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Verkehrsunfall – Darlegungslast bei Vorschäden

LG Essen – Az.: 11 O 138/17 – Urteil vom 05.04.2018

Das Versäumnisurteil des LG Essen vom 22.12.2017 Az.: 11 O 138/17 wird aufrechterhalten.

Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des LG Essen vom 22.12.2017 Az.: 11 O 138/17 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Der Kläger ist Halter des Fahrzeugs Mercedes Benz CLS mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Beklagte zu 1) ist Halterin des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …, welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Im April 2016 erlitt der Mercedes einen Schaden, welcher Reparaturkosten in Höhe von 34.000 EUR auslöste.

Ob der Mercedes am 22.10.2017 in einen Verkehrsunfall verwickelt war, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger holte anschließend ein Schadensgutachten der … ein, welches Reparaturkosten in Höhe von 9.457,57 EUR und einen merkantilen Minderwert von 500 EUR kalkulierte. Die Kosten für das Sachverständigengutachten betrugen 731,12 EUR. Dem Gutachter teilte der Kläger den Vorschaden aus dem Jahr 2016 nicht mit.

Am 13.03.2017 bestätigte die … dem Kläger die Reparatur des Fahrzeugs, wofür Kosten in Höhe von 70,73 EUR anfielen.

Der Kläger forderte die Beklagte zu 2) vergeblich zur Zahlung von Schadensersatz auf.

Der Kläger behauptet, dass er den Mercedes zu Eigentum erworben habe. Er behauptet weiter, dass Herr … am 22.10.2017 gegen 21:05 Uhr mit diesem Fahrzeug die Joachimstraße in Essen in Höhe des Bahnübergangs befuhr. Hinter dem Bahnübergang habe Herr … abgebremst, um ein Vorfahrt berechtigtes Fahrzeug passieren zu lassen. Die Beklagte zu 1) sei aus Unachtsamkeit auf den Mercedes aufgefahren. Zudem behauptet er, dass der Vorschaden aus dem Jahr 2016 vollständig sach- und fachgerecht repariert worden wäre.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm aufgrund des Unfalls Reparaturkosten, Ersatz der merkantilen Minderwerts und der Sachverständigenkosten sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 25 EUR zustünden. Zudem seien ihm ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 476 EUR und die Kosten für die Reparaturbestätigung zu ersetzen.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2017 hat der Kläger keinen Antrag gestellt. Auf Antrag der Beklagten zu 2) hat das Gericht Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen. Gegen das am 12.01.2018 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger mit Schreiben vom 24.01.2018, bei Gericht eingegangen am 25.01.2018, Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 11.160,42 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus 10.613,69 EUR seit dem 02.03.2017, aus 476 EUR seit dem 06.04.2017 und aus 70,73 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen; die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 958,19 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 01.03.2017 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen.

Nachdem die Beklagte zu 2) ursprünglich beantragt hat, die Klage abzuweisen, beantragt sie nunmehr, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) behauptet, dass sie aus Unachtsamkeit auf den Mercedes aufgefahren sei. Die Beklagte zu 2) bestreitet, dass die Beklagte zu 1) auf den Mercedes aufgefahren ist. Wenn die Beklagte zu 1) auf den Mercedes aufgefahren sein sollte, habe sie absichtlich gehandelt. Wenn ein Unfall überhaupt stattgefunden habe, sei dieser manipuliert.

Hierfür spräche indiziell, dass aus technischer Sicht Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Beklagte zu 1) nicht den Versuch eines Abbremsens unternommen habe, obwohl die Unfallörtlichkeit gut einsehbar gewesen sei. Auch fehle es an einem Eigenschaden der Beklagten zu 1) wegen der unstreitigen Vollkaskoversicherung der Beklagten zu 1). Zudem sprächen für das Vorliegen eines manipulierten Unfallereignisses auch die unstreitige Bekanntschaft zwischen den Beteiligten und die unstreitige Aufnahme von staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen des Unfalls im Jahr 2016. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten zu 2) vom 20.09.2017 Bezug genommen.

Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, dass der Kläger im Übrigen einen eigenständigen Schaden aus dem Unfallereignis nicht dargelegt habe, weil die vollständige Reparatur des Vorschadens aus dem Jahr 2016 nicht vorgetragen worden sei.

Die Beklagte zu 2) ist der Beklagten zu 1) als Nebenintervenientin beigetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsatz, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall - Darlegungslast bei Vorschäden
(Symbolfoto: Von Orathai Mayoeh/Shutterstock.com)

Infolge zulässigen Einspruchs (§§ 338 ff. ZPO) war der Prozess in die Lage vor Säumnis zurückzuversetzen (§ 342 ZPO).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten als Gesamtschuldner nicht zu.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Erstattung von Reparaturkosten in Höhe von 9.357,57 EUR aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 StVG bzw. § 7 StVG.

Ob das streitgegenständliche Unfallgeschehen einen manipulierten Verkehrsunfall darstellt, kann dahinstehen. Der Kläger hat keinen eigenständigen Schaden infolge des etwaigen Unfallgeschehens darzulegen vermocht.

