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Verkehrsunfall – Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten

AG Remscheid, Az.: 28 C 155/16, Urteil vom 22.02.2017

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 91 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 9 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Ohne Tatbestand (gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung restlicher Kosten des Privatsachverständigen in Höhe von 6,81 EUR aus §§ 7, 17, 18 StVG, 249 ff., 426 BGB, § 115 VVG.

1.

Verkehrsunfall - Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten
Symbolfoto: loraks/Bigstock

Dem Grunde nach besteht ein solcher Anspruch des Klägers in genannter Höhe. Der Verkehrsunfall wurde unstreitig von dem Beklagten zu 1. allein verursacht. Der Kläger hat zudem den Teil der Kosten des Sachverständigen, die die Beklagten nicht übernommen haben, selbst ausgeglichen. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des vorgelegten Überweisungsträgers (Anlage K 3, Bl. 32 GA) fest. Nach Vorlage des Überweisungsträgers haben die Beklagten hiergegen nichts mehr erinnert.

2.

Der Anspruch besteht allerdings nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.

a)

Die Bemessung der Schadenshöhe ist gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach der freien Überzeugung des Gerichts vorzunehmen.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Er ist dabei in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Ziel des Schadensersatzes ist es schließlich, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das schädigende Ereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nur die Kosten ersetzt verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist er grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden (vgl. für das Vorstehende BGH, Urt. v. 22.07.2014, VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151).

Indes obliegt dem Geschädigten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich auch eine gewisse Plausibilitätskontrolle der bei Vertragsschluss vom Sachverständigen geforderten Preise, wenn er nicht Gefahr laufen will, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2016, VI ZR 50/15, Rn. 13). Verlangt der Sachverständige bei Vertragsschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe nach § 287 ZPO zu bemessen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2016, VI ZR 50/15).

b)

Die Rechnung, die der Sachverständige vorliegend dem Geschädigten ausgestellt hat, hat keine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten. Die Ratio dieser Indizwirkung – nämlich den Geschädigten aufgrund seiner beschränkten Erkenntnismöglichkeiten von einer „Nachforschungspflicht“ hinsichtlich des tatsächlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Betrages zu entlasten, wenn er die Rechnung bereits gezahlt hat – greift nicht ein, wenn der überwiegende Teil der Rechnung nicht beglichen, sondern insoweit etwaige Ansprüche gegen den Schädiger abgetreten werden. Dies hat der BGH für einen Fall, in dem gar nicht gezahlt, sondern allein Ansprüche abgetreten wurden, bereits entschieden (Urt. v. 19.07.2016, VI ZR 491/15, Rn. 20 f.). Das Gericht folgt dem auch für den vergleichbaren – und hier vorliegenden – Fall, dass der Geschädigte nur den noch offenen Rest, den die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht übernommen hat, zahlt, nachdem ihm bekannt ist, dass diese eine weitergehende Zahlung verweigert.

c)

Greift eine Indizwirkung nach alledem vorliegend zwar nicht, kann der Kläger gleichwohl weitere Kosten in Höhe von 6,81 EUR brutto beanspruchen. In dieser Höhe sind neben dem Grundhonorar auch die im Streit stehenden Nebenkosten aus der Sachverständigenrechnung vom 13.05.2016 (Anlage K 2, Bl. 31 GA) erstattungsfähig.

Die Rechnung des Sachverständigen ist hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten für die reine Fahrzeit, der in Ansatz gebrachten Reisekosten von 0,80 EUR pro Kilometer und der Kosten von 1,40 EUR pro Lichtbild des 2. Satzes erkennbar überhöht und damit nicht bzw. nur in geringerem Umfang erstattungsfähig.

Das Gericht orientiert sich hierbei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH an den entsprechenden JVEG-Sätzen unter Berücksichtigung eines gewissen „Sicherheitsaufschlages“ für die Frage der Erkennbarkeit. Das JVEG ist insoweit als Orientierungsgrundlage geeignet, es beruht insbesondere auf einer umfangreichen Marktanalyse (BT-Drs. 17/11471, 145, Binz-Dörndorfer, Vorbemerkung zum JVEG, 3. Aufl. 2014, Rn. 11).

