LG Flensburg, Az.: 1 S 51/16, Urteil vom 16.03.2017
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 25.05.2016, Aktenzeichen 67 C 45/16, dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger insgesamt einen Betrag von 56,70 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.02.2016.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 25.05.2016, Aktenzeichen 67 C 45/16, wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
VI. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 56,70 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über den Umfang eines Schadensersatzanspruchs nach einem Verkehrsunfall.
Der Kläger war Halter und Fahrer eines Pkws des Fabrikats Lexus, der im Rahmen eines Verkehrsunfalls mit dem vom Versicherungsnehmer der Beklagten gelenkten PKW beschädigt wurde. Ein vom Kläger vorgerichtlich eingeschalteter Sachverständiger, der Zeuge Z1, kam in seinem Gutachten, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 12-26 der Akten verwiesen wird, zu dem Ergebnis, dass ein Totalschaden vorliege. Im Rahmen der technischen Daten und Fahrzeugbeschreibung notierte der Sachverständige unter Bemerkungen, dass der Kraftstofftank zu 60 % gefüllt sei bei einem maximalen Fassungsvermögen von 70 Litern. Die Beklagte regulierte den Unfallschaden zu 100 % mit Ausnahme der Benzinkosten.
Der Kläger ist der Auffassung, die Benzinkosten für 42 Liter Benzin bei einem damaligen Verkehrspreis von 1,35 € seien zu ersetzen, und hat vor dem Amtsgericht die Zahlung von 56,70 € nebst Zinsen von der Beklagten verlangt.
Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 43,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.02.2016 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Inhalts der erstinstanzlichen Entscheidung wird Bezug genommen auf das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 02.06.2016 (Blatt 58 ff. der Akte).
Das Amtsgericht hat den Kläger als Eigentümer des streitgegenständlichen Benzins angesehen, da es sich hierbei um Zubehör des Fahrzeugs im Sinne des § 97 BGB handele, nicht um einen wesentlichen Bestandteil nach § 93 BGB.
Das restliche Benzin sei kein wertbildender Faktor des Fahrzeugs und vom Sachverständigen bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes nicht miteinzubeziehen gewesen. Allerdings sei nicht anzunehmen, dass der Sachverständige hierbei von einem komplett leeren Tank ausgegangen sei, da Fahrzeuge stets mit einem gewissen Benzinbestand veräußert würden. Das Amtsgericht schätzt, dass dementsprechend ein Füllstand von etwa 10 Litern bei der Wertermittlung bereits einkalkuliert sei, so dass dem Kläger lediglich hinsichtlich der darüber hinausgehenden weiteren 32 Liter Schadensersatz zustehe.
Mitverschulden müsse sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen, da es ihm nicht zumutbar sei, das Benzin selbst abzusaugen. Die Kosten für die erforderlichen Benzinkanister schätzt das Amtsgericht auf 30,00 € bis 40,00 €, weswegen schon sie außer Verhältnis stünden zum Benzinwert von rund 43,00 €. Etwaiger Lohn einer Werkstatt käme noch hinzu.
Der Kläger habe außerdem bei der Realisierung des Restwertes des Fahrzeugs auch nicht versäumt, eine zusätzliche Zahlung für das Benzin durchzusetzen. Die Entscheidung habe die finanzierende Bank getroffen. Zudem habe – anders als beim Verkauf eines fahrbereiten Fahrzeugs – der mögliche Käufer kein Interesse an Kraftstoff, wenn das Fahrzeug nur noch recycelt bzw. verwertet werden kann. Ob und in welchem Umfang mit abgepumptem Benzin Gewinne zu erzielen seien, sei dem Amtsgericht nicht bekannt. Der erzielbare Preis müsse erheblich unter dem Tankstellenneupreis liegen, die beim Fahrzeugverkauf erlösbare Summe dementsprechend noch niedriger. Derartige Vergütungsverhandlungen über den Weiterveräußerungswert des Restbenzins wären ungewöhnlich und nicht allgemein üblich. Letztlich hätte auch die Beklagte dem Kläger ein höheres Restwertangebot machen und anschließend das Benzin selbst weiterveräußern können. Auch der Schädiger müsse den Schaden möglichst gering halten.
Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen.
