Nach einem Verkehrsunfall hat das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entschieden, dass UPE-Aufschläge von 10% regional üblich und gerechtfertigt sind. Der Kläger erhält zusätzliche 291,86 € und erhöhte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 540,50 €. Die richterliche Entscheidung basiert auf einer erneuten Überprüfung der Reparaturkosten und der Bestätigung der Marktüblichkeit der UPE-Aufschläge.
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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Ersatzteilaufschläge nach Verkehrsunfall: OLG klärt über Ersatzfähigkeit auf
- ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- ✔ Die Schlüsselerkenntnis in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
✔ Kurz und knapp
- Ersatzteilaufschläge (ET-Aufschläge) sind als Teil der fiktiven Reparaturkosten grundsätzlich ersatzfähig, wenn sie regional üblich und typischerweise von markengebundenen Fachwerkstätten erhoben werden.
- Das Gericht stellte fest, dass die regionale Mercedes-Werkstatt im Jahr 2021 einen ET-Aufschlag von 10% auf Ersatzteile verlangte.
- Der Geschädigte hat daher Anspruch auf Erstattung des zusätzlichen ET-Aufschlags von 10% auf den Ersatzteilwert.
- Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Geschädigten erhöhten sich aufgrund des Gebührensprungs infolge der höheren Schadensumme.
- Eine erneute Beweisaufnahme mit Einholung eines Obergutachtens war nicht erforderlich, da das Gericht die Ersatzfähigkeit des ET-Aufschlags anderweitig klären konnte.
- Die Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen war unzulässig, da der Ablehnungsantrag verspätet gestellt wurde.
Ersatzteilaufschläge nach Verkehrsunfall: OLG klärt über Ersatzfähigkeit auf
Verkehrsunfälle gehören leider zum Alltag auf unseren Straßen. Wenn es zu einem Unfall kommt, stellt sich für die Betroffenen oft die Frage, welche Kosten durch den Schaden entstanden sind und wer dafür aufkommen muss. Insbesondere die Berechnung der Reparaturkosten und etwaiger Wertminderungen kann sich als komplexe Angelegenheit erweisen.
Ein häufiger Streitpunkt ist dabei die Frage, ob sogenannte Ersatzteilaufschläge, die üblicherweise von Markenwerkstätten erhoben werden, als Teil des ersatzfähigen Schadens anzusehen sind. Die Gerichte haben sich in zahlreichen Urteilen mit dieser Thematik auseinandergesetzt und grundsätzliche Kriterien zur Beurteilung der Ersatzfähigkeit entwickelt.
Im Folgenden soll ein aktuelles Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vorgestellt und analysiert werden, das sich eingehend mit dieser Problematik befasst.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
Rechtsstreit um Ersatzteilzuschläge nach Verkehrsunfall
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits dreht sich um einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger, Halter eines Mercedes Benz E-220 D, beteiligt war. Der Unfall fand am 14. Februar 2021 statt, und die Haftung des Versicherungsnehmers der Beklagten war unstreitig. Es folgte eine umfassende Begutachtung der Schäden am Fahrzeug durch das Ingenieurbüro H., das Nettoreparaturkosten in Höhe von 13.467,91 € sowie eine Wertminderung von 1.500,00 € feststellte. Die Beklagte, vertreten durch die Versicherung, ließ dieses Gutachten jedoch überprüfen und kam zu deutlich geringeren Reparaturkosten. Daraus resultierte eine erste Zahlung von 7.755,92 € an den Kläger, gefolgt von weiteren Zahlungen, die die Beklagte jedoch nicht in voller Höhe des initial kalkulierten Schadens leistete. Daraus entstand eine rechtliche Auseinandersetzung um die verbleibenden Beträge und insbesondere um die Übernahme von UPE-Aufschlägen.
Entscheidung des Landgerichts und folgende Berufung
Das Landgericht K. fällte ein Urteil, das nur teilweise zugunsten des Klägers ausfiel. Es wurde entschieden, dass die Beklagte zusätzliche 711,51 € sowie anteilige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zahlen muss, während der Großteil der Forderungen abgewiesen wurde. Der Kläger legte daraufhin Berufung ein, da insbesondere die Nichtanerkennung der UPE-Aufschläge und die Höhe der Wertminderung umstritten blieben. Die Anwendung eines Sachverständigengutachtens und die damit verbundene Kalkulation der Schäden waren Kernpunkte des Disputs.
