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Haftungsausschluss minderjähriger Radfahrer – Kollision mit anhaltendem Fahrzeug

Ein achtjähriger Radfahrer stößt mit einem Auto zusammen und entfacht einen Rechtsstreit um die Haftung. Kann ein Kind in diesem Alter für einen Unfall verantwortlich gemacht werden? Ein Gericht musste entscheiden, ob die typischen Herausforderungen des Straßenverkehrs ein Kind überfordern können.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht verhandelte die Haftung eines achtjährigen Kindes nach einem Verkehrsunfall mit einem Auto.
  • Der Kläger verlangte Schadensersatz für Schäden am Fahrzeug.
  • Das Kind stieß mit dem Fahrrad gegen ein verkehrsbedingt haltendes Auto in einer 30er-Zone.
  • Der Kläger argumentierte, das Kind hätte die Verkehrssituation verstehen und vermeiden müssen.
  • Das Gericht bestätigte die Anwendung der Kinderschadenklausel gemäß § 828 Abs. 2 BGB.
  • Diese Klausel schützt Kinder unter zehn Jahren bei typischen Überforderungssituationen im motorisierten Verkehr.
  • Das Gericht entschied, dass die Vielzahl von Herausforderungen im Straßenverkehr für das Kind eine typische Überforderung darstellt.
  • Es wurde festgelegt, dass die Annäherung und die Geschwindigkeit des Autos das Kind überfordert haben.
  • Die Berufung des Klägers wurde als aussichtslos eingestuft, da keine Rechtsverletzung oder unzureichende Feststellungen vorlagen.
  • Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass keine typische Überforderungssituation vorlag.

Minderjährige Radfahrer: Haftung bei Verkehrsunfällen geklärt

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt für alle Verkehrsteilnehmer, unabhängig vom Alter. Allerdings werden Minderjährige im Straßenverkehr durch besondere Rechtsnormen geschützt. Gerade Radfahrer sind im Straßenverkehr besonders gefährdet, insbesondere bei Kollisionen mit anderen Fahrzeugen. Doch welche Haftung treffen Minderjährige bei einem Verkehrsunfall und welche Besonderheiten gelten für den Haftungsausschluss im Zusammenhang mit Radfahrenden?

Diese Fragen sind im aktuellen Rechtsstreit um einen Haftungsausschluss eines minderjährigen Radfahrers nach einer Kollision mit einem anhaltenden Fahrzeug wieder aufgekommen. In einem aktuellen Gerichtsurteil wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die konkreten Umstände des Unfalls eingehend geprüft. Die Entscheidung wirft ein Licht auf die komplizierte Frage der Haftung bei Verkehrsunfällen mit Minderjährigen. Im Folgenden soll der Fall vorgestellt und analysiert werden, um zu zeigen welche Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss Minderjähriger vorliegen müssen.

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Der Fall vor Gericht


Achtjähriger Radfahrer kollidiert mit Auto – Gericht sieht keine Haftung des Kindes

Der Fall eines achtjährigen Radfahrers, der mit einem anhaltenden Auto zusammenstieß, beschäftigte kürzlich das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein. Das Gericht musste entscheiden, ob das Kind für den entstandenen Sachschaden am Fahrzeug haftbar gemacht werden kann.

Am 22. April 2019 ereignete sich der Unfall in einer 30er-Zone mit Rechts-vor-Links-Regelung. Der achtjährige Beklagte fuhr mit seinem Fahrrad vom Gehweg auf die Fahrbahn, als sich der Kläger mit seinem Ford Fiesta von rechts näherte. Obwohl der Autofahrer bis zum Stillstand abbremste, prallte der junge Radfahrer gegen die vordere linke Seite des Fahrzeugs.

Schadensersatzforderung und Haftungsprivileg für Kinder

Der Autobesitzer forderte Schadensersatz in Höhe von 6.148,45 Euro. Diese Summe setzte sich aus den Reparaturkosten, einer Wertminderung des Fahrzeugs und den Kosten für ein Schadensgutachten zusammen. Zusätzlich verlangte er die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Das Landgericht wies die Klage jedoch ab. Es begründete seine Entscheidung mit dem Haftungsprivileg für Kinder nach § 828 Abs. 2 BGB. Diese Regelung besagt, dass Kinder zwischen sieben und zehn Jahren für Schäden bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht verantwortlich sind – es sei denn, sie handeln vorsätzlich.

Typische Überforderungssituation im Straßenverkehr

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Es betonte, dass für die Anwendung des Haftungsprivilegs entscheidend sei, ob sich eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht habe.

Das Gericht sah diese Voraussetzung als erfüllt an. Es argumentierte, dass die konkrete Verkehrssituation vom Kind verlangt hätte, Vorfahrtsregelungen, Geschwindigkeiten, Entfernungen und örtliche Gegebenheiten korrekt einzuschätzen. Diese Vielzahl an Herausforderungen begründe die typische Überforderungssituation.

