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Verkehrsunfall – Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Fahrzeugreinigung

AG Tuttlingen – Az.: 3 C 683/18 – Urteil vom 26.06.2019

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Ansprüchen des Autohauses N. Tuttlingen, aus den Rechnungen Nummer RDG 11….69 in Höhe von 53,70 € freizustellen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 70 % und die Beklagte 30 zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 184,06 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung aus der Rechnung mit der Rechnungsnummer RDG 11…69 in der titulierten Höhe aus § 7, 17 StVG, 249, 257 BGB, 115 VVG.

Es handelt sich um eine Klage aufgrund restlicher Reparaturkosten die aufgrund eines Verkehrsunfalls entstanden sind; die Klage lautet auf Freistellung, da die Rechnungen noch nicht beglichen worden sind.

Die volle Haftung der Beklagten zu 100 % steht nicht im Streit. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne den Verkehrsunfall stünde. Grundsätzlich stellen dabei auch Sachverständigenkosten einen ersatzfähigen Schaden dar, da sie zur Feststellung der Schadenshöhe notwendig sind (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 249 Rn. 58).

Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand vom Schädiger nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13, Rn. 15). Der danach erforderliche Herstellungsaufwand muss dabei auch die spezielle Situation des Geschädigten in den Blick nehmen, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 – VI ZR 491/15 – , juris). Den Geschädigten trifft jedoch eine Schadensminderungsobliegenheit.

Grundsätzlich trifft den Schädiger – und seine hinter ihm stehende Versicherung – das so genannte Werkstattrisiko. Es würde dem Sinn und Zweck des §§ 249 BGB widersprechen, wenn er bei der Wiederherstellung des vorigen Zustands im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bleibt, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfindet (Näser, NJW-Spezial 2018,457, BGH NJW, 1975, 160). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (AG Kassel Urt. v. 8.2.2018 – 435 C 4137/17, BeckRS 2018, 1874, Rn. 11).

Auf dieses Werkstattrisiko kann sich der Geschädigte allerdings nicht berufen, wenn er selbst hinreichende Kenntnis hat, dass Positionen auf der Reparaturrechnung aufgeführt sind, die von ihm nicht geschuldet sind. Dies nicht einmal dann, wenn diese Position auch in dem Schadensgutachten enthalten war (a.a.O, RN.13). Ebenfalls hat der Geschädigte hinreichende Kenntnis, wenn die Arbeitsschritte objektiv nicht erforderlich waren und die Rechnung bezahlt wurde (AG Recklinghausen, Urteil vom 15.1.2018 – 51 C 232/1, SVR 2018, 391). Dann bestünde ein Anspruch des Schädigers auf Abtretung Zug-um-Zug, der von Amts wegen zu beachten wäre (AG Viechtach, Endurteil vom 03.08.2017 – 4 C 44/17, BeckRS 2017, 149554, LG Saarbrücken NJW-RR 2013, 275). Dies ist jedoch ausgeschlossen, wenn – wie hier – auf Freistellung geklagt wird, da die Rechnung noch nicht gezahlt wurde. Insoweit fehlt es am schutzwürdigen Vertrauen des Geschädigten (AG Recklinghausen, SVR 2018, 391).

Die Beklagte hat zu Unrecht die Position Lackkosten um 53,70 € gekürzt, die Abzüge der restlichen Positionen sind nicht zu beanstanden, die Klage mithin soweit abzuweisen.

1. Farbtonfindung

Verkehrsunfall - Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Fahrzeugreinigung
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

a. Der Abzug i.H.v. 53,70 € für die elektronische Fahrbestimmung war nicht rechtmäßig. Die Summe von 53,70 € ergibt sich aus dem Gutachten des Schadensgutachters b., welcher das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Unfall begutachtete. Die Beklagte zog diesen Betrag ab und monierte, dass im Rahmen der Lackvorbereitungsarbeiten entweder eine Farbtonfindung auf konventionelle Art und Weise oder mithilfe eines Spektralfarbton-Messgeräts durchgeführt wird; eine gleichzeitige Verwendung und Abrechnung beider Methoden sei jedoch nicht zulässig. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu beanstanden, findet jedoch keine Grundlage im hiesigen Fall.

b. Dass doppelt abgerechnet wurde, wurde zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Zwar ist grundsätzlich der Kläger beweisbelastet für die entstandenen Positionen, auch fehlt es hier – wie oben ausgeführt – an einer Indizwirkung der Rechnung. Hier hat jedoch die Beklagte nicht die Ortsüblichkeit bzw. Erforderlichkeit der Rechnung bestritten, sondern einen konkreten Sachverhalt behauptet, mithin der, dass doppelt abgerechnet wurde. Hierfür wurde kein Beweis angeboten, es wurde nicht einmal dargelegt, weswegen die Beklagte zu dieser Auffassung kommt. Eine solche Behauptung „ins Blaue hinein“, und ohne jegliches Beweisangebot, ist im Falle des Bestreitens als nicht erwiesen anzusehen. Der Abzug muss daher als willkürlich angesehen werden, die Position ist begründet.

2. Reinigungskosten

Der Abzug bei der Position „Reinigung“ ist rechtmäßig erfolgt. Es handelt sich bei der Position Endreinigung aufgrund Verschmutzung wegen durchgeführter Reparaturarbeiten bis zu einem gewissen Grad zu den allgemeinen Lästigkeiten, die ein Unfallgeschädigter mitzunehmen hat und was durch die allgemeine Unfallpauschale abgedeckt ist (SVR 2018, 391). Dies gilt umso mehr, als dass grundsätzlich eine Reinigung selbst verursachter Verschmutzung bereits vom Grundhonorar/üblichem Arbeitsaufwand abgedeckt sein müsste. Etwas Anderes könnte anzunehmen sein, wenn durch die Reparatur eine über das übliche und hinzunehmende Maß an Verschmutzung entstanden wäre; hierzu wurde jedoch nichts vorgetragen.

3. Restliche Mietwagenkosten

a. Die restlichen Mietwagenkosten sind unbegründet, die Beklagte hat bereits das erforderliche reguliert. Soweit es um die Angemessenheit der Mietwagenkosten geht, hat das Gericht eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vorzunehmen, wobei eine Schätzung nicht im leeren Raum zu erfolgen hat, sondern eine geeignete Schätzgrundlage benutzt werden muss. Sowohl die Fraunhofer- wie auch die Schwacke-Liste sind geeignete Schätzgrundlagen. Auffällig ist jedoch die große Diskrepanz dieser beiden Listen. Aus diesem Grund ist es ständige Rechtsprechung des Amtsgerichts Tuttlingen und auch höchstrichterlich bestätigt angemessen, als Schätzgrundlage das arithmetische Mittel der beiden Listen, die sog. „Fracke-Liste“, zu verwenden (beispielhaft LG Frankfurt, Urteil vom 20.12.2018 NJW-RR 2019, 472).

b. In der Fahrzeugklasse 5 beträgt der Median der unterschiedlichen angegebenen Kosten anhand der Schwacke-Liste im Postleitzahlgebiet 785** 341,75 € inklusive Mehrwertsteuer, nach der Fraunhofer-Liste sind dies wiederum 284,72 €. Beide Positionen gelten für 5 Tage, was auch der Dauer der Miete hier entspricht. Das arithmetische Mittel beider Listen beläuft sich auf 284,72 €. Die Beklagte hat 286,18 € reguliert, was diesen Betrag übersteigt, somit kann vonseiten des Klägers keine weitere Regulierung verlangt werden; insoweit war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

 

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