Das Urteil des Amtsgerichts vom 25.05.2016 ist beiden Parteien zugestellt worden am 02.06.2016 (Blatt 62, 63 in der Akte). Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27.06.2016, beim Landgericht eingegangen am Folgetag, Berufung eingelegt und begründet (Blatt 89 ff. der Akte). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.07.2016, eingegangen am selben Tage, einem Montag (Blatt 94 der Akte) ihrerseits Berufung eingelegt und begründet.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die restlichen 13,50 €. Die Rechtsauffassung, dass ein Tankinhalt von bis zu 10 Litern bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sei, könne nicht gelten im Falle eines Totalschadens, da dem Geschädigten nicht zuzumuten sei, vom Resteverwerter hinsichtlich dieser Menge eine Gegenleistung zu fordern. Er behauptet weiter, bei der Wertermittlung durch den Privatgutachter Z1, die von den Parteien zur Grundlage der Schadensregulierung gemacht wurde, sei das Restbenzin lediglich erwähnt, aber nicht rechnerisch berücksichtigt worden.
Der Kläger beantragt, die Entscheidung des Amtsgerichts Flensburg vom 02.06.2016, Aktenzeichen 67 C 45/16, abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an ihn weitere 13,50 € zu zahlen.
Mit seiner Berufung begehrt die Beklagte ihrerseits weiterhin vollständige Klagabweisung.
Sie beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 25.05.2016, zugestellt am 02.06.2016, aufzuheben und die Klage abzuweisen, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Zulassung der Revision.
Sofern das Benzin im Tank nicht wesentlicher Bestandteil des Fahrzeugs im Sinne des § 93 BGB sei, sondern als Zubehör nach § 97 BGB sonderrechtsfähig, müsse die Klage schon abgewiesen werden, weil das Benzin bei dem Unfall nicht zerstört oder unbrauchbar geworden sei. Der Verbrauch des Benzins sei allein durch den Verkauf des Fahrzeugs unmöglich geworden. Eine Anspruchsgrundlage für den Wertersatz des Benzins nach dem Tankstellenpreis bestehe nicht. Der Kläger begehre auch nicht fiktive Kosten für das Absaugen des Restbenzins.
Im Rahmen der Verwertung des Fahrzeugs könne der Kläger aufgrund der Sonderrechtsfähigkeit des Restbenzins hiermit nach Belieben verfahren. Ein Restwertaufkäufer erwerbe totalbeschädigte Fahrzeuge nicht zur bloßen Verschrottung, sondern ziehe wirtschaftlichen Nutzen aus der Verwertung auch des abgepumpten Restbenzins. Wenn hier lediglich ein Preis erheblich unter dem Neupreis erzielt werden könne, könne der Kläger gerade nicht den Neupreis von der Beklagten verlangen. Die Beklagte sei nicht verantwortlich, wenn der Kläger das Restbenzin verschenke.
Das Amtsgericht ignoriere, dass die Tankfüllung ein wertbildender Faktor sei und als solcher auch vom Sachverständigen bei der Festlegung des Wiederbeschaffungswertes berücksichtigt worden sei. Hiervon sei jedenfalls auszugehen; der Kläger habe dementsprechend mit der Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes auch den Wert des Restbenzins erhalten. Ein Fahrzeug werde im jeweils aktuellen Zustand bewertet, also inklusive Zubehör. Genau wie etwa neuwertige Reifen stelle ein voller Tank einen Mehrwert dar.
Der Kläger verstoße gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er einen vorhandenen gesonderten Wert nicht realisiere. Der konkrete Mehrerlös unterfalle dem Verhandlungsgeschick der Beteiligten. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger das Restbenzin bei der Veräußerung des verunfallten Fahrzeugs weder durch Abpumpen noch durch gesonderten Verkauf an den Restwertaufkäufer hätte verwerten können. Weiteres konkretes Vorbringen hierzu sei ihr nicht möglich. Möglicher Mehrerlös bei Weiterveräußerung unterliege der Schätzung des Gerichtes.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen und die Zulassung der Revision.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z1. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2017 (Blatt 129 ff. der Akte).
II.
1.
Beide Berufungen sind zulässig. Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen. Beide Parteien haben ihre jeweilige Berufung fristgerecht eingelegt und begründet.
2.