Besonders betonte das Gericht, dass es nicht darauf ankomme, ob sich diese Überforderung konkret ausgewirkt habe oder ob das Kind aus anderen Gründen nicht in der Lage war, sich verkehrsgerecht zu verhalten. Entscheidend sei vielmehr die generelle Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit von Kindern durch das Gesetz.

Bedeutung für die Rechtspraxis

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein verdeutlicht die weitreichende Schutzwirkung des Haftungsprivilegs für Kinder im Straßenverkehr. Sie unterstreicht, dass bei Unfällen mit Kindern unter zehn Jahren eine differenzierte Betrachtung der Verkehrssituation erforderlich ist.

Für die Praxis bedeutet dies, dass Geschädigte bei Unfällen mit Kindern zwischen sieben und zehn Jahren in der Regel keine Schadensersatzansprüche durchsetzen können. Die Beweislast dafür, dass keine typische Überforderungssituation vorlag, liegt beim Geschädigten und ist in der Praxis kaum zu erfüllen.

Das Urteil stärkt damit den Schutz von Kindern im Straßenverkehr und verdeutlicht, dass die Gesellschaft das Risiko von Unfällen mit Kindern in diesem Alter grundsätzlich zu tragen hat. Es unterstreicht die Wichtigkeit, im Straßenverkehr besonders Rücksicht auf Kinder zu nehmen und mit unvorhersehbaren Situationen zu rechnen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt die weitreichende Schutzwirkung des § 828 Abs. 2 BGB für Kinder zwischen sieben und zehn Jahren im Straßenverkehr. Es genügt für die Anwendung des Haftungsprivilegs, dass eine typische Überforderungssituation durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs vorlag, ohne dass sich diese konkret ausgewirkt haben muss. Die Gesellschaft trägt somit grundsätzlich das Risiko von Unfällen mit Kindern dieser Altersgruppe, was die Bedeutung erhöhter Rücksichtnahme im Straßenverkehr unterstreicht.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil stärkt den rechtlichen Schutz für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren im Straßenverkehr erheblich. Wenn Ihr Kind in diesem Alter einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug verursacht, ist es in der Regel nicht haftbar zu machen. Entscheidend ist, dass eine typische Überforderungssituation vorlag, nicht ob Ihr Kind tatsächlich überfordert war. Als Eltern müssen Sie in solchen Fällen normalerweise keinen Schadensersatz zahlen. Autofahrer sollten sich bewusst sein, dass sie bei Unfällen mit Kindern dieser Altersgruppe die Kosten meist selbst tragen müssen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, in Wohngebieten und in der Nähe von Schulen besonders vorsichtig zu fahren.


FAQ – Häufige Fragen

Radfahren ist ein beliebtes Fortbewegungsmittel, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Doch die Haftung minderjähriger Radfahrer nach Verkehrsunfällen ist ein komplexes Thema. In unserer FAQ-Rubrik möchten wir Ihnen die wichtigsten rechtlichen Aspekte verständlich erklären und Ihnen so mehr Klarheit verschaffen.


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein minderjähriger Radfahrer bei einem Verkehrsunfall nicht haftet?

Fahrrad Kind Unfall
(Symbolfoto: anoushkatoronto – Shutterstock.com)

Die Haftung minderjähriger Radfahrer bei Verkehrsunfällen unterliegt besonderen rechtlichen Regelungen. Grundsätzlich gilt, dass Kinder unter sieben Jahren generell nicht für Schäden haften, die sie im Straßenverkehr verursachen. Dies ist in § 828 Abs. 1 BGB festgelegt und dient dem Schutz der Jüngsten, die die Gefahren des Straßenverkehrs noch nicht vollständig erfassen können.

