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Verkehrsunfall – Erschütterung des Anscheinsbeweises nach Spurwechsel

Auf der A5 bei Butzbach kracht es: Ein riskantes Überholmanöver endet in Blechsalat und einem juristischen Schlagabtausch um die Schuldfrage. Wer hat beim Spurwechsel gepennt und muss nun für den Schaden blechen? Das Amtsgericht Friedberg zieht die Zeugenaussagen auf die Goldwaage und entscheidet, wer den Schwarzen Peter bekommt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Kläger fordert Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall auf der Autobahn A5.
  • Die Kollision erfolgte bei einem Spurwechsel der Erstbeklagten, die den Kläger übersehen haben soll.
  • Das Gericht musste klären, ob der Kläger ebenfalls einen Spurwechsel vorgenommen hatte.
  • Die Beweisaufnahme ergab, dass der Anscheinsbeweis für eine Missachtung der Sorgfaltspflichten der Erstbeklagten spricht.
  • Die Erstbeklagte konnte den Anscheinsbeweis nicht widerlegen.
  • Der Kläger erhielt vollen Schadensersatz, da die Schuld der Erstbeklagten nicht widerlegt wurde.
  • Das Gericht entschied, dass die Sorgfaltsanforderungen bei einem Spurwechsel sehr hoch sind.
  • Die Aussagen der Zeugen stützten die Behauptung des Klägers, dass er keinen Spurwechsel vornahm.
  • Das Urteil betont die hohe Verantwortung des Spurwechslers im Straßenverkehr.
  • Die Beklagten müssen die gesamten Kosten des Verfahrens tragen.

Gerichtsurteil beleuchtet Anscheinsbeweis bei Spurwechsel-Unfällen

Spurwechsel im Straßenverkehr sind alltäglich. Oftmals verlaufen sie ohne Probleme, doch bei unglücklichen Umständen kann es schnell zu einem Unfall kommen. Besonders schwierig wird es für die Gerichte dann, wenn der Unfallhergang unklar ist und die Beteiligten unterschiedliche Versionen der Ereignisse schildern. Häufig versuchen die beteiligten Fahrer sich durch Behauptungen zu entlasten, die sich oft nicht beweisen lassen. In solchen Fällen greift die sogenannte „Anscheinsbeweisregel“. Diese besagt, dass derjenige, der einen Unfall verursacht hat, beweisen muss, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um den Unfall zu vermeiden.

Diese Beweisregel ist nicht unumstritten und wird von den Gerichten in Einzelfällen unterschiedlich angewendet. Im Fall von Spurwechseln stellt sich die Frage, ob die anscheinende Beweislast ausreichend ist, um einem Fahrer, der den Spurwechsel durchgeführt hat, die Schuld am Unfall zuzuweisen. Ein aktuelles Gerichtsurteil beleuchtet diese Frage nun unter der Prämisse, dass der Unfall durch einen Fahrfehler beim Spurwechsel verursacht wurde. Dieses Urteil zeigt, wie kompliziert die Abwägung der Beweislast im Falle eines Verkehrsunfalls ist und welche Faktoren relevant sind, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen.

Spurwechsel-Unfall? Wir helfen Ihnen, den Durchblick zu behalten.

Wurden Sie in einen Unfall verwickelt, bei dem ein Spurwechsel eine Rolle spielte? Die Beweislage ist oft komplex und die Schuldfrage schwer zu klären. Wir kennen die Rechtsprechung rund um die Anscheinsbeweisregel und können Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Situation geben.

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Der Fall vor Gericht


Spurwechsel auf der Autobahn führt zu Kollision und Haftungsfrage

Am 12. Februar 2015 ereignete sich auf der Autobahn A5 in der Gemarkung Butzbach ein Verkehrsunfall, der zu einer rechtlichen Auseinandersetzung vor dem Amtsgericht Friedberg (Hessen) führte. Der Fall drehte sich um einen Spurwechsel und die damit verbundene Haftungsfrage. Zwei Fahrzeuge kollidierten auf der mittleren Fahrspur, wobei die genauen Umstände des Unfalls zwischen den Beteiligten umstritten waren.

Der Kläger fuhr mit seinem Audi auf der A5 in Richtung Frankfurt am Main. Zur gleichen Zeit wollte die Erstbeklagte mit ihrem ebenfalls von Audi stammenden Fahrzeug an der Anschlussstelle Butzbach auf die Autobahn auffahren. Nach dem Einfädeln auf der rechten Spur beabsichtigte die Erstbeklagte, einen vor ihr fahrenden Lkw zu überholen. Bei dem Versuch, auf die mittlere Spur zu wechseln, kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers.

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Klärung des genauen Unfallhergangs und der damit verbundenen Schuldfrage. Der Kläger behauptete, durchgehend auf der mittleren Spur gefahren zu sein, während die Beklagten argumentierten, der Kläger habe selbst einen Spurwechsel von der linken auf die mittlere Spur vollzogen. Diese unterschiedlichen Darstellungen führten zu der zentralen Frage, wer die Verantwortung für den Unfall zu tragen hatte.

Anwendung der Anscheinsbeweisregel bei Spurwechsel auf der Autobahn

Das Amtsgericht Friedberg wendete in seinem Urteil die sogenannte Anscheinsbeweisregel an. Diese Regel besagt, dass grundsätzlich von einer vollen Haftung des Spurwechslers auszugehen ist, wenn die Kollision in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel steht. Dies ergibt sich aus den hohen Sorgfaltsanforderungen, die § 7 Abs. 5 StVO an einen Spurwechsler stellt.