Daraus ergibt sich, dass die Fahrkosten von 0,80 EUR netto pro Kilometer erkennbar überhöht sind, da nach JVEG und auch im Alltag, etwa im Rahmen der Steuererklärung, pro Kilometer nur 0,30 EUR als erstattungsfähig anerkannt werden. Der vorliegend geltend gemachte Betrag liegt mehr als 2,5-fach darüber. Insoweit ist die Rechnung auf 0,30 EUR je Kilometer zu kürzen, was einem Nettobetrag von 10,20 EUR statt 27,20 EUR entspricht. Von dem geltend gemachten Betrag sind also 17,00 EUR netto abzuziehen.

Gleiches gilt für die Kosten des 2. Satzes Lichtbilder. Hier ist in Anlehnung an §§ 7 und 12 JVEG für den 2. Satz Fotos allein die besondere Vergütung von 0,50 Euro anzusetzen. Jedem durchschnittlichen Kunden ist aus eigener Erfahrung bekannt bzw. müsste es offenkundig sein, dass ein 2. Satz Fotos – also Abzüge des ursprünglichen Satzes – weniger aufwendig zu (re)produzieren und damit günstiger sind, als der erste Satz. Allein schon aufgrund der in gleicher Höhe geltend gemachten Kosten sowohl für den 1. als auch für den 2. Satz waren die angesetzten Kosten erkennbar überhöht. Insoweit ist die Rechnung auf 0,50 EUR je Foto für den 2. Satz zu kürzen, was einem Nettobetrag von 8,00 EUR statt 22,40 EUR entspricht. Der geltend gemachte Betrag ist daher um weitere 14,40 EUR netto zu kürzen.

Die neben der Kilometerpauschale geltend gemachten 1,50 EUR netto pro Minute für die reine Fahrzeit sind nicht erstattungsfähig, da diese mit dem Grundhonorar abgegolten sind. Fahrten zur Besichtigung des zu begutachtenden Fahrzeuges zählen zu der Gutachtenerstellung an sich und diesbezügliche Aufwendungen sind bereits über die Kilometerpauschale erfasst. Dies führt zu einem weiteren Abzug von 30,00 EUR netto.

Das abgerechnete Grundhonorar greifen die Beklagten nicht an. Die Pauschale für Telefon und Portokosten in Höhe von 10,00 EUR ist jedenfalls nicht erkennbar überhöht. Da etwa das RVG eine doppelt so hohe Pauschale vorsieht, kann von einer erkennbaren Überhöhung keine Rede sein. Der generelle Ansatz von Pauschalen ist zudem nicht zu beanstanden, da im „Massengeschäft“ Verkehrsunfallgutachten das Nachhalten jedes Telefonats, jeder Briefmarke und jedes Briefumschlages nicht zumutbar ist und auch in anderen Bereichen – wie etwa bei der Abrechnung nach RVG – nicht gefordert wird.

Ebenfalls erforderlich bzw. jedenfalls nicht erkennbar überhöht sind die Kosten für den 1. Satz Fotos. Diese bewegen sich unter den Höchstsätzen des JVEG und sind deutlich von den vom BGH für überhöht erachteten 2,45 EUR pro Foto entfernt.

Insgesamt ist vor diesem Hintergrund eine Kürzung des Rechnungsbetrages in Höhe von 61,40 EUR netto angezeigt. Aus dem sich dann noch ergebenden Nettobetrag von 388,10 EUR folgt ein Brutto-Rechnungsbetrag von 461,84 EUR. Dieser ist durch die unstreitige Zahlung der Beklagten in Höhe von 455,03 EUR bis auf noch offenen 6,81 EUR beglichen.

3.

Eine Zug-um-Zug-Verurteilung gegen Abtretung möglicher Regressansprüche gegen den Sachverständigen ist nicht angezeigt. Der Kläger hat aus obigen Erwägungen keine Rückzahlungsansprüche gegen den Sachverständigen, die an die Beklagten abgetreten werden könnten bzw. müssten.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da Gründe für eine solche Zulassung nicht ersichtlich sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch kommt vorliegend die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht, § 511 Abs. 4 ZPO. Die streitgegenständlichen Fragen sind höchstrichterlich entschieden. Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung weicht das Gericht auch nicht ab.

III.

Der Streitwert wird auf 79,88 EUR festgesetzt.

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