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Radfahrerkollision mit freilaufendem Hund – Beweislast des geschädigten Radfahrers

Ein Fahrradunfall, ein freilaufender Hund und die Frage, wer die Zeche zahlt: Als eine Radfahrerin nach einer Begegnung mit einem Vierbeiner stürzt und sich schwer verletzt, fordert sie zehntausende Euro vom Tierhalter. Sie beruft sich auf dessen Tierhalterhaftung, doch vor Gericht erweist sich die Wahrheit als schwieriger zu beweisen, als erwartet.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 305 O 248/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Hamburg
  • Datum: 15.08.2018
  • Aktenzeichen: 305 O 248/17
  • Rechtsbereiche: Tierhalterhaftung, Schadensersatzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Frau, die Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Fahrradsturzes forderte. Sie behauptete, der Hund des Beklagten sei gegen ihr Vorderrad gesprungen, wodurch sie stürzte und sich verletzte.
  • Beklagte: Der Halter eines Hundes. Er bestritt die Darstellung der Klägerin und behauptete, die Klägerin sei mit hoher Geschwindigkeit auf einem schmalen Wegstreifen gefahren und mit dem Hund kollidiert, der sich dorthin bewegt hatte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Klägerin forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Fahrradsturz, der sich auf einem kombinierten Geh- und Radweg ereignete. Sie gab an, mit dem Hund des Beklagten kollidiert zu sein, der unerwartet vor ihr Fahrrad gesprungen sei.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der Beklagte als Hundehalter für die materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin haftbar ist und ob sich bei dem Vorfall die spezifische „Tiergefahr“ des Hundes realisiert hat.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage der Klägerin wurde vollständig abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin den von ihr behaupteten Unfallhergang nicht beweisen konnte. Es sah die Tiergefahr des Hundes nicht als realisiert an, da der genaue Ablauf des Vorfalls, insbesondere die angebliche Bewegung des Hundes, nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.
  • Folgen: Die Klägerin muss die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen.

Der Fall vor Gericht


Wenn Bello Schuld sein soll: Ein Fahrradunfall und die Tücken der Beweisführung

Wer kennt das nicht? Man ist mit dem Fahrrad unterwegs, genießt die frische Luft auf einem kombinierten Geh- und Radweg, und plötzlich taucht ein Hund auf. Meist geht alles gut, doch manchmal kommt es zu brenzligen Situationen oder gar Unfällen. Genau um einen solchen Vorfall ging es in einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg. Eine Radfahrerin stürzte und verletzte sich – ihrer Meinung nach war der Hund eines Spaziergängers schuld. Doch wie sah das Gericht die Sache?

Der Abend des Unfalls: Zwei Versionen eines Geschehens

Frau stürzt vom Fahrrad, Hund springt vor das Rad, Begleiter und Spaziergänger beobachten.
Hund springt vor Fahrrad auf Geh- und Radweg – Sturz und Kollision bei Radfahrerinnen vermeiden. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Stellen wir uns die Szene vor: Es ist ein Spätsommerabend im August 2016, gegen halb zehn. Frau M. (die spätere Klägerin, also die Person, die vor Gericht eine Forderung stellt) ist mit ihrem Fahrrad auf einem Weg unterwegs, den sich Fußgänger und Radfahrer teilen. Ihr Ehemann, Herr S., begleitet sie, ebenfalls auf dem Rad. Ihnen kommt eine Gruppe von Spaziergängern entgegen, darunter Herr H. (der spätere Beklagte, also die Person, gegen die sich die Forderung richtet) mit seiner Ehefrau, Frau V., ihrem Hund und zwei weiteren Bekannten.

Was dann passierte, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Frau M. erzählte es so: Sie und ihr Mann seien schon langsam gefahren, weil sie zuvor einen anderen freilaufenden Hund gesehen hatten. Ihr Mann habe geklingelt, um die Gruppe auf sich aufmerksam zu machen. Die Fußgänger hätten daraufhin eine Gasse gebildet. Sie selbst sei fast im Schritttempo gefahren, links neben ihrem Mann. Der Hund von Herrn H. sei zunächst nicht zu sehen gewesen. Als ihr Mann sich bereits zwischen den Fußgängern befand, sei der Hund plötzlich von rechts vor sein Rad gelaufen. Herr S. konnte gerade noch bremsen. Doch unmittelbar danach sei der Hund erneut von rechts gekommen und diesmal gegen das Vorderrad von Frau M.s Fahrrad gesprungen. Die Folge: Frau M. stürzte und verletzte sich.

Herr H. bestritt diese Darstellung vehement. Er schilderte den Vorfall ganz anders: Der Ehemann von Frau M., Herr S., sei mit einem schnellen E-Bike ohne zu klingeln von hinten an seiner Gruppe vorbeigedrängelt. Dabei habe ihm nur ein etwa 50 cm breiter Streifen Platz geboten. Der Hund sei zu diesem Zeitpunkt zwischen seiner Ehefrau und einer weiteren Begleiterin gegangen. Durch das schnelle E-Bike aufmerksam geworden, sei der Hund auf diesen schmalen Wegstreifen getreten. Genau in diesem Moment habe sich Frau M. ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit von hinten genähert, während ihr Mann schon 20 bis 30 Meter weitergefahren sei. Frau M. habe nicht bemerkt, dass der Hund nun auf dem Streifen lief, und sei deshalb mit ihm kollidiert. Der Hund sei dabei sogar so deutlich getroffen worden, dass er Abdrücke der Fahrradreifen am Bauch gehabt habe.

