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Verkehrsunfall: Ersatzfähigkeit des im Tank verbliebenen Treibstoffs

AG Germersheim, Az.: 1 C 473/11, Urteil vom 08.03.2012

1. Das Versäumnisurteil vom 22.9.2011 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin 2325,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.4.2011 sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 301,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 27.8.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten, die diese als Gesamtschuldner zu tragen haben, werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Klägerin macht weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 31.3.2011 gegen 7:30 Uhr in … ereignete.

Der Zeuge … befuhr mit dem Pkw der Klägerin, Marke Ford Focus Turnier, amtliches Kennzeichen …, … Straße in Richtung … Straße. Der Beklagte zu 2. beabsichtigte, mit seinem bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversicherten Pkw, amtliches Kennzeichen …, aus der untergeordneten … Straße nach links in die … Straße einzubiegen. Hierbei kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge.

Der Pkw der Klägerin wurde bei dem Unfall beschädigt. Ausweislich des von ihr eingeholten Gutachten betrug der Wiederbeschaffungswert 5100,00 €, der Restwert 1100,00 €. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 4414,98 € netto. Für das Schadensgutachten hatte die Klägerin 777,77 € zu bezahlen. Die Kosten für die Fahrt zur Umschreibung beliefen sich auf 35,90 €, die Abschleppkosten auf 469,69 €.

Die Klägerin veräußerte er Unfall beschädigtes Fahrzeug am 11.4.2011 zum Preis von 1100,00 €. Am 15.4.2011 übermittelte die Beklagte zu 1. ein Restwertangebot in Höhe von 1770,00 €.

Die Klägerin mietete für die Zeit vom 31.3.2011 bis 13.4.2011 ein Ersatzfahrzeug an. Hierfür hatte sie 1897,81 € zu bezahlen.

Weiter macht die Klägerin eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 30,00 € sowie Schadensersatz für ein beschädigtes Mobiltelefon in Höhe von 134,00 € sowie Kraftstoffkosten in Höhe von 73,14 € geltend. Hinsichtlich dieser Positionen besteht, ebenso wie bezüglich der Mietwagenkosten, Streit.

Die Beklagte zu 1. regulierte den Unfall aufgrund einer von ihr angenommenen Haftungsquote von 50 % und zahlte insgesamt 3279,90 € an die Klägerin.

Die Klägerin trägt vor: Die Beklagten hätten ihr die anlässlich des Unfalls vom 31.3.2011 entstandenen Schäden vollständig zu ersetzen, da der Beklagte zu 2. den Unfall allein schuldhaft verursacht habe. Er sei, obwohl wartepflichtig, aus der untergeordneten … Straße in die … Straße eingebogen. Der Zeuge … habe ihm zu keiner Zeit Veranlassung gegeben, davon auszugehen, er werde auf sein Vorfahrtsrecht verzichten.

Am Tag vor dem Unfall habe der Zeuge … ihr Fahrzeug betankt und hierfür 73,14 € bezahlt. Seit dieser Betankung sei der Pkw nur einmal von … nach … und zurück bewegt worden.

Bei dem Unfall sei das Mobiltelefon des Zeugen … im Wert von 134,00 € beschädigt worden. Der Zeuge … habe seinen diesbezüglichen Schadensersatzanspruch an sie abgetreten.

Die angemessene Kostenpauschale betrage 30,00 €.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner 4553,29 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab dem zwei 22.4.2011 zu bezahlen,

2. die Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner 301,66 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Am 22.9.2011 ist im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß Versäumnisurteil gegen die Beklagten ergangen, gegen das die Beklagten mit Schriftsatz vom 11.10.2011 Einspruch eingelegt haben.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 22.9.2011 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Verkehrsunfall: Ersatzfähigkeit des im Tank verbliebenen Treibstoffs
Symbolfoto: Richard Peterson/Bigstock

