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Schmerzensgeld bei Schädelhirntrauma 1. Grades

LG Düsseldorf, Az.: 22 S 68/12

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 22.03.2012, Az. 232 C 13779/11, unter Zurückweisung der Berufung und Anschlussberufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 37,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 272,87 € an Rechtsanwalt

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 53 % und die Beklagten zu 47 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagten zu 40 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Schmerzensgeld bei Schädelhirntrauma 1. Grades
Symbolfoto: ViDi Studio/Bigstock

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Änderungen und Ergänzungen haben sich in der Berufungsinstanz wie folgt ergeben:

Die Klägerin trägt mit ihrer Anschlussberufung im Schriftsatz vom 13.06.2012 vor, dass ihr während der Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit Frau xxx zur Seite gestanden und während dieser Zeit die entsprechenden Arbeiten im Haushalt ausgeführt habe. Durchschnittlich habe sie pro Woche im August und September einen Ausfall von 20 Stunden pro Woche erlitten. Mit Schriftsatz vom 15.10.2012 konkretisiert sie ihren Vortrag dahingehend, dass sie täglich einkaufe und putze. Insbesondere säubere sie das Bad und mache die Betten. Abends bereite sie ein warmes Essen und die Verpflegung für ihre Berufstätigkeit zu. Mindestens drei Maschinen Schmutzwäsche müssten wöchentlich angestellt werden, zum Trocknen auf die Leine gehängt und sodann abgehängt und gebügelt werden. Für die Bügelarbeit benötige sie täglich eineinhalb bis zwei Stunden. Zwei- bis dreimal die Woche gehe sie zur Sparkasse und sei im 70 m² großen Garten tätig. An all diesen Arbeiten sei sie unfallbedingt verhindert gewesen.

Bei dem Unfall vom 24.07.2011 sei auch die Keramikverblendung der überkronten Zähne 11 und 12 beschädigt worden. Die Wiederherstellungskosten würden sich auf 1.566,20 € belaufen. Da die Krankenkasse 341,88 € erstattet habe, würden 1.224,32 € verbleiben. Zudem beansprucht sie eine Unkostenpauschale von 22,50 € (75 % von 30,00 €).

Die Beklagten bestreiten das Vorbringen der Klägerin zu ihrem geltend gemachten Haushaltsführungsschaden. Hinsichtlich der Beschädigung der Keramikverblendungen bestreiten sie mit Nichtwissen, dass die Beschädigung unfallbedingt erfolgt sei und die Wiederherstellungskosten sich auf 1.566,20 € belaufen würden.

II.

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr erstinstanzliches Begehren weiter und erstreben die Klageabweisung. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Berufung und mit ihrer Anschlussberufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 3.006,24 € mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 2.088,00 € und aus 918,24 € ab Rechtshängigkeit. Die Beklagten beantragen, die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

III.

1.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Begründung der Berufung genügt den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Beklagten machen geltend, das Amtsgericht habe verkannt, dass der Verkehrsunfall für den Beklagten zu 1) nicht vermeidbar gewesen sei. Würde unterstellt, dass die Aussage der Zeugin xxx zutreffe, wonach eine Erkennbarkeit in einer Entfernung von zwei Metern gegeben gewesen sei, und der Kläger 10 oder auch 20 km/h gefahren sei, so hätte die Reaktionszeit nicht ausgereicht, um eine Kollision zu vermeiden.

Ferner sei der Vortrag des Beklagten zu 1) im Hinblick auf die Sichtbehinderungen durch die schwarze Limousine entgegen der Annahme des Amtsgerichts auch nicht widersprüchlich. Während sich das schriftsätzliche Vorbringen auf den Zeitpunkt, in dem sich die Klägerin noch auf dem Fußgängerweg befunden habe, bezogen habe, stelle das mündliche Vorbringen auf den Zeitpunkt ab, als sie die Fahrbahn betreten habe.