Die Folgen des Sturzes und die Forderungen von Frau M.

Unbestritten war, dass Frau M. sich bei dem Sturz erheblich verletzte. Sie erlitt einen Bruch am linken Daumen und eine komplizierte Verrenkungsfraktur am rechten Ellenbogen. Ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt und mehrere Operationen folgten. Frau M. gab an, immer noch stark unter den Folgen zu leiden. Der Daumen sei weniger beweglich, der rechte Arm in seiner Funktion deutlich eingeschränkt. Viele alltägliche Dinge seien nur noch unter Schmerzen oder gar nicht mehr möglich. Zudem seien sichtbare Narben zurückgeblieben und zahlreiche Röntgenaufnahmen hätten eine zusätzliche Belastung dargestellt.

Aufgrund dieser Verletzungen und der damit verbundenen Beeinträchtigungen forderte Frau M. von Herrn H. als Hundehalter Schadensersatz. Was genau verlangte sie?
Erstens ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 Euro. Das ist eine Geldsumme, die als Ausgleich für erlittene körperliche und seelische Schmerzen dienen soll. Eine Zahlung von 2.000 Euro hatte die Hunde-Haftpflichtversicherung von Herrn H., die A.-Versicherungs-AG, bereits geleistet – allerdings, und das ist wichtig, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Das bedeutet, die Versicherung zahlte, ohne damit zuzugeben, dass Herr H. tatsächlich für den Schaden verantwortlich ist. Solche Zahlungen erfolgen manchmal, um eine gütliche Einigung zu erzielen oder aus Kulanz.

Zweitens forderte Frau M. materiellen Schadensersatz in Höhe von rund 1.645 Euro. Darunter fallen konkrete Kosten, die ihr durch den Unfall entstanden sind, wie Fahrtkosten zum Arzt, Kosten für Friseur und Fußpflege (weil sie es selbst nicht mehr konnte), Zuzahlungen für Medikamente, Parkgebühren und Verdienstausfall.
Drittens machte sie einen sogenannten Haushaltsführungsschaden von über 23.000 Euro geltend. Was ist das? Wenn jemand verletzungsbedingt seinen Haushalt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt führen kann, entsteht ein Schaden, weil die Arbeit entweder von anderen (bezahlt oder unbezahlt) übernommen werden muss oder schlicht liegen bleibt. Frau M. argumentierte, sie habe vor dem Unfall wöchentlich 42 Stunden im Zwei-Personen-Haushalt gearbeitet.

Schließlich verlangte sie die Übernahme ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Die Entscheidung des Gerichts: Klage abgewiesen

Das Landgericht Hamburg wies die Klage von Frau M. vollständig ab. Das bedeutet, Frau M. bekam weder das geforderte Schmerzensgeld noch den Schadensersatz oder den Haushaltsführungsschaden zugesprochen. Stattdessen musste sie die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen, also sowohl ihre eigenen Anwaltskosten als auch die von Herrn H. und die Gerichtskosten. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das heißt, Herr H. könnte die ihm zustehenden Kosten von Frau M. eintreiben, selbst wenn diese gegen das Urteil Berufung einlegen würde, müsste dafür aber eine Sicherheit hinterlegen. Der Streitwert, also der finanzielle Wert, um den gestritten wurde, wurde auf bis zu 45.000 Euro festgesetzt. Dieser Wert ist wichtig für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltsgebühren.

Die Begründung des Gerichts: Warum scheiterte die Klage?

Aber warum entschied das Gericht so, obwohl Frau M. doch unstrittig gestürzt war und sich verletzt hatte? Die Antwort liegt vor allem im Bereich der Beweisführung.

Das Kernproblem: Die nicht bewiesene Tiergefahr

Frau M. stützte ihre Forderung hauptsächlich auf § 833 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser Paragraph regelt die sogenannte Tierhalterhaftung. Vereinfacht gesagt, haftet ein Tierhalter für Schäden, die sein Tier verursacht, und zwar auch dann, wenn ihn persönlich kein Verschulden trifft (man spricht hier von einer Gefährdungshaftung). Es reicht aus, dass sich eine Typische Tiergefahr verwirklicht hat. Was ist eine typische Tiergefahr? Damit ist ein unberechenbares, instinktgesteuertes oder der tierischen Natur entsprechendes Verhalten gemeint – zum Beispiel, wenn ein Pferd scheut, eine Katze auf die Straße springt oder eben ein Hund unvorhersehbar seinen Weg kreuzt.

Frau M. behauptete, genau das sei passiert: Der Hund sei ihr ins Vorderrad gesprungen. Doch hier lag der Knackpunkt. Wer vor Gericht etwas fordert, muss die Tatsachen, die seinen Anspruch begründen, auch beweisen. Das nennt man die Darlegungs- und Beweislast. Frau M. musste also das Gericht davon überzeugen, dass sich der Unfall so zugetragen hat, wie sie es geschildert hat und dass sich dabei eine typische Tiergefahr verwirklichte. Und genau das gelang ihr nicht.

Die Würdigung der Zeugenaussagen

Das Gericht hörte verschiedene Zeugen. Frau M. selbst schilderte den Unfall. Ihr Ehemann, Herr S., bestätigte ihre Version. Seine Aussage erschien dem Gericht zwar in sich schlüssig und glaubhaft. Allerdings gab es einen Widerspruch: Herr S. sagte aus, seine Frau sei über den Lenker hinweg auf den Asphalt gestürzt. Das Gericht meinte, dies spreche eher gegen ein sehr langsames Fahren in Schrittgeschwindigkeit, wie von Frau M. behauptet. Zudem berücksichtigte das Gericht bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugen deren persönliche Beziehung zu den Parteien – der Ehemann zur Klägerin, die Ehefrau des Beklagten (Frau V.) zu diesem. Das bedeutet nicht, dass sie lügen, aber es kann die Wahrnehmung oder Darstellung beeinflussen.

