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Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall im Ausland

AG Frankenthal, Az.: 3a C 278/16

Urteil vom 30.06.2017

1. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin € 2.311,28 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 334,75 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 30.07.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 2. zu 1/4. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. trägt die Klägerin, von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. trägt die Klägerin 1/2, die Beklagte zu 2. trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin, im Übrigen tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2. ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall im Ausland
Symbolfoto: tommaso79/Bigstock

Die Klägerin begehrt als Eigentümerin und Halterin des PKW S., amtl. Kennzeichen K.. von der Beklagten zu 2. als Eigentümerin und Fahrzeugführerin des PKW R.. amtl. Kennzeichen F.., neben der ursprünglich ebenfalls in Anspruch genommenen A..versicherungs-AG mit ihrer am 14. bzw. 16.09.2016 zugestellten Klage gesamtschuldnerisch Zahlung von Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 28.05.2016 in Lauterbourg/Elsass. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 2. haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin befuhr die Route de Strasbourg, Rue du Général Mittelhauser, in 67630 Lautbourg/Elsass, als es zum Anstoß mit der linken Hintertür des in einer Parkbucht am rechten Straßenrand abgestellten PKW der Beklagten kam. Die Einzelheiten stehen zwischen den Parteien in Streit. Eine Unfallaufnahme durch die französische Polizei erfolgte nicht. Der französische Code de la Route enthält im 4. Buch ( L’usage des voies: Gebrauch der Straßen) im ersten Titel (Dispositions générales: Allgemeine Bestimmungen), Kapitel VII (Arret et stationnement: Halten und Parken) in Art. R 417-7 Abs. 1 eine Bestimmung, die sich mit dem Öffnen der Fahrzeugtür eines parkenden Fahrzeuges befasst und lautet: „Il est interdit a` tout occupant d´un véhicule a l´arret ou en stationnement d´ouvirir une portiere lorsque cette manoeuvre constitue un dangeer pour lui-meme ou les autres usagers.“ (“ Es ist jedem Insassen eines haltenden oder parkenden Fahrzeuges verboten, eine Fahrzeugtür zu öffnen, wenn diese Handlung eine Gefahr für diesen selbst oder für die anderen Verkehrsteilnehmer bildet.“)

Die Klägerin beziffert ihren Schaden aufgrund des Schadensgutachtens des Ingenieurbüros R.. vom 05.07.2016 (Blatt 6 ff der Akten) wie folgt:

Reparaturkosten netto € 3.661,55

Wertminderung € 200,00

Gutachtergebühren € 736,02

Kostenpauschale € 30,00

Gesamtschaden € 4.627,57

Auf die Bezifferung gegenüber der Schutzbriefversicherung mit Schreiben vom 07.07.2016 unter Fristsetzung zum 18.07.206 erfolgte keine Regulierung.

Die Klägerin begehrt daneben die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 492,54 (wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Blatt 3 der Akten Bezug genommen).

Die Klägerin trägt vor, als sie das Beklagtenfahrzeug passiert habe, sei plötzlich die hintere linke Tür von der Fahrzeugführerin aufgestoßen worden, die mit Wucht gegen die rechte Seite des Fahrzeuges der Klägerin geschlagen und hierdurch einen heftigen Streifschaden an dem Klägerfahrzeug verursacht habe. Der Unfall stelle für die Klägerin ein unabwendbares Ereignis dar.

Auf den Hinweis des Amtsgerichts zur fehlenden örtlichen Zuständigkeit hinsichtlich der Beklagten zu 1. hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.10.2016 die Klagerücknahme gegenüber der ursprünglich in Anspruch genommenen Beklagten zu 1. erklärt und beantragt zuletzt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 4.627,57 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 19.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Mahnanwaltsgebühren in Höhe von € 492,54 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 30.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und behauptet, sie habe sich, nachdem sie sich vergewissert habe, dass kein Fahrzeug auf der ……….gefahren sei, nach Öffnen der hinteren Fondtür ihres Fahrzeuges in das Fahrzeug hineingebeugt auf die Rücksitzbank, als in diesem Moment das Klägerfahrzeug beim Vorbeifahren mit seiner rechten Seite die leicht geöffnete Fondtür touchiert habe.

Die Klägerin habe keinen ausreichenden Seitenabstand eingehalten. Der Höhe nach müsse sich die Klägerin auf die Reparatur in der Referenzwerkstatt K.., die in einer Entfernung von 5,7 km liege, verweisen lassen, es handele sich um einen zertifizierten Fachbetrieb, sodass Nettoreparaturkosten allenfalls in Höhe von € 3.528,60 anfielen.

Das Amtsgericht hat die Klägerin und die Beklagte zu 2) persönlich gem. § 141 ZPO gehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W.. und M.. sowie eines mündlich erstatteten Gutachtens des Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. B.. (wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.12.2016, Blatt 73 ff. der Akten, Bezug genommen) und Einholung eines schriftlichen Rechtsgutachtens von Prof. Dr. E.. gemäß Beweisbeschluss vom 19.01.2017 zu den am Unfallort geltenden Sicherheits- und Verhaltensregeln (Blatt 102 ff. der Akten), wegen dessen Ergebnis auf das schriftliche Gutachten vom 22.02.2017 (Blatt 112 f. der Akten) Bezug genommen wird.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im zuletzt noch verfolgten Umfang teilweise begründet.

Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist nach §§ 12, 13, 35 ZPO i.V.m. Art 4 Abs. 1 EuGVVO örtlich und international („actor sequitur forum rei“, vgl. EuGH, Urteil vom 1. 3. 2005 – C-281/02 Owusu/Jackson u.a.) sowie gemäß § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. Art. 4 Abs. 2, Art. 17 Rom-II Verordnung, §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 1, 6, 14 StVO, § 823 Abs. 1, §§ 249 ff., ausgehend von dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz dem Grunde nach bei einer Haftungsquote von 50:50, da der streitgegenständliche Verkehrsunfall kein unabwendbares Ereignis für die Klägerin darstellt.

Nach Art. 4 Abs. 2 Rom-II Verordnung ist unter Anknüpfung an die lex domicilii communis der Unfallbeteiligten, die ihren gemeinsamen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben, für die Frage der Haftung deutsches Straßenverkehrsrecht unter Anwendung der Grundsätze der deutschen ZPO (lex fori) anzuwenden; Art 4 Abs. 1 (lex loci damni) ist hierzu nachrangig, eine Korrektur durch die Ausweichklausel nach Art. 4 Abs. 3 ist nicht geboten