Die vom Amtsgericht vertretene Auffassung, dass Parteianhörungen keinen alleinigen Beweisgrund bilden könnten, sei rechtsfehlerhaft. Da das Gericht den Angaben der Klägerin aufgrund einer retrograden Amnesie mit dauerhaften Erinnerungslücken nicht gefolgt sei, und die Angaben des Beklagten zu 1) im Rahmen seiner Anhörung in Übereinstimmung mit seinen Angaben bei der Polizei stünden, hätte das Amtsgericht den Angaben des Beklagten zu 1) folgen müssen. Schließlich habe das Gericht durch die Anhörung zu erkennen gegeben, dass es den Aussagen Bedeutung beimesse.

Schließlich müsse der Feststellungsantrag der Klägerin in Bezug auf etwaige zukünftige Schäden der Abweisung unterliegen, da die Klägerin bereits nicht vortrage, dass und mit welchen zukünftigen Schäden zu rechnen sei.

Dieses Vorbringen stellt sich insgesamt als ordnungsgemäßer Berufungsangriff im Sinne von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Nr. 3 ZPO dar.

2.

Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig, da sie fristgerecht gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO, also innerhalb der Berufungserwiderungsfrist bis zum 13.07.2012, am 14.06.2012 bei Gericht eingegangen ist. Auch ist die Anschlussberufung gemäß §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 ZPO ordnungsgemäß begründet worden. Die Klägerin macht geltend, dass das Amtsgericht verkannt habe, dass sie ein Schmerzensgeld von 4.000,00 € für gerechtfertigt halte, jedoch nur 75 % davon einklagen wolle. Auch stehe ihr der nicht zuerkannte Haushaltsführungsschaden zu.

IV.

Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist teilweise begründet.

1.

Die Berufung der Beklagten ist lediglich im Hinblick auf den Feststellungsantrag und die Höhe der Rechtsanwaltskosten begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

a.

Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten der Klägerin wegen des Unfallereignisses gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 421 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sind.

Sofern sich die Beklagten darauf berufen, dass das Verkehrsunfallgeschehen für den Beklagten zu 1) unvermeidbar, also unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG, gewesen sei, greift dies nicht durch. Die Vorschrift des § 17 Abs. 3 StVG findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, so dass es auf die Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls für den Beklagten zu 1) nicht ankommt.

§ 17 Abs. 3 StVG setzt in Verbindung mit § 17 Abs. 1 StVG voraus, dass der Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht worden ist. Dies ist hier nicht der Fall, da lediglich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) und im Übrigen eine Fußgängerin beteiligt sind.

Eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wäre lediglich gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden wäre. Dies ist hier jedoch unzweifelhaft nicht der Fall und wird von den Beklagten auch nicht geltend gemacht.

b.

Das Amtsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass ein höheres Mitverschulden der Klägerin als 25 %, welches sie sich anrechnen lässt, nach §§ 9 StVG, 254 BGB nicht nachgewiesen ist.

Nach § 254 BGB trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, wenn er die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat (Vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 254 Rn. 8).

Darlegungs- und beweisbelastet für ein schuldhaftes Verhalten des Geschädigten ist der Halter, hier also die Beklagten. Kann der beweispflichtige Halter ein Mitverschulden des Fußgängers nicht nachweisen, dann ist er voll haftpflichtig (Vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Heß, StVG, 22. Aufl. 2012, § 9 Rn. 19).

Bei einem Rotlichtverstoß des Fußgängers kommt eine Alleinhaftung des Fußgängers zwar grundsätzlich in Betracht (Vgl. OLG Köln, Urt. v. 19.03.2012, 16 U 169/11, zitiert nach juris Rn. 9 m.w.N.). Ein solcher ist hier jedoch nicht nachgewiesen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hätte das Amtsgericht nicht allein aufgrund der Anhörung des Beklagten zu 1) davon ausgehen müssen, dass die Klägerin die Fußgängerampel bei Rotlicht überquert habe. Die Klägerin hat die entsprechende Behauptung der Beklagten zulässigerweise gemäß § 138 ZPO bestritten. Einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO hat das Amtsgericht nicht feststellen können. Ein solcher liegt insbesondere vor, wenn bewusst unwahre Tatsachen behauptet werden (Vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 138 Rn. 3). Die Ausführungen des Amtsgerichts, keine Anhaltspunkte dafür zu haben, dass die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung wissentlich gelogen habe, als sie behauptet hat, bei Grünlicht über die Ampel gegangen zu sein, sind nicht zu beanstanden, so dass die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese Feststellung gebunden ist.

