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Verkehrsunfall – Darlegungslast des Geschädigten zur Behebung von Vorschäden

Rechtsstreit um Verkehrsunfall und Fahrzeugschäden

In einem aktuellen Fall (Az: 106 C 134/21) vor dem Amtsgericht Kiel ging es um einen Verkehrsunfall und die daraus resultierenden Schäden. Die Parteien stritten über die Höhe der zu regulierenden Schäden, wobei die Haftung dem Grunde nach unstreitig war. Der Kläger war Eigentümer eines Ford Fusion, der durch einen Auffahrunfall am Heck beschädigt wurde. Das Unfallfahrzeug war zum Tatzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversichert.

Direkt zum Urteil Az: 106 C 134/21 springen.

Die Sachverständigengutachten und die Forderungen des Klägers

Nach dem Verkehrsunfall beauftragte der Kläger das Sachverständigenbüro Engel und Harder mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Das Gutachten ergab, dass das Fahrzeug einen Totalschaden erlitten hatte. Der Wiederbeschaffungswert wurde auf 2.100,00 € und der Restwert auf 370,00 € beziffert.

Die Beklagte bestätigte ihre Eintrittspflicht hinsichtlich der unfallbedingten Schäden, lehnte jedoch eine Regulierung der Schäden ab, da sie eine hinreichende Darlegung der Schäden vermisste. Daraufhin forderten die anwaltlichen Vertreter des Klägers die Beklagte zur Regulierung der Schäden auf und legten eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigenbüros vor.

Der Kläger verlangte die Zahlung des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 1.730,00 €, eine Kostenpauschale von 20,00 € und eine Nutzungsausfallentschädigung für 9 Tage in Höhe von insgesamt 207,00 €. Zudem beanspruchte er die Freistellung von 577,00 € gegenüber den Sachverständigenkosten sowie die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Das Urteil des Amtsgerichts Kiel

Das Amtsgericht Kiel entschied am 22.12.2021 zugunsten des Klägers. Die Beklagte wurde verurteilt, an den Kläger 1.750,00 € nebst Zinsen sowie weitere 207,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Des Weiteren wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger von einer Forderung der Sachverständigen GbR in Höhe von 577,00 € und von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 367,23 € freizuhalten. Die Beklagte hatte zudem die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wurde auf 2.534,00 € festgesetzt.

Der Fall zeigt, dass es bei der Regulierung von Verkehrsunfällen und den daraus entstehenden Schäden zu komplexen juristischen Auseinandersetzungen kommen kann. Insbesondere die Berechnung der Schadenssumme und die Frage, welche Kosten von der Versicherung übernommen werden müssen, können für Laien schwierig zu verstehen sein.


Das vorliegende Urteil

AG Kiel – Az.: 106 C 134/21 – Urteil vom 22.12.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.750,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2021 sowie weitere 207,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.07.2021 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung der … GbR, Kfz-Sachverständige, …, … Kiel, vertreten durch … und …, in Höhe von 577,00 € freizuhalten.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 367,23 € freizuhalten.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 2.534,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten auf der Grundlage eines Verkehrsunfalles und einer unstreitigen Haftung dem Grunde nach über die Höhe der zu regulierenden Schäden.

Der Kläger war Eigentümer eines Ford Fusion mit dem amtlichen Kennzeichen … . Das Fahrzeug des Klägers wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalles vom 28.04.2021 in Kiel durch einen zum Tatzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw durch einen Auffahrunfall am Heck beschädigt.

Der Kläger beauftragte nach dem Verkehrsunfall das Sachverständigenbüro Engel und Harder mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Das Schadensgutachten wurde am 04.05.2021 fertiggestellt (zum Inhalt des Gutachtens wird verwiesen auf die Anlage K1). Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass das Fahrzeug einen Totalschaden erlitten habe. Nach dem Gutachten Bestand an dem Fahrzeug ein reparierter Vorschaden am Kotflügel vorne links. Den Wiederbeschaffungswert bezifferte der Sachverständige mit 2.100,00 € und den Restwert des Fahrzeugs mit 370,00 €.