Für Kinder zwischen sieben und zehn Jahren sieht das Gesetz in § 828 Abs. 2 BGB eine wichtige Ausnahme vor. Sie haften nicht für Unfälle mit Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen oder Schwebebahnen, es sei denn, sie haben den Schaden vorsätzlich herbeigeführt. Diese Regelung berücksichtigt, dass Kinder in diesem Alter zwar schon ein gewisses Verständnis für Verkehrsregeln entwickelt haben, aber oft noch überfordert sind, wenn es um die Einschätzung von Geschwindigkeiten und Entfernungen im motorisierten Verkehr geht.
Ein minderjähriger Radfahrer haftet also nicht, wenn er unter zehn Jahre alt ist und der Unfall im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug steht. Diese Haftungsprivilegierung gilt unabhängig davon, ob das Kind den Unfall verursacht hat oder nicht. Sie greift beispielsweise auch dann, wenn ein neunjähriges Kind auf seinem Fahrrad plötzlich die Fahrbahn kreuzt und ein Auto ausweichen muss.
Ab dem zehnten Lebensjahr wird die Situation komplexer. Hier kommt es darauf an, ob das Kind die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzt. Dies muss im Einzelfall geprüft werden und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Entwicklungsstand des Kindes und der konkreten Verkehrssituation.
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein (Az.: 7 U 38/24 vom 29.05.2024) hat die Rechtslage weiter präzisiert. Es befasste sich mit der Frage, ob ein minderjähriger Radfahrer haftet, wenn er mit einem verkehrsbedingt anhaltenden Fahrzeug kollidiert. Das Gericht betonte, dass auch in solchen Fällen die typischen Gefahren des motorisierten Verkehrs zum Tragen kommen können. Selbst wenn das Fahrzeug steht, kann die Situation für ein Kind unübersichtlich und überfordernd sein, sodass die Haftungsprivilegierung greift.
Für die Haftungsfreiheit eines minderjährigen Radfahrers ist also entscheidend, dass sich eine typische Überforderungssituation im Straßenverkehr realisiert hat. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn das Kind mit einem stehenden Fahrzeug kollidiert, da die Komplexität des Verkehrsgeschehens insgesamt berücksichtigt werden muss.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Regelungen nicht bedeuten, dass Kinder sich im Straßenverkehr nicht an Regeln halten müssen. Sie dienen vielmehr dazu, Kinder vor den finanziellen Folgen von Unfällen zu schützen, die auf ihre altersbedingte Unerfahrenheit zurückzuführen sind. Die Verantwortung für die Sicherheit im Straßenverkehr liegt primär bei den erwachsenen Verkehrsteilnehmern, die besondere Rücksicht auf Kinder nehmen müssen.
Eltern sollten dennoch nicht vergessen, dass sie eine Aufsichtspflicht haben. Wenn sie diese verletzen, können sie unter Umständen selbst haftbar gemacht werden. Es ist daher ratsam, Kinder schrittweise und altersgerecht an die Teilnahme am Straßenverkehr heranzuführen und ihnen die wichtigsten Regeln beizubringen.

Wie wird die typische Überforderungssituation von Kindern im Straßenverkehr rechtlich bewertet?

Die rechtliche Bewertung der typischen Überforderungssituation von Kindern im Straßenverkehr basiert auf § 828 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift sieht vor, dass Kinder zwischen 7 und 10 Jahren für Schäden bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen, Schienen- oder Schwebebahnen grundsätzlich nicht verantwortlich sind. Der Gesetzgeber hat diese Regelung eingeführt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Kinder in diesem Alter die komplexen Abläufe und Gefahren des motorisierten Verkehrs noch nicht vollständig erfassen und einschätzen können.
Die Rechtsprechung, insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH), hat den Begriff der „typischen Überforderungssituation“ näher konkretisiert. Demnach greift das Haftungsprivileg nur dann ein, wenn sich eine für Kinder charakteristische Überforderung durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat. Dies ist der Fall, wenn die Situation durch Schnelligkeit, Komplexität und Unübersichtlichkeit geprägt ist, die die Fähigkeiten eines Kindes übersteigen.
Entscheidend sind dabei Faktoren wie die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, die Verkehrsdichte, die Übersichtlichkeit der Verkehrssituation und die Reaktionszeit, die dem Kind zur Verfügung steht. Gerichte berücksichtigen auch, ob das Kind Entfernungen und Geschwindigkeiten richtig einschätzen konnte – eine Fähigkeit, die sich in der Regel erst ab dem zehnten Lebensjahr entwickelt.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder Unfall mit Beteiligung eines Kindes automatisch eine typische Überforderungssituation darstellt. Die Gerichte prüfen jeden Einzelfall sorgfältig. So hat der BGH klargestellt, dass auch Situationen im ruhenden Verkehr eine Überforderung darstellen können, wenn sie plötzlich eintreten und das Kind überraschen.
Ein anschauliches Beispiel für eine typische Überforderungssituation wäre ein Kind, das eine vielbefahrene Straße überqueren möchte. Die schnell fahrenden Autos, die Notwendigkeit, Geschwindigkeiten und Abstände einzuschätzen, sowie die Vielzahl der zu beachtenden Faktoren können das Kind leicht überfordern.
Die rechtliche Bewertung zielt darauf ab, Kinder vor den Folgen ihrer entwicklungsbedingten Defizite zu schützen. Gleichzeitig soll sie aber nicht zu einer generellen Haftungsfreistellung führen. Daher prüfen Gerichte genau, ob im konkreten Fall tatsächlich eine Situation vorlag, die die Fähigkeiten des Kindes überstieg.
Bei der Beurteilung spielen auch die individuellen Fähigkeiten des Kindes eine Rolle. Ein Kind, das regelmäßig im Straßenverkehr unterwegs ist und bereits eine gewisse Routine entwickelt hat, könnte unter Umständen anders bewertet werden als ein Kind mit weniger Erfahrung.
Die rechtliche Bewertung der Überforderungssituation hat weitreichende Konsequenzen für die Haftung und mögliche Schadensersatzansprüche. Wird eine typische Überforderungssituation bejaht, ist das Kind von der Haftung befreit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Geschädigte leer ausgeht – in solchen Fällen greifen oft Versicherungen ein.
Es ist zu beachten, dass die Haftungsprivilegierung nur für den motorisierten Verkehr gilt. Bei Unfällen zwischen Fußgängern oder Radfahrern gelten die allgemeinen Regeln des § 828 BGB, wonach Kinder ab 7 Jahren grundsätzlich deliktsfähig sind, sofern sie die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht haben.
Die rechtliche Bewertung der Überforderungssituation von Kindern im Straßenverkehr ist ein komplexes Thema, das von den Gerichten stets einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung aller Umstände vorgenommen wird. Sie dient dem Schutz der Kinder, ohne dabei die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer völlig außer Acht zu lassen.