Herr H. selbst konnte zum direkten Sturzgeschehen nichts sagen, da er laut den anderen Zeugen seiner Gruppe etwas weiter vorne gegangen war.

Seine Ehefrau, Frau V., widersprach der Darstellung von Frau M. Sie sagte aus, der Hund sei nicht ins Vorderrad gesprungen, sondern sei nur zur Seite gegangen, woraufhin die schnell fahrende Frau M. ihn angefahren habe. Allerdings gab es auch in ihrer Aussage Abweichungen zu dem, was Herr H. ursprünglich in seiner Klageerwiderung (der schriftlichen Antwort auf die Klage) vorgetragen hatte. So bestätigte sie nicht, dass Hund und Radfahrer denselben schmalen Wegstreifen benutzt hätten. Vielmehr habe der Hund nach links auf den Rasen oder zu einem Kaninchen gehen wollen.

Die beiden anderen Zeugen, die mit Herrn H. unterwegs waren, Herr M. R. und Frau S. R., konnten zum eigentlichen Unfallmoment ebenfalls keine präzisen Angaben machen. Ihre Aussagen waren aber in einem anderen Punkt wichtig: Sie bestätigten übereinstimmend, dass der Ehemann von Frau M. schnell an ihnen vorbeigefahren und zum Zeitpunkt des Unfalls seiner Frau nicht mehr in unmittelbarer Nähe gewesen sei. Dies stand im Widerspruch zur Darstellung von Frau M. und ihrem Ehemann und erschütterte nach Ansicht des Gerichts deren Glaubwürdigkeit bezüglich des gesamten Geschehensablaufs.

Auch der von Frau M. vorgelegte Polizeibericht stützte ihre Version nicht eindeutig. Darin war nicht von einem Sprung des Hundes gegen das Vorderrad die Rede, sondern davon, dass Frau M. versucht habe, dem Hund auszuweichen und dabei gestürzt sei.

Eine verpasste Chance? Die Klägerin hielt an ihrer Version fest

Das Gericht wies Frau M. während des Verfahrens auf die Schwierigkeiten bei der Beweisführung hin. Interessanterweise deutete das Gericht an, dass sich aus der Beweisaufnahme – also den Zeugenaussagen – durchaus Anhaltspunkte für eine Haftung von Herrn H. ergeben könnten, selbst wenn Frau M.s genaue Version nicht bewiesen wäre. Denn es schien ja unstrittig, dass der Sturz in irgendeinem Zusammenhang mit dem nicht angeleinten Hund stand. Das Gericht erklärte, dass sich eine Partei im Prozess normalerweise zumindest hilfsweise Umstände zu eigen macht, die sich während der Beweisaufnahme als günstig für sie herausstellen. Was bedeutet das? Man kann dem Gericht sagen: „Meine Hauptversion ist X. Aber falls ihr mir das nicht glaubt, dann behaupte ich Y, basierend auf dem, was Zeuge Z gesagt hat.“

Doch Frau M. erklärte ausdrücklich, dass sie keinen anderen Geschehensablauf als den von ihr geschilderten behaupten und sich auch keinen anderen hilfsweise zu eigen machen wolle. Sie blieb also starr bei ihrer ursprünglichen Version. Da sie dies so deutlich machte, nachdem das Gericht sie auf die Möglichkeit hingewiesen hatte, sah sich das Gericht daran gehindert, ihren Vortrag anders auszulegen und eine Haftung auf Basis einer möglicherweise anderen, aber durch die Zeugenaussagen nahegelegten Geschehensalternative zu prüfen.

Kein Fall für den Anscheinsbeweis

Hätte Frau M. vielleicht der sogenannte Anscheinsbeweis helfen können? Manchmal gibt es typische Geschehensabläufe, bei denen das Gesetz eine Beweiserleichterung zugesteht. Wenn bestimmte Tatsachen feststehen, wird vermutet, dass eine bestimmte Ursache oder ein bestimmtes Verschulden vorliegt, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Es gibt Gerichtsentscheidungen (z.B. vom OLG Hamm und OLG Karlsruhe), die davon ausgehen, dass ein Anscheinsbeweis dafür sprechen kann, dass das Verhalten eines freilaufenden Hundes für den Sturz eines Radfahrers ursächlich war, wenn der Sturz in unmittelbarem Zusammenhang mit der Begegnung passierte.

Das Gericht sah hier aber keinen Raum für einen Anscheinsbeweis. Zum einen war schon nicht klar, ob an dieser Stelle überhaupt eine Anleinpflicht für Hunde bestand (ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz, also ein Gesetz, das bestimmte Personen oder Gruppen schützen soll, kann die Anwendung des Anscheinsbeweises erleichtern). Frau M. hatte dazu nichts Konkretes vorgetragen oder Beweise angeboten. Die Ehefrau von Herrn H. gab an, sie habe einen Hundeführerschein und sei daher ohnehin nicht an einen Anleinzwang gebunden. Unabhängig davon, so das Gericht, wäre der Unfall aber möglicherweise auch dann passiert, wenn der Hund angeleint gewesen wäre. Selbst an einer kurzen Leine hätte sich ein Hund noch so weit bewegen können, dass es zu einem Zusammenstoß mit einem überholenden Fahrradfahrer kommt. Die Situation sei daher nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen andere Gerichte einen Anscheinsbeweis angenommen hatten.

