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Kollision Linksabbieger mit Vorfahrtsberechtigten – deutlich überhöhte Geschwindigkeit

Rasender Motorradfahrer trifft auf abbiegenden PKW: Wer trägt die Schuld? In einem tragischen Unfall am Ortsausgang von Wiemersdorf kollidierte ein Motorradfahrer, der die Geschwindigkeit massiv überschritt, mit einem linksabbiegenden PKW. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein urteilte nun über die Haftungsverteilung in diesem komplexen Fall.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Urteil betrifft einen Verkehrsunfall zwischen einem Linksabbieger und einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug, das deutlich zu schnell unterwegs war.
  • Der Zusammenhang besteht darin, dass die Unfallursache nicht nur das Missachten der Vorfahrt durch den Linksabbieger, sondern auch die überhöhte Geschwindigkeit des anderen Fahrzeugs ist.
  • Schwierigkeit besteht darin, die genaue Haftungsverteilung aufgrund der beiden Faktoren (Missachtung der Vorfahrt und Geschwindigkeitsüberschreitung) zu bestimmen.
  • Vom Gericht wurde entschieden, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch 50% des Schadens zu übernehmen haben.
  • Das Gericht führte an, dass die überhöhte Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs zur Schwere des Unfalls beigetragen hat und daher eine Teilhaftung begründet ist.
  • Die Entscheidung bedeutet, dass beide Unfallbeteiligte zur Hälfte für den Schadensersatz verantwortlich sind, was sowohl Sach- als auch Personenschäden betrifft.
  • Diese Entscheidung verdeutlicht, dass selbst bei Vorfahrtsverletzungen die Geschwindigkeit des anderen Fahrzeugs eine entscheidende Rolle bei der Haftungsverteilung spielen kann.
  • Unter diesen Umständen wird die Verschuldensfrage oft detailliert analysiert, um eine gerechte Haftungsverteilung zu erreichen.
  • Diese Urteilsfindung bietet eine Orientierung für vergleichbare Fälle, wo exzessive Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs eine Rolle spielt.
  • Die Auswirkungen sind, dass Betroffene in ähnlichen Situationen eine gerechtere Verteilung der Haftung erwarten können, selbst wenn sie die Vorfahrt missachtet haben.

Zu schnell und Vorfahrt missachtet: Haftung nach Kollision an Kreuzung

Wer kennt es nicht: An einer Kreuzung steht man am Steuer, wartet auf Grün und möchte links abbiegen. Doch plötzlich ertönt ein ohrenbetäubender Knall und man ist in einen Unfall verwickelt. Ein Szenario, das in der Realität leider oft vorkommt, insbesondere wenn der Linksabbieger die Vorfahrt eines entgegenkommenden Fahrzeugs missachtet. Besonders schwierig wird es, wenn dieses Fahrzeug deutlich zu schnell unterwegs ist. Rechtsprechung und Gesetzgebung versuchen seit Jahren, die komplizierten rechtlichen Zusammenhänge bei solchen Kollisionen zu ordnen und die Haftung eindeutig zu regeln.

Dabei spielt die Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs eine entscheidende Rolle. Denn überhöhte Geschwindigkeit kann die Unfallursache sein, aber sie kann auch die Folgen des Unfalls verschlimmern. Um die rechtlichen Folgen eines solchen Unfalls zu verstehen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Verkehrssituation, die Sichtverhältnisse, das Verhalten der beteiligten Fahrer und natürlich die Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs. Die Frage, wer die Schuld am Unfall trägt, ist oft nicht leicht zu beantworten und bedarf einer genauen Analyse der konkreten Umstände. Ein aktuelles Gerichtsurteil, das wir im Folgenden genauer betrachten werden, zeigt, wie komplex diese Abwägungsprozesse sein können.

Vorfahrtsverletzung oder überhöhte Geschwindigkeit? Wir helfen Ihnen weiter.

Sie waren in einen Unfall mit einem linksabbiegenden oder vorfahrtsberechtigten Fahrzeug verwickelt? Die Klärung der Schuldfrage und der Haftungsverteilung ist oft kompliziert. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte stehen Ihnen zur Seite, analysieren Ihren Fall und setzen Ihre Rechte durch. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Situation.

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Der Fall vor Gericht


Tödlicher Unfall: Linksabbieger kollidiert mit zu schnellem Motorradfahrer

Der Fall dreht sich um einen tragischen Verkehrsunfall mit Todesfolge, bei dem ein Motorradfahrer mit einem linksabbiegenden PKW kollidierte.

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hatte in der Berufungsverhandlung über die Haftungsverteilung zwischen den Beteiligten zu entscheiden.

Unfallhergang und beteiligte Parteien

Am Unfallabend befuhr der verstorbene Motorradfahrer H. eine Landstraße am Ortsausgang von Wiemersdorf. Obwohl dort aufgrund einer Baustelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h galt, beschleunigte H. sein Motorrad auf über 100 km/h, um einen Rettungswagen zu überholen.

Zur gleichen Zeit näherte sich aus der Gegenrichtung der PKW des Beklagten zu 1), der nach links abbiegen wollte. Der Beklagte nahm zwar das Motorrad wahr, schätzte dessen Geschwindigkeit aber falsch ein und begann den Abbiegevorgang.

Um eine Kollision zu vermeiden, leitete H. eine Vollbremsung ein, verlor dabei jedoch die Kontrolle über sein Motorrad. Er stürzte und prallte gegen die Beifahrerseite des abbiegenden PKW. Dabei erlitt H. so schwere Verletzungen, dass er noch an der Unfallstelle verstarb.

