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Kollision während eines beiderseitigen Rückwärtsfahrvorgangs

AG Recklinghausen – Az.: 51 C 517/13 – Beschluss vom 06.03.2014

Die Prozesskostenhilfeanträge beider Antragsteller werden zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:

Schmerzensgeldantrag Antragstellerin zu 1)

€     750,— weiterer Zahlungsantrag Antragstellerin zu 1)

€     87,60 gesamt Antragstellerin zu 1)

€     837,60 Schmerzensgeldantrag Antragsteller zu 2)

€     750,— weiterer Zahlungsantrag Antragsteller zu 2)

€     1.093,97 Feststellungsantrag Antragsteller zu 2)

€     250,— gesamt Antragsteller zu 2)

€     2.093,97 gesamt beide Antragsteller

€     2.931,57

Gründe

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragsteller bietet insgesamt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg:

I.

Kollision während eines beiderseitigen Rückwärtsfahrvorgangs
Symbolfoto: Von Bilanol /Shutterstock.com

Der Antragsteller zu 2) kann bereits dem Grunde nach nicht mehr als 50 % des Ihm bei dem Unfall entstandenen Schadens ersetzt verlangen. Schon nach seinem eigenen Vortrag unterlagen beide Unfallbeteiligte der gesteigerten Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren, die im Rahmen des § 1 StVO auch auf Parkplätzen gilt. „Rückwärtsfahren“ im Sinne dieser Vorschrift bedeutet nämlich nicht, dass ein Fahrzeug auch unmittelbar im Kollisionszeitpunkt noch in Bewegung gewesen sein muss, sondern der besonderen Sorgfaltspflicht des Rückwärtsfahrenden unterliegt jeder, der einmal einen Rückwärtsfahrvorgang eingeleitet hat, bis zu dem Zeitpunkt, in dem er wieder ununterscheidbar in den Vorwärtsverkehr eingegliedert ist. Das aber war der Antragsteller zu 2) unstreitig nicht.

Eine abweichende Haftungsverteilung ergibt sich nur dann, wenn feststeht, dass eines der Fahrzeuge schon so lange an Ort und Stelle gestanden hat, dass es für den anderen Unfallbeteiligten schon beim Anfahren als stehendes Fahrzeug wahrnehmbar war, wenn also mit anderen Worten ausgeschlossen werden kann, dass beide Fahrzeuge sich zu irgendeinem Zeitpunkt einmal rückwärts aufeinander zubewegt haben. Einen solchen Sachverhalt trägt der Antragsteller zu 2) selbst nicht vor, und er würde sich jedenfalls nicht beweisen lassen. Die streitigen Angaben der Unfallbeteiligten stehen sich mit jeweils gleicher Plausibilität gegenüber. Die Antragstellerin zu 1) soll lediglich bestätigen können, dass der Antragsteller zu 2) im Kollisionszeitpunkt selbst gestanden hat, was aber aus den o.g. Gründen allein nicht für eine abweichende Haftungsverteilung ausreichen würde. Unbeteiligte Zeugen stehen nicht zur Verfügung. Und für eine Rekonstruktion der entscheidenden Details durch Sachverständigengutachten fehlt es an objektiven Anknüpfungstatsachen. Denn durch eine naturwissenschaftlich-technische Analyse könnte bestenfalls festgestellt werden, ob im Kollisionszeitpunkt eines der Fahrzeuge gestanden hat, aber natürlich nicht, wie lange. Die verkehrsrichterliche Erfahrung zeigt zudem, dass bei Parkplatzunfällen mit bagatellartigen Schäden und minimalen Geschwindigkeiten in aller Regel nicht einmal festgestellt werden kann, ob eines der Fahrzeuge gestanden hat oder nicht.

Es ist schwierig nachzuvollziehen, wie sich der vom Antragsteller zu 2) geltend gemachte Schadensersatzbetrag eigentlich genau errechnen soll. Der von der Antragsgegnerin zu 3) gezahlte Betrag deckt jedenfalls 50 % der Nettoreparaturkosten (unter Berücksichtigung des von der Antragsgegnerin zu 3) vorgenommenen und vom Antragsteller zu 2) nicht angegriffenen Werkstattverweises), der Sachverständigenkosten und einer Unfallkostenpauschale in angemessener Höhe von € 25,- ab sowie eine 1,3-Anwaltsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mwst. zu einem entsprechenden Streitwert. Eine noch offene Forderung des Antragstellers im Zusammenhang mit dem Fahrzeugschaden ergibt sich daher nicht.