Überprüfung und Urteilsänderung durch das OLG
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein nahm sich der Berufung an und änderte das Urteil des Landgerichts ab. Es wurde entschieden, dass der Kläger zusätzlich zu den bereits geleisteten Zahlungen weitere 291,86 € sowie erhöhte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 540,50 € erhalten sollte. Diese Entscheidung beruhte auf der erneuten Überprüfung der Reparaturkosten und der Bestätigung, dass UPE-Aufschläge in der Tat regional üblich und gerechtfertigt waren.
Beweisaufnahme und rechtliche Bewertung
Die ergänzende Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung von Zeugen und die erneute Anhörung des Sachverständigen, spielte eine entscheidende Rolle. Die Aussagen und das vorgelegte Beweismaterial bestätigten, dass die ursprünglich vom Kläger geforderten UPE-Aufschläge angemessen und marktüblich waren. Dies führte zur teilweisen Abänderung des Urteils und zur höheren Bewertung der ersatzfähigen Reparaturkosten. Das Gericht wies die Berufung der Beklagten im Übrigen zurück und legte die Kostenverteilung für beide Rechtszüge fest, wobei der Kläger den überwiegenden Teil zu tragen hatte.
✔ Die Schlüsselerkenntnis in diesem Fall
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Ersatzteilaufschläge (UPE-Aufschläge) bei der fiktiven Schadensberechnung nach einem Verkehrsunfall dann ersatzfähig sind, wenn sie regional üblich und bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise erhoben werden.
Entscheidend für diese Beurteilung ist die konkrete Praxis in der jeweiligen Region, die durch entsprechende Beweismittel belegt werden muss. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger die regionale Üblichkeit der UPE-Aufschläge durch Zeugenaussagen und weitere Beweismittel erfolgreich belegen, was zur teilweisen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils führte.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen
Was sind UPE-Aufschläge und warum werden sie bei Fahrzeugreparaturen berechnet?
UPE-Aufschläge (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers) sind Preisaufschläge auf die von Fahrzeugherstellern empfohlenen Preise für Ersatzteile. Diese Aufschläge werden häufig von markengebundenen Fachwerkstätten erhoben, um die Kosten für die Lagerhaltung und den Beschaffungsaufwand von Originalersatzteilen zu decken.
Die Erhebung von UPE-Aufschlägen ist in der Automobilbranche üblich und wird betriebswirtschaftlich damit begründet, dass die Vorhaltung von Ersatzteilen Kapital bindet und somit einen Kostenfaktor darstellt. Zudem ermöglichen diese Aufschläge eine schnelle Verfügbarkeit der benötigten Teile, was insbesondere nach einem Unfall bei der Reparatur des Fahrzeugs von Bedeutung ist.
In der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall sind UPE-Aufschläge ein häufig diskutierter Punkt. Die Rechtsprechung in Deutschland erkennt grundsätzlich die Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen an, wenn die Reparaturkosten auf der Grundlage eines Gutachtens fiktiv abgerechnet werden und die Aufschläge in der Region üblich sind. Dies bedeutet, dass ein Geschädigter, der sein Fahrzeug nicht tatsächlich reparieren lässt, dennoch Anspruch auf Erstattung der UPE-Aufschläge haben kann, sofern diese üblicherweise in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten erhoben werden.
Die Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge wird nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten beurteilt. Dabei ist entscheidend, dass die Aufschläge von einem unabhängigen Kfz-Sachverständigen als regional üblich eingestuft werden.
Wie wird der Schaden an einem Fahrzeug nach einem Unfall bewertet?
Die Bewertung des Schadens an einem Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall erfolgt in der Regel durch ein Kfz-Schadengutachten, das von einem unabhängigen Kfz-Sachverständigen erstellt wird. Dieses Gutachten ist entscheidend für die Schadensregulierung mit der Versicherung und dient als objektive Grundlage zur Bestimmung des Schadensumfangs und der Reparaturkosten.