Welche Rolle spielt das Alter des Kindes bei der Haftung für Verkehrsunfälle?

Das Alter eines Kindes ist ein entscheidender Faktor bei der Haftung für Verkehrsunfälle. Das Gesetz sieht hier differenzierte Regelungen vor, die dem Entwicklungsstand und der Einsichtsfähigkeit von Kindern Rechnung tragen.

Für Kinder unter sieben Jahren gilt ein umfassender Haftungsausschluss. Sie werden als deliktunfähig eingestuft und können für Schäden, die sie verursachen, nicht zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr.
Bei Kindern zwischen sieben und zehn Jahren greift eine besondere Schutzregelung für den fließenden Verkehr. Sie haften nicht für Unfälle mit Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen oder Schwebebahnen, es sei denn, sie haben den Schaden vorsätzlich herbeigeführt. Im ruhenden Verkehr können sie jedoch bereits ab dem siebten Lebensjahr haftbar gemacht werden.
Ab dem zehnten Lebensjahr ändert sich die rechtliche Situation grundlegend. Kinder in diesem Alter werden als fähig erachtet, die Gefahren des Straßenverkehrs zu erkennen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Sie können daher grundsätzlich für Unfälle haftbar gemacht werden, wobei ihre individuelle Einsichtsfähigkeit zu berücksichtigen ist.
Ein Beispiel verdeutlicht diese Regelungen: Ein neunjähriges Kind fährt mit seinem Fahrrad auf einen Pkw zu, der an einer roten Ampel wartet. Das Kind ist abgelenkt und prallt gegen das stehende Fahrzeug. In diesem Fall haftet das Kind nicht für den entstandenen Schaden am Auto, da es noch nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat und der Unfall im fließenden Verkehr geschah.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Haftungsregeln primär dem Schutz der Kinder dienen. Sie berücksichtigen, dass Kinder erst allmählich lernen, Gefahren im Straßenverkehr richtig einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren.
Die Verantwortung der Eltern spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie können für Schäden haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Allerdings wird nicht erwartet, dass Eltern ihre Kinder ständig beaufsichtigen. Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht richten sich nach dem Alter und der individuellen Entwicklung des Kindes sowie den spezifischen Umständen.
Für Autofahrer bedeuten diese Regelungen eine erhöhte Sorgfaltspflicht im Umgang mit Kindern im Straßenverkehr. Sie müssen besonders in der Nähe von Schulen, Kindergärten oder Spielplätzen mit unvorhersehbarem Verhalten von Kindern rechnen und ihre Fahrweise entsprechend anpassen.
Es ist zu beachten, dass trotz des Haftungsausschlusses für jüngere Kinder in vielen Fällen die Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters für Schäden aufkommt. Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer ausreichenden Versicherungsdeckung für alle Verkehrsteilnehmer.
Die rechtliche Behandlung von Kindern im Straßenverkehr spiegelt den Balanceakt zwischen dem Schutz der Kinder und der Förderung ihrer Selbstständigkeit wider. Mit zunehmendem Alter wird von Kindern mehr Verantwortung im Straßenverkehr erwartet, wobei der Gesetzgeber einen stufenweisen Übergang zur vollen Haftung vorsieht.

Was passiert, wenn ein minderjähriger Radfahrer einen Unfall mit einem anhaltenden Fahrzeug verursacht?

