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Verkehrsunfall eines Linksabbiegers mit Überholer im gleichgerichteten Verkehr

Ein riskantes Überholmanöver und ein missglückter Linksabbieger – zwei deutsche Autofahrer kollidieren auf niederländischem Boden. Vor Gericht entbrennt ein Streit um die Schuldfrage, der Kläger muss letztlich den Großteil seines Schadens selbst tragen. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigt: Ein fehlender Schulterblick kann teuer werden!

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Fall handelt von einem Verkehrsunfall zwischen zwei deutschen Fahrzeugen, der in den Niederlanden stattfand.
  • Deutsches Haftungsrecht findet Anwendung, während die Verkehrsregeln nach niederländischem Recht gelten.
  • Bei Überholvorgängen ist es wichtig, sich an die niederländischen Verkehrsregeln zu halten, die das Überholen links vorschreiben.
  • Linksabbieger haben die Pflicht, ihre Abbiegeabsicht klar anzuzeigen und dem Gegenverkehr Vorrang zu gewähren.
  • Das Gericht hat entschieden, dass der Kläger einen Teil seiner unfallbedingten Schäden, konkret 20 Prozent, von den Beklagten verlangen kann.
  • Der Schaden des Klägers betraf nur einen spezifischen Sachschaden, der aus der Abtretung seines Sohnes resultierte.
  • Der Fall verdeutlicht die Bedeutung der Rückschau und der Beachtung von Verkehrsregeln beim Abbiegen.
  • Das Gericht stellte fest, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen deutschen und niederländischen Verkehrsregeln in dieser Konstellation gibt.
  • Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner verurteilt, was bedeutet, dass sie gemeinsam für die Kosten haften.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Haftungsfrage, insbesondere wie sich Verkehrsteilnehmer bei internationalen Unfällen absichern sollten.

Verkehrsunfall: Haftungsfragen zwischen Linksabbieger und Überholer geklärt

Verkehrsunfälle gehören zu den häufigsten Rechtsstreitigkeiten im deutschen Straßenverkehr. Insbesondere die Frage, wer bei einem Unfall die Schuld trägt, ist oft komplex und bedarf einer genauen rechtlichen Analyse. Ein besonders heikles Szenario stellt sich bei einem Zusammenstoß zwischen einem Linksabbieger und einem Überholer im gleichgerichteten Verkehr dar. In solchen Fällen sind die Verkehrsregeln und die daraus abgeleiteten Pflichten der Verkehrsteilnehmer entscheidend, um die Haftungsfrage zu klären.

Ein Linksabbieger hat die Verantwortung, die Straße und den entgegenkommenden Verkehr gewissenhaft zu beobachten, bevor er seine Fahrtrichtung ändert. Gleichzeitig muss der Überholer darauf achten, die Abstandsregeln und seine Geschwindigkeit zu beachten, um ein sicheres Überholen zu gewährleisten. Die Interaktion dieser beiden Verkehrsteilnehmer kann zu Missverständnissen und Unfällen führen, die im Nachhinein oft nur schwer zu rekonstruieren sind.

Um die rechtlichen Prinzipien und die häufigen Streitfragen in solchen Fällen zu beleuchten, werden im Folgenden die Details eines konkreten Falls vorgestellt, der wichtige Erkenntnisse zu Haftungsfragen und rechtlichen Rahmenbedingungen liefert.

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Der Fall vor Gericht


Unfall beim Linksabbiegen: Überholen mit schwerwiegenden Folgen

Auf einer niederländischen Straße nahe der deutschen Grenze ereignete sich ein folgenschwerer Verkehrsunfall zwischen zwei deutschen Autofahrern. Ein Pkw der Marke H, gelenkt vom Sohn des Fahrzeughalters, beabsichtigte nach links abzubiegen. Zeitgleich setzte der Fahrer eines Pkw der Marke P zum Überholen an. Es kam zur Kollision, bei der das abbiegende Fahrzeug an der Fahrerseite getroffen wurde. Der überholende Wagen prallte anschließend gegen ein Verkehrsschild, bevor er zum Stillstand kam.

Der Weg zum Gericht

Der Halter des abbiegenden Fahrzeugs verklagte daraufhin den Fahrer und die Versicherung des überholenden Fahrzeugs auf Schadensersatz. Das Landgericht Münster sprach dem Kläger zunächst nur einen Teil der geforderten Summe zu. Unzufrieden mit diesem Urteil, legte der Kläger Berufung ein. Der Fall landete somit vor dem Oberlandesgericht Hamm.

Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm bestätigte im Wesentlichen das Urteil der Vorinstanz. Es sprach dem Kläger lediglich einen geringfügig höheren Schadensersatz zu. Die Richter sahen eine Haftungsquote von 20% zu Lasten der Beklagten als angemessen an. Dies bedeutet, dass der Kläger 80% seines Schadens selbst zu tragen hat.

Begründung des Gerichts

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf eine sorgfältige Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge. Auf Seiten der Beklagten berücksichtigte es die leicht erhöhte Betriebsgefahr durch das Überholmanöver. Ein Verschulden des überholenden Fahrers konnte jedoch nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Insbesondere blieb unklar, ob der Linksabbieger rechtzeitig geblinkt hatte.

Auf Seiten des Klägers wog ein gravierender Verstoß gegen die Rückschaupflicht schwer. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Fahrer des abbiegenden Fahrzeugs den überholenden Wagen bei sorgfältiger Beobachtung hätte wahrnehmen müssen. Er hätte dann sein Abbiegemanöver zurückstellen und den Unfall vermeiden können.

Schadensberechnung und Urteilskorrektur

Bei der Schadensberechnung korrigierte das OLG einen Fehler der Vorinstanz. Es setzte den Netto-Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs mit 7.902,44 EUR an. Nach Abzug des Restwerts von 2.855 EUR ergab sich ein ersatzfähiger Fahrzeugschaden von 5.047,44 EUR. Von diesem Betrag mussten die Beklagten aufgrund der 20%-Haftungsquote 1.009,49 EUR ersetzen.