Die Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg, jene der Beklagten nicht. Der Klage ist insgesamt stattzugeben. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 7 StVG i.V.m. § 115 VVG auch hinsichtlich des im Tank verbliebenen Restbenzins.
a.
Der Einschätzung des Amtsgerichts, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Benzins war, da es sich hierbei um Zubehör des Fahrzeugs im Sinne des § 97 BGB handelt, nicht um einen wesentlichen Bestandteil nach § 93 BGB, schließt sich die Kammer an. Die Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug selbst sowie die Entscheidung der finanzierenden Bank über die Veräußerung des Fahrzeugs können dahinstehen. Eine Entscheidung über das in seinem Eigentum stehende Benzin kann dem Kläger jedenfalls nicht verwehrt werden.
b.
Der Wert des im Tank verbliebenen Restbenzins wurde bei der Berechnung des Totalschadens nicht berücksichtigt. Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis, dass mit der unstreitigen Schadensregulierung durch die Beklagte der geltend gemachte Schaden noch nicht ersetzt wurde, erfolgreich geführt.
Die Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts hinsichtlich dieser Frage war unvollständig. Eine erneute Beweisaufnahme durch die Kammer war nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geboten, da die Behauptung des Klägers, für die dieser Beweis durch Zeugenvernehmung des Privatgutachters Z1 angeboten hat, von der Beklagten bestritten worden ist. Dieses Bestreiten reicht schon angesichts der unklaren Erwähnung des Restbenzins im Privatgutachten aus. Die Annahme des Amtsgerichtes, die Füllstandsmenge des Tanks gehöre nicht zu den wertbestimmenden Faktoren eines Fahrzeugs, genügt nicht. Zwar mag die Tankfüllung nach allgemeiner Lebenserfahrung tatsächlich kein wesentlicher oder üblicher Aspekt im Rahmen der Bewertung von Gebrauchtfahrzeugen sein (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2017, 1 U 46/16, juris, Rn. 39; a. A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.07.2007, 4 U 223/06, juris, Rn. 6). Vorliegend ist aber allein entscheidend, ob das Restbenzin vom Privatgutachter bei seinen Wertermittlungen, die von den Parteien zur Grundlage der Zahlungen gemacht wurden, berücksichtigt wurde oder nicht.
Der Zeuge Z1 hat im Rahmen seiner Vernehmung zur Überzeugung der Kammer bekundet, den Wiederbeschaffungswert habe er unabhängig von dem Wert des Benzins ermittelt. Er habe den Tankinhalt zwar in seinem Gutachten festgehalten, dieser spiele aber für die Schadenshöhe und den Wiederbeschaffungswert keine Rolle. Er führe nur bei Totalschäden den im Tank verbliebenen Kraftstoff auf, da dieser mangels Reparaturmöglichkeit vom Fahrzeughalter nicht mehr verwendet werden könne.
c.
Der im Fahrzeugtank verbliebene Treibstoff stellt eine ersatzfähige Schadensposition dar (vgl. Landgericht Kiel, Urteil vom, 19.07.2013, 13 O 60/12, juris, Rn. 39; Landgericht Regensburg, Urteil vom 25.11.2003, 1 O 348/03, NJW-RR 2004, 1474 Amtsgericht Leer, Urteil vom 22.11.2016, 73 C 658/16, juris; Amtsgericht Solingen, Urteil vom 01.04.2015, 11 C 631/14, juris, Rn. 23; Amtsgericht Germersheim, Urteil vom 08.03.2012, 1 C 473/11, juris).
Unstreitig befand sich im Unfallzeitpunkt Benzin im Tankstellenneuwert von 56,70 € im Fahrzeug. Diese Wertberechnung basiert auf einem Füllstand des 70 Liter fassenden Tanks von 60 % bei einem Benzinpreis von 1,35 €/l. Dieses Benzin konnte der Kläger nicht mehr wie geplant verfahren.
