pauschale von nur 80,00 € als ausreichend ansehen will, kann dem nicht gefolgt werden. Die Verbringungskosten umfassen nicht allein die Wegstrecke zur Lackierwerkstatt, sondern auch den damit verbundenen Aufwand (Personal, etc.) seitens der das Fahrzeug überbringenden Werkstatt.
IV. Dem Kläger steht als Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 StVG i.V.m. 249 II Satz 2 BGB i.V.m. § 115 WG weiter ein Anspruch auf Freistellungen von restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 122,75 € zu. Nach der ständigen Rechtsprechung gemäß § 249 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Alternativen, den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen.
1. Das Gericht kann sich zur Bemessung der Schadenshöhe der Schadensschätzung nach § 287 ZPO bedienen. Als Schätzungsgrundlage für die Beurteilung der Höhe der Mietwagenkosten, die der Geschädigte für notwendig halten durfte, wird im hiesigen Gerichtsbezirk in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Aschaffenburg (zuletzt LG Aschaffenburg, Urteil vom 08.09.2016, Az. 23 S 63/16) in ständiger Rechtsprechung die „Schwacke-Liste Automietpreisspiegel“ für das relevante Postleitzahlengebiet des Geschädigten bzw. Schadensortes für die Ermittlung des Normaltarifs (arithm. Mittel) herangezogen. Hieran hält das erkennende Gericht nach nochmalige Überprüfung der Argumente der Parteien fest. Es existiert keine höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach der Schwacke-Mietpreisspiegel keine geeignete Schätzgrundlage ist oder der Frauenhofer-Mietpreisspiegel grundsätzlich vorzugswürdig ist (BGH, Urteil vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09, NVZ 2011, 385). Etwas anders gilt nur, wenn mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, NJW 2009, 58ff.; LG Aschaffenburg, Urteil vom 08.09.2016, Az. 23 S 63/16). Ein entsprechender Tatsachenvortrag hat die Beklagte nicht erbracht.
2. Demnach ergibt sich für die unstreitige Dauer der Mietzeit von 4 Tagen unter Zugrundelegung der Mietwagenklasse nach dem Schwacke Mietpreisspiegel für das Jahr des Unfallereignisses, mithin 2016 ein Anspruch auf Mietwagenkosten in Höhe von 457,92 € (1+3-Tagespauschale in Höhe von 337,77 € zzgl. 1×1-Tagespauschale in Höhe von 120,15 €. Hierauf hat die Beklagte einen Betrag von 335,17 € geleistet, so dass ein Betrag von 122,75 € als Restforderung verbleibt.
V. Ein Freistellungsanspruch im Hinblick auf die geltend gemachten restlichen Sachverständigenkosten besteht lediglich in Höhe von 90,90 €.
1. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens zur Schadensfeststellung gehören grundsätzlich zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03, NJW 2005, 356 m.w.N.). Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, unabhängig von dem erfolgten Ausgleich einer Rechnung. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer Begutachtung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Sicht eines verständig und wirtschaftlich denkenden Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, Urteil v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03, NJW 2005, 356). Bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, sind auch mit Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten, sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15, Rd.Nr. 18, Juris).
a. Die höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheidet grundsätzlich 3 Fallkonstellationen (vgl. zum Ganzen LG Heidelberg, Urteil vom 14.12.2016 – 1 S 15/16, BeckRS 2016, 110429):
aa. In der ersten Konstellation hat der Geschädigte die Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen ausgeglichen. In diesem Fall genügt er mit der Vorlage dieser Rechnung seiner Darlegungslast gemäß § 249 Abs.2 Satz 1 BGB hinsichtlich des erforderlichen Herstellungsaufwandes. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 II Satz 1 BGB. Denn nicht in der erstellten Rechnung als solches, sondern in dem vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachten Aufwand – mithin der Zahlung des vereinbarten Rechnungsbetrags – zeigen sich die besonderen Umstände der konkreten Situation des Geschädigten, insbesondere seine Erkenntnismöglichkeiten (BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15, Rd.Nr. 13, Juris).
bb. In der 2. Konstellation hat der Geschädigte die Rechnung nicht beglichen. Der Rechnung liegt jedoch eine mit dem Sachverständigen abgeschlossene Vergütungsvereinbarung zu Grunde. Hier kommt es unter Abwägung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit auf der einen und der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf der anderen Seite im Einzelfall darauf an, ob die geltend gemachten Sachverständigenkosten sich noch im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwands halten. Dies schließt die Obliegenheit des Geschädigten ein, die vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten Preise eine gewisse Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen (BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15, Rd.Nr. 13, Juris).
cc. In der dritte Konstellation hat der Geschädigten mit dem Sachverständigengutachten keine Vergütungsvereinbarung getroffen und die Sachverständigenrechnung auch nicht beglichen hat. In diesem Fall ist daher die übliche Vergütung für die seitens des Sachverständigen erbrachte Dienstleistung gemäß § 632 Abs. 2 BGB als vereinbart anzusehen. Nur diese Vergütung bestimmt dann den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag. Die Zahlung eines höheren Betrags wäre demnach im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 471/12, Rd.Nr. 28 Juris).
b. Der Kläger hat vorliegend die Sachverständigenrechnung nicht bezahlt, allerdings hat der beweisbelastete Kläger den Nachweis geführt, dass er im Rahmen der Auftragsvergabe am eine Vergütungsvereinbarung mit dem Sachverständigen abgeschlossen hat (vgl. Anlage K10, Bl. 61 d.A.), mithin ist die zweite Konstellation (bb) gegeben.