Danach ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Grundsätzlich ist der Tatrichter darin frei, welche Beweiskraft er den Indizien im einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Seine Würdigung ist jedoch darauf zu überprüfen, ob sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2004, Az. V ZR 257/03 m.w.N.).

Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere begegnen die Ausführungen des Amtsgerichts auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nach dem Unfall an einer retrograden Amnesie gelitten hat, keinen Bedenken. Dies lässt, wie das Amtsgericht festgestellt hat, nicht den zweifellosen Schluss zu, dass die Klägerin in Bezug auf das Geschehen vor dem Unfall wissentlich gelogen habe. Vielmehr kann sich in ihrer Erinnerung tatsächlich Wahrgenommenes mit üblichen Verhaltensmustern gemischt haben, so dass die Klägerin nunmehr davon ausgeht, sich daran zu erinnern, die Straße bei Grünlicht überquert zu haben.

Im Übrigen hätte das Vorbringen der Beklagten auch dann nicht als zugestanden gewertet werden dürfen, wenn das Bestreiten der Klägerin, bei Rotlicht über die Straße gegangen zu sein, als einfaches Bestreiten bzw. als Bestreiten mit Nichtwissen, gewertet würde. Denn die Klägerin hätte, sofern sie sich an das Geschehen vor dem Unfall nicht mehr erinnert, die entsprechende Behauptung der Beklagten aufgrund ihrer retrograden Amnesie mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten dürfen. So können eigene Handlungen und Wahrnehmungen ausnahmsweise mit Nichtwissen bestritten werden, wenn die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können (Vgl. OLG Köln, Urt. v. 19.03.2009, 9 U 167/08, zitiert nach juris Rn. 4 m.w.N.). Insbesondere ist derjenige prozessual nicht zu substantiiertem Vortrag verpflichtet, wer sich – wie hier – infolge retrograder Amnesie nicht an ein bestimmtes Geschehen zu erinnern vermag (Vgl. OLG Köln, Urt. v. 06.11.1995, Az. 2 U 177/94, zitiert nach juris).

Die Darstellung des Beklagten zu 1) kann daher nicht ohne Weiteres als zutreffend unterstellt werden. Weitere Beweismittel im Sinne der §§ 371 ff. ZPO standen nicht zur Verfügung. Insbesondere hat die als Zeugin vernommene Polizeibeamtin xxx das Verkehrsunfallgeschehen nicht beobachtet.

Der Einwand der Beklagten, dass die Angaben des Beklagten zu 1) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung einen Beweisgrund bilden könnten, geht fehl. Eine Anhörung gemäß § 141 Abs. 1 ZPO ist keine Beweisaufnahme. Sie dient nicht der Aufklärung eines Sachverhalts, sondern dem besseren Verständnis dessen, was die Partei behaupten und beantragen will. Werden die von der beweisbelasteten Partei bei einer Anhörung nach § 141 ZPO aufgestellten Behauptungen – wie hier – vom Gegner bestritten, bedarf es einer förmlichen Beweisaufnahme (Vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 141 Rn. 1).

Nur in Ausnahmefällen, und nur dann, wenn der vorgetragene Sachverhalt beider Parteien klar, widerspruchsfrei und überzeugend ist, ist es dem Richter erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung gemäß § 286 ZPO festzustellen, was für wahr und was nicht für wahr zu erachten ist. Erfahrungsgemäß kann in manchen Fällen die Parteianhörung eine wichtige Hilfe bei der Überzeugungsbildung des Richters spielen, zumal dann, wenn sich die Verhandlungen und sonstigen Vorgänge im wesentlichen nur zwischen ihnen abgespielt haben (Vgl. BGHZ 82, 13, hier zitiert nach juris Rn. 29). Die Kammer ist vorliegend mit dem Amtsgericht der Auffassung, dass allein aufgrund des Parteivortrags in Verbindung mit den informatorischen Anhörungen nicht mit der für § 286 ZPO erforderlichen Überzeugung festgestellt werden kann, dass sich das Geschehen so abgespielt hat, wie es die Beklagten behaupten. Selbst wenn unterstellt würde, dass das Vorbringen des Beklagten zu 1) im Hinblick auf die etwaigen Sichtbehinderungen durch die Limousine nicht als widersprüchlich zu werten wäre, ergäbe sich hier nichts Anderes. Letztlich ist nicht aufzuklären, für welchen Verkehrsteilnehmer die Ampelanzeige grünes und für welchen rotes Licht gezeigt hat. Da die Klägerin unbestritten angegeben hat, von der Kirmes aus dem Süden gekommen zu sein, an der Haltestelle am ARAG- Haus ausgestiegen zu sein und ihr Ziel die Osterfelder Straße im Norden gewesen sei, kann nicht unzweifelhaft angenommen werden, dass die Klägerin den Fußgängerüberweg von rechts nach links, wie die Beklagten behaupten, überquert habe. Denn dies wäre mit ihrem Nachhauseweg nicht in Einklang zu bringen. Das Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin möglicherweise noch einmal umgekehrt sei, um sich an einer Dönerbude auf der Münsterstraße gegebenenfalls mit Getränken und Zigaretten zu versorgen, beruht auf einer bloßen Spekulation.