Rechtliche Bewertung und Haftungsverteilung

Das Oberlandesgericht sah sowohl beim Motorradfahrer als auch beim PKW-Fahrer schwerwiegende Verkehrsverstöße, die zum Unfall beigetragen haben:

  • Der Motorradfahrer überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 59 km/h. Bei Einhaltung der vorgeschriebenen 50 km/h wäre der Unfall für ihn vermeidbar gewesen.
  • Der PKW-Fahrer verstieß gegen seine Sorgfaltspflicht beim Linksabbiegen. Er hätte bei genauerer Beobachtung die überhöhte Geschwindigkeit des Motorrades erkennen und sein Abbiegemanöver unterlassen müssen.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass beide Seiten in etwa gleichem Maße für den Unfall verantwortlich waren. Es entschied daher auf eine Haftungsquote von 50:50.

Begründung der Haftungsverteilung

In seiner Urteilsbegründung wog das OLG die Verursachungsbeiträge sorgfältig ab:

  • Die massive Geschwindigkeitsüberschreitung des Motorradfahrers wurde als besonders schwerwiegend bewertet. Sie trug nicht nur kausal zum Unfallgeschehen bei, sondern erhöhte auch die Unfallschwere erheblich.
  • Allerdings sah das Gericht darin kein Alleinverschulden des Motorradfahrers. Der PKW-Fahrer hätte trotz der überhöhten Geschwindigkeit bei ausreichender Aufmerksamkeit den Unfall noch verhindern können.
  • Das OLG betonte, dass die Situation im außerörtlichen Verkehr anders zu bewerten sei als innerorts. Dort müsse grundsätzlich mit höheren Geschwindigkeiten gerechnet werden.
  • Eine vollständige Entlastung des abbiegenden PKW-Fahrers, wie von den Beklagten gefordert, lehnte das Gericht daher ab.

Auswirkungen des Urteils

Mit diesem Urteil bestätigte das OLG die Linie der Rechtsprechung, wonach bei Unfällen zwischen Linksabbiegern und Vorfahrtsberechtigten eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist.

Massive Geschwindigkeitsübertretungen können demnach zwar zu einer überwiegenden Haftung des eigentlich Vorfahrtsberechtigten führen. Ein Alleinverschulden wird aber nur in Ausnahmefällen angenommen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass Linksabbieger weiterhin zu höchster Sorgfalt verpflichtet sind. Sie müssen auch mit deutlich überhöhten Geschwindigkeiten des Gegenverkehrs rechnen und ihr Fahrverhalten darauf einstellen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht die komplexe Abwägung bei Unfällen zwischen Linksabbiegern und Vorfahrtsberechtigten. Auch bei massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen des Vorfahrtsberechtigten wird ein Alleinverschulden nur selten angenommen. Linksabbieger müssen stets mit überhöhten Geschwindigkeiten rechnen und bleiben zu höchster Sorgfalt verpflichtet. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung jedes Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der konkreten Verkehrssituation.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil unterstreicht, dass beim Linksabbiegen höchste Sorgfalt geboten ist. Auch wenn Sie Vorfahrt haben, müssen Sie mit Fehlern anderer rechnen – selbst mit deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Eine falsche Einschätzung der Geschwindigkeit des Gegenverkehrs kann schwerwiegende Folgen haben und zu einer Teilschuld am Unfall führen.

Achten Sie beim Linksabbiegen besonders auf Motorradfahrer, da diese aufgrund ihrer Geschwindigkeit schwerer einzuschätzen sind. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um die Situation zu beurteilen, und zögern Sie nicht, das Abbiegen abzubrechen, wenn Sie unsicher sind.

Auch wenn Sie als Motorradfahrer Vorfahrt haben, sollten Sie sich stets an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Eine überhöhte Geschwindigkeit kann nicht nur Ihre eigene Sicherheit gefährden, sondern auch Ihre Haftung im Falle eines Unfalls erhöhen.

Denken Sie daran: Im Straßenverkehr tragen alle Verkehrsteilnehmer eine Verantwortung für die Sicherheit aller. Nur durch gegenseitige Rücksichtnahme und vorausschauendes Fahren können Unfälle vermieden werden.


FAQ – Häufige Fragen

Wer kennt das nicht: Man hat Vorfahrt, ein anderes Fahrzeug biegt links ab und plötzlich kracht es! Kollisionen zwischen Linksabbiegern und vorfahrtsberechtigten Fahrzeugen sind ein häufiges Problem im Straßenverkehr. Doch wer trägt in so einem Fall die Schuld? Und welche Rechte und Pflichten haben die Beteiligten? Um Ihnen diese und andere wichtige Fragen zu beantworten, haben wir eine umfangreiche FAQ-Rubrik zusammengestellt. Hier finden Sie leicht verständliche Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um dieses Thema.


Welche Pflichten hat ein Linksabbieger beim Abbiegen bezüglich des Gegenverkehrs?

Ein Linksabbieger trägt beim Abbiegen eine besondere Verantwortung gegenüber dem Gegenverkehr. Er muss gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Diese Wartepflicht erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht.

Der Linksabbieger muss sich vor dem Abbiegevorgang vergewissern, dass kein Gegenverkehr gefährdet wird. Dazu gehört eine sorgfältige Beobachtung der Verkehrssituation. Er muss den Gegenverkehr genau einschätzen und darf erst abbiegen, wenn er sicher ist, dass keine Gefährdung entsteht. Dies gilt auch für Situationen mit eingeschränkter Sicht, etwa bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter.