Auswirkungen für die Beteiligten

Für den Kläger bedeutet das Urteil, dass er den Großteil seines Schadens selbst tragen muss. Er erhält lediglich eine geringe zusätzliche Zahlung von 252,35 EUR nebst Zinsen. Die Beklagten müssen zwar für einen Teil des Schadens aufkommen, wurden aber von einer höheren Haftung verschont. Das Gericht verteilte auch die Prozesskosten entsprechend der Haftungsquote: Der Kläger trägt 80%, die Beklagten 20% der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Kosten der Berufung muss der Kläger vollständig übernehmen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung unterstreicht die zentrale Bedeutung der Rückschaupflicht beim Linksabbiegen. Selbst wenn ein Überholer möglicherweise verkehrswidrig handelt, entbindet dies den Abbiegenden nicht von seiner Sorgfaltspflicht. Die gravierend verletzte Rückschaupflicht wiegt hier deutlich schwerer als die erhöhte Betriebsgefahr des Überholmanövers, was zu einer Haftungsverteilung von 80:20 zulasten des Abbiegenden führt. Dies verdeutlicht, wie entscheidend die genaue Beachtung der Verkehrsregeln für die Haftungsverteilung bei Unfällen ist.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil unterstreicht die immense Bedeutung der Rückschaupflicht beim Linksabbiegen. Als Linksabbieger tragen Sie eine hohe Verantwortung, den rückwärtigen Verkehr gründlich zu beobachten. Selbst wenn ein Überholer möglicherweise verkehrswidrig handelt, entbindet Sie das nicht von Ihrer Sorgfaltspflicht. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zu einer erheblichen Mithaftung führen – in diesem Fall zu 80%. Für Sie als Verkehrsteilnehmer bedeutet das: Achten Sie beim Linksabbiegen besonders auf den rückwärtigen Verkehr und stellen Sie Ihr Abbiegemanöver zurück, wenn Sie ein überholendes Fahrzeug wahrnehmen. Diese Vorsicht kann Sie vor schwerwiegenden finanziellen Folgen schützen.


FAQ – Häufige Fragen

In unserer FAQ-Rubrik finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das Thema Verkehrsunfälle. Besonders im Hinblick auf Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen ist es entscheidend, gut informiert zu sein. Hier erhalten Sie klare und präzise Informationen, die Ihnen helfen, die rechtlichen Aspekte besser zu verstehen und Ihre Rechte zu wahren. Ihr Wissen ist der Schlüssel zu Sicherheit und Klarheit im Straßenverkehr.


Was sind die grundlegenden Pflichten eines Linksabbiegers im Straßenverkehr?

Als Linksabbieger im Straßenverkehr haben Sie besondere Pflichten zu beachten, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Diese Pflichten ergeben sich hauptsächlich aus § 9 der Straßenverkehrsordnung (StVO).

Rechtzeitiges Einordnen und Anzeigen der Abbiegeabsicht

Sie müssen sich als Linksabbieger frühzeitig einordnen und Ihre Abbiegeabsicht rechtzeitig und deutlich ankündigen. Das bedeutet konkret:

  • Ordnen Sie sich möglichst weit links ein, gegebenenfalls auf einer vorhandenen Abbiegespur.
  • Setzen Sie den linken Blinker. Tun Sie dies rechtzeitig, aber nicht zu früh, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu verwirren.
  • Verringern Sie Ihre Geschwindigkeit angemessen.

Stellen Sie sich vor, Sie nähern sich einer Kreuzung und möchten links abbiegen. Bereits 100-200 Meter vor der Kreuzung sollten Sie beginnen, sich nach links einzuordnen und den Blinker zu setzen.

Beachtung der Vorfahrt und Wartepflicht

Als Linksabbieger müssen Sie entgegenkommenden Fahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern die Vorfahrt gewähren. Dies gilt auch für Fahrzeuge, die sich von hinten nähern und überholen wollen. Sie dürfen erst abbiegen, wenn Sie sich vergewissert haben, dass Sie niemanden gefährden oder mehr als unvermeidbar behindern.

Doppelte Rückschaupflicht

Eine besonders wichtige Pflicht ist die sogenannte doppelte Rückschaupflicht. Sie müssen zweimal nach hinten schauen:

  1. Bevor Sie sich zum Abbiegen einordnen.
  2. Unmittelbar vor dem Abbiegevorgang.

Nutzen Sie dafür sowohl die Spiegel als auch den Schulterblick. Diese Pflicht soll verhindern, dass Sie überholende Fahrzeuge übersehen.

Beachtung von Radfahrern und Fußgängern

Beim Linksabbiegen müssen Sie besonders auf Radfahrer und Fußgänger achten. Radfahrer, die auf dem gleichen Fahrstreifen in gleicher Richtung fahren, haben Vorrang. Ebenso müssen Sie Fußgängern, die die Straße überqueren, in die Sie einbiegen, Vorrang gewähren.

Besondere Situationen

In bestimmten Situationen gelten zusätzliche Regeln:

  • An Kreuzungen mit Lichtzeichenanlagen dürfen Sie nur bei Grünlicht abbiegen.
  • Wenn zwei Linksabbieger aufeinandertreffen, müssen sie in der Regel voreinander abbiegen.

Wenn Sie diese Pflichten als Linksabbieger beachten, tragen Sie wesentlich zur Verkehrssicherheit bei und minimieren Ihr Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden oder dafür zu haften.

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Welche Pflichten hat ein Fahrer beim Überholen auf der Straße?

