LG Essen – Az.: 15 S 3/16 – Beschluss vom 21.03.2016
Gründe
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer einstimmig beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen – Buer vom 07.12.2015 – 423 C 112/15 – durch Beschluss zurückzuweisen.
I.
Der Kläger begehrt seitens der Beklagten Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 24.02.2015 in Gelsenkirchen auf der Polsumer Straße ereignete und bei dem das Klägerfahrzeug, ein BMW 525d, einen Streifschaden beginnend an der Fahrertür über das hintere linke Seitenteil hin bis zum hinteren Stoßfänger erlitten hat, für den der Sachverständige N. Reparaturkosten von netto 3.582,31 € kalkulierte. Diese sind zzgl. der Sachverständigenkosten von 678,78 € und einer Unkostenpauschale von 25,00 € Gegenstand der Klagehauptforderung von insgesamt 4.286,09 €.
Abgesehen vom Streit über die Haftung dem Grunde nach, verweigern die Beklagten unter Verweis auf die Rechtsprechung in anderen Fällen jeglichen Schadensersatz, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, dass er die drei Vorschäden an seinem Fahrzeug, davon zwei u.a. auch im Heckbereich habe sach- und fachgerecht reparieren lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und in der Begründung die Frage der Haftung dem Grunde nach offen gelassen. Jedenfalls könne der Kläger keinen Schadensersatz geltend machen, weil er nicht schlüssig dargelegt habe, dass er den Vorschaden vom 15.04.2014 im Heckbereich ordnungsgemäß beseitigt habe.
Mit der Berufung rügt der Kläger die Rechtsanwendung, die unzureichende Auswertung der von ihm vorgelegten Reparaturbescheinigung des Sachverständige N. vom 19.05.2014 sowie des ebenfalls von ihm eingereichten Gutachtens des Dipl.-Ing. H… vom 22.10.2015 und die fehlende weitere Beweiserhebung des Amtsgerichts durch die unterlassene Vernehmung des klägerseits für die Durchführung der Reparatur des Schadens vom April 2014 benannten Zeugen D. K., der als gelernter Karosseriebauer länger als 5 Jahre in diesem Beruf in der Türkei gearbeitet habe, bevor der Kläger ihn in seinem Betrieb als Maler und Lackierer beschäftigt habe.
Der Kläger kommt mit der Berufung auf seine erstinstanzlich gestellten Anträge auf Zahlung von 4.286,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.04.2015 sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 492,54 € zurück.
II.
Die Berufung verspricht aus folgenden Gründen offensichtlich keinen Erfolg:
Das Amtsgericht Gelsenkirchen – Buer hat die Klage zu Recht vollumfänglich als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 4.286,09 € nebst geltend gemachter Verzinsung und auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung von 492,54 € an den Prozessbevollmächtigten des Klägers weder gegen den Beklagten zu 1 gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB, noch gegen die Beklagte zu 2 gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG i.V.m, § 115 VVG.
Das Amtsgericht hat zu Recht dahinstehen lassen, ob ein entsprechender Anspruch dem Grunde nach besteht. Denn der Kläger hat bei seinem mehrfach – vorne, hinten und an der Fahrerseite – vorgeschädigten Fahrzeug nicht schlüssig vorgetragen, dass diese Vorschäden, die sich im Bereich der linken Fahrzeugseite und links hinten mit den Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall decken, vor diesem sach- und fachgerecht instandgesetzt wurden, so dass eine ausreichende Tatsachengrundlage für eine vom Gericht im Rahmen des § 287 ZPO vorzunehmende Schadensschätzung nicht besteht. Es fehlt insbesondere die Grundlage dafür, dem klägerseits angebotenen Sachverständigenbeweis, dass die Reparaturkosten aus Anlass des streitgegenständlichen Unfallereignisses: entsprechend dem Gutachten des Sachverständige N. auf 3.582,31 € zu bemessen seien und dass die bei diesem Unfall entstandenen Schäden eindeutig und spezifiziert abgrenzbare neue Schäden im Verhältnis zum reparierten Vorschaden vom 18.04.2014 seien, nachzugehen, ohne den Sachverhalt in unzulässiger Weise auszuforschen.
Nach der vom Amtsgericht zutreffend zitierten laufenden obergerichtlichen Rechtsprechung des Kammergerichts, die nach den vom Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 27.07.2015, S. 3f zitierten Entscheidungen aus den Oberlandesgerichtsbezirken Hamm und Düsseldorf der Rechtsprechung in der hiesigen Region regelmäßig zu Grunde gelegt wird, obliegt es grundsätzlich dem Geschädigten, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug und das Ausmaß des unfallbedingten Schadens zunächst darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. exemplarisch KG, Beschluss vom 26.4.2007, 12 U 76/07 in: NZV 2007, 521, 522 oder KG u.Verw.a.Rspr.d.BGH r + s 2015, 571 (572)). Er kann selbst kompatible Schäden im Ergebnis nicht ersetzt verlangen, wenn jedenfalls nicht mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des § 287 ZPO auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind.