Eine wichtige Pflicht des Linksabbiegers ist die sogenannte doppelte Rückschaupflicht. Er muss nicht nur vor dem Einordnen auf die Abbiegespur, sondern auch unmittelbar vor dem Abbiegen nochmals prüfen, ob sich von hinten ein überholendes Fahrzeug nähert. Diese zweifache Kontrolle dient der Verkehrssicherheit und soll Unfälle mit überholenden Fahrzeugen verhindern.

Der Linksabbieger muss seine Abbiegeabsicht rechtzeitig und deutlich anzeigen. Dazu gehört das frühzeitige Setzen des Blinkers, um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Gleichzeitig sollte er seine Geschwindigkeit angemessen reduzieren. Ein zu spätes oder undeutliches Anzeigen der Abbiegeabsicht kann zu gefährlichen Missverständnissen führen.

Besondere Vorsicht ist bei mehrspurigen Straßen geboten. Der Linksabbieger muss sich hier rechtzeitig einordnen und dabei auf Fahrzeuge auf allen Spuren achten. Er darf nicht davon ausgehen, dass alle Fahrzeuge in seiner Fahrtrichtung ebenfalls abbiegen werden.

Bei der Einschätzung des Gegenverkehrs muss der Linksabbieger auch auf Motorräder und Fahrräder achten. Diese können leicht übersehen werden, insbesondere wenn sie durch andere Fahrzeuge verdeckt sind. Eine gründliche Prüfung aller möglichen Gefahrenquellen ist unerlässlich.

Der Linksabbieger muss auch auf Fußgänger und Radfahrer achten, die die Straße überqueren möchten, in die er einbiegen will. Hier gilt ebenfalls eine besondere Sorgfaltspflicht. Er muss gegebenenfalls anhalten und warten, bis der Weg frei ist.

In unübersichtlichen Situationen oder bei Unsicherheit bezüglich des Gegenverkehrs sollte der Linksabbieger im Zweifel warten. Die Sicherheit geht vor Schnelligkeit. Ein defensives und vorausschauendes Fahrverhalten kann viele gefährliche Situationen vermeiden.

Bei der Beurteilung der Verkehrssituation muss der Linksabbieger auch mögliche Geschwindigkeitsüberschreitungen des Gegenverkehrs einkalkulieren. Auch wenn andere Verkehrsteilnehmer zu schnell fahren, entbindet dies den Linksabbieger nicht von seiner Sorgfaltspflicht.

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Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit des Vorfahrtsberechtigten bei der Haftungsverteilung?

Die Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs spielt eine entscheidende Rolle bei der Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall. Grundsätzlich genießt der Vorfahrtsberechtigte zwar einen besonderen Schutz, dieser entfällt jedoch bei einer erheblichen Überschreitung der zulässigen oder angemessenen Geschwindigkeit.

Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 30 Prozent über dem erlaubten Tempolimit führt in der Regel zu einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten. Die Gerichte gehen davon aus, dass ab dieser Schwelle das Vertrauensprinzip nicht mehr gilt. Der Wartepflichtige darf dann nicht mehr darauf vertrauen, dass sich der Vorfahrtsberechtigte regelkonform verhält.

Bei besonders gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitungen kann die Haftung des eigentlich Vorfahrtsberechtigten sogar überwiegen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Geschwindigkeit mehr als verdoppelt wird. In solchen Fällen wird dem Raser häufig eine Hauptschuld am Unfall zugewiesen.

Die konkrete Haftungsverteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Gerichte berücksichtigen dabei Faktoren wie die Übersichtlichkeit der Verkehrssituation, die Witterungsverhältnisse und das Verhalten beider Beteiligten. Auch eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Wartepflichtigen kann in die Bewertung einfließen.

Für die rechtliche Beurteilung ist entscheidend, ob die überhöhte Geschwindigkeit ursächlich für den Unfall war. Der Wartepflichtige muss darlegen können, dass der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Gelingt dieser Nachweis nicht, bleibt es trotz Tempoverstoß bei der alleinigen Haftung des Vorfahrtsverletzers.

Die Rechtsprechung hat eine Faustregel entwickelt, nach der sich die Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten an der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung orientiert. Bei 10 bis 25 Prozent über dem Limit liegt sie bei etwa 20 bis 30 Prozent. Zwischen 25 und 50 Prozent Tempoüberschreitung steigt die Mithaftung auf 30 bis 50 Prozent. Ab 50 Prozent über der Höchstgeschwindigkeit kann die Haftung des Rasers sogar 80 bis 100 Prozent betragen.

Diese Richtwerte dienen den Gerichten als Orientierung. Im Einzelfall kann davon abgewichen werden. So kann etwa bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von „nur“ 40 Prozent eine höhere Mithaftung angenommen werden, wenn besondere Gefahrenmomente hinzukommen. Umgekehrt kann trotz massiver Tempoüberschreitung die Haftung des Vorfahrtsverletzers überwiegen, wenn dieser besonders leichtsinnig gehandelt hat.

Für die Beweisführung vor Gericht sind technische Gutachten von großer Bedeutung. Sachverständige rekonstruieren anhand von Unfallspuren die gefahrenen Geschwindigkeiten. Auch Zeugenaussagen und Dashcam-Aufnahmen können zur Klärung des Unfallhergangs beitragen.

Die Berücksichtigung der Geschwindigkeit bei der Haftungsverteilung dient dem Ausgleich zwischen dem Vertrauensschutz des Vorfahrtsberechtigten und der Verkehrssicherheit. Sie soll einerseits die Vorfahrtsregeln stärken, andererseits aber auch überhöhte Geschwindigkeiten sanktionieren. Letztlich geht es darum, alle Verkehrsteilnehmer zu regelkonformem und umsichtigem Verhalten anzuhalten.

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Was sind typische Fehler des Linksabbiegers, die zu einer Kollision führen können?

