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Nutzungsausfallschaden durch verzögerte Lieferung von Ersatzteilen

AG Würzburg, Az.: 34 C 788/16

Urteil vom 01.09.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.120,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.11.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 3.120,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Nutzungsausfallschaden durch verzögerte Lieferung von Ersatzteilen
Symbolfoto: dolgachov/Bigstock

Die Parteien streiten um Nutzungsausfallersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 18.06.2015 gegen 8:45 Uhr auf der B19 in Würzburg zugetragen hat. Die Ehefrau des Klägers fuhr mit dessen Fahrzeug, Mercedes SLK 250, amtliches Kennzeichen … von Unterpleichfeld nach Würzburg. Die Beklagte zu 1) fuhr hinter dem klägerischen Fahrzeug. Als sich der Verkehr bei Estenfeld verdichtete, verlangsamte der klägerische Pkw und die Beklagte zu 1) fuhr auf diesen auf. Der Pkw wurde dabei erheblich beschädigt. Laut Gutachten des Sachverständigenbüros … beliefen sich die Reparaturkosten auf 25.729,70 € brutto und die Wertminderung auf 3.700,00 €. Die Beklagte zu 2) ist Halterin des Fahrzeugs. Die Beklagte zu 3) ist die zuständige Haftpflichtversicherung.

Der Unfallhergang sowie das Verschulden der Beklagten zu 1) sind unstreitig. Weiterhin unstreitig ist der Tagessatz von 65,00 € für den Nutzungsausfallersatz.

Die Beklagte zu 3) rechnete mit Schreiben vom 21.11.2015 Nutzungsausfallersatz für 49 Tage á 65,00 € ab. Eine darüber hinausgehende Zahlung lehnte sie ab.

Der Kläger begehrt Nutzungsausfallsentschädigung für weitere 48 Tage. Er trägt vor, die Reparatur habe vom 10.07. bis 25.09.2015 mithin 78 Tage gedauert. Grund hierfür sei die lange Lieferzeit für die Kopfstützen. Es sei ein Ersatz der Kopfstützen notwendig gewesen, da das Auslösen der Kopfstützen bei Gutachtenserstellung aufgrund der Unfalldeformationen nicht erkennbar gewesen sei. Eine Reparatur der Kopfstützen sei allein durch Erneuerung möglich gewesen. Ein einfaches Zurückstellen sei weder möglich noch erlaubt gewesen. Ohne die Reparatur der Kopfstützen sei das Fahrzeug nicht verkehrstauglich gewesen. Für den Geschädigten sei bei Erteilung des Reparaturauftrages nicht vorhersehbar gewesen, dass die Reparatur einen derart langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Auch für die Werkstatt sei dies nicht erkennbar gewesen. Die Verzögerung der Reparatur aufgrund der Ersatzteilbeschaffung falle in den Risikobereich der Beklagten.

Der Kläger geht davon aus, dass ihm insgesamt 97 Tage Nutzungsausfallsentschädigung zustehen. Dieser Zeitraum berechne sich wie folgt:

18.06. bis 26.06.2015 9 Tage (Einholung des Gutachtens) + 27.06. bis 06.07.2015 (10 Tage Überlegungsfrist) + 10.07. bis 25.09.2015 78 Tage (Reparaturzeit).

Der Kläger beantragt: Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger den Betrag von 3.120,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Sie sind der Ansicht, dass dem Kläger bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung zustehe, da es sich bei dem Fahrzeug um ein Sommerfahrzeug handele. Es fehle mithin an der geforderten fühlbaren Beeinträchtigung durch den Entzug des Fahrzeugs. Auch der Höhe nach bestehe der Anspruch nicht im geforderten Umfang. Aus dem vorgelegten Reparaturablaufplan ergebe sich, dass die Ersatzteilbeschaffung lediglich vom 15. bis 21.09.2015 gedauert habe. Eine Reparaturzeit von 78 Tagen könne mithin nicht angesetzt werden. Zudem habe der Kläger bereits mit E-Mail vom 29.06.2015 mitgeteilt, dass er sich zur Reparatur des Fahrzeugs entschieden habe. Die Reparatur sei dann erst am 10.07.2015 in Auftrag gegeben worden. Auch hier müsse ein Abzug erfolgen. Den Kläger treffe überdies ein Ausfallverschulden i.S.d. § 278 BGB, da er sich für die Reparaturwerkstatt … entschieden hat und sein Fahrzeug nicht wie von der Versicherung vorgeschlagen bei der Fa. … hat reparieren lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Zeugen … Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.08.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

I.

1.

Der Kläger hat Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung für die Dauer von 97 Tagen.

Der Anspruch besteht zunächst dem Grunde nach. Der Kläger trägt vor, dass es unzutreffend sei, dass es sich bei dem verunfallten Fahrzeug um einen Sommerwagen, also einen Zweitwagen handele. Für diesen für die Beklagtenseite günstigen Vortrag, wäre diese beweisbelastet. Ein entsprechender Beweis wurde nicht angeboten. Das Gericht geht demnach davon aus, dass der Kläger durch den Entzug des Fahrzeugs eine spürbare Beeinträchtigung erfahren hat.