Es kann dahinstehen, ob dem Kläger schon durch den Unfall auch hinsichtlich des Restbenzins ein ersatzfähiger Schaden entstand oder zunächst kein Schaden vorlag, weil das Benzin noch vorhanden war und ein wirtschaftlicher Nachteil erst durch den Verkauf des Fahrzeugs entstand (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2017, 1 U 46/16, juris, Rn. 38). Jedenfalls trat ein adäquat auf den Unfall zurückzuführender Schaden durch den späteren Verkauf, in dessen Rahmen das Restbenzin nicht vergütet wurde (s. oben II.2.b.), ein. Dem Kläger ist zusätzlich zur Beschädigung seines Fahrzeugs ein weiterer Schaden entstanden (vgl. Amtsgericht Leer, Urteil vom 22.11.2016, 73 C 658/16, juris).
d.
Es ist auch nicht deswegen ein Abzug von der Klageforderung zu machen, weil Fahrzeuge üblicherweise nie mit leerem Tank gekauft werden. Die Kammer teilt zwar die Erfahrung des Amtsgerichts, dass Autos nicht ohne eine gewisse Mindestmenge Treibstoff verkauft werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine entsprechende Mindestfüllung stets im Kaufpreis enthalten ist. Vielmehr ist genauso gut denkbar, dass der Verkäufer dem Käufer den Tankinhalt üblicherweise unentgeltlich überlässt, solange hierzu keine gesonderte Absprache getroffen wird. Beim Verkauf oder bei der Verwertung eines Fahrzeugs muss dem bisherigen Eigentümer eine freie Verfügung über den gesamten Benzinrest und z. B. eine gesonderte Preisvereinbarung diesbezüglich möglich sein – ohne dass ein Abzug für eine schon im Kaufpreis enthaltene Mindestfüllung des Tanks zu berücksichtigen wäre. Dem entspricht auch die Bekundung des sachverständigen Zeugen Z1, dass der von ihm berechnete Wiederbeschaffungswert auch bei einem komplett leeren Tank unverändert geblieben wäre. Falls im Wiederbeschaffungswert stets eine gewisse Mindestfüllung des Tanks enthalten wäre, müsste beim Fehlen dieser Mindestmenge ein Abzug um wenige Euro erfolgen.
e.
Dem Kläger ist auch nicht im Sinne eines Mitverschuldens gemäß § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB entgegenzuhalten, dass er im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht das Restbenzin anderweitig hätte verwerten können.
aa.
Dem Kläger als Geschädigtem ist nicht zuzumuten, das noch im Fahrzeug befindliche Benzin selbst abzupumpen oder abpumpen zu lassen (vgl. Amtsgericht Leer, Urteil vom 22.11.2016, 73 C 658/16, juris; Amtsgericht Solingen, Urteil vom 01.04.2015, 11 C 631/14, juris, Rn. 23; a. A., jedenfalls für überdurchschnittlich große Mengen von Restbenzin, OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2017, 1 U 46/16, juris, Rn. 37 ff.; so auch Landgericht Darmstadt, Urteil vom 24.07.1990, 17 S 388/89, zfs 1990, 343; Amtsgerichts Berlin-Mitte, Urteil vom 24.11.2009, 109 C 3131/09, juris). Die Kammer geht davon aus, dass zumindest im vorliegenden Fall, in dem weder unstreitig noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger über entsprechende Utensilien oder kostengünstige andere Möglichkeiten hierfür verfügte, schon der eigene Materialaufwand bzw. die zu erwartenden Werkstattkosten den Tankstellenneupreis des Benzins annähernd erreichen oder sogar übersteigen (so auch das Amtsgericht Flensburg in einem sehr ähnlichen Fall, Urteil vom 26.07.2016, 62 C 40/16, nicht veröffentlicht, Berufung nicht zugelassen, Blatt 113 ff. der Akte). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass selbst im Falle einer kostenlosen Abpumpmöglichkeit die Verwertbarkeit des Benzins für den Kläger äußerst zweifelhaft sein dürfte. Dass er das hypothetisch abgepumpte Benzin etwa in einem Zweitfahrzeug gefahrlos hätte verwenden und damit den vollständigen Nutzen daraus ziehen können, hat die Beklagte nicht vorgetragen; ebensowenig wie und zu welchem Wert eine Veräußerung des abgepumpten Benzins für den Kläger möglich gewesen sein soll. Schon vor dem Hintergrund, dass es sich um einen nicht beliebig veräußerbaren Gefahrstoff handelt, ist hier nicht ohne weiteres von einer fortdauernden Verwertbarkeit des Restbenzins für den Kläger auszugehen.
bb.