Im vorliegenden Fall sprach der Anscheinsbeweis zunächst gegen die Erstbeklagte, da unbestritten war, dass sie von der rechten auf die mittlere Spur wechseln wollte oder gewechselt hatte. Die Kollision ereignete sich auf der mittleren Fahrspur, was den zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel der Erstbeklagten untermauerte.

Das Gericht prüfte sorgfältig, ob die Beklagtenseite diesen Anscheinsbeweis erschüttern konnte. Dazu wurden Zeugenaussagen herangezogen und die Plausibilität der vorgebrachten Argumente bewertet. Weder die Erstbeklagte noch die Zeugin konnten den Audi des Klägers vor der Kollision sehen, was die Behauptung eines Spurwechsels des Klägers nicht stützte. Das Gericht sah in der fehlenden Wahrnehmung des klägerischen Fahrzeugs eher die Möglichkeit einer Unaufmerksamkeit oder eines Übersehens im toten Winkel.

Beweislast und Zeugenaussagen im Verkehrsunfallprozess

Die Beweisführung in diesem Verkehrsunfallprozess erwies sich als komplex. Die Beklagtenseite trug die Beweislast, um den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern. Sie musste eine ernsthafte und naheliegende Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs darlegen und beweisen.

Die Zeugenaussagen spielten eine entscheidende Rolle in der Beweiswürdigung des Gerichts. Die Zeugin, die vor der Erstbeklagten fuhr, konnte die Kollision nicht direkt beobachten. Ihre Vermutungen über einen möglichen Spurwechsel des Klägers basierten lediglich auf Rückschlüssen und nicht auf konkreten Beobachtungen. Das Gericht bewertete diese indirekten Schlussfolgerungen als nicht ausreichend, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Auch die zeitlichen Angaben der Zeugin wurden vom Gericht kritisch hinterfragt. Die Schätzung von 10-15 Sekunden zwischen dem Bemerken des Ausscherens der Erstbeklagten und dem Kollisionsgeräusch wurde als weniger aussagekräftig eingestuft als die Beschreibung der Zeitspanne als „drei Augenblicke“. Diese Einschätzung unterstützte die Annahme, dass sich der Unfall in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Spurwechsel der Erstbeklagten ereignete.

Urteil und Schadensersatzanspruch des Klägers

Das Amtsgericht Friedberg kam zu dem Schluss, dass es der Beklagtenseite nicht gelungen war, den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern. Die Beklagten konnten keine ausreichenden Beweise vorlegen, die eine ernsthafte und naheliegende Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs belegt hätten.

Aufgrund dieser Beweiswürdigung entschied das Gericht zugunsten des Klägers. Es sprach ihm vollen Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallgeschehen zu. Die Beklagten wurden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1321,58 € nebst Zinsen sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 179,27 € zu zahlen.

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Anscheinsbeweisregel bei Verkehrsunfällen, insbesondere bei Spurwechseln auf der Autobahn. Es zeigt auch, wie wichtig eine sorgfältige Beweisführung und die kritische Würdigung von Zeugenaussagen in solchen Fällen sind. Für Verkehrsteilnehmer unterstreicht dieser Fall die hohe Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel und die möglichen rechtlichen Konsequenzen bei Unfällen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt die strikte Anwendung der Anscheinsbeweisregel bei Unfällen im Zusammenhang mit Spurwechseln auf Autobahnen. Es unterstreicht die hohe Sorgfaltspflicht des Spurwechslers und die Schwierigkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Für Verkehrsteilnehmer bedeutet dies, dass bei Spurwechseln äußerste Vorsicht geboten ist, da im Falle eines Unfalls die Beweislast beim Spurwechsler liegt und indirekte Schlussfolgerungen oder vage Zeugenaussagen in der Regel nicht ausreichen, um die Haftung abzuwenden.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie in einen Unfall bei einem Spurwechsel verwickelt waren, hat dieses Urteil wichtige Auswirkungen für Sie. Es unterstreicht, dass die Person, die den Spurwechsel durchführt, eine sehr hohe Beweislast trägt. Die sogenannte Anscheinsbeweisregel bedeutet, dass der Spurwechsler grundsätzlich als schuldig gilt, es sei denn, er kann eindeutig beweisen, dass der Unfall anders verlaufen ist. Vage Zeugenaussagen oder Vermutungen reichen dafür nicht aus. Waren Sie der Spurwechsler, müssen Sie sehr stichhaltige Beweise vorlegen, um einer Haftung zu entgehen. Waren Sie hingegen das andere beteiligte Fahrzeug, steht die Rechtsprechung eher auf Ihrer Seite. In beiden Fällen ist es ratsam, unmittelbar nach dem Unfall möglichst viele Beweise zu sichern und detaillierte Aufzeichnungen zu machen, da die genauen Umstände entscheidend sein können.


FAQ – Häufige Fragen

Sie wollen sich auf der Straße sicher fühlen und wissen genau, wie Sie sich im Falle eines Unfalls verhalten? Die Haftungsfrage bei Spurwechselunfällen ist komplex und kann schnell zu Missverständnissen führen. In unserer FAQ-Rubrik liefern wir Ihnen zuverlässige Informationen, die Ihnen helfen, Ihre Rechte und Pflichten im Straßenverkehr besser zu verstehen.