c.

Die Klage ist im Hinblick auf den Feststellungsantrag der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden unzulässig. Voraussetzung hierfür ist, dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist dabei nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (Vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2007, Az. VI ZR 133/06, Leitsatz zitiert nach juris).

Vorliegend hat die Klägerin nicht dargelegt, dass mit zukünftigen Schäden zu rechnen ist. Auf die nunmehr vorgetragenen Beschädigungen der Keramikverblendungen kann sich die Klägerin insofern nicht berufen, da dieser (behauptete) Schaden bereits eingetreten und bezifferbar ist.

d.

Ein Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten besteht demnach gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs.1 Nr. 1 VVG, 421 BGB i.V.m. §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG in Höhe von 272,87 €, wobei von einem Gegenstandswert in Höhe von bis zu 2.500,00 € auszugehen ist.

Ein Anspruch auf Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB besteht nicht, da der Anwendungsbereich dieser Norm sich auf Geldschulden bezieht und nicht auch die Verpflichtung der Freistellung von einer Verbindlichkeit umfasst (Vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, Neubearbeitung 2009, § 288 Rn. 6). Dass die Klägerin insofern Verzugszinsen schuldet und auch hiervon gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten freizustellen wäre, ist nicht dargelegt.

2.

Die Anschlussberufung ist lediglich in Bezug auf die mit der Klageerhöhung geltend gemachte Kostenpauschale in Höhe von 18,75 € begründet.

a.

Die Feststellungen des Amtsgerichts zur Schadenshöhe beruhen weder auf Rechtsverletzungen gemäß § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

aa.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Amtsgericht nicht verkannt, dass die Klägerin selbst einen Betrag in Höhe von 4.000,00 € als Schmerzensgeld für angemessen erachtet. Vielmehr wird dies im Urteil ausdrücklich erwähnt (Vgl. Seite 9 oben des Urteils). Das Amtsgericht hat jedoch von dem ihm eingeräumten Ermessen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht und 3.000,00 € für ausreichend erachtet, um die erlittenen Verletzungen auszugleichen. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Klägerin eine Orbitadachfraktur rechts bei Schädel-Hirntrauma 1° mit Monokelhämatom erlitten hat, vom 24.07.2011 bis zum 01.08.2011 stationär aufgenommen und eine Woche arbeitsunfähig gewesen ist. Weiterhin hat es das von der Klägerin bekundete Gefühl der Übelkeit, des Schwindels und der Kopfschmerzen sowie das von der Klägerin zugestandene Mitverschulden von 25 % in die Bemessung mit einbezogen. Auf Grundlage dessen ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.250,00 € als angemessen anzusehen ist. Dem tritt auch die Kammer bei.

bb.

Ein Haushaltsführungsschaden steht der Klägerin nicht zu.

