AG Rendsburg – Az.: 49 C 72/19 – Urteil vom 11.07.2019
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 172 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung der … in Höhe von 259,13 Euro freizuhalten, Zug-um-Zug gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die ….
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 431,13 € festgesetzt.
Gründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages in Höhe von 172 Euro für restliche Mietwagenkosten sowie auf Freihaltung von 259,13 Euro aus den §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 257 BGB.
Dem Grunde nach steht die Einstandspflicht der Beklagten nach einem Verkehrsunfall am 14.05.2018 in … zwischen dem Kläger und einem bei der Beklagten versichertem Fahrzeug außer Streit.
Mietwagenkosten
In Streit stehen die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten restlichen Mietwagenkosten. Grundsätzlich hat der Geschädigte gegen den Schädiger bzw. dessen Kfz.-Haftpflichtversicherung Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für den Zeitraum der Reparatur des eigenen Fahrzeuges. Diese Kosten sind jedoch gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf die erforderlichen Kosten beschränkt.
Der Schädiger schuldet die Mietwagenkosten für den Zeitraum, der objektiv für die Reparatur bzw. bis zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich ist (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 442).
Eine Ausnahme ist nur bei Bagatellschäden anzuerkennen, deren Behebung vernünftigerweise kein Anlass dafür ist, den Wagen zu veräußern. In diesem Fall beschränkt sich der Anspruch auf die Mietwagen kosten auf den Zeitraum, der für die Reparatur erforderlich ist (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 442).
Ferner kann ein Aufschieben der Reparatur nach § 254 Abs. 2 BGB geboten sein, wenn das Fahrzeug noch verkehrstüchtig ist, die Reparatur momentan aber erheblich länger dauert als bei einer späteren Vornahme (zB augenblickliche Überlastung der Werkstatt oder Notwendigkeit, erst Ersatzteile beschaffen zu müssen) (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 254 Rn. 91). Hierfür sind vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich der Kläger als Geschädigter gegenständlich keine Abzüge an den Mietwagenkosten entgegenhalten lassen, weil die tatsächliche Reparaturdauer über die in dem Gutachten prognostizierte Reparaturdauer hinausging. Denn muss ein unfallgeschädigter Autofahrer länger auf die Reparatur seines Autos warten, als ein Sachverständiger prognostizierte, muss die gegnerische Versicherung diese höheren Mietwagenkosten dennoch tragen. Der Geschädigte hat lediglich einen begrenzten Einfluss auf die Werkstatt, so dass die Versicherung das Abwicklungsrisiko zu tragen hat. Den geschädigten Kläger trifft insbesondere auch keine Erkundigungspflicht bei Auftragserteilung, wie lange die Reparatur in Anspruch nehmen werde und ob bereits Verzögerungstatbestände abzusehen seien. Dies überspannt die Obliegenheiten, welche einem Geschädigten zugemutet werden können bei weitem (AG Weißenburg, Urteil vom 21. Januar 2016 – 2 C 473/15 -, Rn. 7, juris).
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen hat, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Solche hat die Beklagte auch nicht vorgetragen. Allein aus dem Umstand, dass die Reparaturvergabe an einem Montag hätte erfolgen können, lässt nicht den Schluss zu, diese hätte in einer kürzeren Zeit abgeschlossen werden können. Insoweit schließt sich das Gericht den Ausführungen der Klägerseite sowie denen des Amtsgerichts Weißenburg an, wonach der Kläger keinen Einblick in die geschäftlichen und terminlichen Abläufe der Werkstatt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Reparaturtermin klägerseits an einem Montag hätte vereinbart werden können, ergeben sich aus dem Beklagtenvortrag nicht. Insoweit ist das beklagtenseits angebotene Beweismittel des Sachverständigengutachtens nicht geeignet, hierüber Beweis zu erbringen.
Reparaturkosten
Auf die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens darf der Geschädigte in der Regel vertrauen, soweit nicht ein vor Reparaturbeginn vorgelegtes Gegengutachten erhebliche Zweifel erweckt (Palandt, 77. Auflage, Grüneberg, § 249, Rn. 12).
Gemäß § 249 II 1 BGB kann der Geschädigte den zur Herstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Schädiger danach die Aufwendungen zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGHZ 155, 1 = NJW 2003, 2086; BGHZ 160, 377 [383 f.] = NJW 2005, 51). Dabei wird der „erforderliche“ Herstellungsaufwand nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss (BGHZ 54, 82 [85] = NJW 1970, 1454; BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302). Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 II 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160). Denn bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 II 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. BGHZ 155, 1 = NJW 2003, 2086; BGHZ 132, 373 [376] = NJW 1996, 1958). Der Schaden ist deshalb subjektbezogen zu bestimmen (BGHZ 54, 82 [85] = NJW 1970, 1454; BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302). Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug – wie hier – reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der eingegangenen Reparaturkosten (vgl. BGH, NJW 1989, 3009 = VersR 1989, 1056; BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160). Diese „tatsächlichen“ Reparaturkosten können regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwands herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind (vgl. BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; OLG Stuttgart, OLG-Report 2003, 481 mwN; OLG Köln, OLG-Report 1992, 126; Kammer, Urt. v. 16.12.2011 – 13 S 128/11, BeckRS 2011, 29820; NJW-RR 2015, 478, beck-online).
Insoweit ist nach den oben dargelegten Grundsätzen der in Rechnung gestellte Betrag vollständig ersatzfähig. Die durch die Beklagte in Auftrag gegebene Rechnungsprüfung vom 28.06.2018 (Bl. 24 f. d.A.) kann zu keiner abweichenden Beurteilung führen.
Für die Reparatur des klägerischen Fahrzeugs hat die … der klagenden Partei mit Rechnungsstellung vom 13.06.2018 einen Betrag in Höhe von 3452,25 Euro in Rechnung gestellt (Bl. 20 f. d.A.). Das von der klagenden Partei eingeholte Sachverständigengutachten vom 24.05.2018 (Bl. 4 f. d.A.) wies Reparaturkosten in Höhe von 3.562,94 Euro auf. Die Beklagte zahlte einen Betrag in Höhe von 3194,12 Euro. Den bisher nicht ausgeglichenen Differenzbetrag in Höhe von 259,13 Euro hat die Beklagte zu tragen.
Die materiellen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 280, 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.