Im Interesse des Anspruchsgegners, damit dieser seinerseits substantiiert vortragen kann und sich nicht in Mutmaßungen ergehen muss, aber auch des Gerichts ist es von elementarer Bedeutung, insbesondere wenn durch das vorliegende Unfallereignis nach dem Privatgutachten erneut die Fahrerseite und das Heck betroffen ist, den Umfang von Vorschäden und der durchgeführten Reparaturarbeiten zu kennen, um ggf. – mit sachverständiger Hilfe – eine Abgrenzung vorzunehmen. Es ist so zu verlangen, dass zum Ausmaß von unstreitig vorhandenen und beseitigten Vorschäden klägerseits durch genaue Angabe der bei der Reparatur eingesetzten Ersatzteile, sowie zur Qualifikation des Reparateurs und den von ihm durchgeführten Arbeitsschritten vorgetragen wird. Die Reparaturbestätigung durch einen Sachverständigen, die sich auf eine äußerliche Instandsetzung bezieht, wie hier die Bescheinigung des Sachverständigen N. vom 22.04.2014 über die augenscheinliche Instandsetzung der hinteren linken Seitenwand, des Heckabschlussblechs und des Gepäckraumbodens, sowie den Ersatz des Stoßfängers und der Rückleuchten, ohne dass hierfür Quittungen vorgelegt werden oder dass mitgeteilt wird, ob es sich beim Ersatz um Neu- oder Gebrauchtteile gehandelt hat, sind in diesem Zusammenhang nicht ausreichend aufschlussreich. Auch die Benennung des für die Reparatur eingesetzten Mitarbeiters des eigenen Malerei- und Lackierbetriebes, der keine Kfz – Werkstatt ist, unter Schilderung dessen Qualifikation aber nicht des von ihm eingeschlagenen Reparaturweges ist insoweit unzureichend. Die Darlegung, dass Herr K. sich am Gutachten des Sachverständigen N. bei der Reparatur des Vorschadens orientiert habe, kann nur in diesem unpräzisen, nicht aussagekräftigen Sinn verstanden werden. Denn die Reparaturbestätigung des Sachverständigen N. vom 22.04.2014 macht deutlich, dass nicht genau nach dem Gutachten repariert wurde. Eine Vernehmung dieses Zeugen würde somit eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts bedeuten, wobei auch mit der Berufungsbegründung nicht die von ihm vorgenommenen Reparaturschritte und eingesetzten Ersatzteile benannt werden. Allein die Tatsache, dass der beim Unfall vom 15.04.2014 schwer beschädigte hintere Stoßfänger vor dem streitgegenständlichen Unfall offensichtlich ausgetauscht wurde, ist unter den gegebenen Umständen nicht genügend aussagekräftig um darauf eine Teilschadensschätzung zu stützen.
Es kann im Ergebnis nicht Aufgabe des Gerichts oder des gerichtlichen Gutachters sein, im Sinne des Klägers dessen Vortrag durch Ermittlung der in Wahrheit bestehenden Unfallschäden unter Ausgrenzung von etwaigen Altschäden, die nicht substantiiert mitgeteilt wurden, zu ermitteln. Denn insoweit bestehen bereits seitens der Kammer Zweifel, ob die Anwendung des für den Kläger günstigeren § 287 ZPO überhaupt der richtige Ansatzpunkt ist oder stattdessen die Beweisermittlung nicht nach dem strengeren § 286 ZPO erfolgen müsste, was dogmatisch näher liegend erscheint (vgl. auch Hörle, Entscheidungsbesprechung des OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. 2. 2008 – I-1 U 181/07 SVR 2008 Heft 6, 221). Denn wenn und soweit eine Schadensschätzung über § 287 ZPO auf die tatsächlich eingetretenen Schäden abzüglich etwaiger (nicht mitgeteilter) Altschäden ausnahmsweise doch vorgenommen wird, wird dadurch nach Auffassung des Gerichts zukünftigen Missbrauchsfällen Tür und Tor geöffnet. Denn im Kern hätte dann der Geschädigte die Möglichkeit, zunächst – zivilrechtlich weitestgehend sanktionsfrei – den Versuch einer überhöhten Abrechnung unter Berücksichtigung von Altschäden zu unternehmen, ohne dass es der Gegenpartei – abgesehen von Mutmaßungen – überhaupt möglich wäre, substantiiert zu Altschäden vorzutragen. Soweit dies scheitert und im Ergebnis sodann unter Anwendung des § 287 ZPO unter. Zuhilfenahme eines Gutachters anschließend eine Korrektur auf den tatsächlich unfallbedingten Schaden erfolgt, hat der Geschädigte jedenfalls keinen Nachteil, sondern wird durch gerichtliche Hilfe und Ausforschung noch belohnt (so überzeugend Hörle a.a.O.). Dies kann umso weniger überzeugen, als dass dann im Ergebnis die Gegenseite jedenfalls anteilig Kosten für ein regelmäßig einzuholendes Sachverständigengutachten übernehmen muss, welches alleine deshalb notwendig geworden ist, weil die darlegungs- und beweisbelastete Klägerseite ihren Pflichten nicht nachgekommen ist (LG Essen, Urteil vom 25. Juli 2012 – 20 O 8/12 -, Rn. 36f bei juris).
Auch die Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. H… vom 22.10.2015 für das Verfahren 9 C 517/14 des Amtsgerichts Gelsenkirchen kann den zu fordernden präzisen Vortrags des Klägers zur Reparatur des Vorschadens nicht ersetzen. Das Gutachten beschäftigt sich von seiner Fragestellung her nur damit, ob der Kläger für den Vorschaden vom 15.04.2014 zutreffend 9.959,18 € netto als Sachschadensersatz verlangen kann und mit den für den vorliegenden auf Reparaturkostenbasis abgerechneten Schadensersatzanspruch nicht interessierenden Wiederbeschaffungs- und Restwerten des Fahrzeugs am 15.04.2014. Schon der Sachverständige Dipl.-Ing. H… rügte in seinem Gutachten, dass ihm bei dem zum Zeitpunkt seiner Begutachtung am 11.09.2015 auch in Bezug auf den streitgegenständlichen Schaden reparierten Fahrzeug vom Kläger keine Unterlagen zu Ersatzteilen oder anderen Reparaturarbeiten vorgelegt werden konnten (s. 7 des Gutachtens).
Da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erfordern, beabsichtigt die Kammer eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege.
III.
Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.