Die Haftpflichtversicherung verweigerte die volle Nutzungsausfallentschädigung bei langer Reparaturdauer und kürzte die Zahlung wegen angeblicher Standzeiten. Sie forderte vom Geschädigten einen teuren Reparaturablaufplan, weigert sich aber, die Kosten für diesen selbst verlangten Nachweis zu übernehmen.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Lange Reparaturdauer: Muss die Versicherung für Werkstatt-Verzögerungen und ihre eigenen Forderungen zahlen?
- Was war nach dem Verkehrsunfall genau geschehen?
- Nach welchen Regeln wird der Schaden eines Verkehrsunfalls reguliert?
- Warum gab das Gericht der Autofahrerin in allen Punkten recht?
- Was bedeutet dieses Urteil für Sie als Geschädigten?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer trägt das Risiko, wenn die Reparatur in der Werkstatt länger dauert als im Gutachten angegeben?
- Wann muss die gegnerische Versicherung die Nutzungsausfallentschädigung für alle Standzeiten zahlen?
- Wer muss die Kosten für einen Reparaturablaufplan übernehmen, wenn die Versicherung ihn fordert?
- Was tun, wenn die Versicherung meine Ansprüche mit Verweis auf die Schadensminderungspflicht kürzt?
- Wie dokumentiere ich Reparaturdauer und Forderungen der Versicherung richtig, um Kürzungen zu vermeiden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 23 C 570/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Salzgitter
- Datum: 09.10.2024
- Aktenzeichen: 23 C 570/24
- Verfahren: Schadensersatzklage (Verkehrsunfall)
- Rechtsbereiche: Verkehrsunfallrecht, Schadensersatzrecht
- Das Problem: Nach einem unverschuldeten Unfall weigerte sich die Haftpflichtversicherung, alle Kosten zu erstatten. Sie wollte einen von ihr geforderten Reparaturablaufplan nicht bezahlen. Die Versicherung wollte zudem die Nutzungsausfallentschädigung kürzen, weil die tatsächliche Reparatur zu lange dauerte.
- Die Rechtsfrage: Muss die Versicherung die Kosten für Unterlagen bezahlen, deren Vorlage sie selbst zur Bedingung der weiteren Regulierung gemacht hat? Trägt der Geschädigte das Risiko, wenn die Reparatur in der Werkstatt unverschuldet länger dauert als erwartet?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht sprach der Klägerin die gesamte Forderung zu. Die Versicherung muss die Kosten für Unterlagen ersetzen, die sie selbst verlangt und damit verursacht hat. Sie trägt zudem das Risiko unverschuldeter Verzögerungen, die während der Reparatur durch die Werkstatt entstehen.
- Die Bedeutung: Der Geschädigte muss die volle Nutzungsausfallentschädigung erhalten, auch wenn die Reparaturzeit aufgrund von Werkstatt-Standzeiten verlängert wird. Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, dass Unterlagen unnötig waren, wenn er sie zuvor selbst zur Regulierung angefordert hat.
Lange Reparaturdauer: Muss die Versicherung für Werkstatt-Verzögerungen und ihre eigenen Forderungen zahlen?
Ein unverschuldeter Verkehrsunfall ist ärgerlich genug. Die Abwicklung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung sollte den Schaden eigentlich lindern, nicht vergrößern. Doch was passiert, wenn die Versicherung die Regulierung hinauszögert, spezielle Nachweise fordert und anschließend die Kosten für genau diese Nachweise nicht übernehmen will? Und wer trägt das Risiko, wenn die Reparatur in der Werkstatt deutlich länger dauert als ursprünglich geplant? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Amtsgericht Salzgitter in einem Urteil vom 9. Oktober 2024 (Az. 23 C 570/24) und fällte eine Entscheidung, die die Rechte von Unfallgeschädigten stärkt.
Was war nach dem Verkehrsunfall genau geschehen?

Am 1. März 2024 wurde das Fahrzeug einer Autofahrerin durch einen Unfall beschädigt, für den der Fahrer eines bei der beklagten Versicherung versicherten Wagens die alleinige Schuld trug. Die Haftungsfrage war also klar. Um den Schaden beziffern zu lassen, beauftragte die Frau einen Gutachter, der das Fahrzeug am 4. März untersuchte. Soweit ein alltäglicher Vorgang.
