AG Berlin-Mitte, Az.: 4 C 3071/15, Urteil vom 11.09.2015
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 114,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht die geltend gemachte Restforderung nach §§ 115 VVG, 7Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte zu.
Der Kläger ist zur Geltendmachung des Anspruches auf Sachverständigenkosten der Geschädigten aktivlegitimiert, nachdem er durch das Schreiben des Sachverständigen vom 01.03.2015 nachgewiesen hat, den noch offenen Restbetrag der Sachverständigenrechnung selbst beglichen zu haben, womit die vorherige Abtretung erfüllungshalber hinfällig geworden ist, und zudem, dass ihm der Anspruch darüber hinaus zurückabgetreten wurde. Die von der Beklagten gefürchtete Gefahr doppelter Inanspruchnahme besteht damit nicht mehr.
Auch der Höhe nach, ist die Forderung berechtigt.
Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand nur den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vergleiche BGH, Urteil vom 22.7.2014, VI ZR 357/13 und Urteil vom 11. Februar 2014, VI ZR 225/13). Dabei war die Einholung eines Sachverständigengutachtens an sich hier angesichts der Schadenshöhe erforderlich (vgl. BGH, 30.11.2004 – VI ZR 365/03, die Bagatellgrenze deutlich unter 1000 EUR brutto ansetzend).
Hinsichtlich der Darlegung der Erforderlichkeit der – bei Streit nach § 287 ZPO vom Tatrichter zu schätzenden – Höhe der Gutachterkosten gilt, wenn der Geschädigte die Forderung nach erfolgter Begleichung der Sachverständigenrechnung selbst geltend macht (unter 1):
Der oder die Geschädigte selbst genügt der Darlegungslast zur Schadenshöhe im Hinblick auf die Sachverständigenkosten grundsätzlich durch die Vorlage einer „beglichenen” Rechnung (BGH, Urteil vom 22.7.2014, VI ZR 357/13) des von ihm/ihr zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schätzung nach § 287 ZPO zumindest ein wesentliches Indiz für die Bestimmung der erforderlichen Sachverständigenkosten im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (vergleiche BGH, a.a.O.). Insbesondere bestehen dann auch keine Zweifel daran, dass die berechneten Kosten der dem Sachverständigen geschuldeten Vergütung entsprechen, da das der oder die Geschädigte als Schuldner(in) in diesem Fall selbst vorträgt und die Eingehung des Vertrages und Zahlung auf dem Schadensereignis beruht.
Dem steht nicht entgegen, dass der/die Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten ist, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vergleiche BGH, a.a.O.). Denn auch danach kann sich der/die Geschädigte damit begnügen, einen ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vergleiche BGH, a.a.O.). Etwas anderes kann nur dann gelten, sofern das Honorar des Sachverständigen auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (vergleiche BGH, a.a.O.). Ein über diese Grundsätze hinausgehende Preiskontrolle findet im Schadensersatzprozess dann nicht statt.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Kläger hier einen Vertrag mit einem Sachverständigen eingegangen ist, der sein Honorar gemäß Ziffer 5 der Bedingungen des eingereichten Auftrages, Blatt 9 der Akte, in Anlehnung an die Schadenshöhe von hier ca. 1700 EUR abrechnet, eine Grundgebühr von 380,16 EUR, Fahrtkosten von 27 EUR pauschal, Fotokosten von 22,80 EUR für 2 Sätze à 6 Fotos, Schreibkosten von 37,70 EUR für 13 Seiten, von 380 EUR und Telefonkosten von 15 EUR, insgesamt 482,66 EUR netto und 574,37 EUR brutto abgerechnet hat, und dass der Kläger nach Zahlung eines Betrages von 459,52 Euro durch die Beklagte den hier eingeklagten Restbetrag gegenüber dem Sachverständigen beglichen hat. Dass der Rechnungsbetrag für den Geschädigten erkennbar weit über dem Üblichen gelegen hätten, hat die Beklagte nicht dargetan, sodass ein Verstoß gegen § 254 BGB durch Beauftragung des Sachverständigen ohne vorherigen Preisvergleich nicht vorliegt. Das gilt auch soweit die Beklagte hinsichtlich einzelner Nebenkosten geltend macht, es sei nicht üblich diese überhaupt oder in der geltend gemachten Höhe neben der Grundgebühr zu berechnen. Denn damit hat die Beklagte noch nicht dargelegt, dass auch der Geschädigten, auf dessen Lage und Sicht es ankommt, dies bei der Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen müssen.
Eine solche Erkennbarkeit für den Geschädigten ergibt sich noch nicht aus einer Überschreitung der Sätze der BVSK-Honorarbefragung 2013 (vgl. BGH, Urteil v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13), die hier, wenn man den Honorarkorridor V zu Grunde legt, allerdings in einem Umfang von ca. 10 % gegeben ist, wie folgenden Vergleichsrechnung nach dem bis-Wert des Honorarkorridor V ergibt:
Grundhonorar Schadenhöhe bis 1785 EUR
324 EUR brutto
Fahrkosten pauschal 26,73 EUR
Fotokosten 1. Satz 15,30 EUR
Fotokosten 2. Satz 10,02 EUR
Schreibkosten für 13 Seiten 37,18 EUR
Porto/Telefon 18,17 EUR
Summe netto 431,40 EUR
Summe brutto 513,37 EUR
Die leichte Überschreitung dieser Werte musste den Geschädigten, dem besagte Befragung nicht bekannt ist und sein muss, noch nicht dazu veranlassen einen anderen Sachverständigen zu beauftragen.
Die Beauftragung eines Sachverständigen zu einem Gesamthonorar von ca. 33 % der Schadenssumme indiziert ebenfalls noch keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht. Letztlich gibt die Beklagte selbst an, dass Sachverständigenkosten in der regulierten Höhe von 459,52 EUR dem durchaus Üblichen entsprochen hätten. Im Vergleich dazu wurden hier 24 % mehr berechnet, dass dem Geschädigten diese noch nicht erhebliche Überschreitung der von der Beklagten für maßgeblich gehaltenen Sätze, die dem Geschädigten nicht bekannt sein mussten, erkennbar gewesen wäre, ist weder dargelegt noch von der für einen Verstoß gegen § 254 BGB beweisbelasteten Beklagten bewiesen.
Im Übrigen gilt, dass wenn der Rechnungsbetrag durch den Geschädigten beglichen worden ist, der Schädiger und seine Haftpflichtversicherung im Hinblick auf eine etwaig überhöhte Abrechnung ausreichend geschützt sind, in dem sie die Abtretung etwaiger Ersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Sachverständigen – auch im Wege der Einrede des Zurückbehaltungsrechts – geltend machen. Ein solche Einrede hat die Beklagte hier nicht erhoben.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB nach endgültiger Zahlungsverweigerung durch die Beklagte.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91Abs. 1, 708 Nr. 11,711,713 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO).