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Kollision bei nicht angekündigtem partiellen Fahrspurwechsel

AG München – Az.: 322 C 19057/18 – Urteil vom 12.02.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 4.346,73 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am 28.06.2018 auf der Kistlerhofstr. in München.

Beteiligt war der Pkw VW T5 des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … (im Folgenden „Klägerfahrzeug“), bei dem Unfall geführt vom Kläger, und der bei der Beklagten haftpflichtversicherte Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … (im Folgenden „Beklagtenfahrzeug“), bei dem Unfall geführt vom Zeugen … .

Der Kläger behauptet, das Klägerfahrzeug habe sich mit leichtem Lenkeinschlag nach links am Beginn der sich gerade eröffnenden Linksabbiegerspur befunden, da rechts mehrere Fahrzeuge die Fahrspur blockierten. In diesem Moment habe der Zeuge … versucht, mit dem Beklagtenfahrzeug unter verkehrsordnungswidrigem Überfahren der durchgezogenen Mittellinie das Klägerfahrzeug linksseitig zu überholen und sei dabei mit dessen linker Seite kollidiert.

Der Kläger macht folgende Schäden geltend:

Reparaturkosten: 3.107,29 €

Gutachtergebühren: 682,94 €

Unkostenpauschale: 25 €

Reparaturbestätigung: 59,50 €

Nutzungsausfallersatz (8 Tage á 59 €): 472 €

Insgesamt: 4.346,73 €

Das Fahrzeug sei in Eigenregie im Zeitraum vom 02.07.- 05.07.2018 instand gesetzt worden.

Daneben begehrt der Kläger Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Der Kläger beantragt: Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger € 4.346,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.07.2018 sowie weitere € 492,54 außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, der Zeuge … habe sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet, um nach links abzubiegen. Plötzlich und unvermittelt sei das Klägerfahrzeug von der rechten Spur auf die Linksabbiegerspur ausgeschert, wobei es zur Kollision gekommen sei. Sie bestreitet u. a., dass das Beklagtenfahrzeug verkehrsordnungswidrig versucht habe, über die durchgezogene Mittellinie das Klägerfahrzeug zu überholen.

Die Beklagte bestreitet weiter die Reparaturkostenhöhe sowie die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Reparaturbestätigung und des geltend gemachten Nutzungsausfalls.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen … sowie durch Einholung eines mündlichen unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) ….

Der Kläger wurde informatorisch angehört.

Zur Ergänzung wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2019 sowie die übrigen Aktenbestandteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 115 VVG, 1 PflVG.

Dem liegt eine alleinige Haftung des Klägers zugrunde.

Unfallhergang und Haftungsverteilung

Der Unfall hat sich beim Betrieb der beiden unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge ereignet, §§ 7 Abs.1 StVG. Dabei handelte es sich nicht um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs.3 StVG.

Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen somit nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG bzw. nach § 254 Abs.1 BGB von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH, NJW 2012, 1953).

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Unfall auf dem alleinigen Verschulden des Klägers aufgrund eines (partiellen) Spurwechsels beruht, § 7 Abs. 5 StVG.

I.

Aufgrund der eigenen Angaben des Klägers in seiner informatorischen Anhörung sowie der Angaben des Zeugen … steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger einen teilweisen Spurwechsel von der rechten Fahrspur in die Linksabbiegerspur vorgenommen hat.

Der Kläger hat hierzu angegeben, er sei etwas über die gestrichelte Linie gefahren. Er habe zu einem Teil die Linksabbiegerspur, die dort beginnt, befahren. Dann sei es zur Kollision gekommen.

Der Zeuge … hat angegeben, er sei an deren Beginn auf die Linksabbiegerspur gefahren und sei dann auf seiner Spur geblieben. Das Klägerfahrzeug sei dann sehr nah an sein Fahrzeug gekommen. Die Kollision selbst habe er aber nicht gesehen.

Es liegt daher nach den Angaben beider unfallbeteiligter Fahrer ein zumindest partieller Spurwechsel vor.

Bei der Kollision mit einem anderen Fahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel spricht der Anschein für eine Missachtung der Sorgfaltspflicht nach § 7 Abs. 5 StVO (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 7 StVO, Rdn. 16). Gemäß § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Er setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat (vgl. z.B. LG Bielefeld, Urteil vom 15.05.2008, 2 O 3/08).

II.

Kollision bei nicht angekündigtem partiellen Fahrspurwechsel
(Symbolfoto: Von gyn9037/Shutterstock.com)

Diesen Anscheinsbeweis konnte der Kläger nicht entkräften.

Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass er vor dem Spurwechsel zwar in die beide Außenspiegel gesehen hat, jedoch weder geblinkt, noch sich durch Schulterblick umgesehen hat. Damit liegt in jedem Fall ein Verstoß gegen die Pflichten aus § 7 Abs. 5 S. 2 StVO vor, da der Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig und deutlich durch Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger angekündigt wurde.

Auch konnte der Kläger nicht nachweisen, dass das Beklagtenfahrzeug ihn unter Benutzung der Gegenfahrbahn und Überschreitung der durchgezogenen Mittellinie überholt hat.

Der Kläger hat hierzu angegeben, er sei sich sicher, dass der Unfall sich an der Stelle ereignet habe, an der er den Unfall auf dem als Anlage K 1 eingereichten Foto nachgestellt hat. Bei der Kollision sei das andere Fahrzeug wohl teilweise auf seiner Fahrspur und teilweise auf der Gegenfahrbahn gewesen.

Der Zeuge … hat hingegen angegeben, seines Erachtens nach sei die Kollision weiter vorne in Richtung Kreuzung gewesen. Es sei auf jeden Fall nicht dort zur Kollision gekommen, wo es der Kläger nachgestellt habe, sondern weiter vorne. Er sei auf seiner Spur geblieben und nicht auf die Gegenfahrbahn geraten.

Das Gericht hat keine Veranlassung, einer der beiden Seiten mehr zu glauben, als der anderen.

Allein der Umstand, dass vorliegend für die eine Darstellung eine Zeugenaussage spricht und für die andere nur eine informatorische Parteianhörung, führt hier nicht zu einem Beweis der Zeugendarstellung. Nach §§ 141, 278 Abs. 2 Satz 3 ZPO abgegebene Erklärungen der Parteien dürfen zwar nicht als Beweismittel verwertet werden, es ist aber allgemein anerkannt, dass die Ergebnisse einer Anhörung ohne weiteres im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (Beweiswürdigung nach § 286 ZPO) verwertet werden dürfen (vgl. z.B. BGH MDR 1992, 137). Das hat das Gericht hier getan.

Beide Seiten schilderten den Hergang des Unfalls in sich schlüssig und nachvollziehbar. Das Gericht hält beide Unfallschilderungen für möglich. Keine der in der mündlichen Verhandlung angehörten Personen erschien dem Gericht in einer Weise glaubwürdiger und ihre Aussage glaubhafter, als dass das Gericht mit der erforderlichen Sicherheit von einer der Darstellungen beweissicher überzeugt wäre.

Auch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen lässt sich der Kollisionsort aus technischer Sicht mangels objektiver Anknüpfungstatsachen nicht exakt feststellen.

Hinsichtlich der Vermeidbarkeitsbetrachtung sei das Annäherungsverhalten auf den späteren Kollisionsort gegenüberzustellen. Für die Klägerseite würde sich die Vermeidbarkeit in beiden Unfallversionen dahingehend ergeben, wenn vor der finalen Fahrt von rechts nach links, sei es durch eine Ausweichbewegung oder durch einen eingeleiteten Spurwechsel, der rückwärtige bzw. seitliche Verkehrsraum geprüft würde, das Beklagtenfahrzeug wäre zumindest durch Rückschau in Annäherung erkennbar gewesen. In der Unfallversion der Klägerseite würde sich die nachweisbare Vermeidbarkeit für die Beklagtenseite ergeben, wenn nicht über die Gegenfahrspur gefahren wird. In der Unfallversion der Beklagtenseite würde sich die nachweisbare Vermeidbarkeit für die Beklagtenseite nicht ergeben.

Das Gericht ist von der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens und der Sachkunde des Sachverständigen überzeugt. Das Gericht ist der Auffassung, dass der Sachverständige im vorliegenden Fall die vorhandenen Anknüpfungstatsachen umfassend und abschließend ausgewertet und hieraus nachvollziehbare, in sich widerspruchsfreie Schlussfolgerungen hergeleitet hat. Einwendungen gegen das Gutachten wurden nicht erhoben; Ergänzungsfragen nicht gestellt. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen überzeugen das Gericht und werden dem Urteil in eigener Würdigung zugrunde gelegt.

Damit steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, wo sich der Unfall genau ereignet hat und ob sich das Beklagtenfahrzeug normal eingeordnet auf der Linksabbiegerspur befunden hat, als das Klägerfahrzeug partiell in diese Fahrspur eingefahren ist, oder ob das Beklagtenfahrzeug unter Benutzung der Gegenfahrbahn überholt hat.

Während ein Verschulden des Klägers in jeder der beiden Unfallversionen feststeht, ist ein (Mit-)Verschulden der Beklagtenseite nicht bewiesen. Insbesondere steht weder fest, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeug das partielle Befahren der Linksabbiegerspur durch den Kläger bereits zu dem Zeitpunkt erkannt hat bzw. erkennen musste, als das Beklagtenfahrzeug auf die Linksabbiegerspur auffuhr, noch dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeug das Klägerfahrzeug unter Überschreitung der durchgezogenen Mittellinie überholt hat.

III.

Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beidseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge hält das Gericht eine alleinige Haftung des Klägers für angemessen und gerechtfertigt. Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt hierbei hinter das gewichtige Verschulden des Klägers zurück. Dies gilt insbesondere, da der Kläger schon nach eigenen Angaben seinen (partiellen) Spurwechsel nicht angekündigt hat und damit ein grober Verstoß gegen § 7 Abs. 5 S. 2 StVO vorliegt.

Nebenforderungen

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung

Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Streitwert

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

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