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Verkehrsunfall – Abrechnung eines Fahrzeugschadens auf Neuwagenbasis – Voraussetzungen

LG Chemnitz – Az.: 1 O 2232/09 – Endurteil vom 08.04.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Abrechnung eines Fahrzeugschadens auf Neuwagenbasis.

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter und Eigentümer eines Pkw Honda Civic, amtl. Kennzeichen … . Bei der Beklagten ist ein Pkw Audi, amtl. Kennzeichen … haftpflichtversichert. An diesem löste sich am 15.08.2009 ein Rad und beschädigte den sich im Gegenverkehr befindlichen Pkw Honda des Klägers. Die linke Türe wurde dabei zum Teil großflächig eingedrückt, oberhalb und unterhalb der mittleren Sicke befinden sich Verformungen und die linke Seitenwand wurde angrenzend im Bereich der B-Säule leicht verformt. Des Weiteren wurde die linke Einstiegsverkleidung verschrammt, nach hinten verschoben und ist mehreren Aufnahmen gebrochen. Der linke Einstiegsschweller wurde im Anstoßbereich verformt bzw. eingedrückt. Der Kläger hatte den Pkw Honda am 01.08.2009 bestellt, er war am 11.08.2009 auf ihn zugelassen worden. Zum Unfallzeitpunkt wies der Pkw Honda Civic eine Laufleistung von 347 km aus. Ein vorgerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten des Sachverständigen … beziffert die Reparaturkosten auf 2.215,38 EUR und den merkantilen Minderwert des Fahrzeuges auf 800,00 EUR. Beides wurde von der Beklagten reguliert.

Der Kläger macht geltend, ihm stehe eine Regulierung auf Neuwagenbasis, also i.H.v. 21.150,00 EUR zu. Sein Fahrzeug sei noch als fabrikneu anzusehen. Es habe bei dem Unfall erhebliche Beschädigungen erlitten und auch der verbleibende merkantile Minderwert rechtfertige die Entschädigung auf Neuwagenbasis. Bei dem beschädigten Einstiegsschweller handele es sich um ein tragendes Teil, dessen fachgerechte Reparatur den Einsatz einer Richtbank erfordere, so dass von einem wesentlichen Reparaturschaden auszugehen sei. Schäden am Fahrzeugchassis rechtfertigten immer eine Abrechnung auf Neuwagenbasis. Ein Neufahrzeug sei noch nicht gekauft, insoweit aber bereits eine grundsätzliche Einigung mit einem Autohaus zustande gekommen. Der Kläger habe den Kauf noch nicht realisieren können, da er nicht über die finanziellen Möglichkeiten hierfür verfüge.

Der Kläger beantragt: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die weiterführenden zukünftigen Schäden des Klägers an dem Pkw Honda Civic mit dem amtl. Kennzeichen … (Fahrzeug-Ident-Nr.: …) aus dem Verkehrsunfall vom 15.08.2009 auf Neuwagenbasis zu regulieren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, der Feststellungsantrag sei bereits nicht zulässig. Der Neuwagenpreis könne beziffert und deshalb Leistungsklage erhoben werden. Darüber hinaus werde in Abrede gestellt, dass der Kläger tatsächlich ein Neufahrzeug erwerben wolle. Es fehle auch an einem erheblichen Fahrzeugschaden. Der Unfall habe lediglich Fahrzeugteile betroffen, die spurenlos ausgewechselt werden könnten. Insbesondere seien Karosseriesteifigkeit und Deformationsverhalten nicht beeinträchtigt, so dass durch die Reparatur der frühere Zustand völlig wieder hergestellt werde. Die Schäden seien lediglich oberflächlich, auch sei der Einsatz einer Richtbank nicht erforderlich.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien mit Anlagen verwiesen.

Es wurde Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10.06.2010 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) … . Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 22.12.2010 Bezug genommen.

Der Rechtsstreit wird mit Zustimmung der Parteien aufgrund Beschlusses vom 23.02.2011 gem. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden. Schriftsätze, die bis 18.03.2011 bei Gericht eingegangen sind, wurden bei der Entscheidung berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein Feststellungsantrag, wie vom Kläger geltend gemacht, gem. § 256 ZPO zulässig ist. Dem Kläger ist es bereits jetzt möglich, seinen Schaden zu beziffern, zumal er selbst vorgetragen hat, dass bezüglich eines Neuwagens bereits eine Verständigung mit einem Autohaus stattgefunden hat, der Kauf ihm lediglich aus finanziellen Gründen noch nicht möglich war.