Was ist die Anscheinsbeweisregel bei einem Spurwechsel?

Die Anscheinsbeweisregel bei einem Spurwechsel ist ein wichtiges rechtliches Instrument zur Beurteilung der Schuldfrage bei Verkehrsunfällen. Sie besagt, dass bei einer Kollision, die in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel steht, zunächst davon ausgegangen wird, dass der Spurwechsler die erforderliche Sorgfalt missachtet hat.

Diese Regel basiert auf der Erfahrung, dass Spurwechsel besonders riskante Fahrmanöver darstellen. Der Spurwechsler muss gemäß § 7 Abs. 5 StVO besondere Vorsicht walten lassen und darf andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden. Kommt es zu einem Unfall, spricht der erste Anschein dafür, dass der Spurwechsler diese Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Die praktische Bedeutung dieser Regel liegt darin, dass sie die Beweislast zugunsten des geschädigten Unfallgegners verschiebt. Der Spurwechsler muss nun darlegen und beweisen, dass er alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat oder dass der Unfall auf anderen Ursachen beruht. Dies kann beispielsweise durch Zeugenaussagen oder Gutachten erfolgen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Anscheinsbeweisregel widerlegbar ist. Der Spurwechsler kann den Anscheinsbeweis erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt und beweist, die einen atypischen Geschehensablauf nahelegen. Gelingt dies, entfällt die Beweiserleichterung für den Unfallgegner.

Die zeitliche Komponente spielt bei der Anwendung der Regel eine entscheidende Rolle. Der Zusammenhang zwischen Spurwechsel und Unfall muss unmittelbar sein. In der Rechtsprechung wurde jedoch entschieden, dass selbst ein Zeitraum von bis zu fünf Sekunden zwischen Spurwechsel und Kollision noch als unmittelbar gelten kann. Dies verdeutlicht, dass die Regel nicht nur auf Unfälle anwendbar ist, die sich direkt während des Spurwechsels ereignen.

In der Praxis führt die Anscheinsbeweisregel häufig dazu, dass der Spurwechsler die alleinige oder zumindest überwiegende Haftung für den Unfall trägt. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die den Anscheinsbeweis entkräften könnten.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Anscheinsbeweisregel nicht automatisch zu einer Alleinhaftung des Spurwechslers führt. Auch der andere Unfallbeteiligte kann eine Mitschuld tragen, etwa wenn er unangemessen schnell gefahren ist oder nicht die gebotene Aufmerksamkeit gezeigt hat. In solchen Fällen kann es zu einer Haftungsverteilung kommen.

Die Anscheinsbeweisregel entbindet Gerichte nicht von der Pflicht, den Sachverhalt sorgfältig zu prüfen. Sie dient vielmehr als Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung und kann durch konkrete Umstände des Einzelfalls widerlegt werden. Dabei müssen alle relevanten Faktoren wie Straßenverhältnisse, Sichtverhältnisse und das Verhalten aller Beteiligten berücksichtigt werden.

Für Verkehrsteilnehmer bedeutet die Existenz dieser Regel, dass beim Spurwechsel besondere Vorsicht geboten ist. Es empfiehlt sich, den rückwärtigen Verkehr gründlich zu beobachten, rechtzeitig zu blinken und sich zu vergewissern, dass der Spurwechsel gefahrlos möglich ist. Im Falle eines Unfalls ist es ratsam, möglichst viele Beweise zu sichern, die den ordnungsgemäßen Ablauf des Spurwechsels belegen können.

Die Anscheinsbeweisregel bei Spurwechseln ist somit ein wichtiges Instrument zur Klärung von Haftungsfragen im Straßenverkehr. Sie schafft eine gewisse Rechtssicherheit, indem sie typische Erfahrungssätze berücksichtigt, bleibt aber flexibel genug, um den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden.

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Wer trägt die Beweislast bei einem Unfall aufgrund eines Spurwechsels?

Bei einem Unfall aufgrund eines Spurwechsels gilt grundsätzlich der sogenannte Anscheinsbeweis zu Lasten des Spurwechslers. Dies bedeutet, dass zunächst davon ausgegangen wird, dass derjenige den Unfall verursacht hat, der die Spur gewechselt hat. Der Grund dafür liegt in der besonderen Sorgfaltspflicht, die beim Spurwechsel besteht.

Die Beweislast trägt in diesem Fall der Spurwechsler. Er muss nachweisen, dass er nicht für den Unfall verantwortlich ist oder dass andere Umstände für den Unfallhergang ausschlaggebend waren. Dies ergibt sich aus der Straßenverkehrsordnung, die in § 7 Abs. 5 vorschreibt, dass ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Der Anscheinsbeweis kann jedoch erschüttert werden. Dafür muss der Spurwechsler Tatsachen vorbringen und beweisen, die einen anderen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lassen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Spurwechsel bereits vollständig abgeschlossen war und sich das Fahrzeug schon längere Zeit auf der neuen Spur befand, bevor es zum Unfall kam.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Anscheinsbeweis lediglich eine Beweiserleichterung darstellt. Er führt nicht automatisch zur Haftung des Spurwechslers. Vielmehr verschiebt er die Beweislast. Der Spurwechsler muss aktiv darlegen und beweisen, dass der typische Geschehensablauf nicht vorlag.