Da Frau M. also den von ihr behaupteten Unfallhergang nicht beweisen konnte und auch andere rechtliche Grundlagen für ihre Ansprüche nicht ersichtlich waren, blieb dem Gericht nichts anderes übrig, als die Klage abzuweisen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht die erhebliche Beweislast für Radfahrer bei Unfällen mit freilaufenden Hunden. Die Klägerin scheiterte, weil sie den behaupteten Unfallhergang (Hund sei ins Vorderrad gesprungen) nicht ausreichend beweisen konnte und zudem an ihrer Version festhielt, statt alternative Geschehensabläufe zu berücksichtigen, die das Gericht möglicherweise akzeptiert hätte. Ein Anscheinsbeweis wurde nicht anerkannt, da nicht eindeutig war, ob eine Anleinpflicht bestand und selbst ein angeleinter Hund den Unfall hätte verursachen können. Die Kernbotschaft ist, dass bei widersprüchlichen Zeugenaussagen die fehlende Beweisbarkeit einer Tiergefahr zur vollständigen Klageabweisung führen kann.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie haften Hundehalter, wenn ihr Tier einen Schaden verursacht?

Hundehalter tragen eine besondere Verantwortung für Schäden, die ihr Tier verursacht. Das deutsche Recht unterscheidet hierbei grundsätzlich zwei wichtige Haftungsarten: die sogenannte Gefährdungshaftung (auch Tierhalterhaftung genannt) und die Verschuldenshaftung.

Haftung ohne eigenes Verschulden (Gefährdungshaftung / Tierhalterhaftung)

Die wichtigste Grundlage für die Haftung von Hundehaltern ist die Gefährdungshaftung nach § 833 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese besagt, dass der Halter eines Tieres für den Schaden haftet, den das Tier einem Dritten zufügt, selbst wenn ihn persönlich kein Verschulden trifft.

  • Was das bedeutet: Für Sie als Betroffener heißt das, der Hundehalter haftet schon dann, wenn sich die sogenannte typische Tiergefahr des Hundes verwirklicht hat. Das ist die natürliche, unberechenbare oder eigenwillige Verhaltensweise eines Tieres. Es ist nicht nötig, dass der Halter etwas falsch gemacht hat oder fahrlässig war.
  • Beispiele hierfür: Ein Hund reißt sich plötzlich los und beißt einen Passanten, obwohl er an der Leine war und der Halter aufgepasst hat. Oder ein Hund läuft unerwartet auf die Straße und verursacht einen Verkehrsunfall, ohne dass der Halter dies durch sein Verhalten hätte verhindern können. In solchen Fällen haftet der Halter in der Regel trotzdem, weil die Gefahr vom Tier selbst ausging.

Haftung bei eigenem Verschulden (Verschuldenshaftung)

Zusätzlich zur Gefährdungshaftung kann ein Hundehalter auch dann für Schäden haften, wenn er persönlich ein Verschulden trifft. Dies ist oft der Fall, wenn er seine Pflichten als Halter verletzt hat, beispielsweise indem er nicht ausreichend auf seinen Hund geachtet hat.

  • Was das bedeutet: Hier gilt der allgemeine Grundsatz der Verschuldenshaftung nach § 823 BGB. Der Hundehalter haftet, wenn er den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
  • Beispiele hierfür: Der Hundehalter lässt seinen Hund auf einem Spielplatz ohne Leine laufen, obwohl dies verboten ist, und der Hund springt ein Kind an, das dabei verletzt wird. Oder ein Halter, der weiß, dass sein Hund aggressiv auf andere Hunde reagiert, führt ihn nicht ausreichend gesichert, und es kommt zu einer Beißerei.

Wichtige Aspekte

  • Mitverschulden des Geschädigten: In manchen Fällen kann der Schaden auch durch ein Mitverschulden des Geschädigten (z.B. durch Provokation des Hundes) entstanden sein. Dies kann dazu führen, dass die Haftung des Hundehalters gemindert wird oder ganz entfällt.
  • Hundehalter-Haftpflichtversicherung: Viele Hundehalter schließen eine spezielle Hundehalter-Haftpflichtversicherung ab. Diese ist wichtig, da sie in der Regel die finanziellen Folgen der Tierhalterhaftung abdeckt und im Schadensfall die Ansprüche des Geschädigten reguliert. In einigen Bundesländern ist diese Versicherung sogar Pflicht.

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Was muss ich als geschädigte Person beweisen, um Schadensersatz zu bekommen?

Wenn Sie als geschädigte Person Schadensersatz verlangen, tragen Sie die sogenannte Beweislast. Das bedeutet: Sie müssen dem Gericht beweisen, dass Ihr Anspruch tatsächlich besteht. Es genügt nicht, den Schaden zu erleiden; Sie müssen darlegen und belegen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Schadensersatz erfüllt sind.

Was genau muss bewiesen werden?