Beim Überholen auf der Straße haben Sie als Fahrer mehrere wichtige Pflichten zu beachten:

Grundsätzliche Überholpflichten

Sie müssen grundsätzlich links überholen. Rechts überholen ist nur in Ausnahmefällen erlaubt, etwa wenn sich auf der linken Spur Fahrzeugschlangen gebildet haben.

Vor dem Ausscheren müssen Sie einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten. Dieser Abstand gilt auch für das überholte Fahrzeug während des gesamten Überholvorgangs.

Verkehrsbeobachtung und Ankündigung

Bevor Sie zum Überholen ansetzen, müssen Sie eine gründliche Verkehrsbeobachtung durchführen. Dazu gehört der Blick in den Rückspiegel und über die Schulter (Schulterblick), um sicherzustellen, dass kein schnelleres Fahrzeug von hinten herannaht.

Der Überholvorgang muss rechtzeitig und deutlich durch Setzen des Blinkers nach links angekündigt werden. Dies gilt sowohl beim Ausscheren als auch beim späteren Wiedereinscheren.

Geschwindigkeit und Sicherheit

Beim Überholen sollten Sie wenigstens 20 km/h schneller fahren als das überholte Fahrzeug. Beachten Sie dabei jedoch, dass Sie die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten dürfen.

Sie dürfen nur überholen, wenn Sie übersehen können, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.

Seitenabstand und besondere Situationen

Beim Überholen muss ein Mindestseitenabstand von 1 Meter eingehalten werden. Bei einspurigen Fahrzeugen muss der Seitenabstand sogar 1,5 m betragen.

In bestimmten Situationen, wie an Fußgängerüberwegen, ist das Überholen grundsätzlich verboten. Ein Verstoß kann mit einem Bußgeld von 80 Euro und einem Punkt in Flensburg geahndet werden.

Wenn Sie diese Pflichten beim Überholen beachten, tragen Sie wesentlich zur Verkehrssicherheit bei und vermeiden mögliche rechtliche Konsequenzen. Denken Sie daran: Sicheres Überholen erfordert stets Ihre volle Aufmerksamkeit und eine sorgfältige Einschätzung der Verkehrssituation.

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Wie wird die Haftungsquote bei einem Unfall zwischen einem Linksabbieger und einem Überholer ermittelt?

Die Ermittlung der Haftungsquote bei einem Unfall zwischen einem Linksabbieger und einem Überholer erfolgt durch eine sorgfältige Abwägung verschiedener Faktoren. Grundsätzlich wird dabei das Verschulden beider Beteiligten berücksichtigt, wobei die Gerichte in der Regel von einer Mithaftung beider Parteien ausgehen.

Bewertung der Sorgfaltspflichten

Bei der Festlegung der Haftungsquote wird zunächst geprüft, inwieweit beide Parteien ihre Sorgfaltspflichten erfüllt haben. Der Linksabbieger muss beispielsweise seine Abbiegeabsicht rechtzeitig ankündigen und eine doppelte Rückschau durchführen. Der Überholer hingegen darf nur bei klarer Verkehrslage überholen.

Anscheinsbeweis und Beweislast

Zunächst spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers. Dies bedeutet, dass der Linksabbieger in der Regel als Hauptverursacher des Unfalls angesehen wird, es sei denn, er kann das Gegenteil beweisen. Wenn Sie als Linksabbieger in einen solchen Unfall verwickelt sind, müssen Sie also aktiv darlegen, dass Sie Ihre Sorgfaltspflichten erfüllt haben.

Berücksichtigung der konkreten Umstände

Die genaue Haftungsquote hängt stark von den Einzelheiten des Unfalls ab. Folgende Faktoren können dabei eine Rolle spielen:

  • Geschwindigkeit beider Fahrzeuge
  • Sichtbarkeit und Erkennbarkeit des Abbiegevorgangs
  • Einhaltung von Verkehrsregeln (z.B. Überholverbot)
  • Straßen- und Wetterbedingungen
  • Reaktionszeiten der Beteiligten

Typische Haftungsverteilungen

In der Praxis sind folgende Haftungsverteilungen häufig anzutreffen:

  • Bei einer Verletzung der zweiten Rückschaupflicht durch den Linksabbieger wird oft eine Haftungsquote von 2/3 zu seinen Lasten angenommen.
  • Wenn der Überholer trotz unklarer Verkehrslage überholt hat, kann die Haftung auch zu gleichen Teilen (50/50) verteilt werden.
  • In Ausnahmefällen kann sogar eine vollständige Haftung des Überholers in Betracht kommen, wenn der Linksabbieger nicht mit einem Überholvorgang rechnen musste.

Wenn Sie in einen solchen Unfall verwickelt sind, ist es ratsam, möglichst viele Beweise zu sichern und gegebenenfalls einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Die genaue Haftungsquote kann letztendlich nur anhand der spezifischen Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.

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Welche Rolle spielt die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs bei der Haftungsfrage?

Die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs spielt eine zentrale Rolle bei der Haftungsfrage nach einem Verkehrsunfall, da sie eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung begründet. Dies bedeutet, dass Sie als Fahrzeughalter oder -führer auch dann für Schäden haften können, wenn Sie nicht schuldhaft gehandelt haben.

Grundlagen der Betriebsgefahr

Die Betriebsgefahr basiert auf dem Gedanken, dass von jedem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr eine abstrakte Gefahr ausgeht. Diese Gefahr entsteht allein durch die Teilnahme am Straßenverkehr und ist unabhängig vom Verhalten des Fahrers. Wenn Sie also mit Ihrem Auto unterwegs sind, tragen Sie automatisch ein gewisses Haftungsrisiko.

Auswirkungen auf die Haftungsverteilung

Bei einem Unfall wird die Betriebsgefahr in die Berechnung der Haftungsquote einbezogen. In der Praxis bedeutet dies:

  • Selbst wenn Sie als Unfallbeteiligter nicht schuld am Unfall sind, können Sie aufgrund der Betriebsgefahr mit einem Anteil von etwa 20-30% an den Schadenskosten beteiligt werden.
  • Bei einem Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen werden die jeweiligen Betriebsgefahren gegeneinander abgewogen.