Danach gilt, dass gegen denjenigen, der in ein Fahrzeug ein- oder ausgestiegen ist, ein Beweis des ersten Anscheins spricht, wenn sich der Verkehrsunfall in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Ein- bzw. Aussteigen ereignet hat (BGH DAR 10, 135 m.w.N., Musielak/Voit/ZPO Foerste ZPO 14. Auflage 2017 § 286 Rn. 24, 25). Diese Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO erfasst auch Situationen, in denen der Insasse eines Kfz sich in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das KFZ beugt (BGH a.a. O. ). Wer ein- oder aussteigt, oder die Tür öffnen will, hat hierbei den fließenden Verkehr vorher mit äußerster Sorgfalt zu beobachten und sich danach einzurichten. Diese Sorgfaltsanforderung gilt sowohl für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, als auch für alle Vorgänge, die im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- bzw. Aussteigenden. Entscheidend für den Anscheinsbeweis ist allein, dass sich der Unfall in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Vorgang des Ein- oder Aussteigens ereignet hat. Grundsätzlich tritt gegenüber einem Verstoß des Aussteigenden gegen seine Sorgfaltspflichten nach § 14 Abs. 1 StVO und den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins, dass er ohne ausreichende Rückschau oder in sonst unachtsamer Weise die Tür geöffnet hat, die einfache Betriebsgefahr des vorbeifahrenden Fahrzeugs gänzlich zurück. Der Aussteigende muss Außen- bzw. Innenspiegel sowie geöffnete Fenster zum Rück- und Umblick nutzen, bevor die Tür geöffnet wird (LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 14.01.2011 – 2 O 33/10 SVR 2011, 339 f.; AG Saarlouis, Urteil vom 13.10.2010 – 24 C 1917/09 SVR 2011, 184 ff.). Wenn eine Beobachtung des umgebenden Verkehrsraumes nicht ausreichend möglich ist, darf die linke Fahrzeugtür nur spaltweise (ca. 10-20 cm) geöffnet werden (KG, Beschluss vom 03.11.2008 – 12 U 185/08). Herrscht Fahrverkehr auf der Fahrbahnseite des haltenden oder parkenden Kraftfahrzeuges wie vorliegend, so gehört es zur Gefahrminderungspflicht des nach links hin Aussteigenden, dass er die Tür nicht länger als unbedingt nötig offen lässt und sich dort auch nicht länger als notwendig aufhält, da der fließende Verkehr aufgrund dessen Vorranges nicht vermeidbar behindert werden darf (OLG Braunschweig DAR 1963, 329). Der Kraftfahrzeugführer, der bemerkt, dass von hinten ein Fahrzeug naht, darf seine Tür nicht gefährdend öffnen und muss das Aussteigen nach links so lange zurückstellen, bis sich kein Verkehr mehr nähert, der gefährdet werden könnte. Trotz des Verstoßes gegen die Sorgfaltsanforderung durch den Türöffner kommt es in der Regel dann zu einer Mithaftung des Vorbeifahrenden bei nicht ausreichendem Seitenabstand. Bei Unklarheit, wann die Tür des haltenden Fahrzeuges geöffnet wurde, ist regelmäßig eine Haftungsverteilung von 50:50 geboten (OLG Rostock, SP 98, 455; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2012 – I – 1 U 149), denn auch beim Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen ist ein ausreichender Seitabstand einzuhalten, dessen Größe sich nach den Umständen richtet. Ein Seitenabstand von weniger als einem Meter ist jedenfalls dann zu gering, wenn auf dem Seitenstreifen neben der Fahrbahn ein PKW mit geöffneter Fahrzeugtür steht, in dem sich eine Fahrzeugführerin hineinbeugt, weil jederzeit mit einem weiteren Öffnen der Tür gerechnet werden muss (OLG Hamm, NZV 2004, 408). Ein Kraftfahrer darf beim Vorbeifahren an einem parkenden Fahrzeug nur darauf vertrauen, dass dessen Tür nicht plötzlich und überraschend weit geöffnet wird (Thüringer OLG NJW-RR 2009, 1248 f.; LG Mainz VersR 1983, 789). Mit einem geringen Öffnen der Tür muss er hingegen rechnen, da ein solches Fehlverhalten häufig vorkommt. Die Sorgfaltspflicht des § 14 StVO ist nicht auf solche Vorgänge beschränkt, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt. Denn die Norm stellt nicht auf das überraschende Öffnen einer Fahrzeugtür ab, sondern auf das Öffnen als solches. Den Vorbeifahrenden an parkenden Fahrzeugen trifft indes gemäß § 6 StVO die Verpflichtung, einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten. Dieser notwendige Mindestabstand richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Bei der dann vorzunehmenden Haftungsabwägung, § 17 StVG, kommt eine Mithaftung des Vorbeifahrenden von 20 % (LG Hannover NZV 1991, 36) bis hin zu 50 % (KG MDR 2006, 628; Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) Endurteil vom 01.09.2016 – 3a C 166/16) in Betracht, wenn das vorbeifahrende Fahrzeug den Umständen nach einen zu geringen Seitenabstand einhält. Der Regelabstand sollte grundsätzlich einen Meter betragen, § 6 StVO, bereits ein Seitenabstand von unter 50 cm stellt sich als zu berücksichtigender Mitverursachungs- und Verschuldensanteil dar.

Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO angegeben, dass sie die bereits geöffnete Tür am Fahrzeug der Beklagte erkannt habe und aufgrund Gegenverkehrs etwas weiter nach rechts gefahren und es zur Kollision mit der weiter geöffneten Tür gekommen sei. Den Zeitraum zwischen dem Heranfahren und dem weiteren Öffnen der Tür hat die Klägerin auf ein paar Sekunden und ihre Geschwindigkeit auf ca. 30 km/h geschätzt. Den von ihr eingehaltenen Seitenabstand schätzte sie vielleicht auf einen halben Meter.

Die Beklagte zu 2. hat gemäß § 141 ZPO angegeben, dass sie sich, nachdem sie sich vergewissert habe, dass von hinten kein Verkehr komme, sie ausgestiegen sei und die Tür hinten geöffnet habe, um Gegenstände herauszuholen. Die Tür habe sie ca. halb geöffnet, sie könne ausschließen, dass sie die Tür unmittelbar vor Kollision weiter geöffnet habe.

Der Zeuge W.. hat hierzu ausgesagt, dass die hintere Tür bis zum ersten Anschlag geöffnet worden sei und der Türöffnungswinkel unverändert auch im Zeitpunkt der Kollision bestanden habe. Die Kollision selbst habe er indessen nicht gesehen.