Sie tragen vor: Eine Haftungsteilung sei angemessen, da auch dem Zeugen … ein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Er habe nämlich vor der Einmündung angehalten und dem Beklagten zu 2. durch ein Handzeichen und Betätigung der Lichthupe angezeigt, ihm Vorfahrt gewähren zu wollen. Der Beklagte zu 2. sei daraufhin etwa einen halben Meter nach vorne in die … Straße eingefahren, habe aber wegen von rechts kommende Fahrzeuge warten müssen. Als ein Fahrzeug vorbeigefahren sei, habe er den Abbiegevorgang fortgesetzt. Im gleichen Moment sei aber auch der Zeuge … angefahren, so dass es zum Zusammenstoß gekommen sei.

Die Klägerin müsse sich einen Restwert von 1770,00 € anrechnen lassen, entsprechend dem von der Beklagten zu 1. unterbreiteten Angebot.

Die Mietwagenkosten seien übersetzt. Die Klägerin hätte ein vergleichbares Fahrzeug zu einem Preis von 1038,68 € anmieten können.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen …. Außerdem hat es den Beklagten zu 2. informatorisch gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der reformatorischen Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 9.2.2012 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von Ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen, § 313 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 2325,19 € aus dem Verkehrsunfall vom 31.3.2011.

Die Beklagten haben der Klägerin 80 % des Schadens aus dem genannten Verkehrsunfall zu ersetzen. Die Klägerin hat sich die Betriebsgefahr ihres Pkw in Höhe von 20 % anrechnen zu lassen.

Der Beklagte zu 2. hat den Verkehrsunfall überwiegend verursacht und verschuldet. Er ist aus der untergeordneten … Straße heraus gefahren, obwohl bevorrechtigter Verkehr, vorliegend in Form des klägerischen Fahrzeugs, vorhanden war. Er hat damit gegen § 8 Abs. 1 StVO verstoßen. Dieser Verstoß führt zunächst zu der Vermutung, dass der Beklagte zu 2. den Unfall allein schuldhaft verursacht hat. Vorliegend sind aber Umstände gegeben, ein Abweichen von der Alleinhaftung der Beklagten rechtfertigen und zur Anrechnung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin führen. Der Zeuge … hat nämlich den Pkw der Klägerin vor der Einmündung der … Straße die … Straße angehalten und dem Beklagten zu 2. durch Betätigen der Lichthupe signalisiert, er könne herausfahren. Hierbei ist es ohne Bedeutung, dass der Beklagte zu 2. nach seiner eigenen Bekundung dies nicht wahrgenommen hat, da er anscheinend gerade in die andere Richtung blickte. Denn dies war dem Zeugen … nicht bewusst. Er ging vielmehr davon aus und musste davon ausgehen, dass der Beklagte zu 2. das Signal wahrgenommen hatte. Er war daher zu besonderer Sorgfalt beim Wiederanfahren verpflichtet, nachdem der Beklagte zu 2. seinerseits nicht losgefahren war. Er hätte sich vergewissern müssen, dass der Beklagte zu 2. von dem ihm eingeräumten Vorfahrtsrecht keinen Gebrauch machen werde und hierzu den Blickkontakt mit ihm suchen müssen, zumal zwischen seinem Anhalten und dem Wiederanfahren nur wenige Sekunden – nach seiner eigenen Einschätzung etwa zehn – lagen. Dass er dies nicht getan hat, rechtfertigt vorliegend eine Mithaftung der Klägerin in Höhe der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs von 20 %.

Der ersatzfähige Schaden der Klägerin beträgt 7006,36 €. Unstreitig sind die Höhe der Sachverständigenkosten von 777,77 €, der Kosten für die Umschreibung des Fahrzeugs der Klägerin von 35,90 € und der Abschleppkosten von 469,69 €.

