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Verkehrsunfall: Ersatz von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung

LG Braunschweig, Az.: 8 S 520/11, Urteil vom 30.03.2012

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 31.10.2011 – Aktenzeichen: 3 C 183/11 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 544,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 16.04.2011 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von einer Gebührenforderung der Klägervertreter in Höhe von 108,45 € freizustellen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 15 % und der Beklagte 85 % zu tragen, die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 642,19 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, infolge dessen eines ihrer Fahrzeuge beschädigt wurde.

Durch das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 04.11.2011 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 31.10.2011, auf das hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen zunächst Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Das Amtsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da das eingereichte Sachverständigengutachten nicht ausreiche, um darzulegen, dass Verbringungskosten und UPE-Aufschläge der Klägerin bei Durchführung der Reparatur in notwendiger Weise anfallen. Ferner sei im Hinblick auf die Gebührenforderung des Klägervertreters lediglich der Ansatz einer 1,3 anstatt einer 1,5 Geschäftsgebühr gerechtfertigt.

Verkehrsunfall: Ersatz von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung
Symbolfoto: industryviews/Bigstock

Hiergegen richtet sich die am 01.12.2011 beim Landgericht eingelegte und mit Schriftsatz vom 02.01.2012, eingegangen am 03.01.2012, begründete Berufung der Klägerin.

Sie rügt, dass die Tatsache, dass die streitgegenständlichen Kostenpositionen bei Reparaturdurchführung in einer markengebundenen Fachwerkstatt generell anfallen, sich naturgemäß nicht näher konkretisieren lasse. Es sei nicht Sache der Klägerin, schätzungsweise 1.000 VW-Vertragswerkstätten in Deutschland im Einzelnen aufzuführen unter jeweiliger Behauptung, dass dort Ersatzteilpreisaufschläge und Verbringungskosten berechnet werden. Vielmehr wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, konkrete für die Klägerin zugängliche VW-Vertragswerkstätten zu benennen, bei denen keine Verbringungskosten und Ersatzteilpreisaufschläge anfallen. Ferner sei die Erhöhung der 1,3 fachen Regelgebühr auf eine 1,5 fache Gebühr einer gerichtlichen Überprüfung entzogen.

Die Klägerin beantragt daher, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Helmstedt vom 31.10.2011, Az.: 3 C 183/11, den Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin 544,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 16.04.2011 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von einer Gebührenforderung der Klägervertreter in Höhe von 108,45 € freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zudem ist der Beklagte der Auffassung, die Berufungssumme sei mit 544,99 € nicht erreicht. Die Freistellung von der Gebührenforderung erhöhe als Nebenforderung nicht den Streitwert und könne mithin keinen Einfluss auf die Berufungssumme nehmen. Ferner sei der Ansatz der Geschäftsgebühr auch der Höhe nach innerhalb des Spielraums von 20 % vom Gericht zu überprüfen. Insofern verweist der Beklagte auf § 14 Abs. 1 Satz 2 RVG.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2012 verwiesen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Soweit der Beklagte Einwendungen zum Erreichen der Berufungssumme erhebt, so vermag er hiermit nicht durchzudringen. Denn die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO notwendige Berufungssumme von über 600,00 € ist erreicht, da neben dem Klageantrag zu 1) in Höhe von 544,99 € auch für den Klageantrag zu 2) ein Teilbetrag von 97,20 € berücksichtigt werden muss. Der Freistellungsantrag hinsichtlich der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 2)) für den Gesamtgegenstandswert von 10.627,87 € setzt sich aus dem vorgerichtlich bereits regulierten Wert von 9.967,94 € sowie der rechtshängigen Forderung aus dem Klageantrag zu 1) zusammen. Soweit es um die Höhe des Gebührenansatzes für die Geschäftsgebühr bis zu einem Gegenstandswert von 10.000 € geht, ist das mit dem Klageantrag zu 2) verfolgte Begehren nicht von der Begründetheit der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Forderung abhängig und unterliegt damit § 43 Abs. 2 GKG.

2.

Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin gegenüber dem Beklagten ausweislich des vorgelegten Privatgutachtens einen Anspruch auf Ersatz von Verbringungskosten und UPE-Aufschlägen hat.

Soweit das Amtsgericht ausgeführt hat, dass das Sachverständigengutachten nicht ausreicht, um darzulegen, dass Verbringungskosten und UPE-Aufschläge für die Klägerin bei Durchführung der Reparatur notwendigerweise anfallen, so ist dem nicht zu folgen.

Nehmen alle für die Reparatur in Frage kommenden markengebundenen Fachwerkstätten einen Aufschlag auf die Ersatzteilpreise und verfügen sie ferner nicht über eine eigene Lackiererei, so dass insoweit im Reparaturfall stets Verbringungskosten anfallen, gehören sowohl die UPE-Zuschläge als auch die Verbringungskosten zu den zu ersetzenden fiktiven Reparaturkosten, sie sind also nicht anders zu behandeln als die teureren Stundensätze (vgl. BGH, NJW 2010, 2941; LG Rostock, Urteil vom 02.02.2011, Az..: 1 S 240/10, DAR 2011, 641-642 m.w.N.; Münch/Komm-Oetker, BGB, 5. Aufl., § 249 Rn. 350).