2. Die Klage ist aber jedenfalls unbegründet.

Eine Abrechnung auf Neuwagenbasis scheitert vorliegend bereits daran, dass an dem klägerischen Fahrzeug keine Schäden von so erheblicher Relevanz entstanden sind, dass dieser Anspruch begründet wäre.

Unstreitig erfüllt der Pkw Honda des Klägers im Unfallzeitpunkt noch die Voraussetzungen für ein fabrikneues Fahrzeug, das lediglich eine Fahrleistung von 347 km aufwies und erst 4 Tage vor dem Unfall zugelassen worden war. Im Falle der Beschädigung eines Neuwagens kann der Eigentümer unter Umständen berechtigt sein, die höheren Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeuges zu verlangen, wenn sein fabrikneues Fahrzeug erheblich beschädigt wird mit der Folge, dass trotz Durchführung einer fachgerechten Reparatur der Charakter der Neuwertigkeit verloren geht. Dann sind die im Vergleich zum Reparaturaufwand höheren Kosten für die Beschaffung eines Neuwagens gerechtfertigt, da ein in erheblichem Umfang repariertes Fahrzeug nach der Verkehrsauffassung nicht dieselbe Wertschätzung erfährt, wie ein völlig neues unfallfreies Fahrzeug. Die für die Bewertung maßgebliche Beurteilung der Schwere der Beschädigung richtet sich dabei nicht in erster Linie nach der Schwere des eingetretenen Unfallschadens, sondern nach dem Zustand, in dem sich das Fahrzeug nach fachgerechter Reparatur befindet. Danach ist eine erhebliche Beschädigung zu verneinen, wenn der Unfall lediglich Fahrzeugteile betroffen hat, die im Rahmen einer fachgerecht durchgeführten Reparatur spurenlos ausgewechselt werden könne und die Funktionstüchtigkeit und die Sicherheitseigenschaften des Fahrzeuges, insbesondere die Karosseriesteifigkeit und das Deformationsverhalten nicht beeinträchtigt sind. Eine erhebliche Beschädigung wird daher in aller Regel dann anzunehmen sein, wenn beim Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere das Fahrzeugchassis beschädigt wurden und die fachgerechte Instandsetzung nicht völlig unerhebliche Rieht- und Schweißarbeiten am Fahrzeug erfordert (vgl. BGH VersR 2009, 1092 ff. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Eine Beschädigung in dem für den Ersatz des Neuwagenpreises erforderlichen Umfang hat die Begutachtung nicht ergeben. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. … hat in seinem Gutachten vom 22.12.2010 festgehalten, dass eine Schadensintensität gem. der Klassifizierung des BVSK im Bereich von 0,5 bis 1,5 feststellbar sei, somit im untersten Bereich. Die beschädigten Teile des klägerischen Fahrzeuges seien zu erneuern bzw. fachgerecht instandzusetzen, wofür keinerlei Richtarbeiten durchgeführt werden müssten bzw. Eingriffe in die Karosseriestruktur durch Ersatz von geschweißten Karosserieteilen. Es seien vielmehr ein Schraubteil und geclipstes Anbauelement sowie weitere geringfügige Instandsetzungsarbeiten im Umfang von 2 Stunden an Karosserieflächen erforderlich. Ein Eingriff in tragende Teile des Chassis seien nicht nötig. Ein technischer Makel verbleibe damit nicht, lediglich der bereits vorgerichtlich durch den Sachverständigen … berechnete merkantile Minderwert. Damit sind die Schäden am klägerischen Fahrzeug bereits nicht als erheblich anzusehen. Zu diesem Ergebnis kommen auch die außergerichtlich eingeschalteten Sachverständigen … und Dipl.-Ing. … , so dass an den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. … keine Zweifel bestehen.

3. Hinzu kommt, dass der Kläger bisher kein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH VersR 2009, 1092 – 1995) Anspruchsvoraussetzung dafür, dass der Geschädigte Ersatz der Neuanschaffungskosten verlangen kann. Dass es sich hierbei lediglich um eine Fälligkeitsvoraussetzung handelt, ergibt sich aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich nicht, vielmehr benennt dieser die Anschaffung eines Neufahrzeuges ausdrücklich als Anspruchsvoraussetzung.

Damit steht dem Kläger im Ergebnis keine Schadensregulierung auf Neuwagenbasis zu. Die Klage ist abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

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