Die Komplikationen begannen, als die Versicherung in einem Schreiben vom 7. Mai 2024 die Vorlage eines detaillierten Reparaturablaufplans zur Bedingung für die weitere Schadensregulierung machte. Die Geschädigte kam dieser Forderung nach und ließ den geforderten Plan erstellen, was Kosten in Höhe von 89,25 € verursachte. Diese reichte sie bei der Versicherung zur Erstattung ein.
Zusätzlich fiel ihr Auto für einen längeren Zeitraum aus. Die eigentliche Reparatur fand vom 23. April bis zum 3. Mai 2024 statt und dauerte elf Arbeitstage. Für diese Zeit sowie für den Tag der Begutachtung am 4. März forderte die Frau eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von insgesamt 456,00 €. Die Versicherung zahlte jedoch nur einen Teilbetrag von 190,00 € und weigerte sich, die restlichen 228,00 € für den Nutzungsausfall sowie die Kosten für den Reparaturablaufplan zu begleichen. Sie argumentierte, der Plan sei unnötig gewesen und die lange Reparaturdauer sei nicht ihr Problem – die Geschädigte habe ihre Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verletzt. Die Autofahrerin zog daraufhin vor Gericht und klagte die ausstehende Summe von 355,25 € ein.
Nach welchen Regeln wird der Schaden eines Verkehrsunfalls reguliert?
Im Zentrum eines jeden Schadensersatzanspruchs nach einem Unfall steht ein einfacher Grundsatz aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der Schädiger, und damit seine Haftpflichtversicherung, muss den Zustand wiederherstellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (§ 249 BGB). Das bedeutet, er muss alle Kosten erstatten, die zur Beseitigung des Schadens notwendig und zweckmäßig sind.
Dabei gilt der Maßstab eines „verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen“. Die Frage ist also: Hätte eine vernünftige Person in der Lage des Geschädigten die betreffenden Maßnahmen ebenfalls für erforderlich gehalten, um den Schaden zu beheben?
Gleichzeitig trifft aber auch den Geschädigten eine Pflicht: die sogenannte Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB). Sie besagt, dass der Geschädigte den Schaden nicht unnötig in die Höhe treiben darf. Wenn er durch eigenes Verschulden zur Vergrößerung des Schadens beiträgt, kann sein Anspruch gekürzt werden. Genau auf diese Pflicht berief sich die Versicherung im vorliegenden Fall.
Warum gab das Gericht der Autofahrerin in allen Punkten recht?
Das Amtsgericht Salzgitter folgte der Argumentation der Autofahrerin vollständig und verurteilte die Versicherung zur Zahlung der gesamten geforderten Summe. Die Richter analysierten die drei strittigen Punkte – die Kosten für den Reparaturablaufplan, den Nutzungsausfall für den Begutachtungstag und die Entschädigung für die lange Reparaturdauer – und kamen zu einem klaren Ergebnis.
Kosten für den Reparaturablaufplan: Wer bestellt, der zahlt
Die Versicherung hielt die Kosten für den Reparaturablaufplan für nicht erstattungsfähig, da ein solcher Plan ihrer Ansicht nach nicht notwendig gewesen sei. Das Gericht entlarvte dieses Argument als widersprüchlich. Entscheidend war das Schreiben der Versicherung vom 7. Mai 2024, in dem sie die Vorlage des Plans ausdrücklich zur Bedingung für die weitere Regulierung gemacht hatte.
Damit hatte die Versicherung die Erstellung des Dokuments selbst veranlasst und dessen Notwendigkeit faktisch hergestellt. Nach dem Grundsatz der Schadensbehebung (§ 249 BGB) sind aber alle Aufwendungen zu erstatten, die zur Rechtsverfolgung und zum Nachweis des Schadens erforderlich sind. Indem die Versicherung den Plan anforderte, machte sie ihn zu einem solchen erforderlichen Nachweis. Ihr späterer Einwand, der Plan sei überflüssig, war somit treuwidrig. Das Gericht betonte zudem, dass die Autofahrerin die Versicherung sogar darauf hingewiesen hatte, dass durch die Anforderung Kosten entstehen würden. Die Versicherung hätte also die Möglichkeit gehabt, von ihrer Forderung Abstand zu nehmen, tat dies aber nicht.