Ein Kfz-Schadengutachten umfasst typischerweise folgende Elemente:
Detaillierte Beschreibung der Fahrzeug- und Unfallschäden: Der Sachverständige dokumentiert alle sichtbaren und möglicherweise versteckten Schäden am Fahrzeug. Dazu gehören Karosserieschäden, mechanische Schäden und eventuelle Innenraumschäden.
Auflistung der Reparaturkosten: Der Gutachter schätzt die Kosten für die notwendigen Reparaturen, um das Fahrzeug wieder in den Zustand vor dem Unfall zu versetzen. Diese Kostenberechnung basiert auf aktuellen Marktpreisen für Ersatzteile und Arbeitsstunden.
Bewertung des Fahrzeugwerts vor und nach dem Unfall: Das Gutachten enthält eine Schätzung des Fahrzeugwerts vor dem Unfall sowie den verminderten Wert nach dem Unfall, um die Wertminderung zu bestimmen.
Fotografische Dokumentation: Fotos vom Unfallschaden sind ein wesentlicher Bestandteil des Gutachtens und dienen als Beweismittel bei möglichen Streitigkeiten mit der Versicherung.
Die Erstellung eines Kfz-Gutachtens nach einem Unfall ist besonders wichtig, da es die Basis für die Schadensregulierung bildet und sicherstellt, dass alle Schäden erfasst und angemessen bewertet werden. Es hilft auch, langwierige Auseinandersetzungen mit der Versicherung zu vermeiden und eine faire Entschädigung zu sichern.
In Fällen, in denen der Schaden gering ist und unterhalb einer bestimmten Kostenhöhe liegt, kann alternativ ein Kostenvoranschlag von einer Werkstatt ausreichend sein. Dieser sollte jedoch ebenfalls detailliert und mit fotografischer Dokumentation versehen sein, um bei der Schadensregulierung anerkannt zu werden.
Die Wahl des Sachverständigen sollte sorgfältig erfolgen, da dessen Unabhängigkeit und Qualifikation entscheidend für die Akzeptanz des Gutachtens bei der Versicherung und im Falle eines Rechtsstreits sind.
Was bedeutet fiktive Schadensabrechnung im Kontext von Verkehrsunfällen?
Die fiktive Schadensabrechnung ist eine Methode der Schadensregulierung im deutschen Verkehrsrecht, die es einem Unfallgeschädigten ermöglicht, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ohne dass das beschädigte Fahrzeug tatsächlich repariert werden muss. Diese Art der Abrechnung basiert auf einem unabhängigen Kfz-Gutachten, das die Höhe der Reparaturkosten festlegt, die für eine vollständige Instandsetzung der Unfallschäden notwendig wären.
Kernpunkte der fiktiven Schadensabrechnung:
Unabhängiges Gutachten: Ein von einem unabhängigen Sachverständigen erstelltes Gutachten ist erforderlich, um die Reparaturkosten objektiv zu beziffern.
Auszahlung ohne Reparatur: Der Geschädigte erhält die geschätzten Reparaturkosten von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ausgezahlt, ohne dass das Fahrzeug repariert werden muss.
Rechtliche Grundlage: Die fiktive Abrechnung ist im deutschen Schadensrecht verankert und ermöglicht es dem Geschädigten, den Schaden auf der Grundlage des § 249 Abs. 2 BGB zu liquidieren.
Einschränkungen und Bedingungen: Die Höhe der geltend gemachten Reparaturkosten darf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nicht um mehr als 30 Prozent übersteigen. Andernfalls könnte ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegen, bei dem andere Regeln gelten.
Die fiktive Schadensabrechnung bietet dem Geschädigten Flexibilität, da sie oder er nicht verpflichtet ist, das Fahrzeug tatsächlich reparieren zu lassen. Dies kann besonders vorteilhaft sein, wenn das Fahrzeug älter ist oder der Geschädigte die Reparaturkosten anderweitig verwenden möchte. Allerdings muss der Geschädigte bei der Wahl dieser Abrechnungsmethode darauf achten, dass das Gutachten alle notwendigen Kostenpunkte abdeckt und von der Versicherung des Unfallverursachers anerkannt wird.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB: Dieser Paragraph regelt die Art und Weise der Schadensersatzleistung nach einer Schädigung. Im spezifischen Kontext des Falles ist dieser Paragraph zentral, da er die Grundlage für die Berechnung des ersatzfähigen Schadens nach einem Verkehrsunfall bildet, einschließlich der Reparaturkosten und einer etwaigen Wertminderung. Hier wird besonders auf die Möglichkeit der fiktiven Schadensberechnung eingegangen, die es dem Geschädigten erlaubt, Schadensersatz auf Basis eines Kostenvoranschlags ohne tatsächliche Reparatur zu fordern.