Ist streitig, ob der geltend gemachte Fahrzeugschaden durch einen Verkehrsunfall entstanden und wie hoch der geltend gemachte Schaden zu beziffern ist, hat das Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Der Geschädigte ist jedoch verpflichtet, die tatsächlichen Grundlagen und geeignete Schätzungsgrundlagen, die die Anhaltspunkte für eine Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bieten, beizubringen und zu beweisen. Dies gilt insbesondere für die Darlegung und den Nachweis, dass der Schaden nach Art und Umfang insgesamt auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen ist. Fehlt es an einer ausreichenden Schätzungsgrundlage und ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit erheblicher Vorschäden nicht möglich, hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.07.2012 Az.: I-1 W 19/12 Rn. 3; OLG Düsseldorf Urt. v. 10.02.2015 Az.: 1 U 32/14 Rn. 4; KG Beschl. v. 12.12.2011 Az.: 22 U 151/11 Rn. 4; OLG Düsseldorf Urt. v. 06.02.2006 Az.: 1 U 148/05 Rn. 10). Im Übrigen kann ohne detaillierte Kenntnis über den Umfang des Vorschadens und seine ggf. erfolgte Reparatur der aktuelle Wiederbeschaffungswert nicht bestimmt werden (OLG Hamburg Beschl. v. 06.05.2003 Az.: 14 U 12/03 Rn. 4).

Das klägerische Fahrzeug hat unstreitig im April 2016 ein Vorschaden erlitten, der zu Reparaturkosten in Höhe von 34.000 EUR geführt hat.

Ob bzw. inwiefern aber durch den streitgegenständlichen Unfall ein neuer oder anderer Schaden entstanden sein soll, lässt sich anhand des klägerischen Vorbringens nicht ermitteln. In einem solchen Fall bedarf es der genauen Darlegung der Vorschäden und deren Reparaturen in allen Einzelheiten, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des fortbestehenden Zustands erforderlich sind. Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag nicht. Die pauschale Behauptung einer sachgerechten Reparatur ohne Darlegung der einzelnen Reparaturschritte reicht hierbei nicht aus. Es sind die einzelnen Reparaturmaßnahmen einschließlich der verwendeten Ersatzteile und die Umstände, aus denen sich eine fachgerechte Reparatur ergibt, zu schildern (vgl. KG Beschl. v. 12.12.2011 Az.: 22 U 151/11 Rn. 4, 5).

Substantiierter Vortrag zu den Einzelheiten der Reparaturschritte und dem Zustand des Fahrzeugs vor dem streitgegenständlichen Unfall fehlt völlig. Hierauf ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2017 hingewiesen worden (vgl. Sitzungsprotokoll der Sitzung vom 22.12.2017), ohne dass er seinen Vortrag im Folgenden im Rahmen der Einspruchsschrift ergänzt hätte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens des Privatsachverständigen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Privatgutachter Vorschäden nicht mitgeteilt worden sind (vgl. Blatt 4 des Gutachtens, Anlage K 1 zum klägerischen Schriftsatz vom 12.07.2017).

Des Weiteren steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung von 500 EUR wegen einer durch den Unfall eingetretenen merkantilen Wertminderung zu. Die Darlegung ist unschlüssig, weil der Privatgutachter davon ausgegangen ist, dass das Fahrzeug keine Vorschäden aufweist.

Die Auslagenpauschale ist vorliegend ebenfalls nicht ersatzfähig, weil für das Gericht ein eigenständiger Schaden infolge des Unfallereignisses nicht feststellbar ist.

Auch die Sachverständigenkosten kann der Kläger nicht beanspruchen. Eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Gebühren eines zur Ermittlung der Reparaturkosten eingeholten Gutachtens ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte – wie hier – gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 14.08.2006 Az.: 12 U 324/05 Rn. 11).

Ein Nutzungsausfallschaden steht dem Kläger nicht zu. Nutzungsausfall wird erstattet für die Dauer einer fühlbaren Gebrauchsbeeinträchtigung des Geschädigten. Eine Reparaturbestätigung vermag zwar die Durchführung der Reparatur zu belegen, besagt aber nichts über den konkreten Zeitraum der tatsächlichen Reparaturdauer und ob überhaupt sämtliche im Gutachten aufgeführten Arbeiten durchgeführt wurden und ist somit für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung nur von begrenztem Erkenntniswert. Allein der Nachweis, dass das Fahrzeug repariert worden ist, genügt nicht für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallersatz (OLG Frankfurt Beschl. v. 18.02.2010 Az.: 10 U 60/09 Rn. 4). Der Geschädigte hat für einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass sein Fahrzeug an im Einzelnen zu bezeichnenden Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war (vgl. OLG München Urt. v. 13.09.2013 Az.: 10 U 859/13 Rn. 5; vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 13.10.2011 Az.: 1 U 105/11 Rn. 13). Dies trägt der Kläger nicht vor. Zudem scheidet ein Nutzungsersatz vorliegend aus, weil der Umfang des eigenständigen Schadens infolge des Unfalls und die daraus resultierende Reparaturdauer unklar bleiben.

Die Kosten für die Reparaturbestätigung sind nicht ersatzfähig, weil diese zum Nachweis des Nutzungsausfallschadens ungeeignet ist.

Vorgerichtliche Anwaltskosten sind nicht ersatzfähig, wenn ein Schaden infolge des Unfallereignisses nicht feststellbar ist. In diesem Fall ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht erforderlich. Mangels Hauptforderung scheidet auch ein Zinsanspruch aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1-3 ZPO.

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