Nutzungsausfall für den Gutachtertermin: Ein Tag ohne Auto zählt
Auch der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Tag, an dem der Gutachter das Fahrzeug inspizierte, wurde von den Richtern bestätigt. Sie folgten der etablierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach die Zeit der Schadensfeststellung Teil des ersatzfähigen Schadens ist. Der unfreiwillige Verzicht auf das eigene Fahrzeug beginnt nicht erst mit der Reparatur, sondern bereits dann, wenn das Auto für notwendige Begutachtungen nicht zur Verfügung steht. Da die Versicherung diesen Punkt im Prozess ohnehin nicht konkret bestritten hatte, galt der Anspruch als unstrittig.
Verzögerung in der Werkstatt: Wer trägt das Risiko für lange Standzeiten?
Der Kern des Streits war die Frage, wer für die lange Reparaturdauer von elf Tagen aufkommen muss, obwohl der Gutachter ursprünglich eine kürzere Zeit prognostiziert hatte. Die Versicherung argumentierte, die Autofahrerin habe ihre Schadensminderungspflicht verletzt, da sie die Reparatur hätte besser planen müssen, um Verzögerungen zu vermeiden.
Dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten und stellte einen fundamentalen Grundsatz klar: Das Risiko unverschuldeter Reparaturverzögerungen trägt der Schädiger, nicht das Opfer.
Die Autofahrerin hatte nachvollziehbar dargelegt, dass die Verzögerung hauptsächlich durch Standzeiten in der Lackiererei entstanden war – ein Faktor, auf den sie keinerlei Einfluss hatte. Eine Werkstatt gilt rechtlich nicht als „Erfüllungsgehilfe“ des Kunden. Das bedeutet, ein eventuelles Verschulden der Werkstatt, etwa durch schlechte Planung oder interne Engpässe, wird nicht automatisch dem geschädigten Fahrzeughalter zugerechnet. Die Versicherung hätte konkret beweisen müssen, dass die Autofahrerin die Verzögerung hätte vorhersehen und durch zumutbare Maßnahmen verhindern können. Eine pauschale Behauptung, die Werkstattabgabe sei schlecht getimt gewesen, reichte dafür nicht aus. Da dieser Beweis nicht erbracht wurde, musste die Versicherung für die gesamte tatsächliche Ausfallzeit aufkommen.
Was bedeutet dieses Urteil für Sie als Geschädigten?
Die Entscheidung des Amtsgerichts Salzgitter ist eine wichtige Klarstellung der Rechte von Unfallopfern gegenüber Versicherungen, die versuchen, ihre Zahlungspflicht durch formale Hürden und pauschale Einwände zu reduzieren. Sie zeigt, dass Gerichte widersprüchliches Verhalten von Versicherern nicht tolerieren und das Risiko von Werkstattverzögerungen klar dem Schädiger zuweisen.
Checkliste: So sichern Sie Ihre Ansprüche nach einem unverschuldeten Unfall
- Lassen Sie sich Forderungen schriftlich geben: Wenn eine Versicherung zur Regulierung zusätzliche Unterlagen wie einen Reparaturablaufplan anfordert, stellen Sie sicher, dass diese Forderung schriftlich vorliegt. Dieses Dokument ist Ihr entscheidender Beweis, falls die Versicherung später die Übernahme der dadurch entstandenen Kosten verweigert.
- Kommunizieren Sie Kosten proaktiv: Wenn eine Forderung der Versicherung absehbar Kosten verursacht, weisen Sie die Versicherung (oder lassen Sie Ihren Anwalt darauf hinweisen) vorab darauf hin. So nehmen Sie der Versicherung die Möglichkeit, sich später auf Unkenntnis zu berufen.
- Dokumentieren Sie die Reparaturdauer: Bitten Sie die Werkstatt um eine Bestätigung über den gesamten Zeitraum, in dem Ihr Fahrzeug nicht nutzbar war – vom Tag der Abgabe bis zur Abholung. Notieren Sie sich auch die Gründe für eventuelle Verzögerungen.