Im Kontext eines durch ein Tier verursachten Schadens, wie beispielsweise durch einen Hund, müssen Sie insbesondere folgende Punkte nachweisen:

  • Der eingetretene Schaden: Sie müssen genau darlegen, welcher Schaden Ihnen entstanden ist. Das können körperliche Verletzungen (z.B. ein Hundebiss), Sachschäden (z.B. an Kleidung oder anderen Gegenständen) oder auch Vermögensschäden (z.B. Verdienstausfall durch die Verletzung) sein. Sie müssen auch dessen Umfang nachweisen, zum Beispiel die Art der Verletzung und die Höhe der Heilbehandlungskosten.
  • Das beteiligte Tier: Sie müssen beweisen, dass der konkrete Hund den Schaden verursacht hat. Das heißt, Sie müssen darlegen können, um welches Tier es sich handelte und wer dessen Halter ist.
  • Der ursächliche Zusammenhang (Kausalität): Es muss bewiesen werden, dass der Schaden unmittelbar durch das Verhalten des Hundes herbeigeführt wurde. Hierbei ist entscheidend, dass der Hund der Auslöser für den Schaden war. Stellen Sie sich vor: Wenn der Hund Sie gebissen hat, ist der Biss der kausale Zusammenhang zu Ihrer Verletzung.
  • Die Verwirklichung der Tiergefahr: Ein ganz wichtiger Punkt ist der Nachweis, dass der Schaden durch die typische, unberechenbare Tiergefahr entstanden ist. Tiere verhalten sich instinktgesteuert und sind nicht immer kontrollierbar. Die Haftung des Tierhalters beruht auf dieser besonderen Gefahr, die von einem Tier ausgeht. Es reicht also nicht, dass der Hund einfach nur anwesend war. Sein Verhalten (z.B. Zubeißen, Anspringen, Weglaufen und dadurch einen Unfall verursachen) muss den Schaden herbeigeführt haben, und dieses Verhalten muss Ausdruck seiner tierischen Eigenart gewesen sein, nicht nur ein zufälliges Zusammentreffen von Ereignissen.

Wie können Sie Beweise sammeln?

Um diese Punkte zu beweisen, können Sie verschiedene Arten von Beweismitteln nutzen:

  • Zeugenaussagen: Personen, die den Vorfall beobachtet haben, können ihre Wahrnehmung schildern.
  • Fotos und Videos: Bilder des Unfallorts, der Verletzungen oder des beteiligten Tieres können wichtige visuelle Beweise sein.
  • Ärztliche Atteste und Befunde: Bei Personenschäden sind medizinische Dokumente unerlässlich, um Art und Umfang der Verletzungen zu belegen.
  • Rechnungen und Belege: Diese dienen dem Nachweis der Höhe entstandener Kosten, zum Beispiel für Reparaturen oder Behandlungen.

Zusammenfassend ist es für Sie als geschädigte Person entscheidend, aktiv Beweismittel zu sammeln und diese klar und nachvollziehbar vorzulegen, um Ihre Ansprüche auf Schadensersatz durchzusetzen.


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Welche Bedeutung haben Zeugenaussagen bei der Klärung eines Unfallhergangs mit einem Tier?

Zeugenaussagen sind bei der Klärung eines Unfallhergangs, auch wenn ein Tier beteiligt war, oft ein sehr wichtiges Beweismittel. Sie können entscheidend sein, wenn es keine anderen Beweise wie Fotos, Videos oder eindeutige Spuren gibt. Besonders bei Unfällen mit Tieren ist dies häufig der Fall, da die Situation oft sehr schnell und unvorhersehbar abläuft und es selten technische Aufzeichnungen gibt.

Die zentrale Rolle von Zeugenaussagen vor Gericht

Wenn ein Gericht den Hergang eines Unfalls mit einem Tier aufklären muss, stützt es sich auf verschiedene Beweismittel. Zeugenaussagen sind hierbei von großer Bedeutung, da sie menschliche Wahrnehmungen des Geschehens wiedergeben. Für Sie als Betroffener bedeutet das, dass die Angaben von Personen, die den Unfall beobachtet haben, maßgeblich dazu beitragen können, wie der Unfallhergang rekonstruiert wird. Dies betrifft zum Beispiel die Frage, woher das Tier kam, wie schnell ein Fahrzeug unterwegs war oder ob Warnsignale gegeben wurden.

Beurteilung von Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit

Gerichte bewerten Zeugenaussagen sehr sorgfältig. Sie unterscheiden dabei zwischen der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage.

  • Glaubwürdigkeit betrifft die Person des Zeugen: Ist der Zeuge in der Lage, die Wahrheit zu sagen? Hier werden Faktoren wie Alter, Gesundheitszustand, mögliche Vorurteile, eigene Interessen am Ausgang des Verfahrens oder auch die Beziehung zu den beteiligten Parteien betrachtet. Ein Zeuge, der zum Beispiel der engste Freund einer Unfallpartei ist, kann zwar die Wahrheit sagen, aber das Gericht wird seine Glaubwürdigkeit genauer prüfen.
  • Glaubhaftigkeit bezieht sich auf die Aussage selbst: Ist das, was der Zeuge schildert, nachvollziehbar und widerspruchsfrei? Hier achtet das Gericht auf die Details der Aussage. Passt die Beschreibung zu anderen Beweismitteln? Sind die Erinnerungen des Zeugen logisch und detailreich oder wirken sie vage und unstimmig? Wenn ein Zeuge beispielsweise sehr genaue Angaben zu einem Ereignis macht, das Monate zurückliegt, wird das Gericht prüfen, ob diese Detailtiefe realistisch ist.

Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede Zeugenaussage gleich viel Gewicht hat. Ein Gericht würdigt die Beweise frei. Das bedeutet, es entscheidet nach seiner Überzeugung, welche Aussagen es für richtig hält. Ein Zeuge, der das Geschehen aus erster Hand und unvoreingenommen beobachtet hat, wird in der Regel stärker gewichtet als jemand, der nur Hörensagen weitergibt oder das Geschehen nur am Rande wahrgenommen hat.

