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Verkehrsunfall – Angemessenheit von Abschlepp- und Mietwagenkosten

AG Erding, Az.: 1 C 158/16, Urteil vom 30.09.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 80% und die Beklagte 20% zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.250,65 € bis 02.08.2016 und danach auf 1.810,25 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Am 19.01.2016 gegen 17.10 Uhr kam es in Erding zu einem Unfall bei dem das Fahrzeug des Klägers durch ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug beschädigt wurde. Die 100%ige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Nach dem Unfall ließ der Kläger sein Fahrzeug durch die Autohaus O. GmbH in … Vilsbiburg nach Vilsbiburg abschleppen, wofür diese 687,82 EUR in Rechnung stellte. Für die Reparaturdauer mietete der Kläger für 19 Tage einen Mietwagen zum Gesamtpreis von 2.609,28 EUR an. Die Beklagte zahlte auf die Mietwagenkosten einen Betrag von 1.296,45 EUR sowie auf die Abschleppkosten nach Eingang der Klage 190,40 EUR.

Der Kläger hatte ursprünglich noch nicht bezahlte 250,- EUR Wertminderung klageweise geltend gemacht. Diese wurden ebenfalls nach Klageerhebung bezahlt und der Rechtsstreit in Höhe von 440,40 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger ist der Ansicht, Anspruch auf vollständige Bezahlung der Mietwagenkosten sowie der Abschleppkosten zu haben. Die Mietwagenkosten seien in der geltend gemachten Höhe erforderlich und angemessen, da sie den Werten der Schwacke Liste entsprechen. Die Erhebung des Frauenhofer Instituts sei hingegen für den Wohnort des Klägers nicht als taugliche Schätzgrundlage geeignet. Auch bei den Abschleppkosten liege kein Verstoß gegen Schadensminderungspflicht vor, da der Kläger schon seit Jahren Kunde des Autohauses O. in Vilsbiburg sei und eine Reparatur in Erding dazu geführt hätte, dass das Fahrzeug von Erding nach Dorfen zum Kläger verbracht hätte werden müssen, was vergleichbare Kosten wie das Abschleppen nach Vilsbiburg verursacht hätte.

Darüberhinaus begehrt der Kläger Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus vorgerichtlichem Streitwert von 14.391,09 EUR zzgl. Postpauschale und Umsatzsteuer abzüglich Zahlung durch die Beklagte in Höhe von 958,19 EUR.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1810,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 26.02.2016 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 71,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Sie ist der Ansicht, dass an Abschleppkosten lediglich die Kosten für das Verbringen des verunfallten PKW zu der nächsten Markengebunden Fachwerkstätte, hier das Autohaus M. in Erding zu erstatten gewesen seien. Der hierfür erforderliche Betrag sei bezahlt. Darüber hinaus stünden dem Kläger Mietwagen kosten lediglich in Höhe des am Anmietort üblicherweise anfallenden Normaltarifs zu, welcher anhand des Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts geschätzt werden müsse. Der danach erforderliche Betrag sei bereits mehr als ausgeglichen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

Verkehrsunfall - Angemessenheit von Abschlepp- und Mietwagenkosten
Symbolfoto: Von Nejron Photo /Shutterstock.com

1. Der Kläger hat keine Anspruch auf weitere Abschleppkosten, da das Verbringen des Fahrzeugs von Erding nach Vilsbiburg einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt. Tatsächlich sind üblicherweise nur die Kosten für das Verbringen des verunfallten Fahrzeugs in die nächstgelegene Markenwerkstatt zu erstatten. Ausnahmen hiervon können nur in begründeten wirtschaftlich zu betrachteten Einzelfällen gemacht werden, etwa, wenn durch den Transport zu einer wohnortnahen Werkstätte weitere Aufwendungen des Geschädigten, wie das Abholen des Fahrzeugs von der Werkstatt vermieden würden. Vorliegend ist nicht erkennbar, worin der Vorteil des in Dorfen wohnenden Klägers bei der Verbringung des Fahrzeugs zu einer Werkstatt in Vilsbiburg zu sehen wäre. Vilsbiburg ist von Dorfen nicht weniger weit entfernt als Erding. Der Abholaufwand hat sich durch das Verbringen und die Reparatur in Vilsbiburg nicht verringert.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten, da die Kosten in Höhe von 2.609,28 EUR nicht mehr als erforderlich und angemessen anzusehen sind. Das Gericht kann bei Streit über die Angemessenheit einer Mietwagenkostenrechnung den erforderlichen Aufwand für die Anmietung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB gem. § 287 ZPO schätzen, wobei als erforderlicher Aufwand der Normaltarif, den auch ein Selbstzahler auf den örtlich relevanten Markt bei Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs bezahlen müsste, anzusehen ist. Vorliegend hat der Kläger keinerlei sachliche Gründe genannt, warum ein vom üblichen Normaltarif abweichender Aufschlag oder höherer Tarif objektiv zur Wiederherstellung erforderlich gewesen sein sollte. Es kommt daher ausschließlich auf den örtlich üblichen Normaltarif an. Dieser kann aus Sicht des Gerichts anhand des Mietpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2015 des Fraunhofer Instituts fürs Postleitzahlengebiet 84 geschätzt werden. Die klägerseits vorgetragenen Bedenken des Landgerichts Landshut im Urteil vom 24.11.2008, die sich auf die Erhebung des Fraunhofer Instituts aus den Jahren 2007 und 2008 bezog, können gegen die Erhebung aus dem Jahr 2015 nicht mehr eingewandt werden. In dem hier gegenständlichen Postleitzahlengebiet 84 wurden für einen Mietwagen der hier streitgegenständlichen Klasse 7, 10 Stationen befragt mit 613 Nennungen. Dies erscheint als Schätzgrundlage ausreichend. Die Liste des Fraunhofer Instituts ist im Übrigen der Schwacke Liste deutlich überlegen, da die hier vorgenommene anonyme Befragung ein realistischeres Bild als die offene Erhebung der Schwacke Liste widerspiegelt. Nach den Feststellungen des Mietpreisspiegels des Fraunhofer Instituts wäre für den hier gegenständlichen Anmietzeitraum von 19 Tagen ein Tagespreis von 41,25 EUR erforderlich und angemessen gewesen, mithin 783,75 EUR. Da auf die Mietwagenkosten bereits 1.296,45 EUR bezahlt wurden, wären auch etwaige Zuschläge für Winterreifen oder Fahrzeugverwiegung problemlos mit abgegolten. Ein darüber hinaus gehender Betrag ist nicht geschuldet.

Die Kosten des Verfahrens ergeben sich aus §§ 91, 92, 91 a ZPO.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Betrages war aus summarischer Prüfung der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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