Linksabbieger können durch verschiedene Fehler eine Kollision verursachen. Ein häufiger Fehler ist das unzureichende Beobachten des rückwärtigen Verkehrs. Die Straßenverkehrsordnung schreibt eine doppelte Rückschaupflicht vor – einmal vor dem Einordnen und nochmals unmittelbar vor dem Abbiegen. Viele Fahrer vernachlässigen insbesondere den zweiten Schulterblick, wodurch sie überholende Fahrzeuge übersehen können.

Ein weiterer typischer Fehler ist das zu späte oder unklare Anzeigen des Abbiegevorgangs. Der Fahrtrichtungsanzeiger muss rechtzeitig betätigt werden, um andere Verkehrsteilnehmer auf das beabsichtigte Manöver aufmerksam zu machen. Wird zu spät oder gar nicht geblinkt, können nachfolgende Fahrzeuge die Situation falsch einschätzen.

Auch das fehlerhafte Einordnen kann zu gefährlichen Situationen führen. Linksabbieger müssen sich bei mehrspurigen Fahrbahnen frühzeitig zur Fahrbahnmitte hin einordnen. Geschieht dies nicht oder zu spät, besteht die Gefahr, dass andere Verkehrsteilnehmer die Abbiegeabsicht nicht erkennen.

Ein besonders folgenschwerer Fehler ist das vorschnelle Abbiegen ohne ausreichende Beobachtung des Gegenverkehrs. Linksabbieger müssen dem entgegenkommenden Verkehr Vorrang gewähren. Wird die Geschwindigkeit oder Entfernung herannahender Fahrzeuge falsch eingeschätzt, kann es zu schweren Kollisionen kommen.

Viele Unfälle entstehen auch durch mangelnde Aufmerksamkeit für Fußgänger und Radfahrer. Gerade beim Abbiegen in Nebenstraßen oder auf Grundstückseinfahrten müssen Autofahrer besonders auf schwächere Verkehrsteilnehmer achten, die die Fahrbahn überqueren möchten.

Ein weiterer Risikofaktor ist das Abbiegen bei unklarer Verkehrslage. Ist die Sicht durch parkende Fahrzeuge, Bebauung oder andere Hindernisse eingeschränkt, müssen Linksabbieger besonders vorsichtig sein und notfalls langsam in die Kreuzung eintasten.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Gefahr durch Ablenkung während des Abbiegevorgangs. Die Bedienung des Navigationssystems, des Radios oder des Smartphones lenkt von der komplexen Verkehrssituation ab und erhöht das Unfallrisiko erheblich.

Ein oft übersehener Aspekt ist die falsche Einschätzung der eigenen Fahrzeuglänge. Besonders Fahrer von größeren Fahrzeugen wie Transportern oder Wohnmobilen unterschätzen häufig den Platzbedarf beim Abbiegen, was zu Kollisionen mit dem Gegenverkehr führen kann.

Schließlich spielt auch die Missachtung der Vorfahrtsregeln an komplexen Kreuzungen eine Rolle. An Kreuzungen mit mehreren Fahrspuren und Abbiegemöglichkeiten müssen Linksabbieger besonders aufmerksam sein und die geltenden Vorfahrtsregeln genau beachten.

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Wie wird die Schuld bei einem Verkehrsunfall rechtlich bewertet?

Bei der rechtlichen Bewertung der Schuld nach einem Verkehrsunfall spielen verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle. Die Gerichte prüfen zunächst, ob ein Verstoß gegen Verkehrsregeln vorliegt. Vorfahrtsverletzungen gelten dabei als schwerwiegende Pflichtverstöße. Allerdings kann auch der vorfahrtsberechtigte Fahrer eine Mitschuld tragen, wenn er beispielsweise mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war.

Die Beweislast für den Unfallhergang liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Dieser muss darlegen und beweisen, dass der Unfallgegner eine Verkehrsregel verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat. Hierfür können Zeugenaussagen, Fotos vom Unfallort oder Gutachten von Sachverständigen herangezogen werden.

Bei der Schuldbewertung berücksichtigen die Gerichte auch die konkreten Umstände des Einzelfalls. Dazu gehören etwa die Sichtverhältnisse, die Witterung oder bauliche Besonderheiten der Unfallstelle. So kann eine unübersichtliche Kreuzung oder Blendung durch tiefstehende Sonne zu einer Minderung des Verschuldens führen.

Ein wichtiger Aspekt ist zudem die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge. Darunter versteht man das allgemeine Risiko, das von einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr ausgeht. Diese Betriebsgefahr führt dazu, dass selbst bei einem Unfall ohne Regelverstoß eine gewisse Mithaftung bestehen kann.

Die Gerichte wägen all diese Faktoren gegeneinander ab und kommen so zu einer Haftungsquote. Diese gibt an, zu welchem Anteil die Beteiligten den Schaden zu tragen haben. Bei einem klassischen Vorfahrtsverstoß ohne weitere Besonderheiten haftet der Wartepflichtige oft zu 100 Prozent. Kommen jedoch Mitverursachungsbeiträge des Vorfahrtsberechtigten hinzu, kann sich dies deutlich verschieben.

Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug mit Vorfahrt kommt es häufig zu einer geteilten Haftung. Der Linksabbieger verletzt zwar die Vorfahrt, der Entgegenkommende hat aber eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Fuhr Letzterer deutlich zu schnell, kann dies zu einer überwiegenden Haftung des eigentlich Vorfahrtsberechtigten führen. Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen schon Haftungsquoten von 70:30 zulasten des zu schnellen Fahrers festgelegt.

