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Beweislast für Stattfinden des behaupteten Verkehrsunfalls

LG Essen – Az.: 3 O 61/15 – Urteil vom 26.09.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz für einen angeblichen Verkehrsunfall vom 22.11.2014, 20.59 Uhr in Essen, Gelsenkirchener Straße.

Hierzu behauptet der Kläger, sein Sohn, der Zeuge … sei zum Unfallzeitpunkt mit dem im Eigentum des Klägers stehenden Pkw BMW, 5er-Reihe (…) unterwegs gewesen, und zwar auf der rechten der beiden Geradeausspuren der Gelsenkirchener Straße, Fahrtrichtung Altenessener Straße. Die linke Fahrspur werde dann zur Linksabbiegerspur. Der Beklagte zu 1) sei mit dem VW Transporter, das als Taxi unterwegs gewesen sei, auf die rechte Fahrspur hinüber gewechselt, ohne den Pkw des Klägers zu beachten. Hierdurch habe der Unfallgegner das gegnerische Fahrzeug in einem 45 Grad Winkel gerammt und sodann gegen einen am rechten Fahrbahnrand geparktes Fahrzeug gedrückt. Der Zeuge … habe trotz eines Bremsversuchs keine Möglichkeit mehr gehabt, das Unfallereignis zu verhindern. Der Beklagte sei unaufmerksam gewesen, er habe telefoniert.

Der Kläger macht folgende unfallbedingten Schäden geltend:

  • Reparaturkosten netto: 10.125,26 Euro.
  • Diesen Betrag korrigiert er im Laufe des Rechtsstreits unter Herausrechnung eines zunächst „vergessenen“ Altschadens auf einen Betrag in Höhe von 7.668,26 Euro.
  • Gutachterkosten: 1.833,08 Euro
  • Pauschale: 25,00 Euro
  • Nutzungsausfall: 533,00 Euro.

Hierzu trägt er vor, die fachgerechte Reparatur habe sieben Tage, nämlich vom 05.01. bis zum 12.01.2015 gedauert. Dabei setzt er für jeden Reparaturtag einen Nutzungsausfall von 79,00 Euro an.

Schließlich begehrt er Ersatz der Kosten für eine Reparaturbestätigung in Höhe von 132,69 Euro.

Eine erste Zahlungsaufforderung an die Beklagtenseite erfolgte unter dem 03.12.2014.

Mit Schreiben vom 22.12.2014 wurden die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 02.01.2015 zur Zahlung aufgefordert. Später erfolgte eine weitere Zahlungsaufforderung unter Berücksichtigung zusätzlicher Schadenspositionen mit Schreiben vom 23.01.2015 unter Fristsetzung bis zum 03.02.2015.

Der Beklagte begehrt auch den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 Euro.

Nach Teilrücknahme der Klage in Höhe von 2.357 Euro beantragt der Kläger,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 10.312,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 aus 9.626,34 Euro sowie seit dem 04.02.2015 aus weiteren 685,69 Euro zu zahlen,

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von Gebührenansprüchen seiner Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Vertretung in Höhe von 958,19 Euro freizustellen.

Die Beklagte zu 2) beantragt, zugleich für den Beklagten zu 1), die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Eigentum des Klägers an dem streitgegenständlichen Fahrzeug. Sie bestreitet darüber hinaus, dass das Unfallereignis überhaupt stattgefunden hat, wenn es stattgefunden hat, so sei es manipuliert gewesen.

Hierfür sprächen einige manipulationstypische Indizien. Es habe sich bei dem beschädigten Fahrzeug um einen hochwertigen BMW mit hohem Kilometerstand gehandelt, während es sich bei dem Unfallgegner um ein gebrauchtes Fahrzeug, zudem einen Firmenwagen, gehandelt habe. Das Unfallereignis selbst sei nicht plausibel angesichts des steilen Kontaktwinkels von 45 Grad bei einem Fahrspurwechsel. Darüber hinaus seien die verschiedenen Anstoßstellen, nämlich insgesamt drei, nicht unfallkompatibel, da allenfalls ein durchgehender Anstoß zu erwarten gewesen wäre.

Die Beklagte zu 2) bestreitet darüber hinaus, dass der Unfall fachgerecht instandgesetzt worden ist. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass es bereits instandgesetzte Vorschäden auf der linken Fahrzeugseite gegeben habe.

Unfallmanipulationstypisch sei auch die klare Haftungslage und der Umstand, dass fiktiv abgerechnet werde.

Der Zeuge … sei darüber hinaus mit dem Unfallbeteiligten … bekannt gewesen, was eine Legendenbefragung der Privatermittlerin … am 04.01.2015 ergeben habe.

Hinsichtlich der geltend gemachten Schäden im Einzelnen meint die Beklagte, dass auch eine Instandsetzung mit gebrauchten Fahrzeugteilen ausreichend gewesen wäre. Zudem sei ein Abzug unter dem Gesichtspunkt neu für alt vorzunehmen.

Das Gutachten sei unbrauchbar, mithin nicht zu erstatten, Anspruch auf Nutzungsausfall bestehe mangels Darlegung eines Nutzungswillens nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in den Akten Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen …, … und der Zeugin …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.12.2015 (Bl. 178 ff. d.A.), 12.05.2016 und 26.09.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Beweislast für Stattfinden des behaupteten Verkehrsunfalls
(Symbolfoto: New Africa/Shutterstock.com)

Es kann offen bleiben, ob hier tatsächlich, wie die Beklagte zu 2) meint, ein manipuliertes, weil abgesprochenes Unfallereignis vorgelegen hat.

