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Kostenvoranschlagkosten – UPE-Aufschläge – Verbringungskosten

AG Kirchhain – Az.: 7 C 2/18 (1) – Urteil vom 26.04.2018

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 414,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 17 % und die Beklagte 83 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Von der Abfassung eines Tatbestandes hat das Gericht in Ausübung seines Ermessens nach § 313a Abs. 1 S.1 ZPO abgesehen. Die Zustimmung der Parteien ist hierfür, anders als hinsichtlich der Entscheidungsgründe, nicht erforderlich. Die Erklärung der Beklagten, auf Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht verzichten zu wollen, hat das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung entsprechend berücksichtigt, ohne dass demnach die Abfassung eines Tatbestandes geboten wäre.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von restlichen 414,45 € gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

Über den Eintritt eines Schadens i.S.d. haftungsausfüllenden Kausalität sowie dessen Höhe entscheidet das Gericht gem. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Daraus folgt, dass entgegen den strengen Anforderungen an das Regelbeweismaß des § 286 in § 287 eine Beweismaßreduzierung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist (MüKo-ZPO/Prütting, 5. Aufl. 2016, § 287 Rn. 17).

Bei Berücksichtigung dieser Umstände waren die von der Klägerin behaupteten Netto-Reparaturkosten in Höhe von 982,60 € als erforderliche Reparaturkosten zur Schadensberechnung heranzuziehen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Geschädigte in der Regel einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, ob eine tatsächliche Reparatur stattfindet oder nicht. Aus § 254 Abs. 2 BGB folgt, dass der Schädiger darzulegen und sodann ggf. zu beweisen hat, dass eine Reparatur in einer von ihm benannten Referenzwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.

Diese Darlegung haben die Beklagten – trotz entsprechenden Hinweises des Klägers – nicht geleistet. Die bloße Vorlage des Prüfberichts genügt nicht. Bei dem Prüfbericht handelt es sich um ganz überwiegend allgemeine, floskelhafte Ausführungen, die bis auf die Ausführungen zum Stoßfänger-Träger keinen konkreten Bezug zu dem bei dem Kläger eingetretenen Schaden erkennen lassen. Es ist bspw. nicht ersichtlich, welche Erfahrung die von den Beklagten genannten Referenzwerkstatt mit der Reparatur von Fahrzeugen der Marke VW – die Marke des klägerischen Fahrzeugs – hat, d. h. wie viele Fahrzeuge dieser Marke in welchem Zeitraum dort bereits repariert wurden. Offen ist des Weiteren, wie hoch der Ausbildungsstand des Personals ist. Angaben zur tatsächlichen Reparaturqualität fehlen ebenfalls, bspw. zur Mängelquote zur Zahl der Reklamationen im Vergleich zu Markenwerkstätten. Darüber hinaus ist aufgrund des Prüfberichts nicht ersichtlich, dass tatsächlich die gesamte Reparatur im Ergebnis bei den benannten Reparaturwerkstätten billiger wäre. Zwar ist durchaus denkbar, dass eine freie Werkstatt dem Grunde nach in gleicher Zeit eine Reparatur durchführen kann. Erfolgt jedoch eine entsprechende Prüfung augenscheinlich unter Heranziehung der von der Beklagten im Rahmen fiktiver Abrechnung für erstattungsfähig erachteten Maximen („Die vorliegende Kalkulation zur fiktiven Abrechnung wurde im Auftrag und nach Vorgaben der H Versicherung geprüft“, Bl. 23 d. A.), so wie hier beispielsweise unter grundsätzlicher Außerachtlassung von Verbringungskosten, genügt dies nicht. Im Ergebnis ergeben sich aus einem so erstellten Prüfbericht erhebliche Zweifel, dass eine Reparatur in den benannten Werkstätten tatsächlich zu dem von der Beklagten aufgerufenen Betrag durchgeführt werden kann.

