LG Oldenburg – Az.: 18 S 351/18 – Urteil vom 06.05.2019
In Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Vechta vom 11.10.2018 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.210,- EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 278,63 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Wiedergabe der tatsächlichen erstinstanzlichen Feststellungen sowie der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird entsprechend §§ 540, § 313a ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.
Soweit der Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung begehrt und er sich dabei grundsätzlich auf die notwendige Ausfallzeit beschränken muss, ist davon auszugehen, dass jedenfalls seine Ehefrau das Fahrzeug in der Zeit vom Unfalltag bis zum Ende seiner Krankschreibung 2.10.2017 nutzen konnte (vgl. zur Nutzung durch Familienmitglieder BGH, NJW 1975, 255); dem entsprechenden Hinweis der Kammer vom 10.01.2019 (Bl. 32 d.A.) ist die Beklagte ebenso wenig entgegengetreten wie der darin geäußerten Annahme der Kammer, dass der Kläger auch die ihm obliegende Schadensminderungspflicht durch Beauftragung des Gutachters am 26.09.2017 nicht verletzt hat. Dabei ist entsprechend § 254 BGB ein allgemeiner Verschuldensmaßstab anzulegen, der vorliegend maßgeblich die Frage aufwirft, ob dem Kläger anzulasten ist, dass er – nach dem Unfall und darauffolgenden Wochenende – nicht sofort am Montag, sondern erst am Dienstag den Gutachter beauftragt hat. Letzteres erscheint mangels hinreichender anderweitiger Umstände aber noch vertretbar, zumal sich dadurch die Erstellung des Gutachtens nicht nennenswert verzögert haben dürfte.
Die dem Kläger für einen Nutzungsausfall grundsätzlich zuzugestehende Zeit der Schadensermittlung reichte sodann bis zum Vorliegen des Gutachtens am 04.10.2017, der Beklagten am darauffolgenden Tag übersandt. Verzögert indes der Haftpflichtversicherer die Regulierung – in der Regel, weil er die eigene Einstandspflicht anzweifelt -, obwohl der Geschädigte ihm zeitnah angezeigt hat, dass er finanziell zur Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht in der Lage ist, kann der Geschädigte nach allgemeiner Ansicht auch für längere Zeiträume Nutzungsentschädigung verlangen (vgl. etwa BGH NJW 2005, 1044). Das ist vorliegend auch nach weiterem Vorbringen des Beklagten zu bejahen und insbesondere das Schreiben des Klägers vom 05.10.2017 als hinreichend konkrete Warnung der Beklagten vor dem Entstehen weiterer Kosten bei verzögerter Regulierung infolge eigener unzureichender finanzieller Mittel anzusehen. Dabei ist im Kern entscheidend, dass der Haftpflichtversicherer erkennen kann, dass eine Schadenserweiterung zumindest droht, der er durch frühzeitige Regulierung begegnen kann (vgl. auch BGH, NJW 2005, 1044). Selbst wenn das klägerische Schreiben „weich“ formuliert gewesen sein mag („unter Umständen“), war ihm doch unmissverständlich zu entnehmen, dass eine Ersatzbeschaffung mit eigenen Mitteln des Klägers jedenfalls fraglich sein würde, so dass gegebenenfalls die Beklagte klarstellend hätte nachfragen, vorsorglich eine Vorschusszahlung leisten oder eine Erklärung abgeben können, auf Grund der die Werkstatt beziehungsweise der Verkäufer eines Ersatzfahrzeugs Gewähr für die Erfüllung der anfallenden Kosten erhält (so auch LG Meiningen, Urteil vom 24. August 2017, 125, Az. 4 S 171/16, in juris). Dabei musste der Kläger von sich aus auch keine weiteren Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen machen; weitere Angaben können nur prozessual in Ansehung sekundärer Darlegungslast verlangt werden (vgl. BGH, NJW 2013, 1870), allerdings hat hier die Beklagte vorprozessual nicht ansatzweise nachgefragt.
Eine Kostenpauschale von 25,- EUR hält die Kammer dagegen mit der inzwischen ständigen Rechtsprechung vor dem Hintergrund gesunkener Telekommunikationskosten für angemessen (vgl. etwa auch OLG Bremen, Urteil vom 26.09.2018, 1 U 14/18, in juris), ebenso wie die in Rede stehende An- und Abmeldepauschale von 60,- EUR (vgl. dazu etwa LG Stuttgart, Urteil vom 20.04.2018, 19 O 99/16 ; LG Bonn, Urteil vom 13.12.2016, 8 S 106/16, jeweils in juris).
Dem KIäger stehen schließlich die geltend gemachten restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten lediglich in tenorierter Höhe zu. Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Die mit der Klage im Einzelnen aufgeschlüsselten unstreitigen Schadensersatzansprüche belaufen sich auf 12.980,56 EUR zuzüglich begründeter Forderungen in Gestalt einer Nutzungsentschädigung über 3.185,- EUR, einer Kostenpauschale von 25,- EUR sowie einer Pauschale für Ab- und Ummeldung von 60,- EUR. Demnach sind die vorgerichtlichen Gebühren auf der Grundlage einer Forderung über 16.250.56 EUR zu bemessen, so dass sich entsprechend §§ 13, 14 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VV RVG ein Forderungsbetrag von 1.348,98 EUR ergibt, auf den die Beklagten bereits 978,19 EUR + 83,16 EUR gezahlt hat. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dem Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten sei der volle Wiederbeschaffungswert zugrunde zu legen, vermag die Kammer dem im Anschluss an die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung nicht zu folgen, da diese Ansicht dem allgemeinen, in § 249 BGB zum Ausdruck kommenden Kompensationsgedanken widerspricht (vgl. dazu im Einzelnen BGH NJW 2017, 3588 mwN). Da es sich, nachdem die Beklagte eine entsprechende Zahlung unmissverständlich abgelehnt hat, insoweit um einen Schadensersatzanspruch im Sinne von 250 Satz 2 BGB handelt, kann indes dahinstehen, ob der Kläger die Kostenrechnung bereits beglichen hat (BGH NJW-RR 2011, 910). Nachdem sich aus der Teilzahlung der Beklagten unmissverständlich ergibt, dass sie für die weitergehenden Rechtsverfolgungskosten des Klägers nicht einstehen will, wobei sich die Gebührenhöhe zwingend aus den Vorschriften des RVG ergibt und der zu erwartende Schaden des Klägers danach bereits betragsmäßig feststeht, wäre es prozessökonomisch verfehlt, ihn zunächst auf einen Freistellungsanspruch zu verweisen, aus dem eine Vollstreckung nicht möglich ist (so auch etwa AG München, Urteil vom 03. April 2009, Az. 343 C 15534/08, in juris).
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1 ZPO; §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die in § 543 Abs. 2 ZPO normierten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.