Faktoren, die die Betriebsgefahr beeinflussen

Die Höhe der Betriebsgefahr kann je nach Fahrzeug variieren. Relevante Faktoren sind:

  • Fahrzeuggewicht: Ein schwerer LKW hat eine höhere Betriebsgefahr als ein Kleinwagen.
  • Geschwindigkeit: Schnell fahrende Fahrzeuge bergen ein höheres Risiko.
  • Zustand des Fahrzeugs: Technische Mängel können die Betriebsgefahr erhöhen.

Besonderheiten und Ausnahmen

Es gibt Situationen, in denen die Betriebsgefahr eine besondere Rolle spielt oder entfallen kann:

  • Auch bei parkenden oder haltenden Fahrzeugen kann eine Betriebsgefahr bestehen, insbesondere wenn sie verkehrswidrig abgestellt sind.
  • Die Betriebsgefahr kann entfallen, wenn der Unfall auf höherer Gewalt beruht oder wenn das Fahrzeug gestohlen wurde.

Beachten Sie, dass die Betriebsgefahr in komplexen Unfallsituationen, wie beispielsweise bei einem Unfall zwischen einem Linksabbieger und einem Überholer im gleichgerichteten Verkehr, eine wichtige Rolle bei der Haftungsverteilung spielen kann. In solchen Fällen wird die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge berücksichtigt und gegen andere Faktoren wie Verkehrsregelverstöße abgewogen.

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Was bedeutet Rückschaupflicht und wie beeinflusst sie die Haftung im Falle eines Unfalls?

Die Rückschaupflicht ist eine wichtige Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr, die insbesondere beim Abbiegen und Spurwechsel zu beachten ist. Sie verpflichtet Autofahrer, sich vor dem Manöver umfassend über die Verkehrssituation zu informieren, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.

Bedeutung der Rückschaupflicht

Bei Linksabbiegern besteht eine doppelte Rückschaupflicht. Das bedeutet, Sie müssen sich zweimal vergewissern, dass kein anderes Fahrzeug gefährdet wird:

  1. Vor dem Einordnen zum Linksabbiegen
  2. Unmittelbar vor dem Abbiegevorgang

Diese Pflicht dient dazu, mögliche Überholer oder andere Verkehrsteilnehmer rechtzeitig zu erkennen und Unfälle zu vermeiden.

Einfluss auf die Haftung

Die Einhaltung oder Verletzung der Rückschaupflicht hat erhebliche Auswirkungen auf die Haftung bei einem Unfall:

  1. Anscheinsbeweis: Bei einer Kollision mit einem Überholer spricht der erste Anschein dafür, dass der Linksabbieger seine Rückschaupflicht verletzt hat. Das bedeutet, dass zunächst vermutet wird, dass der Abbieger den Unfall verursacht hat.
  2. Beweislast: Um dieser Vermutung zu entgehen, muss der Linksabbieger beweisen, dass er seine Rückschaupflicht ordnungsgemäß erfüllt hat oder dass der Unfall auch bei Einhaltung der Pflicht nicht zu vermeiden gewesen wäre.
  3. Haftungsverteilung: Wenn Sie als Linksabbieger Ihre Rückschaupflicht verletzt haben, kann dies zu einer überwiegenden oder sogar vollständigen Haftung für den Unfallschaden führen. In manchen Fällen kann die Haftungsquote bei 60-70% zu Ihren Lasten liegen.

Ausnahmen und besondere Umstände

Es gibt Situationen, in denen die strikte Anwendung der Rückschaupflicht gelockert wird:

  • Wenn ein Überholen zum Zeitpunkt des Abbiegens fahrtechnisch unmöglich oder grob verkehrswidrig wäre, müssen Sie als Abbieger nicht unbedingt mit einer Überholung rechnen.
  • In solchen Fällen gelten die gewöhnlichen Beweisregeln, und beide Unfallbeteiligten müssen gleichermaßen beweisen, dass die andere Partei schuld war.