Maßstab für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist die konkrete haushaltsspezifische Behinderung der Klägerin, also in welchem Umfang sie bei der Ausübung der von ihr übernommenen Haushaltstätigkeiten durch die Verletzung gehindert ist (Vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.10.2010, Az. 1 U 244/09, zitiert nach juris Rn. 68). Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens ist die konkrete Lebenssituation aufzuzeigen, um gemäß § 287 ZPO ermitteln zu können, nach welchen wesentlichen Auswirkungen auf die Hausarbeit sich der Haushaltsschaden berechnen lässt. Hierzu ist im Einzelnen vorzutragen, welche Tätigkeiten im Haushalt vor dem Unfall verrichtet worden sind und welche infolge des Unfalls überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausgeübt und nicht anderweitig (zumutbar) ausgeglichen werden können (Vgl. OLG Celle, Urt. v. 14.12.2006, Az. 14 U 73/06, zitiert nach juris Rn. 27 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.08.2003, Az. 8 U 190/01, Leitsatz zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht.

Sofern die Klägerin zunächst lediglich vorgetragen hat, durchschnittlich 20 Stunden pro Woche für die Haushaltsführung aufzuwenden, war dies ersichtlich unzureichend, da nicht dargelegt worden ist, wofür diese Stunden konkret aufgewandt worden sein sollen und in welchem Umfang Einschränkungen bei der Ausführung vorgelegen haben sollen. Aber auch ihr weiteres Vorbringen, täglich eingekauft, geputzt, gebügelt etc. zu haben, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere ist nicht ausreichend dargelegt, inwiefern die Klägerin in der Haushaltsführung eingeschränkt gewesen sein will. Es ist nicht plausibel, dass die Klägerin für ca. sechseinhalb Wochen (vom 01.08.2011 bis 15.09.2011) zu 100 % arbeitsunfähig und im Anschluss daran wieder voll einsatzfähig gewesen sein will, zumal sie nach ihrem eigenen Vorbringen bereits am 11.09.2011 wieder Auto fahren konnte und am 12.09.2011 den Zahnarzt aufgesucht hat. Nachvollziehbar könnte allenfalls von einer stetigen Reduzierung der verletzungsbedingten Beeinträchtigung ausgegangen werden, die allerdings im Einzelnen hätte dargelegt werden müssen. Der pauschale Verweis auf ihre normalerweise in der Woche zu verrichtenden Arbeiten und die unfallbedingte Behinderung hieran genügt nicht. Auch die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit bis zum 08.08.2011 führt zu keiner anderen Beurteilung, da der abstrakte Verweis auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht ausreichend ist (Vgl. OLG Celle, Urt. v. 14.12.2006, Az. 14 U 73/06, zitiert nach juris Rn. 27).

Zwar ist der Umfang des Haushaltsführungsschadens gemäß § 287 ZPO mit einem Mindestbetrag zu schätzen, wenn der Geschädigte es versäumt, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen (Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.08.2003, Az. 8 U 190/01, Leitsatz zitiert nach juris). Jedoch ergibt sich aus der insofern einschlägigen Tabelle 6 nach Schulze-Borck/Pardey (Haushaltsführungsschaden, 7. Aufl.) über die „Konkrete Behinderung der Hausfrau in den Tätigkeitsbereichen der Hausarbeit bei ausgewählten Verletzungen“, dass bei einem Hirntrauma 1. Grades keine Behinderung für die verschiedenen Tätigkeiten anzusetzen ist. Insofern kann die Kammer bereits nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Klägerin bei der Ausübung der Haushaltstätigkeiten nach Entlassung aus dem Krankenhaus beeinträchtigt gewesen ist.

b.

Der Klägerin steht eine Unkostenpauschale in Höhe von 18,75 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

Die diesbezügliche Klageänderung – erstinstanzlich wurde eine Kostenpauschale nicht geltend gemacht –, ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Klageänderung ist sachdienlich und wird auf Tatsachen gestützt, die die Kammer ihrer Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Ein Schadensersatzanspruch ist – wie oben ausgeführt – dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs.1 Nr. 1 VVG gegeben. Die Höhe der Kostenpauschale beläuft sich gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB üblicherweise auf 25,00 € (Vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 249 Rn. 79). Da die Klägerin 75 % ihres Schadens beansprucht, kann sie 18,75 € verlangen.

c.

Die Klage ist hinsichtlich der Klageänderung betreffend die Kosten für die Keramikverblendungen im Berufungsverfahren zulässig. Gemäß § 533 ZPO ist die Klageänderung zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Dies ist hier der Fall, da die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts zum Unfallhergang und Schadenshöhe verwertet werden können und es lediglich noch um die streitige Frage geht, ob ein weiterer unfallkausaler Schaden eingetreten ist.