In der Praxis kann die Beweisführung schwierig sein, insbesondere wenn keine Zeugen oder eindeutigen Spuren vorhanden sind. Hier können Sachverständigengutachten eine wichtige Rolle spielen, um den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren. Auch Dashcam-Aufnahmen können, sofern sie rechtmäßig erstellt wurden, als Beweismittel dienen.

Es gibt jedoch Situationen, in denen der Anscheinsbeweis nicht greift. Dies ist etwa der Fall, wenn sich der Unfall nicht in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel ereignet hat. Auch bei komplexeren Verkehrssituationen, wie etwa im Reißverschlussverfahren, kann die Beweislage weniger eindeutig sein.

Bei einem Auffahrunfall nach einem Spurwechsel kann sich die Beweislast verschieben. Hier spricht zunächst der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden, da dieser in der Regel den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten oder nicht aufmerksam genug gefahren ist. Allerdings tritt dieser Anscheinsbeweis zurück, wenn der Unfall in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel des Vorausfahrenden steht.

Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen oft eine Mithaftung beider Beteiligten angenommen. Der genaue Anteil hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und muss gerichtlich geklärt werden, wenn sich die Parteien nicht einigen können.

Es ist zu beachten, dass die Beweislastverteilung nicht nur für die Schuldfrage relevant ist, sondern auch für die Schadensregulierung. Der Geschädigte muss grundsätzlich den Schaden und dessen Höhe beweisen. Bei Personenschäden kann dies komplexe medizinische Gutachten erfordern.

Die Komplexität der Beweislastverteilung bei Spurwechselunfällen unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Unfallaufnahme und Beweissicherung. Fotos von der Unfallstelle, Zeugenaussagen und ein detailliertes Unfallprotokoll können im späteren Verlauf entscheidend sein.

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Wie kann der Anscheinsbeweis im Falle eines Spurwechsels erschüttert werden?

Der Anscheinsbeweis bei einem Spurwechsel kann durch verschiedene Methoden und Argumente erschüttert werden. Grundsätzlich muss der Spurwechsler darlegen, dass ein atypischer Geschehensablauf vorlag, der die Annahme eines Verschuldens in Frage stellt.

Eine Möglichkeit besteht darin, konkrete Umstände aufzuzeigen, die gegen die Typizität des Geschehensablaufs sprechen. Dazu gehören beispielsweise plötzliche und unvorhersehbare Ereignisse, die den Spurwechsel beeinflusst haben könnten. Ein Beispiel wäre ein unvermitteltes Ausweichmanöver aufgrund eines auf die Fahrbahn laufenden Tieres.

Auch der Nachweis einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung des anderen Verkehrsteilnehmers kann den Anscheinsbeweis erschüttern. Wenn belegt werden kann, dass der andere Fahrer deutlich schneller als erlaubt unterwegs war, könnte dies als atypischer Umstand gewertet werden, der die Einschätzung der Verkehrssituation erschwert hat.

Eine weitere Strategie ist die Darlegung technischer Defekte am Fahrzeug, die den Spurwechsel beeinflusst haben könnten. Hierzu zählen etwa ein plötzlicher Reifenplatzer oder ein Ausfall der Lenkung. In solchen Fällen wäre der Spurwechsel nicht auf ein Verschulden des Fahrers zurückzuführen.

Die Vorlage von Zeugenaussagen oder Videoaufnahmen, die den genauen Unfallhergang dokumentieren, kann ebenfalls zur Erschütterung des Anscheinsbeweises beitragen. Solche Beweise können aufzeigen, dass der Spurwechsel ordnungsgemäß und mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wurde.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist der Nachweis einer Verkehrssituation, die einen Spurwechsel erforderlich machte. Dies könnte etwa bei einer Fahrbahnverengung oder einer plötzlichen Sperrung der bisherigen Fahrspur der Fall sein. Hier ließe sich argumentieren, dass der Spurwechsel nicht freiwillig, sondern aufgrund äußerer Umstände notwendig war.

Auch die Darlegung besonderer Witterungsbedingungen kann den Anscheinsbeweis in Frage stellen. Starker Regen, Nebel oder Blendung durch die Sonne könnten die Sichtverhältnisse so stark beeinträchtigt haben, dass eine normale Einschätzung der Verkehrssituation nicht möglich war.

In manchen Fällen kann auch der Nachweis einer Ablenkung des anderen Verkehrsteilnehmers zur Erschütterung des Anscheinsbeweises führen. Wenn beispielsweise belegt werden kann, dass der andere Fahrer durch Handynutzung abgelenkt war, könnte dies die Annahme eines alleinigen Verschuldens des Spurwechslers in Frage stellen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die bloße Behauptung solcher Umstände nicht ausreicht. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen werden, die den typischen Geschehensablauf in Frage stellen. Die Hürde für die Erschütterung des Anscheinsbeweises ist dabei recht hoch, da die Gerichte in der Regel von der Typizität des Geschehensablaufs ausgehen.

Letztlich hängt die erfolgreiche Erschütterung des Anscheinsbeweises von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Je mehr konkrete und nachweisbare Fakten vorgebracht werden können, die gegen die Annahme eines typischen Geschehensablaufs sprechen, desto höher sind die Chancen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern.

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Welche Sorgfaltspflichten hat ein Spurwechsler?