aa. Das Grundhonorar des Sachverständigen … ist gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Die Beklagte hat keine substantiierten Einwendungen gegen die Höhe des Grundhonorars erhoben, insbesondere dass es außerhalb eines Verhältnisses zu dem Reparaturkosten (netto) zuzüglich merkantile Wertminderung, mithin 3.393,56 € steht. Nach der BVSK-Honorarbefragung 2015, die insbesondere seitens des OLG München zugrunde gelegt wird (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016, 04574; a.A. OLG Bamberg, Urt. Vom 23.02.2017 – 1 U 63/16), liegt der Wert nur äußerst geringfügig außerhalb des für eine Schadenshöhe zwischen 3.250 – 3.500 € geltenden Spanne (HB V Korridor) von 458 € bis 499 €. Dass dem Geschädigten daher das Grundhonorar überzogenen erscheinen musste, ist nicht ersichtlich. Das Grundhonorar ist daher gemäß § 287 ZPO mit 500,00 € anzusetzen.
bb. Dass dem Geschädigten die Nebenkosten, mithin die Fahrtkosten in Höhe von 0,70 € je km, die EDV-Abrufkosten in Höhe von 20,00 €, die Fotokosten in Höhe von je 2,25 €, 2. Fotosatz /Fabre in Höhe von je 1,00 €, die Schreibkosten in Höhe von 1,65 € je Seite, die Kosten für Originalseiten (ohne Bildseiten) je 0,60 € und Verstand / Porto- und Telefonkosten in Höhe von 15,00 € als überhöht erscheinen mussten, hat die Beklagten vorliegend nicht dargetan.
(1) Die Fotokosten in Höhe von 2,25 € pro Foto sowie auch die Kosten für den 2. Fotosatz von 1,00 € pro Stück liegen zwar über den in der BVSK-Honorarbefragung 2015 ermittelten Nebenkosten; im Fall des 2. Fotosatzes liegen die Kosten sogar 100 % über dem ermittelten Betrag. Auch ist eine Laie nach Rechtsprechung des BGH im täglichen Leben regelmäßig mit bestimmten Kosten, wie auch denen für Lichtbilder, konfrontiert, so dass er auch ohne besondere Sachkunde abschätzen kann, wann derartige Kosten überhöht sind. Das OLG Bamberg hat mit seiner Entscheidung vom 23.02.2017 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.04.2016 ausgeführt, dass ein übliches Honorar bei privaten Sachverständigen nicht existiert, vielmehr die Honorar eine erhebliche Bandbreite aufweisen, so das es bereits ein objektiver Orientierungsmaßstab für den Geschädigten nicht existiert. Insbesondere müsse berücksichtigt werden, dass die interne Kalkulation des KFZ-Sachverständigen dem Geschädigten regelmäßig nicht bekannt ist und ihm auch nicht bekannt sein muss, zumal private KFZ-Sachverständige, anders als gerichtliche Sachverständige, auch im Bereich der Nebenkosten Gewinne erzielen können. Das OLG Bamberg hat Lichtbildkosten in Höhe von 2,95 € bzw. 2,10 € für ein 2. Lichtbild als nicht deutlich überhöht angesehen. Da sich die vorliegenden Fotokosten unterhalb dieses Rahmens bewegen, mussten sie dem Geschädigten im Wegen seine durchzuführenden Plausibilitätsprüfung nicht als deutlich überhöht erscheinen.
(2) Gleiches gilt für die vorliegend geltend gemachten Schreibkosten in Höhe von 1,65 € pro Seite. Nach der Honorarbefragung der BVSK 2015 können Schreibkosten mit 1,80 € pro Seite angesetzt werden. Die geltend gemachten Schreibkosten sind demnach nicht zu beanstanden.
(3) Das OLG Bamberg hat auch die Pauschale von Telefon-/EDV-Kosten, Büromaterial, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 € nicht beanstandet. Da vorliegend die EDV-Kosten in Höhe von 20,00 € Versand /Porto- und Telefonkosten in Höhe von 15,00 € diese Pauschale – auch bei Addition der Schreibkosten und Körten der Originalseiten in Höhe von 16,50 € bzw. 9,00 € – nicht erreichen, sind diese nicht zu beanstanden. Die Versand-, Porto- und Telefonkosten stehen im Übrigen im Einklang mit der Honorarbefragung 2015 der BVSK und sind demnach zu erstatten.
(4) Dass Fahrtkosten des Sachverständigen angefallen sind, ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts daraus, dass der Sachverständige seinen Sachverständigenbüro in Aschaffenburg betreibt, der Pkw jedoch ausweislich des Gutachtens (Anlage K3, Bl. 7 d.A.) in Hösbach besichtigt wurde. Aus Sicht des Gerichts ist kann vorliegend pro gefahrenen Kilometer ein Betrag von 0,70 € in Ansatz gebracht werden. Dies deckt sich der Betrag mit dem in der BVSK (Bundesverbandes der freien und unabhängigen Sachverständigen) Honorarbefragung 2015 ermittelten Betrag für Fahrkosten (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016, 04574). Dem Geschädigten musste daher der Betrag von 0,70 € pro gefahrenem Kilometer im Rahmen seiner Plausibilitätsprüfung nicht als unangemessen erscheinen.
2. Ein restlicher Schadensersatzanspruch besteht in Höhe von 90,90 €. Dem Kläger steht ein Anspruch 725,90 €, mithin 610,00 € zzgl. MwSt, worauf die Beklagte eine Zahlung von 635,00 € geleistet hat.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO, da die Klägerin nur geringfügig unterliegt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.