Wenn Sie als Autofahrer in Deutschland unterwegs sind, sollten Sie sich der Bedeutung der Rückschaupflicht bewusst sein. Eine sorgfältige Beachtung dieser Pflicht kann nicht nur Unfälle verhindern, sondern auch Ihre rechtliche Position im Falle eines Unfalls erheblich verbessern. Denken Sie daran: Ein kurzer Blick über die Schulter kann langwierige rechtliche Konsequenzen vermeiden.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Rückschaupflicht: Die Rückschaupflicht ist eine zentrale Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr. Sie verpflichtet Fahrer, vor dem Abbiegen oder Spurwechsel den rückwärtigen Verkehr zu beobachten. Dies erfolgt durch Blick in die Spiegel und über die Schulter („Schulterblick“). Die Rückschaupflicht dient der Unfallvermeidung und ist besonders wichtig beim Linksabbiegen. Eine Verletzung kann zu erheblicher Mithaftung führen, wie im vorliegenden Fall mit 80%. Fahrer müssen die Rückschau so lange fortsetzen, bis sie das Manöver sicher abschließen können.
  • Betriebsgefahr: Die Betriebsgefahr bezeichnet das allgemeine Risiko, das vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht. Sie besteht unabhängig vom Verschulden des Fahrers und ist in § 7 StVG geregelt. Bei der Haftungsverteilung nach einem Unfall wird die Betriebsgefahr stets berücksichtigt, auch wenn kein Fahrfehler vorliegt. Sie kann je nach Fahrzeugtyp und Situation erhöht sein, z.B. bei Überholmanövern. Im vorliegenden Fall wurde die Betriebsgefahr des überholenden Fahrzeugs als leicht erhöht eingestuft, was die Haftungsquote beeinflusste.
  • Haftungsquote: Die Haftungsquote bestimmt bei Unfällen mit mehreren Beteiligten den Anteil, zu dem jede Partei für den Schaden aufkommen muss. Sie wird vom Gericht nach § 17 StVG festgelegt. Dabei werden die Verursachungsbeiträge, Verkehrsverstöße und Betriebsgefahren der Beteiligten gegeneinander abgewogen. Eine Haftungsquote von 80:20 bedeutet, dass eine Partei 80% des Gesamtschadens trägt, die andere 20%. Die Quote ist entscheidend für Schadensersatzansprüche und Versicherungsleistungen.
  • Wiederbeschaffungswert: Der Wiederbeschaffungswert bezeichnet den Betrag, der aufgewendet werden muss, um ein gleichwertiges Fahrzeug zu erwerben. Er ist maßgeblich für die Schadensberechnung bei einem Totalschaden oder wirtschaftlichen Totalschaden. Im vorliegenden Fall wurde der Netto-Wiederbeschaffungswert mit 7.902,44 EUR angesetzt. Von diesem Wert wird der Restwert des beschädigten Fahrzeugs abgezogen, um den ersatzfähigen Schaden zu ermitteln. Die genaue Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts kann erhebliche Auswirkungen auf die Schadensersatzhöhe haben.
  • Vorgerichtliche Anwaltskosten: Vorgerichtliche Anwaltskosten entstehen durch die anwaltliche Vertretung vor einem Gerichtsverfahren, etwa bei Verhandlungen mit der Gegenseite oder Versicherungen. Sie sind Teil des Schadens und können vom Schuldner als Schadensersatz verlangt werden, wenn sie zur Rechtsverfolgung notwendig waren. Im vorliegenden Fall wurden diese Kosten teilweise abgelehnt, da der Anwalt vorgerichtlich nicht für den Kläger, sondern für andere Beteiligte tätig war. Die Erstattungsfähigkeit hängt von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten ab.
  • Differenzbesteuerung: Die Differenzbesteuerung ist eine Sonderform der Umsatzbesteuerung, die häufig im Gebrauchtwagenhandel angewendet wird. Dabei wird nur die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis besteuert, nicht der gesamte Verkaufspreis. Im Schadensfall kann dies relevant sein, wenn ein Ersatzfahrzeug angeschafft wird. Das Gericht berücksichtigte die Differenzbesteuerung bei der Berechnung des Wiederbeschaffungswerts, was zu einem höheren Nettowert führte. Dies zeigt, wie steuerliche Aspekte die Schadensberechnung beeinflussen können.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Haftung des Fahrzeughalters: Dieser Paragraph regelt die grundsätzliche Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden. Im vorliegenden Fall ist dies relevant, da der Halter des überholenden Fahrzeugs für den durch den Unfall entstandenen Schaden am klägerischen Fahrzeug haftbar gemacht wird.
  • § 17 StVG: Haftungsverteilung bei mehreren Beteiligten: Dieser Paragraph kommt zur Anwendung, wenn mehrere Personen an der Entstehung eines Verkehrsunfalls beteiligt sind. Das Gericht muss dann die Haftungsanteile der Beteiligten entsprechend ihrer Verursachungsbeiträge festlegen. Im vorliegenden Fall wird die Haftung zwischen dem überholenden Fahrer und dem linksabbiegenden Fahrer aufgeteilt.
  • § 18 StVG: Betriebsgefahr: Dieser Paragraph definiert die Betriebsgefahr als das allgemeine Risiko, das mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbunden ist. Im vorliegenden Fall wird die Betriebsgefahr des überholenden Fahrzeugs als leicht erhöht angesehen, da ein Überholmanöver grundsätzlich risikoreicher ist als normales Fahren.
  • § 1 Abs. 2 StVO (Straßenverkehrsordnung): Rücksichtnahmegebot: Dieser Paragraph verpflichtet Verkehrsteilnehmer, sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Im vorliegenden Fall ist dies relevant, da sowohl der überholende Fahrer als auch der linksabbiegende Fahrer gegen diese Pflicht verstoßen haben könnten.
  • Art. 17 und 18 RVV 1990 (niederländische Verkehrsregeln): Pflichten des Linksabbiegers: Diese Artikel regeln die Pflichten eines Linksabbiegers, wie z.B. das Einordnen, Anzeigen der Absicht und Gewähren von Vorrang. Im vorliegenden Fall sind diese Regeln relevant, da der Unfall in den Niederlanden stattfand und das Gericht die niederländischen Verkehrsregeln berücksichtigt hat, um die Pflichten des linksabbiegenden Fahrers zu beurteilen.

Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-9 U 30/15 – Urteil vom 15.01.2016


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, über den ausgeurteilten Betrag hinaus an den Kläger weitere 252,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagten 20 % als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg und führt zur Teilabänderung des landgerichtlichen Urteils in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels. Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldnern – über die bereits vom Landgericht zuerkannten Beträge hinaus – aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB Zahlung weiterer 252,35 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 02. 07. 2014 verlangen. Die geltend gemachten weitergehenden Ansprüche stehen dem Kläger dagegen nicht zu.