Bei einem Spurwechsel gelten für den Fahrzeugführer besonders strenge Sorgfaltspflichten. Diese ergeben sich in erster Linie aus § 7 Absatz 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Spurwechsler muss also äußerste Vorsicht walten lassen und sich vergewissern, dass der Wechsel gefahrlos möglich ist.

Zu den konkreten Pflichten gehört zunächst, dass der Spurwechsel rechtzeitig und deutlich anzukündigen ist. Dies geschieht in der Regel durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers, umgangssprachlich auch Blinker genannt. Ein kurzes Aufblinken reicht dabei nicht aus. Der Blinker sollte so lange betätigt werden, bis der Spurwechsel abgeschlossen ist.

Vor und während des Spurwechsels muss der Fahrer zudem mehrfach und gründlich in die Außen- und Rückspiegel schauen. Ein flüchtiger Blick genügt nicht. Besonders wichtig ist auch der sogenannte Schulterblick, um den toten Winkel einzusehen. Dieser Bereich kann nämlich nicht vollständig durch die Spiegel erfasst werden.

Der Spurwechsler muss darüber hinaus die Geschwindigkeit und den Abstand der Fahrzeuge auf der Zielspur richtig einschätzen. Er darf andere Verkehrsteilnehmer nicht zum Bremsen oder Ausweichen zwingen. Vielmehr muss er selbst seine Geschwindigkeit anpassen und gegebenenfalls beschleunigen oder verzögern, um sich sicher in den fließenden Verkehr einzuordnen.

Besondere Vorsicht ist bei schlechten Sichtverhältnissen geboten, etwa bei Dunkelheit, Regen oder Nebel. Hier muss der Spurwechsler besonders aufmerksam sein und gegebenenfalls länger warten, bis er sicher ist, dass der Wechsel gefahrlos möglich ist.

In bestimmten Verkehrssituationen gelten noch zusätzliche Sorgfaltspflichten. Beim Einfädeln auf die Autobahn beispielsweise muss der Fahrer nicht nur nach hinten, sondern auch nach vorne schauen, um eine Lücke zu finden. Beim Reißverschlussverfahren an Engstellen ist zudem besondere Rücksichtnahme und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern erforderlich.

Die Rechtsprechung legt diese Sorgfaltspflichten sehr streng aus. Bei einem Unfall im Zusammenhang mit einem Spurwechsel spricht der erste Anschein für ein Verschulden des Spurwechslers. Um diesen Anschein zu widerlegen, muss der Spurwechsler nachweisen, dass er alle erforderlichen Sorgfaltsmaßnahmen getroffen hat und der Unfall trotzdem nicht zu vermeiden war.

Die strengen Anforderungen an Spurwechsler dienen letztlich der Verkehrssicherheit. Ein unachtsamer Spurwechsel kann schwere Unfälle verursachen, insbesondere wenn große Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Fahrspuren bestehen. Die gründliche Beobachtung des Verkehrs und die deutliche Ankündigung des Manövers sollen andere Verkehrsteilnehmer schützen und ihnen die Möglichkeit geben, rechtzeitig zu reagieren.

Für Fahranfänger, aber auch für erfahrene Fahrer, ist es ratsam, diese Sorgfaltspflichten zu verinnerlichen und bei jedem Spurwechsel bewusst umzusetzen. Eine kurze mentale Checkliste – Blinker, Spiegel, Schulterblick, Einschätzung der Verkehrslage – kann dabei helfen, keinen wichtigen Schritt zu vergessen und so die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.

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Welche Rolle spielen Zeugenaussagen bei der Klärung eines Spurwechselunfalls?

Bei Spurwechselunfällen spielen Zeugenaussagen eine entscheidende Rolle für die Klärung des Unfallhergangs und die Feststellung der Schuldfrage. Grundsätzlich gilt bei solchen Unfällen der Anscheinsbeweis zu Lasten des Spurwechslers. Das bedeutet, dass zunächst davon ausgegangen wird, dass derjenige, der die Spur gewechselt hat, den Unfall verursacht hat. Zeugenaussagen können diesen Anscheinsbeweis jedoch erschüttern oder bestätigen.

Besonders relevant sind Aussagen von unbeteiligten Dritten, die den Unfallhergang direkt beobachtet haben. Diese gelten als besonders glaubwürdig, da sie in der Regel kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Ihre Schilderungen können detaillierte Informationen über den genauen Ablauf des Spurwechsels, die Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge und eventuelle Fehlverhalten liefern.

Auch Aussagen von Beifahrern oder anderen Fahrzeuginsassen können wichtige Hinweise geben, werden aber oft kritischer betrachtet, da eine gewisse Parteilichkeit vermutet werden kann. Dennoch können sie wertvolle Details liefern, die zur Aufklärung beitragen.

Bei der Bewertung von Zeugenaussagen berücksichtigen Gerichte verschiedene Faktoren. Dazu gehören die Konsistenz der Aussage, die Detailliertheit der Schilderung und die Frage, ob der Zeuge den Unfall tatsächlich aus einer Position beobachten konnte, die ihm einen guten Überblick ermöglichte. Widersprüchliche Aussagen verschiedener Zeugen werden sorgfältig gegeneinander abgewogen.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht nur Aussagen über den eigentlichen Unfallhergang relevant sein können. Auch Beobachtungen unmittelbar vor oder nach dem Unfall können wichtige Indizien liefern. So kann beispielsweise die Aussage eines Zeugen über riskante Fahrmanöver eines Beteiligten kurz vor dem Unfall die Beurteilung der Schuldfrage beeinflussen.