- § 7 StVG: Dieser Paragraph besagt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden haftet, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen, solange keine Haftungsausschlussgründe vorliegen. Im Fallbeispiel ist die Haftung des Versicherungsnehmers der Beklagten nach diesem Gesetz als unstreitig anerkannt, was die Grundlage für die Schadensersatzansprüche des Klägers bildet.
- § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG: Dieser Paragraph behandelt die Pflichten des Versicherers gegenüber Dritten im Falle eines Haftpflichtschadens. Er ist relevant, da er die Regulierungspflichten der Haftpflichtversicherung der Beklagten gegenüber dem geschädigten Kläger nach dem Verkehrsunfall festlegt.
- § 406 Abs. 2 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Ablehnung von Sachverständigen wegen Befangenheit. Im konkreten Fall ist dieser Paragraph besonders wichtig, da die Objektivität des Sachverständigengutachtens angezweifelt und ein Ablehnungsantrag gestellt wurde. Die Regelungen zur Frist und den formalen Anforderungen eines solchen Antrags sind für die juristische Auseinandersetzung wesentlich.
- § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO: Diese Paragraphen regeln die Zinspflicht bei Zahlungsverzug. Im Kontext dieses Falles sind sie relevant für die Berechnung der Zinsansprüche des Klägers aufgrund verzögerter Zahlungen durch die Beklagte.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht – Az.: 7 U 40/23 – Urteil vom 29.08.2023
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts K. geändert und – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den vom Landgericht bereits ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 291,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2021 zu zahlen.
3. Von den Kosten für den ersten Rechtszug tragen der Kläger 82 % und die Beklagte 18 %. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen der Kläger 94 % und die Beklagte 6 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Fahrzeugs der Marke Mercedes Benz, E- 220 D (EZ 24.5.2017) mit dem amtlichen Kennzeichen OI- XX 100. Am 14.02.2021 kam es in K. zu einem Verkehrsunfall mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug. Die alleinige Haftung des Versicherungsnehmers der Beklagten ist unstreitig.
Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger holte zunächst ein schriftliches Gutachten des Ingenieurbüros H. ein. Danach beliefen sich die Nettoreparaturkosten auf 13.467,91 € und die verbleibende Wertminderung auf 1.500,00 €. Die Kosten des Sachverständigengutachtens betrugen 1.571,60 €. Die Beklagte ließ das Gutachten von der Firma X-Controlling GmbH überprüfen, die zu dem Ergebnis kam, eine Reparatur – zumal in einer nicht markengebundenen Werkstatt – werde lediglich 8.803,31 € kosten und die verbleibende Wertminderung könne mit 700,00 € abgegolten werden.
Nachdem die Beklagte zunächst 7.755,92 € (7.092,65 € + 663,27 €) an den Kläger gezahlt hatte, forderte dieser sie mit anwaltlicher E-Mail vom 10.06.2021 unter Fristsetzung bis zum 24.06.2021 vergeblich auf, weitere 9.770,46 € Schadensersatz und 973,66 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. In der Folgezeit leistete die Beklagte insgesamt an den Kläger 10.760,24 € (8.803,31 € Fahrzeugschaden + 700,00 € Wertminderung + 1.870,20 € (663,27 € + 1.236,03 €) Sachverständigenkosten + 20,00 € Kostenpauschale). Mit der Klage vom 27.8.2021 macht der Kläger den Restbetrag der vom Ingenieurbüros H. kalkulierten Nettoreparaturkosten, eine weitere Wertminderung von 800,00 € und eine restliche Kostenpauschale von 10,00 € geltend.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.474,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2021 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 818,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die vom Ingenieurbüros H. angesetzten Lackierkosten incl. Lackmaterial sowie Kosten für Ersatz- und Kleinteile seien übersetzt und um insgesamt 1.477,20 € zu kürzen. Die Wertminderung betrage maximal 700,00 €, die Auslagenpauschale sei mit 20,00 € ausreichend bemessen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing B. vom 11.07.2022 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2022 Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klagforderung nur in Höhe von 711,51 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € nebst Zinsen zuerkannt und im Übrigen die Klage mit einer Kostenquote von 87% : 13% zu Lasten des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Haftung der Beklagten aus gem. §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG dem Grunde nach unstreitig sei. Der gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ersatzfähige Schaden belaufe sich auf insgesamt 11.471,75 € und errechne sich wie folgt:
Reparaturkosten 9.375,15 + Wertminderung € 500,00 € + Sachverständigenkosten 1.571,60 € + Kostenpauschale 25,00 = insgesamt € 11.471,75 €. Abzüglich der von der Beklagten bereits geleisteten 10.760,24 € verbleibe ein noch zu zahlender Restbetrag von 711,51 €. Dabei hat das Landgericht die fiktiven Reparaturkosten auf Grundlage der Kalkulation des Sachverständigen B. auf 9.375,15 € geschätzt. Eine Erneuerung des linken Kotflügels und ein Austausch von Achsteilen sei nach den Feststellungen des Sachverständigen B. nicht erforderlich. Ein Ersatzteilaufschlag (ET-Aufschlag) sei nicht zu berücksichtigen. Die Firma S. – eine für den Kläger in zumutbarer Nähe befindliche Mercedes-Benz-Fachwerkstatt in K. – habe dem Sachverständigen auf dessen telefonische Nachfrage hin mitgeteilt, dass sie keine Ersatzteilzuschläge erhebe. Der von dem Privatgutachter H. kalkulierte Kleinteileaufschlag von 2 % sei – nach Einschätzung des Sachverständigen B. – normal und handelsüblich, der Lackiermaterialaufwand von 100 % sei jedoch überzogen und auf einen praxisüblichen, auf den Lackierlohn bezogenen Aufwand von 40 % zu kürzen. Die nach einer etwaigen Reparatur verbleibende Wertminderung schätzte das Landgericht auf Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen B. auf 500,00 €. Die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers richten sich nach dem Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens des Prozessbevollmächtigten. Am 10.06.2021 hatte die Beklagte bereits 7.755,92 € an den Kläger gezahlt, sodass noch eine berechtigte Forderung von 3.715,83 € (11.471,75 € – 7.755,92 €) bestanden habe. Auf dieser Grundlage errechneten sich Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € (1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale von 20,00 € und 19 % Mehrwertsteuer).
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das gerichtliche Sachverständigengutachten sei unbrauchbar. Der Sachverständige B. habe auf konkrete Nachfrage nicht einmal angeben können, mit wem er bei der Fa. S. gesprochen habe und ob diese Person entsprechend sachkundig und informiert gewesen sei. Das Landgericht hätte das beantragte Obergutachten einholen und insbesondere dem angebotenen Zeugenbeweis nachgehen müssen. Der gerichtliche Sachverständige Behrens werde deshalb nunmehr wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil wie folgt abzuändern:
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.474,60 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 25.06.2021 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. 818,20 € netto zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 25.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Seine gewonnenen Erkenntnisse habe der Sachverständige B. in seinem Gutachten vom 11.07.2022 und im Termin vor dem Landgericht K. am 15.11.2022 plausibel erläutert. Es dürfe und müsse davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige bei seiner telefonischen Nachfrage nach der Üblichkeit von UPE-Aufschlägen mit einem hierzu befugten Mitarbeiter verbunden wurde, der über die entsprechenden Kompetenzen verfügte. Einer entsprechenden Ablehnung des Sachverständigen stehe bereits § 406 Abs. 2 ZPO entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dipl. Ing. B. und durch Vernehmung des Zeugen J.S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.7.2023. Vergleichsbemühungen des Senats blieben ohne Erfolg.
Im Ergebnis hat der Senat das angefochtene Urteil geändert und – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den vom Landgericht bereits ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 291,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2021 zu zahlen.