Soweit aufgrund einer „technischen Prüfung“ des Kostenvoranschlags der Ersatz des Stoßfängers in Höhe von 94,90 € und von Kleinersatzteilen in Höhe von 1,90 € in dem Prüfbericht als nicht erforderlich angesehen wurden, so hält das Gericht die Erforderlichkeit aufgrund des beklagtenseits vorgelegten Kostenvoranschlags dennoch für überwiegend wahrscheinlich (§ 287 ZPO). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei einem Schaden im Bereich des Stoßfängers eine Beschädigung am Stoßfängerträger auch grundsätzlich nicht fernliegend ist. Wenn das Prüfgutachten dies aufgrund von Lichtbildern „nicht nachvollziehen“ zu vermag, so ist dies nicht ausreichend, den aufgrund einer Untersuchung des Fahrzeugs erstellten Kostenvoranschlag insoweit zu erschüttern. Eine substantiierte Begründung, wie und warum dies welchen Lichtbildern entnommen wurde, fehlt zudem gänzlich. Von der in das gerichtliche Ermessen gestellten Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 287 Abs. 1 S. 2 ZPO) sieht das Gericht insbesondere mit Blick auf Wirtschaftlichkeitserwägungen (§ 287 Abs. 2 ZPO) ab.

Soweit die Beklagte sich pauschal gegen die Ersatzfähigkeit (fiktiver) Verbringungskosten wendet, vermag sie damit nicht durchzudringen.

Die Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten ist streitig. Höchstrichterlich ist die Frage bislang nicht entschieden.

In der Rechtsprechung herrscht die Auffassung vor, dass UPE-Aufschläge und Verbringungskosten ersatzfähig sind, wenn und soweit sie regional üblich sind (so OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 12379 Rdnrn. 59 ff. m. w. Nachw. z. Meinungsstand; dem folgend LG Dortmund, BeckRS 2009, 16493; LG Bochum, BeckRS 2008, 01747 = DS 2008, 357; LG Köln, BeckRS 2007, 05334; LG Aachen, 6 S 20.0704; LG Hanau, NJOZ 2011, 935). Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an.

Der Sachverständige bzw. die Werkstatt muss eine Prognose über die voraussichtlich anfallenden Kosten abgeben; das Gutachten bzw. der Kostenvoranschlag ist in Bezug auf die UPE-Aufschläge und Verbringungskosten nicht anders zu beurteilen als bezüglich sonstiger Schadensposten (vgl. LG Bochum, DS 2008, 357; ähnlich LG Wuppertal, BeckRS 2008, 07487). Der Versicherer hat in diesem Fall qualifiziert zu bestreiten, indem er konkret nachweist, dass in der Region für die betreffende Marke jeweils keine Aufschläge erhoben werden; eine andere Betrachtung führt dazu, dass der Geschädigte letztlich doch konkret statt fiktiv abrechnen muss (LG Hanau, NJOZ 2011, 935). Fallen Verbringungskosten bei tatsächlicher Reparatur an, so zählen sie zu den zur Herstellung erforderlichen Kosten und sind mit Blick auf die Dispositionsfreiheit des Geschädigten auch bei fiktiver Abrechnung ersatzfähig. Solchen konkreten Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten. Darüber hinaus ist dem Gericht aus einer Vielzahl anderer gleichgelagerter Verfahren bekannt, das entsprechende Kosten in der hiesigen Region üblicherweise anfallen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte hier vorbringt, das Fahrzeug sei noch fahrbereit gewesen. Dies ändert nichts daran, dass die Werkstatt, die regelmäßige die vollständige Reparatur verspricht, in diesem Zuge das Fahrzeug – falls sie über keine eigene Lackiererei verfügt – das Fahrzeug durch eigenen Zeitaufwand und/oder Transport verbringen lässt oder holen lassen muss.