Für Unfallbeteiligte ist es ratsam, mögliche Zeugen direkt am Unfallort zu identifizieren und deren Kontaktdaten zu notieren. Dies kann später von unschätzbarem Wert sein, wenn es darum geht, den Unfallhergang zu rekonstruieren. Dabei sollten auch Personen berücksichtigt werden, die vielleicht nur Teile des Geschehens beobachtet haben.

In manchen Fällen können auch indirekte Zeugen eine Rolle spielen. Das können beispielsweise Personen sein, die zwar den Unfall selbst nicht gesehen haben, aber unmittelbar danach am Unfallort waren und Beobachtungen über die Positionen der Fahrzeuge oder das Verhalten der Beteiligten machen können.

Die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Dazu gehören der zeitliche Abstand zwischen Unfall und Aussage, mögliche Beeinflussungen durch Gespräche mit anderen Beteiligten oder Zeugen sowie die generelle Erinnerungsfähigkeit des Zeugen. Gerichte berücksichtigen diese Faktoren bei der Bewertung der Aussagen.

Es ist zu beachten, dass Zeugenaussagen allein nicht immer ausreichen, um einen Unfallhergang zweifelsfrei zu klären. Oft werden sie in Kombination mit anderen Beweismitteln wie Unfallgutachten, Fotos vom Unfallort oder Dashcam-Aufnahmen betrachtet, um ein möglichst vollständiges Bild des Geschehens zu erhalten.

In komplexen Fällen kann es vorkommen, dass Zeugen mehrfach befragt werden, um Unklarheiten auszuräumen oder zusätzliche Details zu erfragen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer genauen und wahrheitsgemäßen Aussage von Anfang an.

Zeugenaussagen können auch dazu beitragen, den genauen Zeitpunkt des Spurwechsels zu bestimmen. Dies ist besonders relevant, wenn es darum geht festzustellen, ob der Spurwechsler ausreichend Zeit hatte, sich zu vergewissern, dass der Fahrstreifenwechsel gefahrlos möglich war.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Anscheinsbeweisregel: Diese Regel besagt, dass bei bestimmten typischen Unfallsituationen, wie einem Spurwechsel, ein Anschein dafür spricht, dass derjenige, der den Spurwechsel durchgeführt hat, die Schuld am Unfall trägt. Das bedeutet, dass der Spurwechsler beweisen muss, dass er alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, um den Unfall zu vermeiden. Andernfalls wird davon ausgegangen, dass er den Unfall verursacht hat.
  • Spurwechsel: Ein Spurwechsel im Straßenverkehr bezeichnet das Wechseln von einer Fahrspur auf eine andere. Dabei muss der Fahrer besondere Vorsicht walten lassen und sicherstellen, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet. Der Spurwechsler hat eine hohe Sorgfaltspflicht und muss den Wechsel rechtzeitig und deutlich ankündigen.
  • Beweislast: Die Beweislast bezeichnet die Verpflichtung einer Partei, Beweise für ihre Behauptungen im Rahmen eines Rechtsstreits vorzulegen. Im Kontext eines Verkehrsunfalls bedeutet dies, dass derjenige, der einen Spurwechsel durchgeführt hat und in einen Unfall verwickelt ist, beweisen muss, dass er dabei keine Fehler gemacht hat, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen.
  • Zeugenaussage: Eine Zeugenaussage ist eine Aussage einer Person, die den Unfall beobachtet hat und vor Gericht über das Gesehene berichtet. Zeugenaussagen sind oft entscheidend, um den genauen Hergang eines Unfalls zu klären. Dabei kommt es auf die Glaubwürdigkeit und die Genauigkeit der Beobachtungen des Zeugen an.
  • Sorgfaltspflicht: Die Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr bedeutet, dass jeder Verkehrsteilnehmer die notwendige Vorsicht und Rücksicht walten lassen muss, um Unfälle zu vermeiden. Insbesondere beim Spurwechsel ist die Sorgfaltspflicht sehr hoch, da der Fahrer sicherstellen muss, dass keine anderen Fahrzeuge gefährdet werden.
  • Schuldfrage: Die Schuldfrage klärt, wer für einen Unfall verantwortlich ist und somit haftet. Im Zusammenhang mit einem Spurwechsel wird die Schuld häufig dem Spurwechsler zugeschrieben, wenn er die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat. Die Anscheinsbeweisregel spielt hierbei eine zentrale Rolle, da sie die Beweislast auf den Spurwechsler verlagert.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Abs. 5 StVO (Straßenverkehrsordnung): Dieser Paragraph regelt die Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel. Er besagt, dass der Spurwechsel rechtzeitig und deutlich anzukündigen ist und nur durchgeführt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall wird § 7 Abs. 5 StVO herangezogen, um die Sorgfaltspflicht der Erstbeklagten beim Spurwechsel zu beurteilen und festzustellen, ob sie diese verletzt hat.
  • § 18 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden. Im vorliegenden Fall ist § 18 StVG relevant, da die Beklagten gesamtschuldnerisch für den Schaden haften, der durch den Unfall verursacht wurde, an dem das Fahrzeug der Erstbeklagten beteiligt war.
  • § 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen. Er besagt, dass derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall ist § 823 BGB relevant, da der Kläger Schadensersatz für den durch den Unfall verursachten Schaden an seinem Fahrzeug fordert.
  • § 17 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeugführers für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden. Im vorliegenden Fall ist § 17 StVG relevant, da die Erstbeklagte als Fahrerin ihres Fahrzeugs für den Unfall verantwortlich gemacht wird und daher für den Schaden haften muss.
  • § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Verpflichtung des Versicherers, den Versicherungsnehmer von der Haftung für Schäden freizustellen, die er anderen zufügt. Im vorliegenden Fall ist § 115 VVG relevant, da die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs der Erstbeklagten verpflichtet ist, den Kläger für den Schaden zu entschädigen, den die Erstbeklagte durch den Unfall verursacht hat.