Für die Unfallbeteiligten ist es ratsam, am Unfallort möglichst viele Beweise zu sichern. Dazu gehören Fotos von den Fahrzeugpositionen und Schäden sowie Kontaktdaten von Zeugen. Diese Informationen können später entscheidend sein, um den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren und die Schuldfrage zu klären.

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Welche Auswirkungen hat eine überhöhte Geschwindigkeit auf die Haftungsverteilung bei einem Unfall?

Bei der Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall spielt eine überhöhte Geschwindigkeit eine bedeutende Rolle. Grundsätzlich gilt: Je stärker die Geschwindigkeitsüberschreitung, desto größer kann der Anteil an der Haftung ausfallen.

Eine deutliche Überschreitung der zulässigen oder angemessenen Geschwindigkeit wird von Gerichten als Verstoß gegen die im Straßenverkehr gebotene Sorgfaltspflicht gewertet. Dies kann dazu führen, dass der zu schnell fahrende Unfallbeteiligte einen Teil des Schadens selbst tragen muss – auch wenn er eigentlich vorfahrtsberechtigt war oder der Unfall primär durch einen anderen Verkehrsteilnehmer verursacht wurde.

Die genaue Haftungsquote hängt vom Einzelfall ab. Bei einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung von 50% oder mehr über dem Erlaubten kann die Mithaftung durchaus 30-40% betragen. In extremen Fällen, etwa bei einer Verdoppelung der zulässigen Geschwindigkeit innerorts, haben Gerichte sogar eine Alleinhaftung des Rasers festgestellt.

Entscheidend ist dabei, ob die überhöhte Geschwindigkeit unfallursächlich war. Der Geschädigte muss nachweisen, dass der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre oder zumindest weniger schwere Folgen gehabt hätte. Lässt sich dieser Nachweis nicht führen, bleibt die Geschwindigkeitsüberschreitung für die Haftungsverteilung unbeachtlich.

Auch auf Autobahnen ohne Tempolimit kann eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h haftungsrechtliche Folgen haben. Wer wesentlich schneller fährt, erhöht das Unfallrisiko und kann sich im Schadensfall nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls berufen. Bei Geschwindigkeiten ab etwa 200 km/h gehen Gerichte regelmäßig von einer Mithaftung aus.

Die Rechtsprechung berücksichtigt dabei, dass sehr hohe Geschwindigkeiten die Reaktionszeiten verkürzen und die Unfallschwere erhöhen. Zudem können andere Verkehrsteilnehmer die Annäherungsgeschwindigkeit oft nicht richtig einschätzen. Dies gilt besonders bei Kollisionen mit einscherenden oder abbiegenden Fahrzeugen.

Neben der prozentualen Mithaftung kann eine überhöhte Geschwindigkeit auch dazu führen, dass Schadensersatzansprüche gekürzt werden. So kann etwa der Anspruch auf Schmerzensgeld reduziert werden, wenn die Verletzungen bei einer angemessenen Geschwindigkeit weniger schwer ausgefallen wären.

Für die Praxis bedeutet dies: Wer die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhält, minimiert nicht nur das Unfallrisiko, sondern auch das finanzielle Risiko im Schadensfall. Selbst vorfahrtsberechtigte Fahrer können durch überhöhte Geschwindigkeit einen erheblichen Teil ihrer Ansprüche verlieren.

Die Gerichte wägen dabei stets die Umstände des Einzelfalls ab. Neben dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung fließen auch andere Faktoren wie Sichtverhältnisse, Fahrbahnbeschaffenheit und das Verhalten der übrigen Unfallbeteiligten in die Bewertung ein. Eine pauschale Formel zur Berechnung der Haftungsquote gibt es nicht.