3. Von den Kosten für den ersten Rechtszug tragen der Kläger 82 % und die Beklagte 18 %. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen der Kläger 94 % und die Beklagte 6 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Berufung des Klägers hat nur teilweise im tenorierten Umfang Erfolg. Eine komplette Wiederholung der Beweisaufnahme zu der streitigen Höhe der unfallbedingten Reparaturkosten mit der Einholung eines Obergutachtens (§ 412 ZPO) ist nicht erforderlich. Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist gem. §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG unstreitig.
1. Bereits mit der Ladungsverfügung vom 19.5.2023 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Ablehnungsantrag gegen den gerichtlichen Sachverständigen B. vom 11.4.2023 verspätet und damit unzulässig ist. Nach § 406, Abs. 2, Satz 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe für die Ablehnung aus dessen Gutachten, ist auf § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO abzustellen. Wenn sich der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens ergibt, endet in der Regel die Frist für die Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Absatz 4 ZPO (vgl. BGH vom 15.03.2005, VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869). Mit Verfügung vom 19.7.2022 (Bl. 141 GA) hatte das Landgericht eine entsprechende Stellungnahmefrist bis zum 19.8.2022 gewährt. Das Ablehnungsgesuch aus der Berufungsbegründung vom 11.4.2023 ist damit verspätet und unzulässig.
2. Ersatzfähigkeit von ET-Aufschlägen
Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten darf der Geschädigte, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, grundsätzlich die üblichen Ersatzteilkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 25.9. 2018, VI ZR 65/18, juris Rn. 13). Von einer Erstattungsfähigkeit wird ausgegangen, wenn sie regional üblich sind bzw. im Falle einer Reparatur in der Region bei (markengebundenen) Fachwerkstätten typischerweise erhoben werden (vgl. OLG München, r+s 2014, 471). Der Privatsachverständige G. (Ing.-Büro H.) hat in seinem Gutachten vom 3.6.2021 bei seiner Kalkulation übliche UPE-Aufschläge von 10 % berücksichtigt. In der ergänzenden Stellungnahme vom 9.9.2022 hat das Büro H. bestätigt, dass der v.g. UPE Aufschlag auch von der Fa. S. GmbH & Co KG in K. erhoben werde. Insoweit hatte sich der Kläger außerdem bereits im ersten Rechtszug (Schriftsatz vom 15.9.2022) auf das Zeugnis des Annahmeleiters der Fa. S. in K., den Zeugen J.S., berufen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nunmehr zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Firma S. auch im Jahr 2021 sog. „ET-Aufschläge“ (= Ersatzteilaufschläge) in Höhe von 10 % genommen hat. Dies hat der Zeuge J.S., der bereits seit 2016 als Serviceberater und KFZ-Meister bei der Firma S. arbeitet, glaubhaft bestätigt. Außerdem hat der Kläger eine Email der Assistentin der Geschäftsleitung der Fa. S. in K. (Frau R.) vom 9.6.2023 vorgelegt, in der bestätigt wird, dass im Mai 2021 der ET-Aufschlag bei der Firma 10 % betrug. Schließlich hat auch der Sachverständige Dipl. Ing. B. bei seiner ergänzenden Anhörung im Termin am 11.7.2023 eingeräumt, bei der Erstattung seines Gutachtens insoweit „offensichtlich einer Fehlinformation aufgesessen“ zu sein.
Ausweislich der Reparaturkostenschätzung des Sachverständigen B. gem. Gutachten vom 11.7.2022 ist der Wert der Reparaturersatzteile mit 2.918,62 € kalkuliert (vgl. S. 34 des Gutachtens). Dem Kläger steht insoweit – neben dem bereits vom Landgericht ausgeurteilten Betrag – ein weiterer fiktiver Schadensersatz in Höhe von 291,86 € zu (= 10 % von 2.918,62 €).
3. Die vom Landgericht ausgeurteilten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € (Wert: 3.715,83 €; 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale von 20,00 € und 19 % Mehrwertsteuer) erhöhen sich wegen des Gebührensprungs auf 540,50 € (Wert nunmehr 4.007,69 €; 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale von 20,00 € und 19 % Mehrwertsteuer). Zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens des Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.6.2021 hatte die Beklagte bereits 7.755,92 € an den Kläger gezahlt, sodass noch eine berechtigte Forderung von 4.007,69 € (11.763,61 ./. 7.755,92) bestand.
Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.