Der Kläger hat auch keine Schadensminderungsobliegenheit verletzt, indem er bei der Verwertung keinen zusätzlichen Erlös für das im Fahrzeug enthaltene Restbenzin erzielte.
Es erscheint zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Schädiger dem Geschädigten mit Erfolg entgegenhält, dass dieser bei der Veräußerung des Unfallfahrzeugs für das Restbenzin einen gewissen Mehrbetrag hätte erlösen können (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2017, 1 U 46/16, juris, Rn. 37 ff.; a. A. Amtsgericht Flensburg, Urteil vom 26.07.2016, 62 C 40/16, nicht veröffentlicht, Berufung nicht zugelassen, Blatt 113 ff. der Akte). Es ist nach Einschätzung der Kammer jedoch nicht in einem solchen Maße üblich, dass Verhandlungen über Restbenzin mit aufkaufenden Resteverwertern geführt werden, dass von einem ordentlichen und verständigen Geschädigten nach allgemeinem Bewusstsein zu erwarten ist, dass er im Rahmen der ihm obliegenden Sorgfalt zur Vermeidung weiteren Schadens entsprechende Gespräche führt (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2014, VI ZR 281/13, juris, Rn. 8 ff.).
Darüber hinaus hat die Beklagte jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, dass und wie der Kläger im Zeitpunkt der Verwertung des Fahrzeugs in zumutbarer Weise einen Restwert für das Benzin hätte erzielen können. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines derartigen Mitverschuldens, d. h. vorliegend bzgl. des Bestehens und des Nichtnutzens von Verwertungsmöglichkeiten, liegt beim Ersatzpflichtigen (vgl. Grüneberg in Palandt, 75. Auflage 2016, § 254 Rn. 72; a. A. offenbar Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 24.11.2009, 109 C 3131/09, juris). Der Vortrag der Beklagten ist unsubstantiiert. Das Bestreiten der Nichtverwertbarkeit mit Nichtwissen reicht nicht aus. Die Behauptung, der Kläger hätte das Benzin dem Aufkäufer nicht ohne Gegenleistung überlassen müssen, ist zu pauschal, insbesondere da mit dem vollständigen Klagabweisungsantrag offenkundig von einer Verwertbarkeit im Umfang des vollen Tankstellenneupreises ausgegangen wird. Während bei der Veräußerung eines Fahrzeugs zur weiteren Nutzung der in der Tankfüllung verkörperte Mehrwert dem Tankstellenneupreis des Benzins entspricht, weil der Käufer genau den gleichen Nutzen aus diesem Benzin ziehen kann, ist beim Ausschlachten des Fahrzeugs eine vollständige Verwertung des Restbenzins in Höhe des Kaufpreises schon wegen des zusätzlichen Aufwandes für das Abpumpen wenig wahrscheinlich.
Auf Hinweis und Nachfrage der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2017 hat die Beklagte keinen Schriftsatznachlass beantragt, sondern vielmehr erklärt, weiteres Vorbringen zu dieser Frage sei ihr nicht möglich (Blatt 130 der Akte). Es ist auch nicht von der Äußerung einer hinreichenden Vermutung der unkundigen Beklagten auszugehen, die dem Kläger eine weitere Substantiierung hinsichtlich seiner Bemühungen abverlangt. Eine Verwertungsoption für den Kläger drängt sich schon deswegen nicht auf, weil Benzin ein Gefahrstoff ist, dessen Transport, Aufbewahrung und Verkauf reguliert ist. Denkbar wäre aber etwa ein Vortrag der Beklagten dahingehend gewesen, wie und mit welchen Marktwerten Autoverwerter mit Restbenzin im Tank der verwerteten Fahrzeuge umgehen.
Mangels hinreichender Darlegung, dass der Kläger im vorliegenden Fall überhaupt einen Mehrerlös für das Restbenzin hätte erzielen können, kommt eine Schätzung der Kammer nach § 287 ZPO hinsichtlich der Höhe nicht in Betracht.
3.
Die Revision ist im Sinne des § 543 ZPO zuzulassen, da die Angelegenheit – schon wegen der zu erwartenden Vielzahl entsprechend gelagerter Fälle – grundsätzliche Bedeutung hat und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erforderlich ist.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und S. 2 ZPO.