Das vorliegende Urteil

AG Friedberg (Hessen) – Az.: 2 C 578/15 (12) – Urteil vom 30.10.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1321,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 6.3.2015 sowie weitere vorgerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 179,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 6.3.2015 zu zahlen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vollen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall auf der Autobahn A5 am 12. Februar 2015.

Am genannten Tag befuhr der Kläger gegen 7:00 Uhr die A 5 mit seinem Pkw Marke Audi, amtliches Kennzeichen — in Richtung Frankfurt am Main in der Gemarkung Butzbach. Die Erstbeklagte wollte zur gleichen Zeit mit ihrem Pkw ebenfalls Typ Audi, amtliches Kennzeichen — zusammen mit anderen Fahrzeugen auf der Zufahrt der Anschlussstelle Butzbach auf die A5 auffahren. Direkt vor ihr fuhr die Zeugin — mit ihrem Pkw. Nachdem diese ebenso wie die Erstbeklagte sich auf der rechten Fahrspur hinter einem Lkw eingefädelt hatte, beabsichtigte die Erstbeklagte im Gegensatz zur Zeugin — den vor ihnen fahrenden Lkw zu überholen. Sie setzte zum Fahrspurwechsel an. In der Folgezeit kam es zur Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug dergestalt, dass dieses in Höhe der Beifahrertür beschädigt wurde, während die Schäden am Beklagtenfahrzeug sich vorne am linken Kotflügel befinden. Die Einzelheiten der Kollision, insbesondere die Frage, ob der Kläger seinerseits von der linken auf die mittlere Spur ebenfalls einen Fahrspurwechsel vorgenommen hatte, sind zwischen den Parteien umstritten.

Der Kläger hat sein Fahrzeug begutachten lassen, es wurde ein wirtschaftlicher Totalschaden bei einem Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert in Höhe von 2000 € festgestellt. Wegen der weiteren Schadensersatzpositionen wird auf die klägerische Auflistung auf Seite 4 der Klageschrift (Bl. 4 d.A.) verwiesen. Auf die klägerseits geltend gemachte Gesamtsumme in Höhe von 2643,17 € hat die Zweitbeklagte, bei der das Fahrzeug der Erstbeklagten haftpflichtversichert war, die Hälfte reguliert.

Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Auf den Inhalt der beigezogenen Unfallakten der Polizeiautobahnstation Mittelhessen Az. VU/0165754/2015 wird Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, er sei bei dichtem morgendlichen Berufsverkehr durchgehend seit dem Gambacher Kreuz auf der mittleren Fahrspur der dreispurigen A 5 gefahren mit einer ungefähren Geschwindigkeit von ca. 110 km/h, als die Erstbeklagte ihren Spurwechsel so plötzlich einleitete, dass er nicht mehr ausweichen und auch nicht mehr hätte bremsen können. Vermutlich habe die Erstbeklagte den im toten Winkel befindlichen Pkw des Klägers übersehen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 1321,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank ab dem 6.3.2015 sowie weitere nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 179,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank seit dem 6.3.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Kläger habe seinerseits vor der Kollision einen Fahrspurwechsel von der linken auf die mittlere Fahrspur eingeleitet bzw. vollzogen, ohne den bereits nach abgeschlossenen Spurwechsel von der rechten auf die mittlere Spur sich dort befindenden Pkw der Erstbeklagten zu beachten. Diese habe nach Auffahren auf die rechte Spur und nach Rückschau und Anzeige des Fahrtrichtungsanzeigers zum Überholen angesetzt und den Spurwechsel auf die mittlere Fahrspur bereits vollzogen, als es zur Kollision gekommen sei. Die mittlere Fahrspur sei vor dem Spurwechsel frei gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin –. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzungsniederschrift vom 2.10.2015 (Bl. 79-84 d. A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht voller Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 12.2.2015 zu (§§ 7, 17,18 StVG, 115 VVG, 823 ff. BGB).

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens sowie aller feststehender bzw. erwiesener Umstände hat die Beklagtenseite den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern können.

Wegen der hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO ist grundsätzlich von einer vollen Haftung des Spurwechslers auszugehen und es spricht ein Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten, wenn die Kollision in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel sich ereignet hat.

Dass die Erstbeklagte von der rechten auf die mittlere Spur wechseln wollte oder gewechselt hat steht außer Streit. Ebenfalls außer Streit steht, dass sich die Kollision auf der mittleren der drei Fahrspuren der Autobahn A5 ereignet hat.