Bei einem Unfall zwischen einem minderjährigen Radfahrer und einem anhaltenden Fahrzeug spielen mehrere rechtliche Aspekte eine wichtige Rolle. Die Haftung hängt maßgeblich vom Alter des Radfahrers und den spezifischen Umständen des Unfalls ab.
Für Kinder unter 7 Jahren gilt ein genereller Haftungsausschluss. Sie können für Schäden, die sie verursachen, nicht verantwortlich gemacht werden. Dies gilt sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr.
Kinder zwischen 7 und 10 Jahren befinden sich in einer rechtlichen Grauzone. Im fließenden Verkehr sind sie grundsätzlich nicht haftbar, es sei denn, sie haben vorsätzlich gehandelt. Bei einem Unfall mit einem anhaltenden Fahrzeug könnte jedoch argumentiert werden, dass es sich um eine Situation im ruhenden Verkehr handelt. In diesem Fall könnten sie bereits ab 7 Jahren haftbar gemacht werden.
Ab dem Alter von 10 Jahren wird die Haftung des Kindes nach seiner Einsichtsfähigkeit beurteilt. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder in diesem Alter die Gefahren im Straßenverkehr grundsätzlich einschätzen können. Die Einsichtsfähigkeit wird im Einzelfall geprüft und hängt von der individuellen Entwicklung des Kindes ab.
Bei der rechtlichen Bewertung eines solchen Unfalls kommt es auf die genauen Umstände an. Wichtige Faktoren sind beispielsweise:
– War das anhaltende Fahrzeug ordnungsgemäß geparkt?
– Gab es Sichtbehinderungen?
– Wie hat sich der minderjährige Radfahrer verhalten?
– Hätte der Fahrzeughalter den Unfall vorhersehen und verhindern können?
Die Gerichte führen in solchen Fällen eine Abwägung nach § 9 StVG und § 254 BGB durch. Dabei werden die Verursachungsbeiträge beider Seiten gegeneinander abgewogen. Selbst wenn der minderjährige Radfahrer den Unfall verursacht hat, kann die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zu einer Mithaftung des Halters führen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Eltern nicht automatisch für die Handlungen ihrer Kinder haften. Eine Haftung der Eltern kommt nur in Betracht, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn sie ihr Kind ohne ausreichende Vorbereitung am Straßenverkehr teilnehmen lassen.
In der Praxis werden bei solchen Unfällen oft Gutachter hinzugezogen, um die Entwicklung und Einsichtsfähigkeit des minderjährigen Radfahrers zu beurteilen. Dies ist besonders relevant bei Kindern im Alter zwischen 7 und 14 Jahren, da in dieser Altersgruppe die individuelle Reife stark variieren kann.
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die Komplexität solcher Fälle: Das Oberlandesgericht München bejahte in einem Urteil die Einsichtsfähigkeit eines elfjährigen Kindes, das ohne zu schauen mit einem Fahrrad auf eine Straße fuhr. Das Gericht sah hier eine Mitverantwortung des Kindes für den Unfall.
Für die Beteiligten eines solchen Unfalls ist es ratsam, alle relevanten Informationen zu dokumentieren. Dazu gehören Fotos von der Unfallstelle, Zeugenaussagen und eine genaue Beschreibung des Hergangs. Diese Informationen können für die rechtliche Beurteilung und eventuelle Versicherungsansprüche von großer Bedeutung sein.

Welche Beweislast trifft den Geschädigten bei Unfällen mit minderjährigen Radfahrern?