Bedeutung bei Tierunfällen

Bei Unfällen mit Tieren ergeben sich oft besondere Fragen zur Haftung, etwa wer für den Schaden aufkommen muss. Hier spielen Zeugenaussagen eine noch wichtigere Rolle, um den genauen Ablauf zu klären:

  • Hat der Tierhalter seine Aufsichtspflicht verletzt?
  • Ist das Tier plötzlich auf die Fahrbahn gelaufen?
  • War die Geschwindigkeit des Fahrzeugs angemessen?

Zeugenaussagen können helfen, diese Fragen zu beantworten, indem sie Licht auf die Verhaltensweisen des Tieres, des Tierhalters und des Fahrers werfen. Ein Zeuge, der gesehen hat, wie ein Hund unangeleint von einem Feld auf die Straße rannte, liefert beispielsweise andere Erkenntnisse als jemand, der beobachtet hat, wie ein Fahrer mit überhöhter Geschwindigkeit einen Zaun durchbrach, hinter dem sich Tiere befanden. Die Qualität der Beobachtung ist hier entscheidend.


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Gibt es Situationen, in denen der Nachweis der Tiergefahr einfacher ist, zum Beispiel bei freilaufenden Hunden?

Ja, es gibt bestimmte Situationen, in denen der Nachweis der sogenannten Tiergefahr für den Geschädigten erleichtert wird. Dies geschieht durch den sogenannten Anscheinsbeweis.

Was ist der Anscheinsbeweis?

Der Anscheinsbeweis ist eine besondere Regelung im deutschen Recht, die die Beweisführung in bestimmten Fällen vereinfacht. Er kommt zur Anwendung, wenn ein Ereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung typisch für einen bestimmten Ablauf ist. Stellen Sie sich vor, etwas passiert, das so oft und in einer bestimmten Weise auftritt, dass man daraus eine Art Standard-Erklärung ableiten kann. In solchen „typischen“ Fällen vermutet das Gesetz oder die Rechtsprechung, dass ein bestimmter Umstand – hier die Tiergefahr – die Ursache für den Schaden war. Der Geschädigte muss dann nicht alle Details des Hergangs beweisen, sondern es reicht, den typischen Verlauf darzulegen. Der Tierhalter müsste dann beweisen, dass der Unfall in diesem speziellen Fall doch untypisch war und nicht auf die Tiergefahr zurückzuführen ist.

Anscheinsbeweis bei freilaufenden Hunden

Gerade bei freilaufenden Hunden kommt der Anscheinsbeweis häufig zur Anwendung. Wenn beispielsweise ein nicht angeleinter Hund plötzlich auf die Fahrbahn läuft und ein Autofahrer ausweichen muss, wodurch ein Unfall entsteht, kann dies ein typischer Fall sein. Oder wenn ein Hund, der sich nicht im direkten Einflussbereich seines Halters befindet, einen Fahrradfahrer durch plötzliches Erscheinen oder Anspringen zum Sturz bringt.

In solchen Fällen wird oft davon ausgegangen, dass die unberechenbare Eigenart des Tieres (die sogenannte Tiergefahr) die Ursache für den Schaden war. Das liegt daran, dass es sich um Verhaltensweisen handelt, die man von Tieren – insbesondere von Hunden, die sich ohne Kontrolle bewegen – erwarten kann und die das typische Risiko der Tierhaltung darstellen.

Die Rolle der Anleinpflicht

Die Frage, ob eine Anleinpflicht besteht, hängt von den jeweiligen Gesetzen und Verordnungen der Städte oder Gemeinden ab. Eine fehlende Anleinpflicht führt nicht automatisch zum Anscheinsbeweis oder zur Haftung. Wenn aber ein Hund entgegen einer bestehenden Anleinpflicht freiläuft und dadurch einen Schaden verursacht, kann dies die Position des Geschädigten erheblich stärken. Es untermauert die Annahme, dass die typische Gefahr des Tieres, die bei fehlender Kontrolle besonders zum Tragen kommt, sich hier verwirklicht hat. Es kann ein wichtiges Indiz dafür sein, dass der Unfall in einem typischen Zusammenhang mit der Tiergefahr steht und die Beweisführung somit erleichtert wird.

Für Geschädigte kann dies bedeuten, dass die Beweislast für den Zusammenhang zwischen der Tiergefahr und dem entstandenen Schaden in bestimmten, klar erkennbaren Situationen vereinfacht ist, da das Gericht von einem typischen Unfallhergang ausgehen kann.


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Was passiert, wenn ich meinen behaupteten Unfallhergang nicht beweisen kann oder das Gericht eine andere Version für wahrscheinlicher hält?

Im Zivilprozess, wie er oft bei Unfällen relevant wird, geht es darum, dem Gericht die eigene Darstellung des Geschehens so zu beweisen, dass es davon überzeugt ist. Wer etwas behauptet und daraus Rechte ableiten möchte, muss diese Behauptung in der Regel auch beweisen können. Man spricht hier von der Beweislast. Kann ein Kläger (die Person, die klagt) seinen behaupteten Unfallhergang nicht ausreichend beweisen, oder hält das Gericht aufgrund der vorgelegten Beweise eine andere Version für wahrscheinlicher, kann dies die ursprüngliche Forderung erheblich gefährden.