- Verstehen Sie das Werkstattrisiko: Sie sind nicht für interne Abläufe oder Engpässe in der von Ihnen gewählten Werkstatt verantwortlich. Das Risiko, dass eine Reparatur länger dauert als geplant (z. B. durch Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen oder Kapazitätsprobleme), liegt grundsätzlich beim Schädiger und dessen Versicherung.
- Wehren Sie sich gegen pauschale Kürzungsversuche: Akzeptieren Sie keine pauschalen Kürzungen Ihrer Ansprüche mit dem allgemeinen Hinweis auf eine angebliche Verletzung der Schadensminderungspflicht. Die Versicherung steht in der Beweispflicht und muss konkret nachweisen, was genau Sie falsch gemacht haben sollen.
Die Urteilslogik
Ein Gericht stärkt die Rechte von Unfallgeschädigten, indem es klarstellt, dass die Haftpflichtversicherung das Risiko unverschuldeter Reparaturverzögerungen und der eigenen widersprüchlichen Anforderungen tragen muss.
- Widersprüchliches Verlangen schafft Kostentragungspflicht: Fordert der Versicherer zur Bearbeitung des Schadensfalles spezifische Unterlagen oder Pläne an, etabliert er dadurch deren Notwendigkeit und muss die hierdurch entstehenden Aufwendungen in voller Höhe erstatten.
- Der Schädiger trägt das Werkstatt-Verzögerungsrisiko: Das Risiko unverschuldeter Standzeiten in der Werkstatt, verursacht beispielsweise durch Engpässe bei Lackierarbeiten, fällt zulasten des Schädigers und seiner Versicherung.
- Nutzungsausfall beginnt mit der Schadensfeststellung: Geschädigte beanspruchen die Nutzungsausfallentschädigung nicht erst ab dem Beginn der eigentlichen Reparatur, sondern bereits für den Tag, an dem das Fahrzeug für die notwendige Begutachtung ausfällt.
Die vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erfordert, dass die Versicherung den Geschädigten auch von allen Kosten und Verzögerungen freistellt, die durch ihre eigenen Forderungen oder normale Werkstattabläufe entstehen.
Benötigen Sie Hilfe?
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Experten Kommentar
Man verlangt vom Geschädigten einen komplizierten Nachweis und hält ihn dann für überflüssig – das klingt nach einem Versicherertrick, dem das Amtsgericht hier konsequent einen Riegel vorschiebt. Entscheidend ist die Botschaft: Wer als Versicherung Unterlagen zur Bedingung für die Regulierung macht, hat die Notwendigkeit faktisch selbst hergestellt und muss die Aufwendungen bezahlen. Mindestens genauso wichtig ist die Klarstellung, dass die Haftpflichtversicherung das volle Risiko für unverschuldete, unvorhersehbare Standzeiten in der Werkstatt trägt. Die Verantwortung für Verzögerungen bei Lackierern oder Ersatzteilengpässen bleibt damit konsequent beim Schädiger, denn das Unfallopfer ist kein Erfüllungsgehilfe der Werkstatt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer trägt das Risiko, wenn die Reparatur in der Werkstatt länger dauert als im Gutachten angegeben?
Wenn sich die Reparatur unerwartet verzögert, weil Ersatzteile fehlen oder die Lackiererei Engpässe hat, sind Sie als Unfallopfer nicht verantwortlich. Die Regel ist klar: Das Risiko unverschuldeter Reparaturverzögerungen trägt der Schädiger und damit die gegnerische Haftpflichtversicherung. Die Versicherung muss in diesen Fällen die Nutzungsausfallentschädigung für die gesamte Standzeit zahlen, selbst wenn die Dauer die ursprüngliche Gutachterprognose deutlich überschreitet.
Dieser Grundsatz schützt Sie davor, für die internen Logistikprobleme Dritter haftbar gemacht zu werden. Ihre gewählte Werkstatt wird juristisch nicht als Ihr „Erfüllungsgehilfe“ betrachtet. Selbst wenn die Werkstatt interne Fehler begeht oder die Reparatur schlecht plant, werden diese Versäumnisse Ihnen als geschädigtem Fahrzeughalter nicht automatisch zugerechnet. Sie erfüllen Ihre Pflicht zur Schadensbehebung, indem Sie eine geeignete und anerkannte Werkstatt beauftragen.