Für Geschädigte ist es ratsam, nach einem Unfall möglichst genau zu dokumentieren, mit welcher Geschwindigkeit die Beteiligten unterwegs waren. Zeugenaussagen, Bremsspuren oder Daten aus Fahrzeugcomputern können hier wichtige Hinweise liefern. Im Zweifel kann ein Sachverständigengutachten Klarheit über die gefahrenen Geschwindigkeiten und deren Auswirkungen auf den Unfallhergang bringen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Haftungsquote: Die Haftungsquote bestimmt den prozentualen Anteil, zu dem jeder Unfallbeteiligte für die entstandenen Schäden aufkommen muss. Sie wird vom Gericht nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände festgelegt. Dabei werden die Verursachungsbeiträge und Verschuldensanteile der Beteiligten gegeneinander abgewogen. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht auf eine 50:50-Quote, da beide Fahrer schwerwiegende Verkehrsverstöße begangen hatten. Die Haftungsquote ist entscheidend für die Regulierung von Personen- und Sachschäden sowie für eventuelle Schmerzensgeldansprüche.
  • Sorgfaltspflicht: Die Sorgfaltspflicht beschreibt die rechtliche Verpflichtung aller Verkehrsteilnehmer, sich so zu verhalten, dass andere nicht gefährdet oder geschädigt werden. Sie umfasst unter anderem das Einhalten von Verkehrsregeln, angemessene Geschwindigkeit und vorausschauendes Fahren. Im konkreten Fall hat der PKW-Fahrer seine Sorgfaltspflicht beim Linksabbiegen verletzt, indem er die Geschwindigkeit des Motorradfahrers falsch einschätzte. Die Verletzung der Sorgfaltspflicht kann zu einer Haftung für entstandene Schäden führen und ist ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung des Verschuldens in Unfallsituationen.
  • Kausalität: Kausalität bezeichnet den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Verhalten und einem eingetretenen Schaden. Im Verkehrsrecht ist die Kausalität entscheidend, um die Haftung der Beteiligten zu bestimmen. Es wird geprüft, ob der Schaden bei rechtmäßigem Alternativverhalten ausgeblieben wäre. Im vorliegenden Fall war die überhöhte Geschwindigkeit des Motorradfahrers kausal für den Unfall, da dieser bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Gleichzeitig war auch das Abbiegeverhalten des PKW-Fahrers kausal, da er bei korrekter Einschätzung der Situation den Unfall hätte verhindern können.
  • Betriebsgefahr: Die Betriebsgefahr bezeichnet das allgemeine Risiko, das vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht. Sie besteht unabhängig vom Verschulden des Fahrers und führt zu einer Gefährdungshaftung des Halters nach § 7 StVG. Bei der Haftungsverteilung wird die Betriebsgefahr beider beteiligten Fahrzeuge berücksichtigt. Im konkreten Fall spielte die erhöhte Betriebsgefahr des Motorrads aufgrund der hohen Geschwindigkeit eine wichtige Rolle bei der Bewertung durch das Gericht. Die Betriebsgefahr kann auch bei fehlender Schuld zu einer anteiligen Haftung führen.
  • Anscheinsbeweis: Der Anscheinsbeweis ist eine Beweiserleichterung im Verkehrsrecht. Er greift, wenn nach der Lebenserfahrung ein bestimmter Geschehensablauf typisch ist und auf ein schuldhaftes Verhalten schließen lässt. Im vorliegenden Fall könnte ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers sprechen, da dieser grundsätzlich wartepflichtig gegenüber dem Gegenverkehr ist. Allerdings kann der Anscheinsbeweis durch den Nachweis eines atypischen Geschehensablaufs erschüttert werden – hier durch die massive Geschwindigkeitsüberschreitung des Motorradfahrers, die das Gericht entsprechend berücksichtigte.
  • Mitverschulden: Das Mitverschulden beschreibt die Beteiligung des Geschädigten an der Entstehung oder Erhöhung des eigenen Schadens. Es ist in § 254 BGB geregelt und führt zu einer Minderung des Schadensersatzanspruchs. Im konkreten Fall lag ein Mitverschulden des Motorradfahrers durch seine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung vor. Dies führte dazu, dass seine Erben nur einen Teil des Schadens ersetzt bekommen. Die Beurteilung des Mitverschuldens ist oft komplex und erfordert eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls durch das Gericht.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph regelt die grundsätzliche Verpflichtung zum Schadensersatz bei Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder des Eigentums eines anderen. Im vorliegenden Fall wurde das Leben des Motorradfahrers verletzt, was Schadensersatzansprüche seiner Hinterbliebenen begründet.
  • § 7 StVG (Haftung des Halters): Dieser Paragraph bestimmt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden. Im konkreten Fall ist der Halter des PKW haftbar für die durch den Unfall verursachten Schäden, sofern kein unabwendbares Ereignis vorliegt.
  • § 1 Abs. 2 StVO (Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme): Diese Vorschrift verpflichtet alle Verkehrsteilnehmer zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Im vorliegenden Fall hätten sowohl der Motorradfahrer als auch der PKW-Fahrer aufeinander Rücksicht nehmen müssen, um den Unfall zu vermeiden.
  • § 9 StVO (Vorfahrt): Dieser Paragraph regelt die Vorfahrt beim Abbiegen. Der Linksabbieger muss dem entgegenkommenden Verkehr Vorfahrt gewähren. Im konkreten Fall hat der PKW-Fahrer gegen diese Vorschrift verstoßen, indem er abbog, obwohl der Motorradfahrer Vorfahrt hatte.
  • § 3 StVO (Geschwindigkeit): Dieser Paragraph schreibt vor, dass die Geschwindigkeit an die Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse sowie an die persönlichen Fähigkeiten und die Fahrzeugbeschaffenheit angepasst werden muss. Im vorliegenden Fall hat der Motorradfahrer diese Vorschrift missachtet, indem er die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten hat.

Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 91/23 – Urteil vom 16.04.2024

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. Juni 2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägerinnen sämtliche immateriellen und materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom … in F. zu 50 % zu ersetzen, sofern die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerinnen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2022, der Beklagte zu 1) darüber hinaus vom 12. bis zum 13.06.2022, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner zu 50 % und die Beklagten zu 50 %.

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Die Kosten der Berufung fallen den Klägerinnen als Gesamtschuldner zu 23 % und den Beklagten zu 77 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall mit Todesfolge am … in …

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe H., die Klägerinnen zu 2) und 3) seine Waisen. Herr H. befuhr mit seinem Motorrad bei eingeschaltetem Fahrlicht gegen 21:45 Uhr die K.-Straße. Am Ortsausgang der Ortschaft Wiemersdorf beschleunigte Herr H. das Motorrad, um einen Rettungswagen zu überholen. Auf dieser Strecke befand sich eine Baustelle. Hier war die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkt, was durch Verkehrszeichen 274 bekanntgegeben war. Die Bauarbeiten waren bereits abgeschlossen. Ohne die noch wirksame Geschwindigkeitsbeschränkung hätte auf dieser Strecke die reguläre außerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gegolten. Herrn H. entgegen kam der Beklagte zu 1) als Fahrer des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw. Der Beklagte zu 1) beabsichtigte nach links abzubiegen. Er nahm den Überholvorgang des Motorradfahrers wahr und sah das Scheinwerferlicht des Motorrades. Dem Beklagten zu 1) war bekannt, dass während der Dauer der Baustelle für den entgegenkommenden Verkehr eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h angeordnet war. Er schätzte die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Motorrades zu niedrig ein, so dass er mit dem Abbiegemanöver begann, weil er glaubte, den Abbiegevorgang gefahrlos zu Ende führen zu können. Mit der wahren Geschwindigkeit des Motorrades rechnete er nicht. Angesichts des links abbiegenden Beklagten zu 1) leitete Herr H. eine Vollbremsung ein. Dabei verlor er die Kontrolle über das Motorrad, stürzte und prallte gegen die Beifahrerseite des Pkws. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass er sofort verstarb. Der in dem Strafverfahren gegen den Beklagten beauftragte Gutachter errechnete, dass Herr H. zum Zeitpunkt der Reaktionseinleitung vor der Kollision das Motorrad auf 109 bis 124 km/h beschleunigte. Bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h hätte Herr H. sein Motorrad im Moment der Reaktionsaufforderung noch rechtzeitig durch eine spurstabile Abbremsung anhalten können. Dies wäre ihm selbst bei einer Geschwindigkeit von 75 km/h noch möglich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 27.05.2021 (Bl. 46-98 der Beiakten) Bezug genommen.