Bei Unfällen mit minderjährigen Radfahrern trägt der Geschädigte grundsätzlich die Beweislast für die Haftungsvoraussetzungen. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der Ansprüche geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen muss.
Konkret bedeutet dies, dass der Geschädigte nachweisen muss, dass der minderjährige Radfahrer den Unfall schuldhaft verursacht hat. Dazu gehört insbesondere der Beweis, dass der Minderjährige die erforderliche Einsichtsfähigkeit besaß, um das Unrecht seiner Handlung zu erkennen.
Die Einsichtsfähigkeit wird bei Kindern ab dem vollendeten 7. Lebensjahr vermutet. Der Geschädigte muss also bei Kindern unter 7 Jahren zusätzlich beweisen, dass diese ausnahmsweise schon die nötige Reife besaßen, um die Gefährlichkeit ihres Handelns zu erkennen. Bei älteren Kindern kann sich der Beweis darauf beschränken, dass diese generell die Gefahren des Straßenverkehrs verstehen konnten.
Allerdings gelten im Straßenverkehr Beweiserleichterungen zugunsten des Geschädigten. So spricht der sogenannte Anscheinsbeweis bei typischen Verkehrsverstößen dafür, dass der Unfallverursacher schuldhaft gehandelt hat. Der Geschädigte muss dann nur den Verstoß als solchen nachweisen, nicht aber das konkrete Verschulden.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Beweislastumkehr nach § 828 Abs. 2 BGB. Demnach haften Kinder zwischen 7 und 10 Jahren nicht für Schäden, die sie bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug einem anderen zufügen. Hier muss ausnahmsweise der Geschädigte beweisen, dass das Kind doch schon die nötige Einsichtsfähigkeit besaß.
Bezüglich der Schadenshöhe muss der Geschädigte detailliert darlegen und beweisen, welche konkreten Schäden entstanden sind. Dies umfasst etwa Reparaturrechnungen, ärztliche Atteste oder Verdienstausfallbescheinigungen.
Bei der Frage einer möglichen Aufsichtspflichtverletzung der Eltern liegt die Beweislast ebenfalls beim Geschädigten. Er muss nachweisen, dass die Eltern ihre Pflichten verletzt haben, etwa indem sie ein zu junges Kind unbeaufsichtigt Fahrrad fahren ließen.
Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Beweiswürdigung die besonderen Umstände des Einzelfalls. So wird etwa beachtet, ob der Unfall an einer für Kinder besonders gefährlichen Stelle geschah oder ob besondere Witterungsverhältnisse herrschten.
Insgesamt stellt die Beweisführung bei Unfällen mit minderjährigen Radfahrern hohe Anforderungen an den Geschädigten. Er muss nicht nur den Unfallhergang, sondern auch die geistige Reife des Kindes und mögliche Aufsichtspflichtverletzungen der Eltern nachweisen. Die Gerichte wägen dabei sorgfältig zwischen dem Schutz der Kinder und den berechtigten Interessen der Geschädigten ab.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Haftungsprivileg für Kinder (§ 828 Abs. 2 BGB): Diese gesetzliche Regelung besagt, dass Kinder zwischen sieben und zehn Jahren für Schäden, die sie bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug verursachen, grundsätzlich nicht verantwortlich sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Kind vorsätzlich gehandelt hat. Das Haftungsprivileg berücksichtigt, dass Kinder in diesem Alter oft noch nicht die nötige Reife besitzen, um komplexe Verkehrssituationen richtig einzuschätzen.
  • Deliktsfähigkeit: Deliktsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, für einen verursachten Schaden rechtlich verantwortlich gemacht zu werden. Kinder unter sieben Jahren sind grundsätzlich deliktsunfähig, Kinder zwischen sieben und zehn Jahren nur eingeschränkt, insbesondere im Zusammenhang mit Unfällen im Straßenverkehr, wie im vorliegenden Fall. Ab dem zehnten Lebensjahr gelten strengere Maßstäbe.
  • Typische Überforderungssituation: Dieser Begriff beschreibt eine Verkehrssituation, die für Kinder aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung und Reife besonders schwer zu bewältigen ist. Eine typische Überforderungssituation liegt vor, wenn die Anforderungen des Straßenverkehrs, wie das Einschätzen von Geschwindigkeiten und Entfernungen, die Fähigkeiten des Kindes übersteigen. Das Gericht entschied, dass im vorliegenden Fall eine solche Überforderung gegeben war.
  • Rechts-vor-Links-Regel: Diese Regelung aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) besagt, dass an Kreuzungen und Einmündungen derjenige Vorfahrt hat, der von rechts kommt, sofern keine anderen Verkehrszeichen die Vorfahrt regeln. Im vorliegenden Fall näherte sich das Fahrzeug des Klägers von rechts und hatte somit Vorfahrt, was jedoch das Kind nicht beachtet hat.
  • Schadensersatz: Schadensersatz ist die Verpflichtung, den Schaden, den man einer anderen Person zugefügt hat, zu ersetzen. Der Kläger forderte Schadensersatz für die Beschädigung seines Fahrzeugs. Im vorliegenden Fall wurde jedoch entschieden, dass der minderjährige Radfahrer aufgrund des Haftungsprivilegs nicht schadensersatzpflichtig ist.
  • Beweislast: Die Beweislast bezeichnet die Pflicht, die zur Stützung eines Anspruchs erforderlichen Tatsachen zu beweisen. In Fällen von Haftung bei Verkehrsunfällen mit Kindern liegt die Beweislast beim Geschädigten. Er muss nachweisen, dass keine typische Überforderungssituation vorlag, um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 828 Abs. 2 BGB (Deliktsunfähigkeit von Kindern): Kinder unter sieben Jahren sind für verursachte Schäden nicht verantwortlich. Kinder zwischen sieben und zehn Jahren sind nicht verantwortlich, wenn sie bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug einen Schaden verursachen, es sei denn, sie handeln vorsätzlich. Im vorliegenden Fall war der Radfahrer zum Zeitpunkt des Unfalls acht Jahre alt und somit grundsätzlich nicht deliktsfähig. Es sei denn, er hätte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt, was nicht zur Debatte stand.
  • § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Im vorliegenden Fall forderte der Autofahrer Schadensersatz vom Jungen, da dieser durch den Zusammenstoß sein Eigentum (das Auto) beschädigt hatte.
  • § 106 StVG (Haftung des Halters): Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im vorliegenden Fall war der Kläger sowohl Fahrer als auch Halter des Fahrzeugs und machte daher seine Ansprüche auf Schadensersatz geltend.
  • § 8 StVO (Vorfahrt): An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht, wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen anders geregelt ist oder wenn es sich um eine abknickende Vorfahrtstraße handelt. Im vorliegenden Fall galt die Rechts-vor-Links-Regelung, was bedeutet, dass der Autofahrer Vorfahrt hatte.
  • § 2 Abs. 1 StVO (Grundsätze): Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Dieses grundlegende Gebot der Rücksichtnahme gilt für alle Verkehrsteilnehmer, unabhängig vom Alter. Im vorliegenden Fall wurde diskutiert, ob der Junge seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen war, als er auf die Straße fuhr.

Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 38/24 – Beschluss vom 29.05.2024


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I. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 6.148,45 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Haftung des beklagten Kindes für den Sachschaden an einem Kraftfahrzeug.

Der Kläger befuhr am 22.04.2019 mit seinem PKW Ford Fiesta den He.-Weg in G.. Der zum damaligen Zeitpunkt acht Jahre alte Beklagte befuhr mit seinem Fahrrad den Gehweg des W.M.-Stiegs. Es handelt sich um eine 30er-Zone mit „Rechts-vor-Links“-Vorfahrtregelung (§ 8 Abs. 1 S. 1 StVO). Im Kreuzungsbereich der beiden Straßen fuhr der Beklagte vom Gehweg auf die Fahrbahn, wo sich der Kläger mit seinem Fahrzeug von rechts näherte. Der Kläger bremste bis zum Stillstand ab, der Beklagte fuhr gegen die vordere linke Seite des klägerischen Fahrzeugs.

Der Kläger holte ein Schadensgutachten des C. vom 23.04.2019 ein, das Reparaturkosten in Höhe von 4.630,85 € netto sowie eine Wertminderung von 550,00 € auswies. Das Gutachten kostete 947,60 € .

Der Beklagte fährt seit der zweiten Klasse mit dem Fahrrad zur Schule sowie auf Feld- und Wiesenwegen. Er hat den Unfall vorgerichtlich so beschrieben, dass er auf die andere Straßenseite habe fahren wollen und „auf einmal“ sei das Auto da gewesen.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe verstehen können, dass er nicht ohne zu schauen über eine Kreuzung fahren dürfe. Eine Überforderungssituation sei nicht erkennbar. Die im Schadensgutachten aufgeführten Schäden seien unfallbedingt.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.148,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er könne sich auf die sog. „Kinderschadenklausel“ gemäß § 828 Abs. 2 BGB berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Schaden am klägerischen Fahrzeug könne dem Beklagten nicht zugerechnet werden. Dieser könne sich auf den Haftungsausschluss des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB berufen. Dieses Haftungsprivileg für Kinder greife nur dann nicht ein, wenn eine typische Überforderungssituation nicht vorliege. Dies habe der Geschädigte darzulegen und zu beweisen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass vorliegend keine typische Überforderungssituation vorliege. Es hätten sich vielmehr die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht. Die Verkehrssituation hätte es dem Beklagten bei ordnungsgemäßem Verhalten abverlangt, die Vorfahrtsituation, Geschwindigkeiten, Entfernungen und örtliche Gegebenheiten zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Diese Vielzahl von Herausforderungen begründet die typische Überforderungssituation. Dass der Beklagte möglicherweise nicht auf den Verkehr geachtet habe, zeige sein fehlendes Gefahrenbewusstsein.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft allein auf das Alter des Beklagten und seine Angabe zum Unfall abgestellt, ohne die konkrete Verkehrssituation zu berücksichtigen und zu begründen, worin die konkrete Überforderung gelegen habe. Nicht jede Situation im Straßenverkehr stelle für ein Kind eine typische Überforderungssituation dar. Nach der Rechtsprechung des BGH verlange die Haftungsprivilegierung, dass sich im Schadensfall eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht habe. Vorliegend habe eine übersichtliche und gängige Verkehrssituation zugrunde gelegen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

 

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.148,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen BGH-Rechtsprechung entgegen.

II.

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

Gemäß § 513 ZPO kann eine Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen. Beides liegt für die Berufung der Beklagten nicht vor.