Die gegnerische Versicherung kann die Zahlung der Nutzungsausfallentschädigung nur kürzen, wenn sie Ihnen eine konkrete Verletzung der Schadensminderungspflicht nachweist. Eine pauschale Behauptung, die Reparatur hätte schneller erfolgen müssen, genügt Gerichten nicht. Die Versicherung muss konkret beweisen, dass Sie die Verzögerung durch zumutbare Maßnahmen hätten verhindern können. Dies scheitert meist, da Sie auf unverschuldet lange Standzeiten in der Lackiererei oder Lieferschwierigkeiten keinen Einfluss haben.
Um Ihren Anspruch abzusichern, lassen Sie sich von der Werkstatt den gesamten Zeitraum der Nicht-Nutzbarkeit und die genauen Ursachen der Verzögerung schriftlich bestätigen.
Wann muss die gegnerische Versicherung die Nutzungsausfallentschädigung für alle Standzeiten zahlen?
Die Nutzungsausfallentschädigung beginnt nicht erst, wenn Ihr Fahrzeug physisch in die Werkstatt eingeliefert wird. Der Anspruch startet bereits mit der notwendigen Schadensfeststellung. Das bedeutet, der Tag der Begutachtung durch einen Sachverständigen muss von der Versicherung bezahlt werden. Das Auto steht Ihnen an diesem Tag unfreiwillig nicht zur Verfügung.
Die Regel basiert auf der etablierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Demnach ist die Zeit, die für die Feststellung und Dokumentation des Schadens benötigt wird, integraler Bestandteil des gesamten ersatzfähigen Schadens. Diese Ausfallzeit ist unumgänglich, um eine ordnungsgemäße Regulierung einzuleiten. Die Versicherung muss die gesamte tatsächliche Ausfallzeit erstatten, die Ihnen durch den unverschuldeten Verkehrsunfall entstanden ist.
Viele Versicherer versuchen, nur die reinen Reparaturtage in der Werkstatt zu berücksichtigen und den notwendigen Gutachtertermin zu ignorieren. Ihr Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung umfasst jedoch die gesamte Dauer der Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit, bis das Fahrzeug vollständig repariert und wieder nutzbar ist. Das schließt den Begutachtungstag ebenso ein wie die Tage der Reparatur und die eventuell notwendigen Standzeiten in der Lackiererei. Der Anspruch endet in der Regel am Tag der Abholung des Fahrzeugs.
Prüfen Sie Ihr Gutachten-Protokoll und rechnen Sie den Begutachtungstag als ersten Nutzungsausfalltag in Ihre Gesamtforderung mit ein.
Wer muss die Kosten für einen Reparaturablaufplan übernehmen, wenn die Versicherung ihn fordert?
Wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung einen detaillierten Reparaturablaufplan anfordert, muss sie die dadurch entstehenden Kosten übernehmen. Die Regel ist klar: Die Versicherung kann die Zahlung nicht nachträglich verweigern, indem sie behauptet, der Plan sei unnötig gewesen. Durch ihre explizite Forderung hat die Versicherung die Notwendigkeit dieses Dokuments selbst geschaffen. Dies sichert Ihren Anspruch auf vollständige Kostenerstattung und schützt Sie davor, auf eigenen Kosten sitzen zu bleiben.
Der Grundsatz des Schadensersatzes nach § 249 BGB verpflichtet den Schädiger zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Dazu gehören alle Aufwendungen, die zur Klärung des Schadens und zur Rechtsverfolgung erforderlich sind. Ein späterer Einwand der Versicherung, der Plan sei überflüssig, ist treuwidrig, sofern sie das Dokument zuvor ausdrücklich zur Bedingung für die weitere Regulierung gemacht hatte. Hätte die Versicherung den Plan nicht benötigt, hätte sie die Möglichkeit gehabt, von ihrer Forderung Abstand zu nehmen.