Die Klägerinnen haben behauptet, zum Unfallzeitpunkt sei die Fahrbahnoberfläche durch einsetzenden Regen feucht gewesen. Bei Zugrundelegung einer feuchten Fahrbahn hätte der Sachverständige zu einer niedrigeren Ausgangsgeschwindigkeit kommen müssen. Das Verkehrszeichen 274 habe Herr H. nicht wahrnehmen können, weil er sich bereits im Überholvorgang befunden habe, so dass die Sicht auf das Verkehrszeichen durch den zu überholenden Rettungswagen verdeckt gewesen sei. Neben vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben sie die Beklagte auf umfassende Feststellung nach einer Quote von 100 % in Anspruch genommen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Verkehrsunfall sei für den Beklagten zu 1) unabwendbar gewesen. Auf die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des Unfallgegners habe er sich nicht einstellen können, zumal die Geschwindigkeit des Motorrades gerade in der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Dämmerung deutlich schwerer einzuschätzen gewesen sei, als bei einem Pkw mit zwei Scheinwerfern.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Einholung einer amtlichen Auskunft, Beiziehung der Strafakte) die Klage auf der Grundlage der Annahme der Haftung von 35 % zu 65 % zu Lasten der Beklagten als begründet angesehen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten zu 1) habe gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen, wonach derjenige, welcher abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen muss. Mehrmaliges genaues Hinsehen hätte es dem Beklagten zu 1) ermöglicht festzustellen, wie schnell der Motorradfahrer wirklich gewesen sei. Aber auch für den Motorradfahrer sei der Zusammenstoß weder unvermeidbar noch unverschuldet gewesen. Zeitlich-räumlich wäre es nicht zu dem Zusammenstoß gekommen, wenn der Motorradfahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten hätte. Der Unfall wäre auch dann noch für den Motorradfahrer vermeidbar gewesen, wenn er eine Geschwindigkeit von 75 km/h eingehalten hätte. Den Klägerinnen sei der Beweis einer nassen Fahrbahn zum Unfallzeitpunkt nicht gelungen. Darauf, ob Herr H. wahrgenommen habe, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung noch vorlag, obwohl die Baustelle abgearbeitet war, komme es nicht an. Bei der Haftungsabwägung hat das Landgericht das deutlich schwerere Gewicht auf Seiten des Beklagten zu 1) gesehen. Zwar hätte der Motorradfahrer den Unfall bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit mit einem Notmanöver vermeiden können, jedoch sei das Notmanöver erst durch das Fahrverhalten des Beklagten herausgefordert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten das Ziel der vollständigen Klagabweisung weiter. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, der Unfallgegner sei wegen seiner erhöhten Geschwindigkeit für die Unfallfolgen allein verantwortlich. Danach sei der hier streitgegenständliche Unfallort mit dem innerstädtischen Verkehrsbereich vergleichbar. Die Annahme des Landgerichts, es müsse dort mit Geschwindigkeiten zwischen 109 und 124 km/h gerechnet werden, sei daher eine schematische Betrachtung, die sich verbiete. Nach den vom Kammergericht in seinem Urteil vom 22.08.2019 (Az.: 22 U 33/18) aufgestellten Grundsätzen greife daher eine Alleinhaftung des mit überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Motorradfahrers. Das Landgericht lasse auch eine Erörterung mit Frage vermissen, bis zu welcher konkreten Geschwindigkeitsüberschreitung des Motorradfahrers der Beklagte zu 1) seine eigene Fahrweise überhaupt auf den Unfallgegner hätte einstellen können. Die Argumentation des Landgerichts, dass sich der Geschwindigkeitsverstoß des Motorradfahrers nicht ausgewirkt hätte, wenn der Beklagte nicht nach links abgebogen wäre, sei zirkelschlüssig. Der Beklagte zu 1) habe sein Fahrverhalten nicht auf eine so gravierende Geschwindigkeitsüberschreitung des Motorradfahrers einrichten können. Auch bei guten Sichtverhältnissen nehme man ein entgegenkommendes Motorrad auf einer geraden Strecke nur als ein „Licht“ war.

Die Klägerinnen treten der Berufung entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung. Den Klägerinnen steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch aus §§ 7, 17, 18 StVG in Verbindung mit § 115 VVG nur aus einer geringeren Quote zu als vom Landgericht erkannt.

Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten nach einer Quote von 50 %. Insoweit hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg. Soweit die Beklagten darüber hinaus eine Quote von 100 zu 0 zu Ihren Gunsten mit der Berufung geltend machen, bleibt die Berufung ohne Erfolg und unterliegt der Zurückweisung.

A. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge führt zu einer hälftigen Haftungsteilung.

Im Rahmen der bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß § 17 Absatz 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Absatz 1 u. 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (vgl. BGH, NZV 1996, S. 231).