Auch die Kosten für den Kostenvoranschlag des Autohauses stellen einen unfallbedingt ersatzfähigen Schaden dar. Es handelt sich um einen zur Feststellung der Schadenshöhe erforderlichen Aufwand. Zwar ist die Ersatzfähigkeit der Kosten für einen Kostenvoranschlag mit Blick auf § 632 Abs. 3 BGB umstritten. Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls ist es jedoch grundsätzlich erlaubt, seinen Schaden auf fiktiver Basis abzurechnen. Bereits aus diesem Grund sind die für einen Kostenvoranschlag aufgewendeten Kosten erstattungsfähig. Würde man in Bezug auf den Geschädigten die Erstattung des Kostenvoranschlages ablehnen, so würde dies dazu führen, dass der Geschädigte bei einem Schaden unterhalb der Bagatellgrenze entweder nicht auf fiktiver Basis abrechnen könnte oder bei Abrechnung auf fiktiver Basis einen Teil seines Schadens, nämlich die für den Kostenvoranschlag verauslagten Kosten, nicht ersetzt bekäme. Das würde auch dem Telos des § 249 BGB zuwiderlaufen, wonach bei dem Geschädigten aus dem schädigenden Ereignis kein wirtschaftlicher Nachteil verbleiben soll. Zudem führt vorliegend die fiktive Abrechnung nicht zu Mehrkosten für die Beklagte, da der Kl. seinen Pkw nicht in der den Kostenvoranschlag erstellenden Werkstatt hat reparieren lassen, mithin eine Anrechnung auf die Reparaturkosten nicht erfolgt ist. Des Weiteren wäre hier der Kl. berechtigt gewesen, auf Grund der Überschreitung der Bagatellgrenze in Höhe von 700,00 € zur Feststellung der Schäden ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die (anteiligen) Kosten des Sachverständigen wären in jedem Fall von dem Bekl. zu erstatten gewesen (vgl. BGH, NJW 2005, 356). Der Kläger hat sich jedoch für ein kostengünstigeres Minus gegenüber der Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden und kann die daraus resultierenden Kosten daher ersetzt verlangen. Dem kann auch nicht die grundsätzliche Kostenfreiheit des § 632 Abs. 3 BGB entgegengehalten werden. Die dort getroffene Zweifelsregelung dürfte für den Bereich der Sachverständigengutachten ersetzenden Kostenvoranschläge widerlegt sein. Mit Blick auf deren Bedeutung und dem Umstand, dass diese nicht unbedingt auf eine konkrete Auftragsvergabe ausgerichtet sind, kann der Geschädigte gerade nicht regelmäßig deren Kostenfreiheit erwarten.

Auch gegen die Höhe bestehen insoweit keine Bedenken. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt dies auch nicht aus dem Fehlen einer weiteren Aufschlüsselung. Kosten von 116,93 € brutto erscheinen nicht überhöht, zumal die Beklagte auch nicht dargelegt hat, welche Kosten nach ihrem Dafürhalten angemessen wären. Die Kosten bewegen sich weit unterhalb dessen, was ein Sachverständiger verlangt hätte. Zwar kommt dem Kostenvoranschlag auch nicht eine entsprechende Gewähr zugute, dennoch setzt er eine Prüfung des Schadens und damit tatsächliche Arbeitszeit voraus.

Zum unfallbedingt ersatzfähigen Schaden zählen auch 25,- € Unfallpauschale (§ 287 ZPO).

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 288, 286 BGB.

Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten besteht hingegen nicht. Die Beklagte hat mit Blick auf eine möglicherweise bestehende Rechtsschutzversicherung (§ 86 VVG) die Aktivlegitimation bestritten. Es handelt sich dabei auch nicht um ein bloßes Bestreiten ins Blaue hinein, da einerseits eine Einzahlung der Gerichtsgebühren über den klägerischen Bevollmächtigten erfolgte und andererseits die Erfahrung bestätigt, das Verkehrsunfallprozesse überaus häufig mit Rechtsschutzversicherungen geführt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung auch der nicht streitwerterhöhenden Nebenforderungen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

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