Die Bedeutung der Beweisführung

Das Gericht entscheidet auf Basis der im Prozess vorgelegten Beweise, was es als erwiesen ansieht und was nicht. Wenn Ihre Schilderung des Unfallhergangs nicht bewiesen werden kann – zum Beispiel, weil wichtige Zeugen fehlen oder die Spurenlage unklar ist – kann das dazu führen, dass Ihre Klage abgewiesen wird, selbst wenn Sie innerlich überzeugt sind, im Recht zu sein. Es kommt auf das an, was vor Gericht beweisbar ist.

Strategische Optionen: Die „hilfsweise“ Behauptung

Um diesem Risiko zu begegnen, gibt es im juristischen Verfahren die Möglichkeit, „hilfsweise“ oder „alternativ“ andere Versionen des Geschehens oder andere rechtliche Gründe vorzubringen. Dies ist eine wichtige strategische Möglichkeit:

  • Was bedeutet „hilfsweise“? Es bedeutet, dass Sie dem Gericht mitteilen: „Wenn meine erste Behauptung (Hauptantrag) nicht bewiesen werden kann oder Sie eine andere Version für wahrscheinlicher halten, dann prüfen Sie bitte meine zweite Behauptung (Hilfsantrag).“ Es ist quasi ein Plan B für den Fall, dass Plan A nicht aufgeht.
  • Der Ablauf im Gericht: Das Gericht prüft zuerst Ihre primäre Darstellung und die dafür vorgelegten Beweise. Erst wenn diese nicht überzeugen oder die Beweise nicht ausreichen, wendet sich das Gericht der „hilfsweise“ vorgebrachten Version zu und prüft, ob diese bewiesen werden kann.
  • Ein Beispiel aus der Praxis: Stellen Sie sich vor, Sie behaupten, der Unfallgegner sei über eine rote Ampel gefahren. Sie können das aber nicht zweifelsfrei beweisen. Hilfsweise könnten Sie dann anführen, dass der Unfallgegner in jedem Fall zu schnell oder unaufmerksam gefahren ist und deshalb den Unfall (oder zumindest einen Teil davon) verschuldet hat, selbst wenn er nicht bei Rot gefahren ist. Die Haftung könnte dann auf eine andere Verhaltensweise gestützt werden.

Mögliche Ergebnisse bei „hilfsweiser“ Behauptung

Wenn Ihre ursprüngliche, primäre Behauptung nicht bewiesen werden kann, das Gericht aber die „hilfsweise“ vorgebrachte Version für bewiesen hält, kann dies weiterhin zu einem positiven Ergebnis für Sie führen. Dies kann bedeuten, dass die andere Partei zumindest teilweise haftet oder dass der Unfall auf einer anderen Basis beurteilt wird, die dennoch zu Ihren Gunsten wirkt. Das Ziel ist es, den Anspruch nicht vollständig zu verlieren, nur weil die ursprünglich genannte Ursache nicht hundertprozentig bewiesen werden konnte, aber eine andere Ursache, die ebenfalls eine Haftung begründen würde, ersichtlich ist.

Diese strategische Vorgehensweise ermöglicht es, flexibel auf die Beweislage im Prozess zu reagieren und mehrere Argumentationslinien parallel zu verfolgen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Tierhalterhaftung

Die Tierhalterhaftung ist eine spezielle Form der Gefährdungshaftung, die im § 833 Satz 1 BGB geregelt ist. Sie verpflichtet den Halter eines Tieres dazu, für Schäden zu haften, die das Tier verursacht – auch wenn ihn kein eigenes Verschulden trifft. Das bedeutet, dass der Hundehalter beispielsweise für Verletzungen oder Sachschäden haftet, wenn sein Hund durch typisches, unvorhersehbares Tierverhalten den Schaden verursacht, ohne dass der Halter etwas falsch gemacht haben muss. Sie gilt vor allem bei Tieren, deren Verhalten schwer vorhersehbar ist und sich nicht vollständig kontrollieren lässt.

Beispiel: Ein Hund läuft unvorhergesehen einem Radfahrer vor das Fahrrad und verursacht einen Sturz. Der Halter haftet, auch wenn er den Hund angeleint hatte und aufmerksam war.


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Typische Tiergefahr

Typische Tiergefahr bezeichnet das natürliche, unberechenbare und instinktgesteuerte Verhalten eines Tieres, das zu Schäden führen kann. Im Zusammenhang mit der Tierhalterhaftung ist wichtig, dass die Haftung auch dann greift, wenn nicht ein menschliches Verschulden vorliegt, sondern gerade die Eigenart des Tieres diesen Schaden verursacht hat. Dabei geht es nicht um zufällige oder ganz ungewöhnliche Ereignisse, sondern um Verhaltensweisen, die für das Tier „normal“ sind und stets mit einer gewissen Gefahr verbunden sind.

Beispiel: Ein Hund, der plötzlich auf ein vorbeifahrendes Fahrrad springt, zeigt typisches Tierverhalten, das die Tiergefahr veranschaulicht.


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Beweislast (Darlegungs- und Beweislast)

Die Beweislast bezeichnet die Verpflichtung einer Partei im Prozess, die Tatsachen, die ihren Anspruch oder ihre Verteidigung stützen, darzulegen und auch zu beweisen. Im Zivilprozess muss der Kläger (die geschädigte Person) also beweisen, dass der Schaden eingetreten ist, das Tier den Schaden verursacht hat, ein ursächlicher Zusammenhang besteht und sich die typische Tiergefahr verwirklicht hat. Kann der Kläger diese Pflicht nicht erfüllen, wird seine Klage abgewiesen. Die Beweislast bestimmt somit, wer was im Prozess beweisen muss.

