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Verkehrsunfall: Erstattung der Kfz-Sachverständigenkosten bei einem Bagatellschaden

LG Darmstadt, Az.: 6 S 132/12

Urteil vom 14.12.2012

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 22.06.2012 – Az: 36 C 344/11-, dem Kläger am 28.06.2012 und der Beklagten am 05.07.2012 zugestellt, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 111,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitere Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben der Kläger 24 % und die Beklagte 76 % zu tragen. Die Kosten der zweiten Instanz haben der Kläger zu 42 % und die Beklagte zu 58 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung von Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht.

Nach einem Verkehrsunfall wurde er von der Geschädigten mit der Erstellung einer sogenannten „LowCost Pauschalkalkulation“ beauftragt.

Verkehrsunfall: Erstattung der Kfz-Sachverständigenkosten bei einem Bagatellschaden
Symbolfoto: AndreyPopov/Bigstock

Für die Erstellung der Kalkulation stellte der Sachverständige der Geschädigten einen Betrag von insgesamt 203,67 € in Rechnung. Dieser gliedert sich auf in Nettosachverständigenkosten in Höhe von 10 % der Reparaturkosten, nämlich 48,15 € sowie Kosten für Aufwendungen wie Fahrtkosten (mehr als 45 Kilometer in Höhe von 42,00 €), Lichtbilder (24 mal 2,00 € = 48,00 €), 5 Seiten (10,00 €), Kopien (3 mal 5 mal 0,50 € in Höhe von 7,50 €) und Fremdkosten (15,50 €).

Der Fahrzeugschaden betrug netto 481,25 € (netto) und brutto 572,69 €.

Die Versicherung des Schädigers, die Beklagte, zahlte darauf ledig 57,27 €.

Der Rest der Rechnung ist Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, mit der Erstattung ortsüblicher Kosten für einen Kostenvoranschlag in Höhe von 57,27 € seien sämtliche Ansprüche der Geschädigten in Bezug auf den Ersatz von Sachverständigenkosten ausgeglichen.

Bei derartig geringen Fahrzeugschäden bestehe eine Schadensgeringhaltungspflicht; Fahrtaufwendungen von mehr als 45 Kilometern hat sie, ebenso wie das Anfallen der spezifizierten übrigen Aufwendungen bestritten.

Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 63,04 € stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, dass der Geschädigte im Falle eines Kraftfahrzeugschadens grundsätzlich Sachverständigenkosten von pauschal bis zu 25 % der Nettoreparaturkosten verlangen könne. Dies sei im Vorliegenden Fall 120,31 €. Damit seien allerdings sämtliche weiteren, für die Erstellung der Kalkulation anfallenden Positionen abgegolten.

Dagegen streiten die zugelassene Berufung des Klägers, der weiterhin alles, nämlich restliche 83,36 € und die Anschlussberufung der Beklagten, die gar nichts zahlen will.

Die formell nicht zu beanstandende Berufung des Klägers hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Sachverständigenkosten gehören grundsätzlich zu dem Aufwand, den ein Geschädigter gemäß § 249 BGB vom Schädiger, beziehungsweise dessen Haftpflichtversicherer, verlangen kann.

Der Höhe nach beschränkt sich dieser Anspruch auf den erforderlichen Geldbetrag, das heißt auf die Aufwendung, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzusteifen (BGH, NJW 2005, 356 ff).

Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachtens ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt.

Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere kostengünstigere Schätzungen, wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebes ausgereicht hätten.

Vorliegend ist ein Nettoschaden in Höhe von 481,25 €, entsprechend einem Bruttoschaden von 527,69 €, gegeben; der Schaden liegt damit unter der Grenze, die von der Rechtsprechung mit etwa 700,00 € angesetzt wird.

Dass dies vorliegend für jeden Laien jedoch ohne weiteres erkennbar gewesen wäre, ist weder substantiiert noch nachvollziehbar dargetan worden.

Insbesondere bringt es die moderne Fahrzeugtechnik mit sich, dass der Umfang des Schadens für einen technischen Laien immer schwerer abschätzbar wird. Es ist gerichtsbekannt, dass auch bei äußerlich nur geringfügig erscheinenden Schadensbildern teilweise tiefer gehende Schäden entstanden sind, die für einen Laien nicht erkennbar sind. Dazu kommt vorliegend, dass hier ersichtlich nur ein „abgespecktes“ Gutachten, mithin etwas erstellt und auch berechnet wurde, was zwischen Gutachten- und Kostenvoranschlag anzusiedeln ist.

Von daher erscheinen der Kammer die angesetzten 10 % von den Nettoreparaturkosten, die sonst nach ständiger Rechtsprechung der Kammer 25 % betragen, angemessen und gerade nicht überhöht.

Die Grenze, was noch zur Herstellung erforderlich ist, ist erst dann überschritten, wenn der Geschädigte auf Kosten des Schädigers einen beliebigen, objektiv willkürlichen Preis mit den Sachverständigen vereinbart. Dies ist hier jedoch gerade nicht ersichtlich.

Allerdings sind hier Fahrtkosten von 42,00 € für mehr als 45 Kilometer – die Entfernung vom Wohnort der Geschädigten zum Sitz des Klägers beträgt einfach 110 Kilometer – weder zweckmäßig, noch notwendig. Die Geschädigte hätte vor Ort einen Sachverständigen beauftragen können und müssen.

Hier ist allenfalls eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 17,41 €, entsprechend dem Gesamtdurchschnitt einer Mitgliederbefragung des …, entsprechend dem Gutachten der … vom 31.08.2006, anzusetzen (§ 287 ZPO).

Entsprechend diesen Ausführungen war die Beklagte zur Zahlung weiterer 48,67 € zu verurteilen und die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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