1. Es geht vorliegend um einen Verkehrsunfall, der sich zwischen im Inland ansässigen Parteien mit jeweils in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen in den Niederlanden (nahe der Grenze zu Deutschland) ereignet hat. Bei dieser Sachlage findet deutsches Haftungsrecht – insbesondere das StVG – Anwendung, während sich die Verhaltenspflichten und einzuhaltenden Verkehrsregeln nach den niederländischen Verkehrsvorschriften bestimmen (vgl. dazu allgemein nur Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 43, Rdn. 69 sowie Palandt/Thorn, BGB, 74. Aufl., Art. 4 Rom II – IPR – Rdn. 15). Zu den hier maßgebenden niederländischen Verkehrsregeln hat der Senat Folgendes recherchiert: Art. 5 WVW regelt – ähnlich wie § 1 Abs. 2 StVO – allgemein, dass Verkehrsteilnehmer sich nicht so verhalten dürfen, dass andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder behindert werden. Bzgl. des Überholens bestimmt Art. 11 RVV 1990, dass links zu überholen ist und dass Fahrzeuge, die sich links eingeordnet und (durch entsprechende Anzeige) zu erkennen gegeben haben, dass sie links abbiegen wollen, rechts zu überholen sind. Eine dem deutschen Verbot des Überholens bei unklarer Verkehrslage entsprechende ausdrückliche Regelung gibt es im niederländischen Recht nicht. Insoweit kann indes auf die allgemeine Grundregel des Art. 5 WVW zurückgegriffen werden. Für das Abbiegen ist in Art. 17 und 18 RVV 1990, bestimmt, dass Linksabbieger sich möglichst weit links einzuordnen, ihre Abbiegeabsicht durch Richtungsanzeiger anzuzeigen und Gegenverkehr sowie sich seitlich versetzt – insbesondere linksseitig – von hinten annäherndem Verkehr Vorrang zu gewähren haben; aus Letzterem ergibt sich zwanglos auch eine – soweit ersichtlich nicht ausdrücklich geregelte – Pflicht zur Rückschau, wie auch von Beklagtenseite unwidersprochen vorgetragen.

Insgesamt bestehen danach der Sache nach im Grunde keine nennenswerten Unterschiede zum deutschen Verkehrsrecht bzgl. der beiderseitigen Pflichten in der hier in Rede stehenden Konstellation.

2. Der Kläger kann von den Beklagten dem Grunde nach den eingangs genannten Vorschriften – zum geringen Teil (Brillenschaden) aus abgetretenem Recht seines Sohnes, des Zeugen M – lediglich zu einer Quote von 20 % Ersatz der unfallbedingten Schäden verlangen.

a. Der streitgegenständliche Unfall, bei dem das klägerische Fahrzeug (H) unstreitig beschädigt worden ist, hat sich zweifellos i. S. des § 7 Abs. 1 beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten und gehaltenen sowie bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW P ereignet. Höhere Gewalt i. S. des § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor (vgl. zum Begriff der höheren Gewalt allgemein nur Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 7 StVG, Rdn. 32 ff. ). Eine – bzgl. des Beklagten zu 1) in dieser Instanz im Übrigen schon nicht mehr geltend gemachte – Unabwendbarkeit des Unfalles ist nach dem Ergebnis der vom Senat noch ergänzten Beweisaufnahme (vgl. zum Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme durch den Senat i. e. den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 15. 01. 2016, dort insbesondere die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. T zur Vermeidbarkeitsbetrachtung) für keine Seite positiv feststellbar. b. Dementsprechend war vom Senat gem. 17 Abs. 1 und 2 StVG BGB eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorzunehmen, bei der jeweils zum Nachteil einer Seite nur unstreitige bzw. bewiesene Tatsachen berücksichtigt werden können. Diese Abwägung führt letztlich – unter Mitberücksichtigung des im bereits genannten Berichterstattervermerk i. e. niedergelegten Ergebnisses der gebotenen und vom Senat durchgeführten weiteren Beweisaufnahme – zur Bestätigung der bereits vom Landgericht angenommenen Haftung der Beklagten zu einer Quote von lediglich 20%.

aa. Vorab sei in diesem Zusammenhang zur Bedeutung und Tragweite der vom Beklagten zu 1) vor Ort mitunterschriebenen Hergangsdarstellung nebst Skizze (Bl. 6 ff. GA) Folgendes bemerkt: Es heißt in dieser beiderseitigen Erklärung: „KFZ A befand sich mit eingeschaltetem Fahrtrichtungsanzeiger im Abbiegevorgang. KFZ B beginnt ein Überholmanöver und trifft KFZ A in der Fahrertür. KFZ B trifft das Verkehrsschild und kommt nach mehreren Metern zum Stehen. Fahrzeugführer von KFZ B gesteht ein in KFZ A hinein gefahren zu sein und den Unfall verursacht zu haben. „Damit ist inhaltlich bzgl. des tatsächlichen Ablaufs konkret letztlich – unter Mitberücksichtigung der vor Ort gefertigten Skizze – nur festgehalten, dass der 2 Fahrzeuge (das Klägerfahrzeug und das dahinter fahrende Fahrzeug) überholende Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug in die linke Seite des Klägerfahrzeugs gefahren ist, als dieses sich mit eingeschaltetem Fahrtrichtungsanzeiger im Abbiegevorgang befand. Insoweit ist der Hergang ohnehin unstreitig. Dazu, wann der Fahrtrichtungsanzeiger am Klägerfahrzeug eingeschaltet wurde und ob der Beklagte zu 1) das Überholen auch des Klägerfahrzeugs dann noch hätte abbrechen können, verhält sich die Erklärung dagegen ebenso wenig konkret, wie zur rechtzeitigen Erkennbarkeit des überholenden Beklagtenfahrzeugs für den Zeugen M. Auch die vom Senat zu den Umständen der gemeinsamen schriftlichen Unfallaufnahme befragten Parteien sowie die Zeugen M und L. haben keine weitergehenden konkreten Erklärungen vor Ort – namentlich des Beklagten zu 1) – geschildert (vgl. dazu S. 1-3 des Berichterstattervermerks zum Senatstermin vom 15. 01. 2016).