Beispiel: Wer eine Schmerzensgeldforderung wegen eines Tierunfalls stellt, muss nachweisen können, dass das Tier tatsächlich den Unfall verursacht hat und wie genau das geschah.


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Anscheinsbeweis

Der Anscheinsbeweis ist eine Beweiserleichterung im Zivilrecht, die bei typischen und häufig vorkommenden Sachverhalten greift. Er bewirkt, dass bei einem gewöhnlichen Unfallablauf eine bestimmte Ursache oder ein Verschulden vermutet wird, solange der Gegner nicht das Gegenteil beweisen kann. Im Fall eines freilaufenden Hundes, der einen Fahrradunfall verursacht, kann der Anscheinsbeweis etwa dazu führen, dass automatisch vermutet wird, dass die Tiergefahr schuld ist, wenn die typischen Voraussetzungen erfüllt sind. Voraussetzung ist meist, dass gegen ein Schutzgesetz (z.B. Anleinpflicht) verstoßen wurde.

Beispiel: Ein Radfahrer wird von einem nicht angeleinten Hund bedrängt und stürzt. Hier wird oft angenommen, dass der Hundehalter ohne weiteres verantwortlich ist, bis er das Gegenteil beweist.


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Hilfsweise Behauptung (Hilfsantrag)

Die hilfsweise Behauptung oder der Hilfsantrag ist eine prozessuale Strategie, bei der eine Partei dem Gericht eine alternative Version des Sachverhalts oder eine andere rechtliche Begründung für ihren Anspruch vorlegt. Dies dient dazu, die Chancen zu erhalten, auch dann Recht zu bekommen, wenn die Hauptbehauptung vom Gericht nicht anerkannt oder bewiesen wird. Das Gericht prüft erst die Hauptforderung und danach alternativ die hilfsweise vorgebrachten Gründe oder Versionen.

Beispiel: Ein Kläger behauptet einen Unfallhergang, der nicht bewiesen werden kann und erklärt hilfsweise, dass zumindest ein anderes Ereignis schadensursächlich war. Wenn die Hauptbehauptung scheitert, kann das Gericht dennoch zu seinen Gunsten entscheiden.


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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 833 Satz 1 BGB (Tierhalterhaftung): Dieser Paragraph regelt die verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Wichtig ist hier die sogenannte Gefährdungshaftung, bei der der Halter auch ohne eigenes Verschulden haftet, wenn sich eine typische Tiergefahr verwirklicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau M. stützte ihren Schadensersatzanspruch auf diese Vorschrift, konnte jedoch nicht beweisen, dass der Hundtypische Verhaltensweisen gezeigt hat, die den Unfall verursachten.
  • Beweislast und Darlegungspflicht (§ 286 ZPO, allgemeiner Beweisgrundsatz): Im Zivilprozess gilt, dass die Partei, die Ansprüche geltend macht, die für sie günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss. Dabei ist strenge Beweisführung erforderlich, insbesondere bei Abgrenzung der Unfallursachen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau M. konnte den genauen Unfallhergang und die Verwirklichung der Tiergefahr nicht beweisen, da die Zeugenaussagen widersprüchlich waren und ihr Vortrag nicht zuverlässig erschien.
  • Schutzgesetz und Anleinpflicht im Straßenverkehr (z.B. Landes-Hundegesetze, örtliche Verordnungen): Schutzgesetze dienen dem Schutz bestimmter Personen oder Gruppen und können eine Haftung erleichtern, wenn deren Verletzung kausal für den Schaden ist. Eine gültige Anleinpflicht für Hunde ist grundlegend für die Haftungsbewertung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte infrage, ob eine Anleinpflicht zum Unfallzeitpunkt und -ort bestand, was eine Erleichterung des Beweises durch Anscheinsbeweis ausschloss, da Frau M. hierzu keine Beweise vorlegte.
  • Anscheinsbeweis (Beweiserleichterung bei typischen Unfallabläufen): Der Anscheinsbeweis wird anerkannt, wenn aus typischen Verhaltensweisen und einem gewöhnlichen Ablauf auf die Haftung geschlossen werden kann, ohne dass der Geschädigte alle Einzelheiten beweisen muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte die Anwendung des Anscheinsbeweises ab, da die Umstände und Beweislage nicht klar zugunsten von Frau M. sprachen und Zweifel an der Anleinpflicht bestanden.
  • Haushaltsführungsschaden (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB): Bei Verletzungen, die die Haushaltsführung beeinträchtigen, kann der Geschädigte Ersatz für fremde Hilfe oder entgangene Haushaltsleistungen verlangen. Die Argumentation erfordert genaue Nachweise über Umfang und Dauer der Haushaltsführung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau M. machte einen erheblichen Haushaltsführungsschaden geltend, scheiterte jedoch an der fehlenden Haftungsbegründung gegenüber Herrn H., weshalb dieser Anspruch vom Gericht nicht anerkannt wurde.
  • Vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 708 Nr. 10 ZPO): Gerichtsentscheidungen können häufig vorläufig vollstreckbar sein, sodass die obsiegende Partei sofort vollstrecken kann, während die unterlegene Partei Sicherheit leisten kann, falls Berufung eingelegt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kostenentscheidung zu Lasten von Frau M. wurde vorläufig vollstreckbar erklärt, was bedeutet, dass Herr H. die Kostenerstattung durchsetzen kann, selbst wenn Frau M. Berufung einlegt.

Das vorliegende Urteil


LG Hamburg – Az.: 305 O 248/17 – Urteil vom 15.08.2018


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