Ein Gericht bestätigte diesen Standpunkt: Alle Kosten, die durch ein kausal gefordertes Dokument entstehen, fallen unter die erstattungsfähigen Schadenpositionen. Sie können die Erstattung dieser Kosten erfolgreich durchsetzen, weil die Versicherung die Notwendigkeit selbst hergestellt hat. Sorgen Sie deshalb zwingend dafür, dass die Anforderung der zusätzlichen Unterlagen immer schriftlich von der Versicherung vorliegt, bevor Sie den Sachverständigen mit der Erstellung beauftragen.
Nutzen Sie das schriftliche Anforderungsschreiben der Versicherung als entscheidenden Beweis für die Kausalität Ihrer Aufwendungen im Klagefall.
Was tun, wenn die Versicherung meine Ansprüche mit Verweis auf die Schadensminderungspflicht kürzt?
Akzeptieren Sie Kürzungen mit dem Hinweis auf die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) niemals stillschweigend. Die Beweislast liegt vollständig bei der gegnerischen Versicherung. Sie muss konkret und nachweisbar darlegen, wie Sie den Schaden schuldhaft vergrößert haben. Pauschale Kürzungen, etwa wegen langer Reparaturdauer, sind damit unzulässig, denn sie verletzen in der Regel nicht die Schadensminderungspflicht.
Die Pflicht zur Geringhaltung des Schadens ist kein Freibrief für pauschale Ablehnungen. Als Geschädigter müssen Sie lediglich den Maßstab eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen erfüllen. Perfektion in der Schadensabwicklung ist nicht nötig und wird von Ihnen auch nicht erwartet. Wenn die Versicherung Ihnen vorwirft, die Schadensminderungspflicht verletzt zu haben, muss sie diesen Verstoß exakt benennen und beweisen. Eine vage Behauptung reicht vor Gericht nicht aus, um Ihre Entschädigung zu mindern.
Häufig berufen sich Versicherer auf die Schadensminderungspflicht, wenn die Reparatur länger dauerte als ursprünglich geplant. Das Risiko für unverschuldete Werkstattverzögerungen – zum Beispiel wegen fehlender Ersatzteile oder Kapazitätsengpässen – trägt jedoch grundsätzlich der Schädiger. Gerichte weisen dieses Argument regelmäßig zurück, da Fehler der Werkstatt Ihnen nicht als Geschädigtem zugerechnet werden. Sie mussten lediglich eine anerkannte Werkstatt auswählen, nicht deren interne Logistik kontrollieren.
Fordern Sie die Versicherung schriftlich und unter Fristsetzung auf, den konkreten Tatbestand des angeblichen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht detailliert zu belegen.
Wie dokumentiere ich Reparaturdauer und Forderungen der Versicherung richtig, um Kürzungen zu vermeiden?
Die lückenlose Dokumentation ist Ihr bester Schutz gegen Kürzungsversuche durch die gegnerische Versicherung. Um formelle Schlupflöcher zu verhindern, müssen Sie den gesamten Schadensablauf schriftlich festhalten. Mündliche Zusagen oder Absprachen mit der Werkstatt oder dem Versicherungsbearbeiter reichen vor Gericht niemals aus. Sichern Sie alle Korrespondenzen und Nachweise, bevor Sie größere Forderungen begleichen.
Versicherer fordern oft zusätzliche Unterlagen, beispielsweise einen detaillierten Reparaturablaufplan zur Überprüfung. Lassen Sie sich solche Maßnahmen zwingend schriftlich bestätigen, bevor Sie die Kosten in Auftrag geben. Dieses Dokument beweist später, dass die Unterlagen notwendig waren, da die Versicherung sie explizit zur Bedingung machte. Nur so können Sie den späteren Einwand der Unnötigkeit der Kosten erfolgreich abwehren. Wenn eine geforderte Maßnahme Kosten verursacht, weisen Sie die Versicherung außerdem proaktiv darauf hin.
Der Schlüssel zur vollständigen Erstattung der Nutzungsausfallentschädigung liegt in der Dokumentation der gesamten Standzeit. Diese Schadenszeit beginnt nicht erst mit dem ersten Schraubendreher, sondern bereits mit der notwendigen Schadensfeststellung. Die Dokumentation muss daher den Tag der Begutachtung durch den Sachverständigen umfassen. Bitten Sie die Werkstatt abschließend um eine detaillierte Bestätigung des Zeitraums bis zur Abholung, inklusive aller Verzögerungsgründe.