Dem letzten Satz der Erklärung kann schließlich auch nicht etwa ein mit Rechtsbindungswillen abgegebenes deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1) entnommen werden. Die Annahme eines solchen Anerkenntnisses liegt bei einer vor Ort abgegebenen Erklärung, welche sich nicht auf konkrete Rechtsfolgen, sondern auf den tatsächlichen Hergang bezieht, von vornherein fern (vgl. dazu allgemein nur Geigel/Bacher, a. a. O., Kap. 38, Rdn. 11 ff. sowie Palandt/Sprau, a. a. O., § 781, Rdn. 1 ff. , insbes. Rdn. 9 m. w. Nachw.). Anhaltspunkte für einen Rechtsbindungswillen der Beteiligten hat auch die Partei- und Zeugenanhörung im Senatstermin nicht ergeben (vgl. zum Ergebnis S. 1-3 des Berichterstattervermerks zum Senatstermin vom 15. 01. 2016).

Vielmehr könnte, wenn überhaupt, allenfalls an ein ohne Rechtsbindungswillen abgegebenes Zeugnis des Beklagten zu 1) gegen sich selbst gedacht werden (vgl. dazu allgemein nur Geigel/Bacher, a. a. O., Kap. 38, Rdn. 26 ff., 29 sowie Palandt/Sprau, a. a. O., § 781, Rdn. 6 und 9 m. w. Nachw.), wobei dessen Indizwirkung im Hinblick auf den – bereits erörterten – fehlenden konkreten Gehalt der Erklärung bzgl. eines unfallursächlichen Fehlverhaltens des Beklagten zu 1) nur schwach wäre.

bb. Entscheidend ist danach letztlich das Ergebnis der vom Senat unter Einschaltung des Sachverständigen Prof. T durchgeführten weiteren Sachaufklärung bzgl. des Unfallhergangs. Danach stellt sich Situation bzgl. der in die Abwägung einzustellenden beiderseitigen Verursachungsbeiträge wie folgt dar:

(1) Auf Seiten der Beklagten ist lediglich die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) geführten P zu berücksichtigen, die allerdings schon aufgrund des unstreitigen Überholmanövers (Überholen zweier Fahrzeuge in einem Zuge) als solchem etwas erhöht war. Ein diese Betriebsgefahr weiter erhöhendes unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1) kann hingegen nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Ein solches Verschulden läge – nach den bereits oben erörterten niederländischen Verkehrsregeln (Art. 11 Abs. 2 RVV und Art. 5 WVW) – sicherlich vor, wenn der Beklagte zu 1) trotz (jedenfalls für einen Abbruch des Manövers) rechtzeitig erkennbaren Linksblinkens und Linkseinordnens des Klägerfahrzeugs versucht hätte, dieses Fahrzeug links zu überholen. Das Ergebnis der vom Senat noch ergänzten Parteianhörung und Beweisaufnahme lässt indes hinreichend sichere Feststellungen zu einem solchen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) nicht zu. Insbesondere steht letztlich bzgl. des Zeitpunkts des Linksblinkens Aussage gegen Aussage, wobei die diesbezüglichen Angaben der – auch angesichts der ausweislich Bl. 35 GA für diese anwaltlich angemeldeten Schmerzensgeldansprüche keineswegs als neutral anzusehenden – Zeugin W (vgl. 68 f. GA sowie jetzt S. 2 f. des Berichterstattervermerks zum Senatstermin vom 15. 01. 2016) eher vage und schlussfolgernd erscheinen. Der Sachverständige Prof. T hat zur hier maßgebenden Frage des Zeitpunkts des Linkseinordnens und vor allem Linksblinkens aus technischer Sicht naturgemäß nichts sagen können (vgl. dazu S. 4 f. des vorgenannten Berichterstattervermerks). Auch unter Mitberücksichtigung der – wie bereits oben erörtert insoweit letztlich keine konkreten Angaben enthaltenden – gemeinsam vor Ort niedergelegten Hergangsdarstellung (Bl. 6 ff. GA) vermag sich der Senat bei dieser Sachlage nicht vom Vorliegen des hier erörterten Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 1) zu überzeugen. Das Überholmanöver des Beklagten zu 1) war auch ansonsten nicht verkehrswidrig. Ein Überholverbot galt auf der fraglichen Strecke zur Unfallzeit nicht. Zum Zeitpunkt des Entschlusses zum Überholen der beiden vor ihm fahrenden Fahrzeuge ca. 110 m vor der späteren Unfallstelle lag nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen (vgl. S. 5 des o. g. Berichterstattervermerks i. V. m. Anlage A 27) eine völlig unkritische Situation vor, hatte der Beklagte zu 1) insbesondere freie Sicht auf die nach seinen Feststellungen (vgl. dazu auch S. 3 des o. g. Berichterstattervermerks i. V. m. den Anlagen A 29 f.) tatsächlich etwa dort beginnende gerade Strecke. Allein die anschließende deutliche Temporeduzierung des Beklagtenfahrzeugs stand der Fortsetzung des Überholmanövers nach Auffassung des Senats nicht entgegen und begründete noch keine Verpflichtung, von einem weiteren Überholen abzusehen. Eine zum Absehen vom Überholen bzw. zum Abbrechen des Überholmanövers verpflichtende (unklare) Verkehrslage hätte vielmehr nur bei – wie bereits ausgeführt nicht hinreichend sicher feststellbarem – rechtzeitig erkennbarem Linkseinordnen und vor allem Linksblinken des Klägerfahrzeugs bestanden.

Ein Reaktions- oder Aufmerksamkeitsverschulden des Beklagten zu 1) ist ebenfalls nicht feststellbar. Der Sachverständige Prof. T hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die Kollision für den Beklagten zu 1) bei Reaktion auf den tatsächlichen Abbiegebeginn und die erste Winkelstellung des klägerischen H nicht mehr zu vermeiden war. Dass der Beklagte zu 1) früher hätte reagieren müssen, lässt sich nicht hinreichend sicher feststellen. Ein rechtzeitig erkennbares Linkseinordnen und vor allem Linksblinken des Klägerfahrzeugs ist – wie bereits gesagt – nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar. Allein die deutliche Temporeduzierung des Klägerfahrzeugs verpflichtete den Beklagten zu 1) noch nicht zu einer Reaktion, geschweige denn zu der nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. T (vgl. S. 5 des o. g. Berichterstattervermerks) dann zur Unfallvermeidung notwendigen Vollbremsung auf der linken Spur, zumal der Zeuge M seine Temporeduzierung vor dem Senat als „Ausrollenlassen“ beschrieben hat (vgl. S. 2 des o. g. Berichterstattervermerks), so dass auch ein rechtzeitig erkennbares Aufleuchten der Bremsleuchten am Klägerfahrzeug nicht sicher feststeht.

