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Verkehrsunfall – Ermittlung der Bestell- bzw. Lieferbarkeit eines Ersatzteils

OLG München – Az.: 10 U 2415/12 – Urteil vom 30.11.2012

1. Auf die Berufung der Klägerin vom 11.06.2012 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 11.05.2012 in Nrn. I bis III abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.389,32 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.04.2010 zu bezahlen.

II. Die Widerklage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

A.

Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Entscheidungsgründe

B.

Verkehrsunfall - Ermittlung der Bestell- bzw. Lieferbarkeit eines Ersatzteils
Symbolfoto: Von ESB Professional /Shutterstock.com

I. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Da das Fahrzeug der Klägerin bei dem Zusammenstoß mit dem Pkw Mercedes Benz der Fa. R. GmbH, das bei der nunmehrigen Beklagten haftpflichtversichert ist, durch dieses beschädigt wurde, steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz ihres Schadens aus § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu. Dass die Beklagte für den unfallbedingten Schaden dem Grunde nach allein haftet, ist unstreitig. Streitig war allein die Höhe des der Klägerin unfallbedingt entstandenen Schadens.

Die Klägerin kann den Schaden auf Gutachtensbasis und zwar auf Basis des Gutachtens des Sachverständigen Se. abrechnen. Danach belaufen sich die Reparaturkosten auf 10.653,89 €.

Dass der von der Klägerin geltend gemachte Schaden durch den bei der Beklagten versicherten Pkw verursacht wurde, also vor allem das Vorliegen der Schadenskompatibilität, wurde in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten.

Streitig war alleine der erforderliche Reparaturumfang, hier die Frage, ob eine Abschleppöse für den Kia Sorrento im Unfallzeitpunkt als Ersatzteil bestellbar war und ob Schweißarbeiten im Bereich der Abschleppöse am Rahmen vom Hersteller ohne Verlust der Gewährleistungsansprüche zugelassen waren.

1. In seinem Gutachten vom 09.09.2008 ging der Sachverständige Se., der von der Klägerin am 18.07.2008 mit der Gutachtenerstellung beauftragt worden war, davon aus, dass die Abschleppöse für das streitgegenständliche Kfz als Ersatzteil nicht bestellbar ist und darüber hinaus die Verwendung von Fremdmaterialien sich deshalb verbietet, weil Schweißarbeiten an Rahmenteilen vom Hersteller nicht zugelassen sind. Dem lag eine dementsprechende Auskunft bei dem KIA Vertragshändler, M. Autohaus, zugrunde. Bezüglich der Lieferbarkeit der Abschleppöse hat der Sachverständige Dipl.-Ing. S. auf seine Nachfrage bei KIA – wie er im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat am 05.10.2012 ausgeführt hat – ebenfalls zunächst die Auskunft erhalten, dass die Abschleppöse nicht bestell- und lieferbar sei.

Nach Auffassung des Senats ist nun der Geschädigte bzw. der von ihm beauftragte Sachverständige nicht verpflichtet, derartige Hersteller- oder Vertragshändlerauskünfte in Frage zu stellen. Denn nur weitere Nachfragen seitens des Sachverständigen und in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung haben ergeben, dass die Fa. KIA offensichtlich, wie vorgelegte Emails zeigen, zur hier streitigen Frage der Bestellbarkeit der Öse als Ersatzteil unterschiedliche Auskünfte erteilt. Ein Geschädigter ist nicht verpflichtet, den offiziellen Ersatzteilkatalog eines Herstellers anzuzweifeln und nachzufragen, ob ein Ersatzteil nicht trotzdem lieferbar sein könnte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst der Sachverständige S. in seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt hat, er hätte als Sachverständiger (ohne das hiesige Verfahren) nach der Auskunft eines KIA-Vertragshändlers diese nicht angezweifelt und weiterrecherchiert (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2012, Bl. 191 d.A.), so dass auch in fachlicher Hinsicht kein Zweifel an den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Se. besteht. Der Sachverständige S. hat im Übrigen erklärt, dass er die Frage des Verlusts von Gewährleistungsansprüchen bei der Fa. KIA nicht erfragt hat. Insoweit ist das Gutachten des Sachverständigen Se. erneut nicht anzuzweifeln. Durch die verschiedenen einander widersprechenden Auskünfte der Fa. KIA ist nach wie vor ungeklärt, ob die Klägerin durch die fachgerechte Reparatur der Abschleppöse ihre Gewährleistungsansprüche verloren hätte. Zum Zeitpunkt des Unfalls war das klägerische Kfz gerade 6 Wochen zugelassen. Die Ungewissheit und ein eventueller Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang zu dieser Frage ist der Geschädigten nach Überzeugung des Senats nicht zuzumuten.

2. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Beklagte, nachdem sie das Gutachten des Sachverständigen Se. am 29.10.2008 erhalten hat, zwar unverzüglich eine Plausibilitätsprüfung eingeleitet hat. Mit Schreiben vom 08.04.2009 wurden auch Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen Se. erhoben. Die Einwendungen der Beklagten bezogen sich aber lediglich auf die Schadenskompatibilität und auf die Erforderlichkeit des Rahmenaustausches, nicht auf die Frage der Lieferbarkeit der Abschleppöse. Diese Einwendungen erwiesen sich, wie das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ergab, jedoch als unbegründet. Die geschädigte Klägerin musste also bei ihrem späteren Verkauf des Unfallfahrzeugs, dem das Gutachten Se. bei der Bemessung des Verkaufspreises zu Grunde lag, nicht davon ausgehen, dass die Beklagte bezüglich des jetzt strittigen Punktes Einwände erhebt.

II. Die Widerklage war abzuweisen, da der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung von Reparaturkosten in Höhe von 10.653,98 € zusteht, mithin weitaus mehr als die Beklagte vorab bezahlt hat. Da die Klägerin eine vorgerichtliche Tätigkeit des Anwalts nicht vorgetragen hat, waren ihr Rechtsanwaltskosten insoweit nicht zuzusprechen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 I ZPO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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