Zur Darlegung und zum Nachweis der anzufallenden Kosten kann die Klägerin auf das von ihr vorgelegte Privatgutachten der GKK Gutachtenzentrale GmbH vom 28.09.2010 verweisen. Dieses schlüsselt auf Blatt 12 Nebenkosten für die Fahrzeugverbringung in Höhe von 102,00 € sowie einen UPE-Aufschlag von 10 % auf. Der Klägerin als Geschädigte obliegt nicht die Pflicht, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus bei sämtlichen umliegenden markengebundenen Vertragswerkstätten die Angaben aus dem Gutachten zu überprüfen. Insofern kann sich die Klägerin auf die Ausführungen im Gutachten verlassen. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich der Geschädigte grundsätzlich auf das Gutachten eines Sachverständigen verlassen darf. Anderes gilt nur dann, wenn dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen ausnahmsweise ein (Auswahl)Verschulden zur Last fällt der für ihn aus sonstigen Gründen gegenüber dem Gutachten Anlass zum Misstrauen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.1993, Az.: VI ZR 181/92, BB 1993, 1617-1619 m.w.N.). Diese Grundsätze sind auch bei der Angabe von Kosten für die Fahrzeugverbringung sowie die UPE-Aufschläge zur Anwendung zu bringen, wenn das Gutachten entsprechende Kosten ausweist. Dafür, dass die Klägerin hier etwa Grund gehabt hätte, der Einschätzung des Sachverständigen zu misstrauen, ist nichts ersichtlich.

Eine Verpflichtung, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben, traf die Klägerin nicht. Anderes gilt auch nicht deshalb, weil sie als kaufmännisches Unternehmen einen Gewerbebetrieb von größerem Umfang unterhält. Denn die Klägerin wird im Rahmen der gewerblichen Autovermietung tätig, beschäftigt sich aber nicht mit der Reparatur von beschädigten Kraftfahrzeugen. Deshalb war sie als auf diesem Gebiet branchenfremdes Unternehmen auch nicht gehalten, die Angaben des von ihr eingeschalteten Sachverständigen durch eigene Recherchen auf dem Markt zu überprüfen.

Vielmehr war es Aufgabe des Beklagten im Einzelnen darzulegen, welche VW-Vertragswerkstätten weder den UPE-Aufschlag erheben noch Verbringungskosten ansetzen, weil sie beispielsweise über eine eigene Lackiererei verfügen. Diese Voraussetzung hat der Beklagte weder im Rahmen der ersten noch nach Hinweis in der zweiten Instanz erfüllt. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen genügt hierzu nicht.

Aus diesem Grund kann auf die Angaben im Privatgutachten zurückgegriffen werden, der Beklagte hat mithin auch die Kosten für Fahrzeugverbringung und UPE-Aufschlag zu ersetzen.

3.

Ferner hat die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 108,45 € basierend auf einer 1,5 Geschäftsgebühr.

Denn die Erhöhung der 1,3 fachen Regelgebühr auf eine 1,5 fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 % (sog. Toleranzgrenze) zusteht. Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben die Rechtsanwälte der Klägerin die Toleranzgrenze eingehalten (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2011, Az.: IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603-1605).

Die von dem Beklagten benannte und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof abweichende Entscheidung des OLG Celle (Urteil vom 28.12.2011, Az.: 14 U 107/11 – zitiert nach juris -) vermag das Gericht nicht zu überzeugen, denn das OLG Celle differenziert nicht zwischen der Verbindlichkeit der anwaltlichen Gebührenbemessung gegenüber dem eigenen Mandanten einerseits und einem erstattungspflichtigen Dritten andererseits. Nur für den letztgenannten Fall sieht das Gesetz in § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ausdrücklich vor, dass der Erstattungsanspruch eines Dritten erst dann endet, wenn die anwaltliche Gebührenbemessung unbillig ist.

Vorliegend bewegt sich die Geschäftsgebühr innerhalb der Toleranzgrenze und ist folglich der gerichtlichen Überprüfung entzogen.

4.

Bei der Quotelung der Kosten war hinsichtlich der beiden Rechtszüge zu differenzieren, um die in erster Instanz ausgesprochene Teil-Klagerücknahme in Höhe von 114, 94 € zu berücksichtigen. Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht daher auf § 92 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und für die zweite Instanz auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 47 GKG festzusetzen und berücksichtigt neben der Zahlungsforderung von 544,99 € für den Freistellungsantrag weitere 97,20 €. Für die Begründung kann auf die Ausführungen zur Berufungssumme verwiesen werden.

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