Sonstige unfallursächliche Verkehrsverstöße des Beklagten zu 1) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

(2) Auf Seiten des Klägers ist zunächst ebenfalls die Betriebsgefahr des von ihm gehaltenen und von seinem Sohn, dem Zeugen M, geführten PKW H zu berücksichtigen. Diese Betriebsgefahr ist durch ein – dem Kläger haftungsrechtlich zuzurechnendes – gravierendes unfallursächliches Verschulden des Zeugen M in Form eines Verstoßes gegen seine Rückschaupflichten ganz erheblich erhöht. Ein solches Verschulden, für das von vornherein bereits der Anschein spricht (vgl. dazu die Darstellung der auch hier – bei Anwendung der ganz ähnlichen niederländischer Verkehrsregeln – anwendbaren Grundsätze bei Hentschel/König, a. a. O., § 9 StVO, Rdn. 55 auf S. 610), steht nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme positiv fest. Der Sachverständige Prof. T hat hierzu nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass selbst bei einer Betrachtung zugunsten des Klägers zum Zeitpunkt der 2. Rückschau der P des Beklagten zu 1) schon zu ¾ ausgeschert und eindeutig erkennbar war und der Zeuge M das Abbiegemanöver problemlos hätte zurückstellen und damit den Unfall hätte vermeiden können (wozu er auch verpflichtet war).

cc. Ist danach auf Seiten der Beklagten lediglich die – aufgrund des unstreitigen Überholens zweier Fahrzeuge als solchen etwas erhöhte – Betriebsgefahr zu berücksichtigen, auf Seiten des Klägers hingegen neben der normalen Betriebsgefahr das o. g. gravierende Verschulden des Zeugen M, so ist die vom Landgericht angenommene Haftungsquote der Beklagten von 20 % aus Sicht des Senats im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3. Hinsichtlich der Höhe des ersatzfähigen Schadens streiten die Parteien in dieser Instanz lediglich noch über den Fahrzeugschaden und die geltend gemachten Fahrtkosten. Insoweit kann der Kläger – auf Basis der nach dem Vorstehenden zu bestätigenden Haftungsquote von 20 % – von den Beklagten als Gesamtschuldnern lediglich noch weitere 252,35 EUR beanspruchen.

a. Den Fahrzeugschaden hat das Landgericht in der Tat falsch berechnet und deshalb zu gering angesetzt. Richtig ist allerdings, dass beim Wiederbeschaffungswert die Mehrwertsteuer herauszurechnen ist, da der Kläger fiktiv auf Wiederbeschaffungsbasis abrechnet und ein tatsächlicher Anfall von Mehrwertsteuer bei der Ersatzbeschaffung nicht konkret dargetan und belegt ist (arg. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Jedoch hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass laut Schadensgutachten (Bl. 9, 20 GA) von einer Differenzbesteuerung auszugehen ist; dementsprechend ist der Netto-Wiederbeschaffungswert in der Tat – so auch die Beklagten selbst auf S. 5 der Klageerwiderung (Bl. 50 GA) – mit 7. 902,44 EUR anzusetzen, so dass sich abzgl. des unstreitigen Restwerts von 2. 855 EUR ein ersatzfähiger Fahrzeugschaden von 5. 047,44 EUR ergibt. Die Differenz zu den vom Landgericht fälschlich als ersatzfähiger Fahrzeugschaden zugrunde gelegten 3. 785,70 EUR beträgt 1. 261,74 EUR.

Dementsprechend stehen dem Kläger noch weitere 252,35 EUR (= 20 % der vorgenannten Differenz) zu.

b. Soweit das Landgericht die geltend gemachten Fahrtkosten der Mutter des Zeugen M hinsichtlich der Verbringung des Zeugen M ins Krankenhaus von 12,15 EUR als nicht ersatzfähig angesehen hat, ist dies dagegen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Senat vermag schon nicht zu erkennen, dass es sich insoweit um einen vom Kläger geltendmachbaren Schaden handelt, war der Kläger doch selbst nicht verletzt (vgl. zur Ersatzfähigkeit von derartigen Fahrtkosten als Teil der Heilungskosten des Verletzten nur Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 249, Rdn. 8 f. ).

4. Die zuerkannte Zinsforderung folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Ersatz weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht nicht. Denn ausweislich der vorgelegten Korrespondenz (Bl. 33 ff. GA) hat der Klägervertreter vorgerichtlich ausschließlich die Zeugen M und O L. vertreten und für diese Ansprüche geltend gemacht, nicht aber Ansprüche des Klägers. Eigene Ansprüche des Zeugen M bestanden – auch unter Berücksichtigung der Haftungsquote der Beklagten von 20 % – nur in geringem Umfang (namentlich bzgl. des Brillenschadens), wobei eine Abtretung des Anspruchs auf diesbezügliche vorgerichtliche Anwaltskosten schon nicht dargetan, geschweige denn belegt ist. Insoweit ergäben sich ohnehin keinesfalls ersatzfähige vorgerichtliche Anwaltskosten von mehr als den bereits vom Landgericht zuerkannten 116,67 EUR.

5. Nach alledem war das angefochtene Urteil – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – auf die Berufung des Klägers in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Weise teilweise abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Eine Revisionszulassung war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.


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