Der Anspruch auch der geforderten Höhe nach. Der Unfall ereignete sich am 18.06.2015. Bereits am Folgetag hat der Kläger das Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses wurde am 23.06.15 erstellt und ging dem Geschädigten am 26.06.15 zu. Dieser Zeitraum beträgt 9 Tage. Anschließend ist dem geschädigten Kläger eine Prüffrist zu gewähren. Diese begann am 27.06.2015. Aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der Anlage 82 ergibt sich, dass der Kläger sich tatsächlich bereits am 29.06.2015 entschieden hatte, das Fahrzeug Unfall reparieren. Der Kläger erklärte jedoch im Rahmen der Hauptverhandlung, dass er das Fahrzeug bei der Fa. … habe reparieren lassen wollen. Er habe bei der Beklagten zu 3) angefragt, ob dies in Ordnung sei. Aus einer weiteren E-Mail vom 01.07.2015 ist erkennbar, dass er auf diese Anfrage keine Antwort erhalten hat. Er schrieb der Versicherung, dass er für den Fall, dass bis Freitag 03.06.2015 keine Nachricht eingehe, die Reparatur am 06.06.2015 in Auftrag geben werde. Aus den Daten ist ersichtlich, dass nicht der Juni, sondern der Juli gemeint sein muss. Mithin sind dem Kläger weitere 10 Tage Überlegfrist vom 27.06. bis 06.07.2015 anzurechnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger auf seine berechtigte Anfrage an die Beklagte zu 3) keine Antwort erhalten.

Daneben besteht ein Anspruch auf Ersatz weiterer 78 Tage Nutzungsausfallsentschädigung für die Dauer der Reparatur von 10.07. bis 25.09.2015. Dieser Zeitraum war zur Durchführung einer fach- und sachgerechten Reparatur notwendig, da die Lieferzeit für die notwendigen Kopfstützen entsprechend länger dauerte.

Das Gericht hat zu dieser Frage den Zeugen … vernommen. Dieser führte aus, dass man im Laufe der Reparatur, in der 33. Kalenderwoche festgestellt habe, dass die Kopfstützen aufgrund des Unfalls ausgetauscht werden müssen. Dies habe man dem Sachverständigen … am 12.08.2015 mitgeteilt. Dieser sei dann am 13.08.2015 in der Werkstatt erschienen und habe eine 3. Nachbesichtigung durchgeführt. Der Sachverständige habe sich dann selbst noch einmal bei … über die Notwendigkeit der Erneuerung der Kopfstützen erkundigen wollen. In der 34. Kalenderwoche habe der Sachverständige der Werkstatt mitgeteilt, dass die Kopfstützen zu erneuern sind. Der Zeuge … gab an, am 18.08.2015 bei … in Würzburg angerufen und die Kopfstützen bestellt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Information erhalten, dass die Kopfstützen nicht lieferbar seien. Ein Herr … von … habe dann eine Ersatzteilanfrage an das Logistikzentrum an einen Herrn … gerichtet. Dies sei am 19.08.2015 geschehen. Am 21.08.2015 habe er eine Antwort von Herrn … erhalten. Dieser teilte mit, dass als Versendedatum der 22.09.2015 vermerkt sei. Tatsächlich seien die Kopfstützen dann am 21.09.2015 in der Werkstatt eingegangen. Ab da seien noch weitere Reparaturen notwendig gewesen, die bis zum 25.09.2015 gedauert hätten. Es sei jedoch alles repariert worden, was ohne die Lieferung der Kopfstützen zu reparieren war.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Lieferzeit für die Kopfstützen tatsächlich wie vom Zeugen … geschildert dauerte.

Der Zeitraum für die Berechnung des Nutzungsausfalles ist auch nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Vorliegend geht das Gericht nicht davon aus, dass ein Verschulden der Werkstatt hinsichtlich der Ersatzteilbeschaffung gegeben ist. Selbst wenn ein solches Verschulden vorliegen würde, kann dies nicht gemäß § 278 dem Kläger zugerechnet werden. Zwar muss sich der Geschädigte bei der Auftragserteilung sowie über den weiteren Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße, zügige Durchführung der Reparatur von wirtschaftlich vertretbarem, das Interesse des Schädigers an eine Geringhaltung des Schadens mit berücksichtigenden Erwägungen leiten lassen. Es muss aber auch beachtet werden, dass seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat. Es besteht insoweit kein sachlicher Grund, dem Schädiger das Werkstattrisiko abzunehmen, dass er auch bei einer Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB zu tragen hätte. Vorliegend ist auch kein Ausfallverschulden des Klägers hinsichtlich der Wahl der Werkstatt zu erkennen. Der Kläger hat sich – nach eigenem Vortrag zum Geringhalten der Reparaturkosten – zur Reparatur in eine freie Werkstatt begeben. Es war für ihn in keiner Weise ersichtlich, dass die Reparatur dort länger dauern würde, wie vom Gutachter veranschlagt. Im Hinblick auf die glaubwürdigen Aussagen des Zeugen … geht das Gericht davon aus, dass die Reparatur in einer Mercedes Werkstatt aufgrund der langen Lieferzeiten genauso lange gedauert hätte. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, kann die Verzögerung dem Kläger, wie oben dargelegt, nicht angelastet werden. Zum Zeitpunkt der Reparaturerteilung konnte er die Problematik der langen Lieferzeit in keiner Weise erkennen.

Auch der Einwand der Beklagten, dass ein Zeitraum zwischen Entscheidung zur Reparatur und Inauftraggabe der Reparatur abzuziehen sei, kann nicht gefolgt werden. Der Kläger geht in seiner Berechnung selbst davon aus, dass ihm eine Nutzungsausfallsentschädigung im Zeitraum 07.07. bis 09.07.2015 nicht zusteht. Die Reparatur wurde unstreitig am 10.07.2015 in Auftrag gegeben. Wie oben dargelegt, stand dem Kläger eine Überlegfrist bis zum 06.07.2015 mangels Antwort der Beklagten auf seine Anfragen zu.

Mithin ergibt sich insgesamt ein Zeitraum für die Nutzungsausfallsentschädigung von 97 Tagen. Die Beklagte zu 3) hat bereits Entschädigung für 49 Tage gezahlt, mithin hat der Kläger Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung für 48 Tage á 65,00 €‚ mithin auf 3.120,00 €.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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