Der Zeuge M.. hat erklärt, dass die Beklagte zu 2) die Tür nur soweit aufgemacht habe, dass sie sich dazwischen stellen und in das Fahrzeug hineinlangen konnte. Die Kollision selbst habe er nicht gesehen.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. B.. hat hierzu in seinem mündlich erstatteten Gutachten nachvollziehbar und widerspruchsfrei ausgeführt, dass aufgrund der Beschädigungen an den beteiligten Fahrzeugen aus technischer Sicht nicht aufgeklärt werden könne, zu welchem Zeitpunkt die Tür bei dem Beklagtenfahrzeug geöffnet worden sei. Eine exakte Eingrenzung des Türöffnungswinkels sei anhand des Schadensbildes nicht möglich, es sei eine Streif- bzw. Abgleitkollision erfolgt. Die von der Klägerin genannte Geschwindigkeit von 30 km/h sei aus technischer Sicht möglich, jedoch nicht nachweisbar. Mit den vorgenannten Anknüpfungspunkten sei kein Nachweis möglich, dass der Unfall für die Klägerin unabwendbar gewesen sei, der von der Klägerin eingehaltene Seitenabstand habe maximal 35 cm zum Bordstein betragen.

Nach dem Vorgenannten steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme mit der zur Überzeugung des Amtsgerichts erforderlichen Überzeugung fest, § 286 ZPO, dass sich die Kollision mit der bereits geöffneten hinteren linken Fondstür des ordnungsgemäß in der Parkbucht abgestellten Beklagtenfahrzeugs bei nicht ausreichendem Seitenabstand durch das klägerische Fahrzeug ereignete. Dass das Unfallgeschehen unvermeidbar gewesen ist, hat die beweisbelastete Klägerin nicht bewiesen, vielmehr erscheint die Kollision bei Beachtung der nach § 6 StVO gebotenen Sorgfalt durch Einhaltung eines größeren Seitenabstandes bzw. der gebotenen Aufmerksamkeit, § 1 Abs. 1, Abs. 2 StVO als vermeidbar. § 17 Abs. 3 StVG verlangt, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. BGHZ 117, 337 ff.; BGH VersR 2006, 369 ff). Eine absolute Unvermeidbarkeit wird danach allerdings nicht gefordert. Auch der an den so genannten „Idealfahrer“ anzulegende Maßstab muss menschlichem Vermögen und den Erfordernissen des Straßenverkehrs angepasst sein. So gilt zwar auch für ihn in der Regel der Vertrauensgrundsatz, nach dem sich der Kraftfahrer in gewissem Umfang darauf verlassen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer sich sachgerecht verhalten, solange keine besonderen Umstände vorliegen, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu erschüttern (BGH NJW 1986, 183 ff.), die bereits geöffnete linke Fondstür hatte die Klägerin indes vor Kollision erkannt.

