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Mithaftung eines abbremsenden vorausfahrenden Fahrzeugführers bei Auffahrunfall

AG Aschaffenburg – Az.: 124 C 1802/11 – Urteil vom 01.02.2012

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Mithaftung eines abbremsenden vorausfahrenden Fahrzeugführers bei Auffahrunfall
Symbolfoto: Von tommaso79/Shutterstock.com

Die Klägerin nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 06.06.2011 auf der K.-Straße zwischen Johannesberg und Aschaffenburg in Anspruch. Die Beklagte zu 1) war zu diesem Zeitpunkt Fahrerin und Halterin des Pkw Opel, amtl. Kennzeichen …, die Beklagte zu 2) die entsprechende Haftpflichtversicherung. Fahrer des klägerischen Pkws Daimler Chrysler, amtliches Kennzeichen …, mit Anhänger, Kennzeichen …, war zum Unfallzeitpunkt der Zeuge … die Klägerin war Halterin des Pkw. Der klägerische Pkw fuhr zum Unfallzeitpunkt hinter dem Beklagten-PKW. Als die Beklagte zu 1) auf der stark abschüssigen K.-Straße den Gang wechselte und hierbei auf die Bremse geriet, fuhr der Zeuge … mit dem klägerischen Pkw dem Beklagtenfahrzeug heckseitig auf. Am Pkw der Klägerin entstand hierdurch ein Gesamtschaden in Höhe von 8.290,04 €, auf welchen die Beklagte zu 2) unter Anerkennung einer Betriebsgefahr von 25 % für das Beklagtenfahrzeug einen Betrag i. H. v. 2.072,51 € zahlte. Mit ihrer Klage macht die Klägerin eine Zahlung von weiteren 2.072,51 € geltend.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1) habe ihr Fahrzeug plötzlich stark und ohne Ankündigung abgebremst und es hätten hierbei keine Bremslichter aufgeleuchtet. Der Zeuge … habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h sowie einen ausreichenden Abstand zum Beklagtenfahrzeug eingehalten.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß bei einer solch unvorhergesehenen Vollbremsung kein Anscheinsbeweis für ein überwiegendes Verschulden des Auffahrenden bestehen würde, insbesondere dann nicht, wenn die Bremslichter defekt seien. Daher treffe die Beklagten ein hälftiges Mitverschulden, so daß ein Anspruch auf Zahlung weiterer 2.072,51 € bestünde.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.072,51 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, daß es sich bei dem Bremsvorgang der Beklagten zu 1) um keine Vollbremsung gehandelt habe. Die Bremslichter am Beklagten-PKW seien nicht defekt gewesen. Der Auffahrunfall sei auf eine überhöhte Geschwindigkeit und einen zu geringen Abstand des klägerischen Pkws zurückzuführen.

Die Beklagten sind der Ansicht, daß der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden spreche und das Verschulden des Zeuge … erheblich schwerer wiege als das Missgeschick der Beklagten zu 1), so daß die 25 %ige Regulierung durch die Beklagte zu 2) ausreichend sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen … und POMin … . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von weiterem Schadensersatz gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG zu.

Zwar wurde bei dem Unfall das klägerische Fahrzeug durch das Beklagtenfahrzeug beschädigt, allerdings trifft die Beklagte zu 1) kein hälftiges Mitverschulden an dem Unfall.

Für keinen der beiden Unfallbeteiligten stellt der Unfall ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dar, da weder der Zeuge … noch die Beklagte zu 1) für sich in Anspruch nehmen können, daß der Unfall bei Einhaltung der äußerst möglichen Sorgfalt unter Zugrundelegung des Verhaltens eines Idealfahrers nicht zu vermeiden gewesen wäre. Denn dazu würde auch gehören, dass alle möglichen Gefahrmomente unter Einschluß eines etwaigen Fehlverhaltens des anderen Teils berücksichtigt worden wären. Diese Voraussetzungen, für die derjenige die Beweislast trägt, der sich darauf beruft, liegen hier auf Klägerseite nicht vor. Folglich ist gemäß §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahren geboten; im Rahmen dieser Abwägung sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene unfallursächliche Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises anzuwenden sind (allgemeine Meinung, etwa BGH NJW 2005, 1940 ff; BGH NJW 1996, 1405 ff; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 17 StVG, RdNr. 31).

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, daß beide Seiten ein Mitverschulden an dem Unfall trifft, wobei das Verschulden des Zeugen … deutlich überwiegt. Beim Auffahren spricht grundsätzlich der Anschein gegen den auffahrenden Hintermann, nämlich dafür, daß dieser entweder unaufmerksam war oder den gebotenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Dies gilt auch dann, wenn der Vorausfahrende hat bremsen müssen. Widerlegt werden kann der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis, erschüttert durch die Möglichkeit eines atypischen Verlaufs, was vom Auffahrenden darzulegen und zu beweisen ist.

Diesen Gegenbeweis konnte die Klägerin vorliegend nicht führen. Die in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2012 informatorisch angehörte Beklagte zu 1) hat erklärt, sie habe auf der abschüssigen Straße in den 3. Gang runtergeschaltet, sei hierbei von der Kupplung abgerutscht und auf die Bremse geraten. Wie stark die Bremsung gewesen sei, könne sie sich nicht mehr erinnern, eine Vollbremsung sei es jedoch nicht gewesen. Sie sei noch gefahren, als der Zeuge … ihr aufgefahren sei. Ihre Bremslichter seien nicht defekt gewesen. Die in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2012 vernommene Zeugin POMin … hat bekundet, sie hätte Herrn … vor Ort mündlich verwarnt, da er Frau … aufgefahren sei. Über die gefahrenen Geschwindigkeiten könne sie keine Angaben machen, sie habe sich jedoch vor Ort mit ihrem Kollegen zusammen Gedanken gemacht, daß die Schäden doch relativ hoch gewesen seien für eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Der in der mündlichen Verhandlung ebenfalls vernommene Zeuge … hat angegeben, zum Beklagtenfahrzeug einen Abstand von 150 – 200 m eingehalten zu haben. Dann habe er bemerkt, daß das Fahrzeug vor ihm langsamer geworden sei, ohne daß Bremslichter aufgeleuchtet hätten. Er habe dann auch gebremst, zunächst leicht, dann immer stärker. Dann habe er voll reingetreten und dann sei es auch schon zu spät gewesen. Er sei vor dem Unfall maximal 60 km/h schnell gefahren. Ob das Beklagtenfahrzeug eine Vollbremsung gemacht habe oder nicht, könne er nicht sagen.

Die Angaben des Zeugen … sind nicht geeignet, den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis zu widerlegen. Zwar trifft die Beklagte zu 1) ein Mitverschulden an dem Unfall, da sie aufgrund eines Fahrfehlers ihr Fahrzeug ohne Grund abgebremst hat. Einen höheren Verschuldensanteil als die von der Beklagten zu 2) regulierten 25 % konnte die Klägerin jedoch nicht nachweisen, da das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme weder davon überzeugt ist, daß die Bremslichter am Beklagtenfahrzeug defekt waren noch daß der Zeuge … die zulässige Höchstgeschwindigkeit und den gebotenen Abstand eingehalten hat. So wie der Zeuge … den Unfallverlauf geschildert hat, ist vielmehr davon auszugehen, daß er den Unfall bei ausreichendem Abstand und Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h vermieden hätte.

Nach alledem hält das Gericht eine Haftungsverteilung von 3/4 zu 1/4 zu Lasten der Klägerin für angemessen. Da die Beklagte zu 2) bereits den Schaden der Klägerin zu 25 % reguliert hat, war die Klage abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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