Der Beklagte kann sich auf die Haftungsprivilegierung gemäß § 828 Abs. 2 BGB berufen. Danach ist, wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, den er bei einem Unfall u.a. mit einem Kraftfahrzeug einem anderen zufügt, nicht verantwortlich; dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Bundesgerichtshof verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat (vgl. BGH, Urteile des VI. Senates vom 30.11.2004, Az. VI ZR 335/03 und VI ZR 365/03; auch Urteil vom 21.12.2004, Az. VI ZR 276/03, Urteil vom 17.04.2007, Az. VI ZR 109/06 und Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 42/07, jeweils Beck-online). Dies bezieht sich insbesondere auf die für Kinder unter 10 Jahren schwierige Einschätzung von Geschwindigkeiten und Entfernungen (also Annäherungen) motorisierter Fahrzeuge. Abgelehnt hat der BGH eine Haftungsprivilegierung aufgrund dieser Vorschrift namentlich bei Schäden an geparkten Fahrzeugen, wobei eine grundsätzliche Differenzierung zwischen fließenden und ruhenden Verkehr nicht vorzunehmen ist. Bejaht hat der BGH die Anwendung des § 828 Abs. 2 BGB etwa bei einer Kollision eines achtjährigen Kindes auf dem Fahrrad mit einem verkehrsbedingt haltenden Kraftfahrzeug (BGH, Urteil vom 17.04.2007, Az. VI ZR 109/06). Die Leitsätze dieser Entscheidung lauten:

„Stößt ein achtjähriges Kind mit seinem Fahrrad auf Grund überhöhter, nicht angepasster Geschwindigkeit und Unaufmerksamkeit im fließenden Verkehr gegen ein verkehrsbedingt haltendes Kraftfahrzeug, das es nicht herankommen sehen konnte und mit dem es deshalb möglicherweise nicht rechnete, so handelt es sich um eine typische Fallkonstellation der Überforderung des Kindes durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Straßenverkehr. Darauf, ob sich diese Überforderungssituation konkret ausgewirkt hat oder ob das Kind aus anderen Gründen nicht in der Lage war, sich verkehrsgerecht zu verhalten, kommt es im Hinblick auf die generelle Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit von Kindern durch § 828 II 1 BGB (…) nicht an.“

In den Entscheidungsgründen (a.a.O., Rn. 10) führt der BGH weiter u.a. aus:

„Eine typische Gefahr des motorisierten Verkehrs kann auch von einem Kraftfahrzeug ausgehen, das im fließenden Verkehr anhält (d.h. seine Geschwindigkeit auf Null reduziert) und auf der Fahrbahn für das Kind ein plötzliches Hindernis bildet, mit dem es möglicherweise nicht gerechnet hat. Auch in einer solchen Fallkonstellation können altersbedingte Defizite eines Kindes im motorisierten Straßenverkehr, von denen die Fähigkeit zur richtigen Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten nur beispielhaft genannt sind, zum Tragen kommen. Insoweit ist der Streitfall nicht – wie das Berufungsgericht meint – mit den Fällen einer Kollision mit einem ordnungsgemäß parkenden Kraftfahrzeug vergleichbar, an dessen Stelle ebenso gut ein anderer Gegenstand stehen könnte, mit dem aber im fließenden Verkehr so nicht zu rechnen ist.“

Im vorliegenden Fall gilt nichts Anderes: Der Kläger hat am fließenden (motorisierten) Straßenverkehr teilgenommen und der Beklagte hat mit dem – für ihn – plötzlichen Auftauchen des Kraftfahrzeugs beim Überqueren der Kreuzung offenbar nicht gerechnet. Damit haben sich altersbedingte Defizite des Beklagten in Form unangepasster Geschwindigkeit und / oder Unaufmerksamkeit bzw. fehlende Bremsbereitschaft verwirklicht, womit sich die konkrete Verkehrssituation als typische Fallkonstellation der Überforderung des Kindes durch die Schnelligkeit, Komplexität und Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Straßenverkehr erweist.

Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat jedenfalls keine Umstände dargelegt, die die gebotene Typizität des Geschehens im Anwendungsbereich des § 828 Abs. 2 BGB entfallen ließen. Er hat im Kern lediglich damit argumentiert, dass der Beklagte ungeachtet seines Alters habe verstehen können, dass er nicht ohne die gebotene Aufmerksamkeit über eine Kreuzung fahren dürfe, und dass dies eine der ersten Regeln sei, die Kinder im Straßenverkehr lernten. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, spricht allerdings gerade die Verkennung der Situation und der Gefahrenlage wider – eigentlich – besseres Wissen für eine Überforderungssituation durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs. Gerade die Angabe des Beklagten, das Fahrzeug „sei auf einmal da“ gewesen, spricht deutlich dafür, dass er die Annäherung des Fahrzeugs nicht bemerkt und mit ihr nicht gerechnet hat. Würde man der klägerischen Argumentation folgen, liefe dies darauf hinaus, dass auf die Einsichtsfähigkeit des Kindes gemäß § 828 Abs. 3 BGB abzustellen wäre, und nicht – wie richtigerweise – gemäß § 828 Abs. 2 BGB darauf, ob sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat.

Nach allem hat die Berufung des Klägers nach einhelliger Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg.


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