Die Beklagte bestätigte ihre Eintrittspflicht hinsichtlich der unfallbedingten Schäden am Fahrzeug mit Schreiben vom 30.04.2021 (Anlage K2).

Mit Schreiben vom 04.05.2021 lehnte die Beklagte eine Regulierung der Schäden mangels hinreichender Darlegung der Schäden ab (zum Inhalt des Schreibens wird verwiesen auf die Anlage K3).

Der Kläger erwarb am 07.05.2021 ein anderes Fahrzeug (s. Kaufvertrag, Anlage K7).

Mit Schreiben vom 11.05.2021 forderten die anwaltlichen Vertreter des Klägers die Beklagte auf, die Schäden bis zum 21.05.2021 zu regulieren (s. Anlage K6). Beigefügt war dem Schreiben eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigenbüros zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges (Anlage K4).

Der Kläger beansprucht mit der vorliegenden Klage die Zahlung des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 1.730,00 €, eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 € und eine Nutzungsausfallentschädigung für 9 Tage in Höhe von insgesamt 207,00 €.

Zudem beansprucht er Freistellung in Höhe von 577,00 € gegenüber den Sachverständigenkosten (s. zur Rechnung die Anlage K8) und die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Der Kläger behauptet, dass der Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeuges, wie vom Sachverständigen auch im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme dargelegt 2.100,00 €, betrage. Der reparierte Vorschaden des Fahrzeugs sei lediglich ein Bagatelleschaden ohne Einfluss auf den Wert des Fahrzeuges. Der Sachverständige habe zur Ermittlung des Schadens nicht den höchsten Wiederbeschaffungswert berücksichtigt, sondern nur ein eher durchschnittliches Angebot eingestellt.

Der Kläger habe das Fahrzeug im Jahr 2019 erworben. Der Verkäufer habe den Beklagten damals darauf hingewiesen, dass an den betreffenden Kotflügel einige Kratzer vorhanden gewesen seien. Es habe nach Auskunft des Verkäufers eine Lackspurenbearbeitung stattgefunden.

Der Kläger beantragt mit der am 14.07.2021 zugestellten Klage,

1) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2021, sowie weitere 207,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung der … GbR, Kfz-Sachverständige, …, … Kiel, vertreten durch … und …, in Höhe von 577,00 € freizuhalten.

3) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten Höhe von 367,23 € freizuhalten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 1.730,00 € nicht hinreichend begründet worden sei. Es sei aus Sicht der Beklagten nicht erkennbar, ob reparierte Vorschäden sach- und fachgerecht repariert worden seien oder eine unfachmännische Instandsetzung erfolgt sei. Auch sei nicht ersichtlich, ob die Instandsetzung mit Originalersatzteilen erfolgt sei.

Zum weiteren Vortrag der Parteien wird verwiesen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L.. Zum Inhalt und Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der Sitzung vom 03.12.2021.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 7 StVG in Verbindung mit § 115 VVG auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.957,00 € sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

a) Das Fahrzeug des Klägers wurde bei dem Betrieb eines bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges am Heck beschädigt. Die Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) aa) Das Gericht geht auf der Grundlage des vorgerichtlich erstellten Gutachtens und der Aussage des sachverständigen Zeugen L. davon aus, dass dem Kläger ein Schaden nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Form eines erforderlichen Wiederbeschaffungsaufwandes in Höhe von 1.730,00 € entstanden ist. Dem Kläger kommen insoweit die Erleichterungen des § 287 ZPO im Hinblick auf seine Vortragslast und Beweislast zugute.

Der Kläger hatte zu dem am Fahrzeug vorhandenen Vorschaden durch Vorlage des Sachverständigengutachtens hinreichend und substantiiert vorgetragen. Der am Fahrzeug vorhandene Vorschaden ist zum Unfallschaden räumlich ohne weiteres abzugrenzen. Das Fahrzeug wurde am Heck beschädigt und der Vorschaden befand sich am vorderen Kotflügel links.

