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Regress Kfz-Haftpflichtversicherung nach Verkehrsunfall – alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit

AG Pinneberg – Az.: 64 C 128/19 – Urteil vom 04.02.2020

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2964,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 2.964,33 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensregressforderungen geltend.

Der Kläger war Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … Der Beklagte war Versicherungsnehmer.

Der Beklagte verursachte mit dem Fahrzeug am … ein Schadenfall. Aufgrund einer roten Ampel musste der Beklagte als 3. Fahrzeug anhalten. Nachdem die Ampel gerade auf Grün geschaltet war, setzte der Beklagte sein Fahrzeug in Bewegung, bemerkte jedoch nicht dass das vor ihm stehende Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … noch nicht losgefahren war und fuhr auf dieses vor ihm stehende Fahrzeug auf. Die Blutalkoholkonzentration des Beklagten betrug zum Unfallzeitpunkt mindestens 1,43 Promille. Aufgrund des Unfalls entstand ein Schaden in Höhe von 2964,33 €. Der Kläger regulierte den Schaden. Der Kläger hat den Beklagten aufgefordert, ihm den Aufwand zu ersetzen mit Schreiben vom 10.1.2017. Der Beklagte kam der Aufforderung zur Zahlung nicht nach.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte durch sein Verhalten eine Obliegenheit gegenüber dem Kläger verletzt habe, sodass für die Folgen des Unfalls kein Versicherungsschutz bestehe. Der Kläger behauptet, er habe den Beklagten mit Schreiben vom 10.2.2017 und mit Schreiben vom 1.3.2017 zur Zahlung der streitgegenständlichen Forderung gemahnt.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die beklagte Partei zu verurteilen, an ihn 2964,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 14.2.2017 sowie 334,75 € vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 30.9.2019 hat der Kläger seinen Antrag bezüglich der als Nebenforderung geltend gemachten 334,75 € für außergerichtliche Inkassodienstleistung zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr, dem Beklagten zu verurteilen, 2964,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 14.2.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Alkoholisierung habe sich nicht unfallursächlich ausgewirkt. Zu dem Auffahrunfall sei es nur deshalb gekommen, weil er sich um seine Aktentasche bemüht habe, die im beifahrerseitigen Fußraum umgefallen sei. Dabei habe er die grün werdende Ampel erblickt, ohne zu bemerkt zu haben, dass das vor ihm stehende Fahrzeug noch nicht angefahren sei.

Der Mahnbescheid des Amtsgerichts Schleswig vom 29.6.2017 (Az.: 17/9759840-0-1) wurde dem Beklagten am 30.6.2017 zugestellt. Gegen diesen Mahnbescheid hat der Beklagte am 14.7.2017 Widerspruch eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 2964,33 € aus §§ 116 Abs. 1 Satz 2 VVG i. V. m. 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, da der Kläger den durch den Beklagten verursachten Schaden im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden KFZ-Haftpflichtversicherungsvertrages in dieser Höhe gegenüber dem geschädigten Dritten ausgeglichen hat und der Beklagte vor dem Versicherungsfall durch das Steuern seines Kraftfahrzeuges im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit eine Obliegenheit aus dem Haftpflichtversicherungsvertragsverhältnis zwischen den Parteien verletzt hat. Diese Obliegenheitsverletzung war auch kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Falle des Fahrens im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit der erste Anschein für den Kausalzusammenhang zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und Unfall besteht (BGH, Urteil vom 9.10.1991 – IV ZR 264/90, Versicherungsrecht 1991, 1367; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.1.2013 – 12 U 117/12, r+s 2013,121). Der mögliche Beweis dafür, dass die Obliegenheitsverletzung, also die absolute Fahruntüchtigkeit des Beklagten, nicht für den Eintritt des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles kausal gewesen ist, ist dem Beklagten nicht gelungen. Der Beklagte konnte nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts den Kausalitätsgegenbeweis dergestalt führen, dass mit Sicherheit festzustellen ist, dass sich die Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgesprochen, dass der dem Versicherungsnehmer offenstehenden Nachweis fehlender Kausalität nur dahingehend bestehen könne, dass die Gefahrenerhöhung durch die Obliegenheitsverletzung für das eingetretene Schadensereignis ohne jede Bedeutung gewesen ist und dem gemäß feststeht, dass Eintritt und Umfang des Versicherungsfalls nichts mit der vorausgegangenen typischen Risikoerhöhung – hier der absoluten Fahruntüchtigkeit des Beklagten – zu tun haben. Dies ist nur anzunehmen, wenn der Unfall erwiesenermaßen durch ein Ereignis verursacht worden ist, dass für den Fahrer unabwendbar gewesen ist (vgl. BGH, VersR 1972, 530).

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass das Unfallereignis ein unabwendbares Ereignis für den Beklagten gewesen ist. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehören sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, nämlich das Verhalten eines Idealfahrers. Der Fahrer muss hierbei auch erhebliche fremde Fehler berücksichtigen, darf andererseits grundsätzlich auf das Unterlassen grober Verkehrsverstöße durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen (vgl. hierzu: Hentschel-König, StVG, § 17 Rn. 22).

Der Beklagte hat nach eigener Schilderung das Gaspedal betätigt während er dabei war eine Tasche im Bereich des Beifahrersitzes aufzuheben, ohne sich vorher zu vergewissern, ob die vor ihm vor der noch kurz zuvor roten Ampel stehenden Fahrzeuge bereits losgefahren sind. Das Unfallereignis war also schon nach den Schilderungen des Beklagten bereits durch einfaches sorgfältiges Verhalten – nämlich das Prüfen der Verkehrssituation vor Betätigung des Gaspedals – abwendbar.

Der Anspruch besteht auch der Höhe nach, da der Kläger den Schaden unstreitig in dieser Höhe reguliert hat und der Kläger auf Grund der Obliegenheitsverletzung des Beklagten diesem gegenüber im Innenverhältnis des Haftpflichtversicherungsvertragsverhältnisses vollständig von der Leistung befreit ist.

Nach § 28 Abs. 2 VVG ist der Kläger berechtigt, bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit seine Leistung in einem der schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Der Beklagte hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, indem er in absolut fahruntüchtigen Zustand das Fahrzeug geführt hat. Das Führen eines Fahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand ist grundsätzlich als objektiv und subjektiv grob fahrlässig zu betrachten (BGH Versicherungsrecht 1989,469; BGH NJW 2011,3 1299, 3330). Im konkreten Fall war der Kläger auch berechtigt seine Leistung auf Null zu kürzen, da das Führen eines Fahrzeugs in alkoholbedingte fahruntüchtigen Zustand zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt gehört (so auch: BGH NJW 1989, 161; BGH NJW 1985, 2648; BGH NJW 2011, 3299, 3303). Der Beklagte hat im konkreten Fall auch keine Umstände vorgetragen, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit jedenfalls im subjektiven Bereich in milderem Licht erscheinen lassen. Die Leistungskürzung des Klägers liegt auch im zulässigen Rahmen von bis zu 5.000,00 € nach § 5 Abs. 3 KFZPflVV.

Einen Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen aus Verzug hat der Kläger erst seit dem 1.7.2017, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte ist erst durch die Zustellung des gerichtlichen Mahnbescheids am 30.6.2017 in Verzug geraten. Für den vom Beklagten bestrittenen Zugang außergerichtlicher Mahnschreiben ist der Kläger beweisfällig geblieben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 709 Satz 1 und 2, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

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