Erstellen Sie sofort nach dem Unfall eine digitale „Unfallakte“ und speichern Sie dort umgehend Gutachten, Rechnungen und jede E-Mail-Korrespondenz mit dem Versicherer.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erfüllungsgehilfe
Ein Erfüllungsgehilfe ist eine Person, die der Schuldner zur Erfüllung einer eigenen vertraglichen Pflicht einsetzt, wobei ihm deren Fehlverhalten direkt zugerechnet wird (§ 278 BGB). Das Gesetz stellt damit sicher, dass der Vertragspartner geschützt wird und man für die Fehler derjenigen haftet, denen man die Durchführung wichtiger Aufgaben anvertraut. Im Kontext des Unfallschadensrechts gilt die vom Geschädigten beauftragte Werkstatt jedoch nicht automatisch als Erfüllungsgehilfe des Kunden.
Beispiel: Das Amtsgericht Salzgitter stellte klar, dass die Verzögerungen, die durch Standzeiten in der Lackiererei entstanden sind, nicht der Autofahrerin zugerechnet werden konnten, da die Werkstatt nicht ihr Erfüllungsgehilfe war.
Nutzungsausfallentschädigung
Die Nutzungsausfallentschädigung ist ein Schadensersatzposten, der Geschädigten zusteht, wenn ihr Fahrzeug unfallbedingt temporär nicht nutzbar ist und sie keinen Ersatzwagen mieten. Dieses Geld entschädigt den Eigentümer für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit des Wagens, da das Gesetz den entzogenen Gebrauchswert als ersatzfähigen Schaden ansieht. Der Anspruch beginnt bereits mit der notwendigen Schadensfeststellung und umfasst die gesamte Ausfallzeit bis zur Reparatur.
Beispiel: Die Versicherung weigerte sich zunächst, die Nutzungsausfallentschädigung für den Tag der Begutachtung zu zahlen, doch das Gericht bestätigte den Anspruch basierend auf etablierter BGH-Rechtsprechung.
§ 249 BGB (Grundsatz der Wiederherstellung)
Dieser Paragraph enthält den fundamentalen Grundsatz im deutschen Schadensersatzrecht, der besagt, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (Naturalrestitution). § 249 BGB gewährleistet, dass das Unfallopfer so gestellt wird, als hätte der Unfall nie stattgefunden, und umfasst alle Kosten, die zur Beseitigung des Schadens notwendig und zweckmäßig sind.
Beispiel: Gemäß dem Grundsatz der Wiederherstellung des § 249 BGB musste die beklagte Haftpflichtversicherung sämtliche Aufwendungen erstatten, die die Geschädigte zur Rechtsverfolgung des unverschuldeten Schadens erbringen musste.
Schadensminderungspflicht
Juristen nennen das die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB), welche besagt, dass der Geschädigte nach einem Unfall den Schaden nicht unnötig vergrößern oder in die Höhe treiben darf. Diese Pflicht soll gewährleisten, dass der Anspruch fair und wirtschaftlich bleibt; eine Verletzung kann zur Kürzung der Entschädigung führen, wobei die Beweislast hierfür beim Schädiger liegt.
Beispiel: Die Versicherung berief sich auf eine angebliche Verletzung der Schadensminderungspflicht wegen der langen Reparaturdauer, konnte den Richtern jedoch nicht konkret beweisen, dass die Autofahrerin die Verzögerung hätte verhindern können.
Treuwidrigkeit
Treuwidrigkeit beschreibt ein widersprüchliches oder unredliches Verhalten einer Partei, das gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt und deshalb rechtlich keine Wirkung entfalten darf. Das Rechtsprinzip der Treuwidrigkeit verhindert, dass jemand zunächst eine Handlung vom Partner verlangt und diese im nächsten Schritt als unnötig abtut, um die dadurch entstandenen Kosten nicht tragen zu müssen.
Beispiel: Da die Versicherung die Vorlage des Reparaturablaufplans ausdrücklich zur Bedingung für die Regulierung gemacht hatte, wertete das Gericht ihren späteren Einwand gegen die Kostenübernahme als treuwidriges Verhalten.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Salzgitter – Az.: 23 C 570/24 – Urteil vom 09.10.2024
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