Weder die Erstbeklagte noch die Zeugin — haben vor der Kollision den Audi des Klägers gesehen. Dementsprechend können sie keine Angaben dazu machen, dass der Audi, wie von Beklagtenseite behauptet, ebenfalls einen Spurwechsel von der linken auf die mittlere Spur vollzogen hat. Soweit die Beklagtenseite versucht, aus den Aussagen der beteiligten Fahrerinnen Rückschlüsse dahingehend zu ziehen, dass sich bei der geschilderten Unfallversion zwangsläufig ein Spurwechsel des Klägers ergäbe, kann dem das Gericht nicht folgen. Wenn die Erstbeklagte angibt, vor dem Ausscheren das Fahrzeug des Klägers nicht gesehen zu haben, deutet das nicht zwingend auf einen Spurwechsel des Klägers hin, sondern ist genauso gut mit einer Unaufmerksamkeit oder einem Übersehen des klägerischen Fahrzeugs im sogenannten toten Winkel erklärbar. Auch die Zeugin — hat die Kollision als solche nicht wahrgenommen. Ihren Angaben nach sieht sie im Rückspiegel die ausscherende Erstbeklagte, blickt anschließend nach vorne, wundert sich noch, warum das Fahrzeug der Erstbeklagte nicht an ihr vorbeizieht, hört dann akustisch die Kollision und sieht im Rückspiegel die „Teile fliegen“. Allein der Umstand, dass die Zeugin sich noch gewundert haben mag, dass es zur Kollision kommen konnte, weil hinter ihr „alles frei“ gewesen sei, lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger von der linken Spur nach rechts hinüber gezogen ist. Auch hier mag ein Übersehen des klägerischen Fahrzeugs auf der mittleren Spur vorliegen, zumindest ist es weder ausgeschlossen noch unwahrscheinlich, da die Zeugin sich auch zeitweise nach vorne zu dem vor ihr fahrenden Lkw orientiert hat. Ihrer polizeilichen Aussage in den Verkehrsunfallakten lässt sich ebenfalls lediglich eine Vermutung entnehmen auch hier schildert sie, dass sie den direkten Zusammenstoß nicht sehen konnte und zieht dann den Rückschluss, weil „aber mehrere Autos vor mir mich erfolgreich überholt hatten, dachte ich, der Unfall muss wohl durch einen Fahrspurwechsel von links nach Mitte verursacht worden sein“. Dies stellt eine vermutete Erklärung für den Unfall durch die Zeugin dar, kann jedoch die eigene Wahrnehmung eines Fahrspurwechsels nicht ersetzen. Der gegen die Beklagten sprechende Anscheinsbeweis ist auch nicht deshalb erschüttert, weil sich durch das Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen hätte, dass die Erstbeklagte zum Zeitpunkt der Kollision ihren Spurwechsel bereits vollendet hatte. Die Kollision fand unstreitig nicht parallel zum auf der rechten Spur von der Zeugin — gefahrenen Fahrzeug statt. Wenn die Zeugin — angibt, sie „würde sagen“, der Anstoß habe sich seitlich „hinter mir an meiner Heckseite“ ereignet, lässt das bei verständiger Würdigung nicht den begründeten Schluss zu, die Erstbeklagte habe sich mit ihrem Pkw bereits (längere Zeit) in Geradeausfahrt auf der mittleren Spur befunden. Gleiches gilt für die geschätzte Zeitangabe zwischen dem Bemerken des Ausscherens der Erstbeklagten im Rückspiegel und dem Kollisionsgeräusch. Unabhängig davon, dass ungeklärt ist, wie schnell die Erstbeklagte ihr Fahrmanöver durchgeführt haben will, begegnet eine Schätzung auf 10 –15 Sekunden Bedenken. Aussagekräftiger ist die Angabe der Zeugin –, dass die Zeitspanne „drei Augenblicke“ betragen habe. Auch dies legt nahe, dass sich der Unfall in unmittelbarem Zusammenhang sowohl zeitlich wie auch örtlich mit dem Ausscheren der Erstbeklagten ereignet hat und der Spurwechsel noch nicht vollzogen oder beendet war, als es zur Kollision kam.

Zusammengefasst ist es der Beklagtenseite nicht gelungen, den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern; eine ernsthafte und naheliegende Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist weder ausreichend dargelegt, vor allem aber nicht bewiesen worden. Im Gegensatz zu der von Beklagtenseite zitierten Entscheidung des BGH (Az. VI ZR 177/10, Urteil vom 13.12.2011, zitiert nach Juris) geht es vorliegend nicht um das Problem der Entkräftung eines gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweises bei einem Spurwechsel des Vordermannes. Wie die Unfallspuren unstreitig zeigen, liegt kein Auffahrunfall vor, sondern eine seitliche Berührung der Fahrzeuge. Im Übrigen sieht auch der BGH in der zitierten Entscheidung die Beklagtenseite in der Beweispflicht, die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs anhand von feststehenden Umständen nachzuweisen.

Die der Höhe nach unstreitige restliche Schadensersatzforderung war ab Verzugseintritt in gesetzlicher Höhe zu verzinsen (§§ 286, 288 BGB).

Die ebenfalls unbestrittenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgen in Höhe einer 0,65er Geschäftsgebühr orientiert an einem Streitwert von bis zu 3000 € aus den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und waren ebenfalls ab Verzugseintritt in gesetzlicher Höhe zu verzinsen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.


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