Dem Kläger können Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis, die sich aus §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB, 115 VVG ergeben können, nicht zugesprochen werden, weil der Kläger bereits den Beweis nicht hat erbringen können, dass das streitige Unfallereignis überhaupt stattgefunden hat.

Hierfür ist der Kläger nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen der ZPO beweisbelastet, d.h., er muss zur vollen Überzeugung des Gerichts im Sinne von § 286 ZPO den Beweis führen, dass das Unfallereignis, aus welchem er Schadensersatzansprüche herleitet, tatsächlich stattgefunden hat.

Beruft sich insoweit der Unfallgegner auf eine Unfallmanipulation, so hat der Geschädigte nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung schlüssig darzulegen und zu beweisen. Er muss mithin nachweisen, dass der behauptete Unfall stattgefunden hat und dadurch der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Dem Schädiger bzw. dessen Versicherer obliegt dagegen die Beweislast dafür, dass es sich um einen vorgetäuschten oder verabredeten Unfall gehandelt hat, soweit zuvor der Nachweis des Vorliegens eines Unfalls erbracht worden ist (vgl statt vieler: Geigel, Kaufmann, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, Kap. 25, Rn 10, 249; OLG Hamm ZfSchR 2004, 68).

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sieht sich das Gericht im Rahmen der ihm nach § 286 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht in der Lage, festzustellen, dass der behauptete Unfall tatsächlich stattgefunden hat.

Der Beweis ist nur dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme, des Akteninhalts und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsache überzeugt ist und vernünftige Zweifel ausgeräumt sind (vgl. u.a. Musilak/Förste, ZPO, 7. Auflage, § 286 Rn. 19 m.w.N.).

Vorliegend ergeben sich die Zweifel an der Richtigkeit des klägerischen Vortrags zu dem geltend gemachten Unfallgeschehen vom 22.11.2014 daraus, dass die beiden vom Kläger benannten Zeugen Unfallschilderungen darlegen, die in wesentlichen Aspekten nicht übereinstimmen, ohne dass es eine Erklärung dafür gibt, wieso es zu solchermaßen konträren Unfallschilderungen kommen konnte.

So hat der Zeuge …, Sohn des Klägers und Fahrer des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt, das Unfallgeschehen so geschildert, dass aufgrund des Fahrstreifenwechsels des Fahrzeugs der Beklagten es zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen ist, mit der weiteren Folge, dass sich das klägerische Fahrzeug mit dem am rechten Fahrbahnrand abgestellten Pkw Polo verkeilt hatte.

Diese Situation soll nach seiner Aussage so heftig gewesen sein, dass es seinem Beifahrer, dem Zeugen …, gar nicht mehr gelungen sei, auf der Beifahrerseite auszusteigen. Er habe tatsächlich das Fahrzeug durch die Fahrertür verlassen müssen.

Demgegenüber erklärte der Zeuge …, er könne gar nicht mehr sagen, ob bzw. wie die Fahrzeuge beschädigt worden sind. An eine Beschädigung eines geparkten Fahrzeugs hatte er keine Erinnerung mehr und hat bekundet, er habe ganz normal auf der Beifahrerseite aussteigen können.

Sollte es aber tatsächlich so gewesen sein, dass der Zeuge …, wie … es schildert, nicht auf der Beifahrerseite aussteigen konnte, so ist das ein Umstand, der dem Zeugen … hätte im Gedächtnis bleiben müssen, da es schon eine ungewöhnliche Unfallkonstellation ist, wenn die eine Fahrzeugtür aufgrund eines Verkeilens von Fahrzeugen nicht mehr zu öffnen ist und man deshalb das Fahrzeug auf der anderen Seite verlassen muss.

Ein Erklärungsversuch, wie es zu solchermaßen abweichenden Aussagen zu einem unkomplizierten Unfallereignis kommen konnte, gibt es von Seiten des Klägers nicht.

Auch dem Gericht erschließt sich diese unterschiedliche Unfallschilderung nicht. Der Unfall vom 22.11.2014 war auch im Verhältnis zur Beweisaufnahme, nämlich Dezember 2015 und Mai 2016 nicht so lange her, dass zu erwarten gewesen wäre, dass allein durch den Zeitablauf Erinnerungslücken bei dem ein oder anderen Zeugen vorhanden gewesen sind. Geltend gemacht haben beide Zeugen so etwas auch nicht. Aufgrund dieser nicht aufklärbaren Ungereimtheiten in der Aussage der beiden Zeugen, die die Unfalldarstellung des Klägers bestätigen sollten, sieht sich das Gericht nicht in der Lage, der Person des einen oder des anderen Zeugen zu folgen. Dabei war zu berücksichtigen, dass sich die Aussage der Zeugen auch in dem dem Unfall vorangegangenen Geschehen widersprachen. Während der Zeuge … erklärt hat, er sei gemeinsam mit … in der Stadt gewesen, wo man etwas getrunken habe und dann dort weggefahren, wobei er, …, den … habe absetzen wollen, schildert der Zeuge … die Geschichte so, er sei von … im Cafe angesprochen worden, er, …, müsse jemanden abholen, ob der … mitkommen wolle.

Auch diese unterschiedliche Schilderung des dem Unfall vorhergehenden Geschehens lässt den Schluss zu, dass es jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass die Zeugen ein Gesamtgeschehen schildern, das so tatsächlich nicht stattgefunden hat.

Daraus wiederum folgt, dass sich das Gericht nicht in der Lage sieht, auch nur die Richtigkeit eines Mindesttatbestandes zum Unfall verbindlich festzustellen und dies der weiteren rechtlichen Begutachtung des Falls zu Grunde zu legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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