AG München – Az.: 322 C 18854/11 – Urteil vom 29.02.2012
I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin EUR 679,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.10.2011 zu bezahlen, zuzüglich EUR 120,67 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.10.2011.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 38% und die Beklagten als Gesamtschuldner 62%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Seite darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Streitwert wird auf EUR 1.087,70 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Schadensfolgen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am 08.01.2011 … in München.
Die Haftung der Beklagtenseite dem Grunde nach zu 100% für die unfallbedingten Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall ist unstreitig.
Die Klägerin macht folgende Schäden geltend:
Verschrottungskosten: EUR 100,00
Nutzungsausfall: 14 Tage zu je EUR 65,00: EUR 910,00
Kennzeichenkosten: EUR 30,00
Zulassungs- und Umschreibungskosten: EUR 47,70
Insgesamt: EUR 1.087,70.
Daneben macht die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.
Die Klägerin beantragt: Die Beklagten werden gesamtverbindlich verurteilt, an die Klägerin EUR 1.087,70 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 155,30 an die Klägerin zu zahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, welche nicht Streitwert erhöhend sind.
Die Beklagtenseite beantragt: Klageabweisung.
Die Beklagtenseite hält die Nutzungsentschädigung für nicht erstattungsfähig, u.a. weil ein Ersatzfahrzeug erst 21.06.2011 zugelassen worden sei (Unfall war am 08.01.2011). Zudem sei ein Tagessatz von EUR 65,00 überhöht. Verschrottungskosten könnten nicht verlangt werden, weil das Klägerfahrzeug an die Firma „…“ hätte verkauft werden können, wie es das klägerische Gutachten feststellte.
Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Schadensersatzanspruch in Höhe von noch EUR 679,70.
Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Von Beklagtenseite nicht bestritten wurden die Schadenspositionen:
Kennzeichenkosten: EUR 30,00 und
Zulassungs- und Umschreibungskosten: EUR 47,70
Diese sind erstattungsfähig.
Nutzungsausfall
Bezüglich der Frage, ob bei der Klägerin (für die geltend gemachten 14 Tage) ein Nutzungswille bestand oder nicht, war allein fraglich, ob aus dem langen Zeitraum zwischen Unfall und Ersatzbeschaffung geschlossen werden kann, dass die Klägerin keinen Nutzungswillen hatte.
Diese Frage wird in der Rechtsprechung und der Literatur unterschiedlich beantwortet. Das erkennende Gericht hält beider hier vorliegenden Konstellation (Unfall am 08.01.2011, Vorliegen des Sachverständigengutachtens am 17.01.2011, Kauf und Neulassung des Ersatzfahrzeugs am 20. bzw. 21.06.2011) nach ständiger Rechtsprechung den Zeit-Bereich noch nicht für erreicht, bei dem aus der Zeitdauer auf einen fehlenden Nutzungswillen geschlossen werden kann. So hat auch das AG Dachau (Urteil vom 21.04.2009, 3 C 1055/08) zutreffend festgestellt: „Für die Dauer, die die Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges üblicherweise beansprucht, hat die Klägerin Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, somit für (unstreitige) 14 Tage. Das Ob und Wann der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges sind keine Voraussetzung für den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, insbesondere belegt die Tatsache, dass sich die Klägerin erst ca. 5 Monate nach dem Unfallereignis ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat, nicht den fehlenden Nutzungswillen. Vielmehr spricht die Erfahrung für einen Benutzungswillen des Fahrzeuges, wäre der Unfall nicht eingetreten. Dass sich ein Geschädigter erst etliche Monate nach einem Unfallereignis ein Ersatzfahrzeug anschafft, kann auf vielfältigen Gründen beruhen“.
Das AG Berlin-Mitte hat einen (vermuteten) Nutzungswillen selbst bei einer Ersatzbeschaffung nach 13 Monaten bejaht(Urteil vom 03.05.2006, 110 C 3355/05).
Das LG Braunschweig (Beschluss vom 19. 8. 2005, 8 S 385/04) hat ausgeführt: „Die Tatsache, dass der Kl. zum Zeitpunkt des Unfalles über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits, dass er einen grundsätzlichen Nutzungswillen hatte. […] Aus dem Umstand, dass der Klägerin zum Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug besaß und dass er sich später ein Ersatzfahrzeug anschaffte, kann auf den Nutzungswillen des Klägers auch dann geschlossen werden, wenn das Ersatzfahrzeug erst einige Monate nach dem Unfall angeschafft wurde.“
Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anwendbar. Nachdem die Klägerin zum Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug besaß und sich später auch ein Ersatzfahrzeug anschaffte, ist von einem Nutzungswillen auszugehen. Aus der Zeitdauer zwischen Unfall und Ersatzbeschaffung von weniger als 6 Monaten kann im vorliegenden Fall nicht auf einen fehlenden Nutzungswillen geschlossen werden.
Dass für eine Wiederbeschaffung 14 Tage angemessen waren, ergibt sich aus dem klägerischen Gutachten („ca. 2 Wochen“), das insoweit von Beklagtenseite nicht angegriffen wurde.
Zur Höhe des Tagessatzes: Das Klägerfahrzeug war beim Unfall 12 Jahre alt (Erstzulassung 01.07.1998). Angesichts der Fahrzeugdaten (Marke, Typ, Laufleistung, Zustand etc., vgl. zu allem die Anlage K1) und des Alters ist im vorliegenden Fall eine Nutzungsentschädigung von täglich EUR 43,00 angemessen und ausreichend (Nutzungsausfallgruppe E; § 287 ZPO).
Insgesamt ergibt sich ein Betrag von EUR 602,00.
Verschrottungskosten
Nicht erstattungsfähig sind vorliegend die Verschrottungskosten von EUR 100,00. Im klägerischen Gutachten ist aufgeführt, dass drei örtliche Fahrzeughändler Angebote für das Klägerfahrzeug gemacht hätten. Die Firma … habe einen Betrag von EUR 100,00 geboten. Die Klägerseite hat lediglich pauschal vorgetragen, dass sie sich „bemüht“ habe, einen Abnehmer zu finden, was jedoch nicht wie geplant gelungen sei. Dies genügt dem Gericht im Rahmen des § 287 ZPO nicht als Nachweis der Erforderlichkeit der Verschrottungskosten. Angesichts des klägerischen Gutachtens hält es das Gericht für erwiesen, dass es bei ausreichender Mühe die Möglichkeit gegeben hätte, das Klägerfahrzeug entweder zu einem Restwert zu veräußern oder zumindest kostenfrei an eine Werkstatt oder einen Händler abzugeben. Insbesondere hat die Klägerseite nicht konkret vorgetragen, ob und ggf. warum die vom eigenen Sachverständigen genannten Firmen (v.a. die Firma …) das Fahrzeug letztlich doch nicht abnehmen wollten.
Insgesamt
Damit kann die Klägerin noch ersetzt verlangen:
Nutzungsausfall: EUR 602,00,
Kennzeichenkosten: EUR 30,00
Zulassungs- und Umschreibungskosten: EUR 47,70
Insgesamt: EUR 679,70
Zinsen
Der Klägerseite stehen antragsgemäß Verzugszinsen zu ab Eintritt der Rechtshängigkeit, § 286 Abs. 1 BGB. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 BGB.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerseite geltend machen eine 1,3 Gebühr aus einem Geschäftswert in Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung von EUR 679,70 zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Dies sind hier EUR 120,67.
Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.