Der Fahrzeugschaden der Klägerin beläuft sich auf 4000,00 €. Da die Klägerin ihr Fahrzeug nicht reparieren ließ, sondern eine Ersatzbeschaffung vornahm, ist fiktiv auf der Grundlage des von ihr eingeholten Gutachtens abzurechnen. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 4000,00 €. Sie war berechtigt, ihren unfallbeschädigten PKW zu dem vom Sachverständigen geschätzten Restwert in Höhe von 1100,00 € zu verkaufen. Die von dem Sachverständigen vorgenommene Schätzung ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Sie beruht auf drei vom Sachverständigen eingeholten Restwertangeboten. Die Klägerin muss sich nicht auf das Restwertangebot der Beklagten zu 1. verweisen lassen, da dieses erst nach der Veräußerung des klägerischen Pkws abgegeben wurde.

Die Höhe der angemessenen Mietwagenkosten beträgt 1528,00 €. Die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten schätzt das Gericht in ständiger Rechtsprechung auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels, der eine geeignete Grundlage für die Schätzung bildet. Zu den Normaltarifen gemäß dem Schwacke-Mietpreisspiegels kommt ein Aufschlag von 20 % für regelmäßig anfallende unfallbedingte Mehrleistungen.

Daraus ergibt sich auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2010 für den Postleitzahlenbereich 673 in der Fahrzeuggruppe 4 folgende Berechnung:

Einmal Wochenpauschale: 495,00 €

2 x 3 Tagespauschale zu je 270,00 €: 540,00 €

Summe: 1035,00 €

20 % Zuschlag: 207,00 €

Summe: 1242,00 €

Haftungsbefreiung: 13 Tage zu je 22,00 €: 286,00 €

Gesamt: 1528,00 €

Kosten für das Zubringen und Abholen des Mietfahrzeugs sind nicht zu erstatten, da die Klägerin selbst angegeben hat, dass diese Leistungen seitens der Autovermietung nicht erbracht wurden. Kosten für einen zweite Fahrer können ebenfalls nicht in Ansatz gebracht werden, da sowohl das Unfallfahrzeug als auch der Mietwagen ausschließlich durch den Zeugen … genutzt wurden. Weiterhin sind nicht erstattungsfähig in Rechnung gestellten Kosten für Winterreifen. Hierbei handelt es sich nicht um eine separat zu vergütende Zusatzleistung des Autovermieters. Vielmehr gehören Reifen, seien es nun Sommer- oder Winterreifen zur notwendigen Ausstattung eines Fahrzeugs, damit dieses überhaupt fahren kann. Woraus sich die Berechtigung ergeben soll, für das Zur-Verfügung-Stellen eines fahrfähigen Pkw ein besonderes Entgelt zu fordern, ist nicht nachvollziehbar. Werden ansonsten Fahrzeuge ohne Reifen vermietet? Diese Kosten sind damit nicht erforderlich.

Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des Wertes des noch im Tank ihres unfallbeschädigten Fahrzeugs befindlichen Benzins. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge … am Vortag des Unfalls für mehr als 70,00 € tankte und das Fahrzeug danach nur noch wenige Kilometer bewegt wurde. Das Gericht schätzt den Wert des Tankinhalts danach auf 70,00 €.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht außerdem fest, dass das Mobiltelefon des Zeugen … bei dem Unfall beschädigt wurde. Das Display war gebrochen. Der Zeuge … hat weiterhin bestätigt, dass er das Mobiltelefon im Sommer 2010 zum Preis von etwa 130,00 € erworben hatte. Das Gericht schätzt den Rest der zum Unfallzeitpunkt auf 100,00 €. Der Zeuge hat seinen diesbezüglichen Schadensersatzanspruch an die Klägerin abgetreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des angerufenen Gerichts beträgt die unfallbedingte Kostenpauschale 25,00 €.

Unter Berücksichtigung der Mithaftung der Klägerin in Höhe von 20 % beläuft sich ihr Schadensersatzanspruch auf 5605,09 €, von denen die Beklagte zu 1. bereits 3279,90 € ersetzt hat. Es verbleibt damit ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 2325,19 €.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 301,66 €.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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