II.

Was etwaige Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Antragsteller im Zusammenhang mit behaupteten Verletzungen angeht, ist vorwegzuschicken, dass auch diese nach dem Vorgesagten allenfalls unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 50 % bestehen könnten; auch die Antragstellerin zu 1) müsste sich insoweit als Beifahrerin die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Antragstellers zu 2) entgegenhalten lassen.

Darüber hinaus besteht aber keine Aussicht, dass die Antragsteller ohne vernünftigen Zweifel den Beweis führen könnten, dass sie bei dem Unfall überhaupt verletzt worden sind. Ihr Vortrag ist bereits aus sich selbst heraus und nach den Schadensbildern an den Fahrzeugen wenig plausibel: Es ist offensichtlich, dass die Kollision sich nur mit äußerst geringer Geschwindigkeit ereignet haben kann, so wie sie ja auf Parkplätzen gemeinhin, zumal rückwärts, auch gefahren wird. Die Anstoßspuren am Antragstellerfahrzeug sind offensichtlich bagatellartig (womit nicht gemeint ist, dass die Reparaturkosten nicht durchaus erheblich sein können, sondern lediglich, dass sie nicht durch einen nennenswerten Anstoß hervorgerufen worden sein können).

Es gibt zwar keine „Bagatellgrenze“, unterhalb derer Verletzungen schlechthin ausgeschlossen werden können. Gleichwohl ist es aber natürlich so, dass der Eintritt von Verletzungen umso unwahrscheinlicher ist, je geringer die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsveränderung (sprich: die Aufprallenergie) war. Unterhalb einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung von 10 km/h werden Verletzungen nur höchst ausnahmsweise eintreten und allenfalls dann, wenn einer der Unfallbeteiligten körperlich vorgeschädigt oder sonstwie besonders empfindlich ist. Dies behaupten die Antragsteller selbst nicht von sich. Es ist nach langjähriger verkehrsrichterlicher Erfahrung aus den Schadensbildern offensichtlich, dass die unfallbedingte Geschwindigkeitsveränderung hier weit unterhalb von 10 km/h gelegen hat.

Ein von vernünftigen Zweifeln freier Beweis unfallbedingter Verletzungen könnte auch mit der Einholung eines interdisziplinären (unfallanalytischen und fachorthopädischen) Sachverständigengutachtens nicht gelingen. Erstens erlaubt sich der erkennende Richter den Hinweis, dass er – wie bereits angedeutet – langjährig mit Verkehrsunfallsachen vertraut ist und zahlreiche solcher Gutachten in Auftrag gegeben und gesichtet hat. Die Sachverständigen sind dabei ausnahmslos auch bei Schadensbildern, die deutlich schwerwiegender als das hiesige waren, zu dem Ergebnis gekommen, dass unfallbedingte Verletzungen entweder nicht festgestellt oder aber sogar mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnten.

Es kommt hier aber noch ein Weiteres hinzu: Selbst wenn man die Möglichkeit unterstellt, dass es im Ausnahmefall dazu kommen kann, dass bei einem Bagatellunfall einmal jemand an der (Hals-) Wirbelsäule verletzt wird, wäre es aber völlig ungewöhnlich und durch Zufall nicht mehr plausibel zu erklären, dass ähnlich gelagerte Verletzungen aus demselben Bagatellunfall gleich bei zwei Personen aufgetreten sein sollen, bei denen es sich „zufällig“ um Fahrer und Beifahrer, Ehemann und Ehefrau, handelt. Es ist schlechterdings ausgeschlossen, dass sich dies noch ohne vernünftigen Zweifel beweisen lässt. Dem Gericht ist bekannt, dass es in weiten Kreisen der Bevölkerung – in Unkenntnis der physikalischen und orthopädischen Gegebenheiten – Brauch ist, sich selbst bei leichtesten Anstößen besorgt „an den Nacken zu fassen“, und dass man sich Beschwerden, die bei solchen Bagatellunfällen gar nicht entstehen können, auch einreden kann. Die daraus resultierenden Zweifel an einer gleichgelagerten Verletzung von gleich zwei einander nahestehenden Personen würden sich selbst dann nicht überwinden lassen, wenn ein Sachverständiger wider Erwarten zu dem Ergebnis kommen sollte, dass ein Verletzungseintritt grundsätzlich möglich wäre.

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