Insbesondere steht der Sachdienlichkeit grundsätzlich nicht entgegen, dass durch die Zulassung des neuen Vorbringens neue Parteierklärungen und gegebenenfalls eine Beweiserhebung notwendig und die Erledigung des Rechtsstreits dadurch verzögert würde (Vgl. BGH, Urt. v. 06.04.2004, Az. X ZR 132/02, zitiert nach juris Rn. 16). Auch sind die zugrunde zu legenden Tatsachen gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen, da der Klägerin erst mit Schreiben der AOK vom 19.03.2012, und damit drei Tage vor dem Verkündungstermin vom 21.03.2012, Kenntnis davon erhalten hat, dass die AOK nicht die gesamten Kosten erstatten wird.

Die Klage ist diesbezüglich jedoch unbegründet. Es ist – im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten – nicht nachvollziehbar dargelegt und unter geeigneten Beweis gestellt, dass die Keramikverblendungen durch den streitgegenständlichen Unfall beschädigt worden sind. Der ärztliche Bericht vom 27.07.2011, auf den sich die Klägerin bezieht, ist insofern nicht aussagekräftig. Sofern dort von einer Orbitadachfraktur die Rede ist, liefert dies keine plausible Erklärung für eine Beschädigung der verblendeten Zähne. Denn bei einer Orbitadachfraktur handelt es sich um einen Bruch der Augenhöhle (Orbita = Augenhöhle). Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern der behandelnde Zahnarzt xxx Aussagen über eine Unfallursächlichkeit machen kann, da er selbst den Unfall nicht beobachtet und die Klägerin auch nicht unmittelbar danach, sondern erst 12.09.2011, untersucht hat. Er könnte lediglich über den Zustand vernommen werden, der am Behandlungstag, dem 12.09.2011, vorgelegen hat. Dies würde jedoch keine Rückschlüsse auf eine etwaige unfallbedingte Beschädigung zulassen. Auch in Zusammenhang mit der zahnärztlichen Untersuchung vom 14.06.2011 ergibt sich keine andere Beurteilung. Da sich der Verkehrsunfall am 24.07.2011 ereignet und die nächste zahnärztliche Untersuchung erst am 12.09.2011 stattgefunden hat, lässt sich nicht ausschließen, dass die Beschädigungen der Keramikverblendungen auf eine andere Ursache während dieser Zeit zurückzuführen sind.

Auch eine Parteivernehmung der Klägerin gemäß §§ 447, 448 ZPO war nicht angezeigt. Das für eine Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO erforderliche Einverständnis der Gegenseite ist nicht erklärt worden. Zudem fehlt es an dem von § 448 ZPO vorausgesetzten „Anbeweis“. Für eine Parteivernehmung von Amts wegen muss nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung sprechen und das Gericht durch die Parteivernehmung die Ausräumung seiner restlichen Zweifel erwarten (Vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 448 Rn. 4; BGH NJW 1994, 320, 321). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Selbst wenn die Klägerin ihre Behauptungen, die Schädelfraktur habe sich über den gesamten Schädel bis zum Ohr gezogen, sie habe längere Zeit keine feste Nahrung zu sich nehmen können bzw. nicht normal essen können, da die rechte Seite des Kiefers sehr stark angeschwollen gewesen sei, nachweisen würde, spräche dies nicht bereits für die Richtigkeit ihrer Darstellung im Sinne eines „Anbeweises“. Denn ein Anschwellen des Kiefers muss nicht zwingend mit einer Beschädigung von Keramikverblendungen einhergehen. Der Rückschluss, durch den Unfall seien die Keramikverblendungen beschädigt worden, liefe nach Auffassung der Kammer dennoch auf ein bloßes „Fürmöglichhalten“ hinaus, was im Rahmen der nach § 286 Abs. 1 ZPO zu bildenden Überzeugung nicht ausreichend ist (Vgl. dazu Zöller/Greger, a.a.O., § 286 Rn. 18).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.768,75 € und für das Anschlussberufungsverfahren auf 3.006,24 € festgesetzt.

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