Dabei legt der Senat die vom Landgericht festgestellten Verkehrsverstöße seiner Entscheidung zugrunde. Die Klägerinnen haben ihrerseits keine Berufung gegen das Urteil eingelegt und damit die Feststellungen zum Unfallgeschehen akzeptiert.

Die Beklagten rügen zwar, dass der Beklagte zu 1) sein Fahrverhalten auf den Unfallgegner nicht habe einstellen können und auch implizit, dass ihm ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO zur Last zu legen sei. Hiermit können sie allerdings nicht durchdringen. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme beanstandungsfrei festgestellt, dass der Unfall bei aufmerksamer Fahrverhalten des Beklagten zu 1) vorhersehbar und vermeidbar gewesen ist.

Dies findet die Billigung des Senats. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) berechtigt das Gericht, die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten, wobei der Richter lediglich an die Denk- und Naturgesetze und sonstigen Erfahrungssätze gebunden ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. § 286, Rn. 13). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht erkennbar. Im Übrigen steht die Wiederholung der Beweisaufnahme außerdem gem. §§ 529, 531 ZPO nicht mehr in reinem Ermessen des Berufungsgerichts. Sie ist im Sinne eines gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen und eine gewisse- nicht notwendig überwiegende- Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand mehr haben werden, sich also ihre Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O. § 529, Rn. 3). Solche konkreten Umstände werden mit der Berufung nicht aufgezeigt.

Der Beklagte zu 1) hat das unfallgegnerische Motorrad vor dem Unfall unstreitig wahrgenommen. Genaueres Hinschauen hätte es ihm, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ermöglicht, festzustellen, wie schnell das Motorrad wirklich war. Ob eine Erkennbarkeit der Geschwindigkeit – wie die Beklagten mit Berufung ausführen – dann reduziert ist, wenn ein Motorrad nur als ein Licht wahrnehmbar sei, kann dahinstehen. Denn zum einen herrschte zur Unfallzeit noch Dämmerung (vgl. GA vom 27.05.2021, Seite 3), zum anderen hat der Beklagte zu 1) angegeben, dass sich noch mindestens ein weiteres Fahrzeug auf der ihm entgegenkommenden Spur befand (vgl. Bl. 82 d. A. LG). Der Beklagte zu 1) hätte mithin neben dem wahrgenommenen Licht des Unfallgegners auch aus der Veränderung der Abstände der Fahrzeuge zueinander bei gehöriger Aufmerksamkeit Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit des Unfallgegners ziehen können.

Allerdings ist die erhebliche erhöhte Geschwindigkeit des Motorradfahrers im Rahmen der Abwägung stärker zu berücksichtigen, als es das Landgericht angenommen hat. Dies führt im Ergebnis zu einer Teilung der Haftung zwischen den Parteien.

Der Senat schließt sich der Entscheidung des OLG Zweibrücken (Urteil vom 01.03.2000 – 1 U 135/99, BeckRS 2008, 19071) an, das in der Konstellation der Kollision eines linksabbiegenden Fahrzeugs mit einem in Gegenrichtung mit einer Geschwindigkeitsübertretung von 55 km/h geführten Fahrzeug ebenfalls eine hälftige Haftungsteilung angenommen hat. Der Fall entspricht etwa der hier vorliegenden Konstellation, in der eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 59 km/h festzustellen ist. Die erheblich überhöhte Geschwindigkeit hat nicht nur kausal zum Unfall beigetragen, weil der Unfall für den Motorradfahrer bei Einhaltung der notwendigen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Es ist auch allgemein anerkannt, dass die Schwere eines Unfalls sich in Abhängigkeit der Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge erhöhen kann.

Allerdings führt die Geschwindigkeit des Unfallgegners andererseits nicht zur Annahme seines Alleinverschuldens, wie die Beklagten meinen. Die zitierte Entscheidung des Kammergerichts, wonach bei einer Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 100 % bei einer absoluten Geschwindigkeit von über 100 km/h bei innerörtlichem Verkehr eine Alleinhaftung des eigentlich Vorfahrtsberechtigten gerechtfertigt sei, ist auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Der Unfall fand hier nicht im innerörtlichen Verkehr statt, sondern im außerörtlichen Verkehr. Die Beklagten können nicht mit der Argumentation durchdringen, dies sei eine formale Betrachtung, der die konkreten Verkehrsverhältnisse vor Ort entgegenstünden. Zum einen nennt die Entscheidung des Kammergerichts nämlich selbst die formalen Kriterien, unter denen die Rechtsauffassung zur Anwendung kommen soll. Die Anknüpfung an den innerörtlichen einerseits oder den außerörtlichen Verkehr andererseits ist Grundlage des deutschen Verkehrsrechts und führt zu verschiedenen Auswirkungen in der StVO und im Recht der Ordnungswidrigkeiten (vgl. v. a. Anhang zu Nummer 11 der Anlage Tabelle 1 Geschwindigkeitsüberschreitungen, BKatV). Sie ist von daher bereits sachlogisch ein formaler Gesichtspunkt und auch so zu behandeln. Zudem ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass im streitgegenständlichen Bereich lediglich baustellenbedingt eine besondere Begrenzung angeordnet war und ansonsten keine spezielle Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Dies steht der Annahme, es handele sich quasi um einen mit dem innerörtlichen Verkehr vergleichbaren Bereich, entgegen.

B. Vorgerichtliche Anwaltskosten

Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem um 50 % reduzierten Streitwert (Basis 30.000 € im ersten Rechtszug, vgl. Bl. 9 d. A. LG) folgt aus § 280 Abs. 1 BGB, der Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 BGB.

C. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 


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