Insbesondere ist dem Kläger kein weiterer Vortrag zu Art und Umfang und Behebung des Vorschadens aufzuerlegen, da dieser das Fahrzeug mit dem vorhandenen Schaden bereits erworben hatte (s. nur: Nugel, zfs 2020, 490, 493; s. zu den erforderlichen Darlegungen s. auch: OLG Hamm Urteil vom 27.02.2014 – I-6 U 147/13 zitiert nach juris). Der Kläger selbst war nach seiner Anhörung zur Überzeugung des Gerichts nicht darüber in Kenntnis, dass es diesen Vorschaden gab und in welcher Form dieser Vorschaden behoben worden ist. Es ist im Ausgangspunkt festzustellen, dass der Kläger keine falschen Angaben zu den Vorschäden gemacht hat und dass er zudem selbst nicht in der Lage ist, weiteren konkreten Vortrag zu den vorangegangenen Reparaturen des Kotflügels des Fahrzeuges zu tätigen (nach der Rechtsprechung wird dies bei Fällen mit verschwiegenen nicht kompatiblen Vorschäden anders gesehen vgl.: LG Berlin Urteil vom 09.07.2020, Az: 41 O 147/19).

Der Sachverständige L. hat zudem zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft bestätigt, dass der Kotflügel des beschädigten Fahrzeugs, wie im schriftlichen Gutachten notiert, fachgerecht repariert worden sei. Der Zeuge hat hierzu ausgeführt, dass er zwar nicht habe feststellen können, ob der gesamte Kotflügel lackiert worden sei oder aber eine Reparatur im Wege der Smart-Repair erfolgt sei, jedoch sei eine fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs jedenfalls erfolgt. Ob über den Kotflügel hinaus noch weitere Instandsetzungsarbeiten erfolgt seien, konnte der Sachverständige nicht beantworten, da es hierfür erforderlich gewesen wäre, Bauteile zu demontieren. Ein erhöhtes Spaltmaß hat der sachverständige Zeuge nicht feststellen können.

Für die Bewertung des Fahrzeuges, welches ohnehin nur gebraucht gehandelt werde, sei die Frage der Durchführung und des Umfanges der Reparatur nicht erheblich. Es stünden nach den Ausführungen des sachverständigen Zeugen andere wertbildende Faktoren, wie zum Beispiel die letzte Hauptuntersuchung und die Laufleistung, bei der Bewertung des Wertes des Fahrzeuges im Vordergrund.

Das Gericht legt bei der Ermittlung des Schadens nach § 287 ZPO den substantiierten Vortrag des Klägers in Form des Gutachtens des Sachverständigen, der ergänzenden Stellungnahme und die Aussage des Zeugen L. zur Reparatur des Vorschadens zugrunde. Danach beträgt der Wiederbeschaffungswert 2.100,00 € und der Restwert brutto 370,00 €. Die durchschnittlichen Angebotspreise betrugen zwischen 1.800,00 und 3.495,00 €. Die nächste Hauptuntersuchung war in 21 Monaten fällig und über den Umstand des lackierten Kotflügels hinaus, befand sich das Fahrzeug nach dem Gutachten und den ergänzenden Ausführungen des vorgerichtlichen Sachverständigen in einwandfreiem Zustand.

Eine weitergehende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe des Schadens ist nach dem Ermessen des Gerichts nicht zu veranlassen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Das streitgegenständliche Fahrzeug hat der Kläger mittlerweile veräußert und es befindet sich nicht mehr in seinem Besitz. Die Schäden und der nach der Feststellung des Gerichts fachgerecht behobene Vorschaden sind allein durch das vorgerichtliche Gutachten dokumentiert worden, so dass eine weitergehende Beweisaufnahme unmöglich ist bzw. mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist.

bb) Der Kläger kann zudem eine angemessene Nutzungsentschädigung für 9 Tage in Höhe von insgesamt 207,00 € und eine Pauschale in Höhe von 20,00 € als Schadensersatz beanspruchen.

cc) Auch kann der Kläger Freistellung von den notwendigen Rechtsverfolgungskosten beanspruchen. Hierzu zählen zum einen die Kosten des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen in Höhe von 577,00 € sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 367,23 € (s. zur Berechnung: S. 5 der Klageschrift).

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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