Nach dem Vorgenannten ist danach bei weiterer Unaufklärbarkeit des Verkehrsunfallgeschehens unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Unfallbeteiligten, § 1 Abs. 1, 2, § 6, § 14 StVO, und der nach § 17 Abs. 1 StVG gebotenen Abwägung eine Haftungsquote von 50:50 zugrunde zu legen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den nach Art. 4 Abs. 2 Rom-II Verordnung am Ort des haftungsbegründenden Ereignisses in der Republik Frankreich geltenden Sicherheits- und Verhaltensregeln nach der französischen Straßenverkehrsordnung. Aus der nach den widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. J.. geltenden Bestimmung R417-7 Abs. 1 des Code de la Route, 4. Buch, 1. Titel, Kap. VII, der die Anknüpfung an den Handlungsort (lex loci actus) zugrunde liegt und die nach Art. 17 Rom-II Verordnung für die Beurteilung der Haftung heranzuziehen ist, folgt nichts anderes. Ausgehend von der „local data“-Theorie (Ehrenzweig Buff.L.Rev.16 (1966), 55; Jayme GS Ehrenzweig, 1976, S. 35) verpflichtet Art. 17 Rom-II Verordnung ausweislich Art. 13 des Kommissionsentwurfes der Begründung des Kommissionsvorschlages von 2003 das erkennende Gericht lediglich dazu, die Sicherheits- und Verhaltensregeln als Tatsachen zu berücksichtigen, nicht aber, sie als Rechtsnormen anzuwenden. Hierbei gilt es, zwischen der Berücksichtigung fremden Rechts und seiner Anwendung zu unterscheiden: Das Gericht wendet ausschließlich das durch die Kollisionsnorm bezeichnete Recht an, vorliegend deutsches Haftungsrecht, muss aber fremdes Recht wie ein Sachverhaltselement berücksichtigen, zum Beispiel wenn es darum geht, zur Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes das Verschulden oder die Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Schädigers zu würdigen (Begründung zum Vorschlag der Kommission vom 22.07.2003 KOM (2003) 427 endg.S. 28). Soweit im Zusammenhang mit der Anknüpfung an den Handlungsort nach der sogenannten „Zwei-Stufen-Theorie des IPR“ die herkömmliche Bestimmung des anwendbaren Sachrechts mit Hilfe der Kollisionsnorm nur die erste Stufe des IPR darstelle und auf der zweiten Stufe der Rechtsanwendung sodann aber dem verdrängten ausländischen Recht Rechnung getragen werden müsse, indem es insbesondere bei der Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln berücksichtigt werde (Jayme aaO, S. 35 ff), so kann eine Entscheidung über eine Anwendung der von der herrschenden Lehre abgelehnten Theorie vorliegend dahinstehen. Denn im Ergebnis weichen bei einer gebotenen rechtsvergleichenden Betrachtung die Sicherheits- und Verhaltensregeln des französischen Code de la Route insoweit nicht evident von § 14 Abs. 1 StVO ab und andererseits gebietet der nach der lex fori anwendbare Beweis des ersten Anscheins der Sorgfaltspflichtverletzung des Türöffners, § 286 ZPO, unter Abwägung der Mitverursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten, §§ 17 Abs. 1, 18 StVG, auch unter Berücksichtigung der Gefährdungshaftung des Türöffners nach dem französischen Recht keine Korrektur etwa im Wege der Anpassung durch eine teleologischen Reduktion der deutschen Haftungsnormen auf Grund berechtigten Vertrauens der Prozessbeteiligten (vgl. Weller IPRax 2014, 225 ff m.w.N.; siehe hierzu auch Art.16 Rom-II VO). Eine Auseinandersetzung mit der Zwei-Stufen-Theorie könnte allenfalls dann geboten sein, wenn es zu einem Verkehrsunfall bei gemeinsamen Aufenthaltsort der Unfallbeteiligten in der Bundesrepublik Deutschland und evident abweichenden Verkehrsregeln am Handlungsort, wie z.B. dem Linksfahrgebot in Australien, ohne dass die Voraussetzungen der Ausweichklausel Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO gegeben sind, kommt.

Nach dem Vorgenannten ist danach für die Schadensersatzberechnung der Höhe nach eine Haftungsquote von 50:50 zugrunde zu legen (vgl. AG Frankenthal, Endurteil vom 01.09.2016 – 3a C 176/16, Beck RS 2016, 19408 m.w.N.).

Hinsichtlich der mit dem Schadensgutachten des Ingenieurbüro R… vom 05.07.2016 für erforderlich erachteten Instandsetzungskosten braucht sich die Klägerin nicht auf die durch die Beklagte genannte Referenzwerkstatt verweisen zu lassen, da es bereits an der hierfür erforderlichen substantiierten Darlegung der Gleichfertigkeit fehlt, hierfür gilt nicht das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO (AG Frankenthal, Endurteil vom 07.07.2016 – 3a C 170/15 Beck RS 2016, 16300 m.w.N.), da es sich nicht um eine „Eurogarant“-Werkstatt handelt.

Ausgehend von Instandsetzungskosten von € 3.661,55 netto sowie Gutachterkosten in Höhe von € 736,02 brutto neben einer Wertminderung von € 200,00 und einer im Bezirk des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) für erstattungsfähig erachteten Kostenpauschale in Höhe von € 25,00, 3 287 ZPO, ergibt dies einen insgesamt erstattungsfähigen Schaden in Höhe von € 2.311,28, §§ 249, 250, 251 BGB.

Die Klägerin hat daneben einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 334,75 (1,3 Geschäftsgebühr, §§ 2, 12, 13 RVG VV 2300 aus einem Gegenstandswert von € 2.311,28, € 263,30, zzgl. Auslagenpauschale VV 7001, 7002, € 20,00 sowie 19 % MwSt. € 53,45), § 251 BGB.

Die Zinspflicht folgt aus §§ 286 Abs. 1, 250, 288 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Hauptforderung seit 19.07.2016 und betreffend die Nebenforderung seit 31.07.2017.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 100 Abs. 1 i.V.m. § 92 analog, § 269 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 4.627,57 € festgesetzt.

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