Skip to content
Menü

Aufklärungsobliegenheit – Nachtrunk bei einem Verkehrsunfall

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 120/19 – Beschluss vom 17.04.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 27.08.2019, Az. 7 O 12/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Kaskoversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Kaskoversicherung im Tarif „Optimal“ mit einer Selbstbeteiligung von 500,- €.

Dem Vertragsverhältnis liegen die AKB mit Stand zum 01.07.2018 (Anlage B 1) zu Grunde. Darin heißt es u.a.:

„E.1 Welche Pflichten haben Sie im Schadensfall?

E.1.1 Bei allen Versicherungsarten

Aufklärungspflicht

E.1.1.3 Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

– Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartezeit zu beachten (Unfallflucht).

– …

E.2 Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?

Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung

E.2.1 Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1.1 bis E.1.8 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie eine Ihrer Pflichten grob fahrlässig, sind wie berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

….

E.2.2 Abweichend von E.2.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.“

Am 02.08.2018 schloss der Kläger mit der … GmbH einen Leasingvertrag über das Fahrzeug … T-Modell (AH Kläger, S. 35 ff.). Das Fahrzeug verfügt über verschiedene Betriebsmodi, u.a. den Race- und den Sportmodus.

Am 30.09.2018 gegen 4.00 Uhr befuhr der Kläger als Fahrer mit seinem Bruder als Beifahrer die …-Straße in … in Fahrtrichtung …. In Höhe des Imkerwegs geriet der Kläger in einer Linkskurve ins Schleudern, kam anschließend nach links von der Fahrbahn ab und in einer Wiese zum Stehen. Hierbei beschädigte der Kläger mit seinem Fahrzeug eine Gartenmauer, einen Betonpfosten und ein Verkehrsschild. An dem Verkehrsschild entstand ein Schaden in Höhe von 400,- €. Gegen 11.15 Uhr desselben Tages begab sich der Kläger zur Polizeidienststelle, wo eine Atemalkoholkontrolle einen Wert von 0,65 mg/l ergab. Gegenüber dem Polizeibeamten gab der Kläger an, bei der Fahrt auf Bitten seines Bruders den Race-Modus am Fahrzeug aktiviert und nach dem Unfall, unmittelbar vor seiner polizeilichen Vernehmung, drei doppelte Jägermeister getrunken zu haben.

Mit Rechnung vom 20.11.2018 stellte die Leasinggesellschaft dem Kläger aus der Vertragsabrechnung 43.902,61 € in Rechnung (Anlage K 8).

Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich zur Regulierung des Kaskoschadens auf. Mit Schreiben vom 30.01.2019 lehnte die Beklagte eine Schadensregulierung wegen einer Alkoholisierung des Klägers ab (Anlage K 1). Auf das Anwaltsschreiben des Klägers vom 06.02.2019 unter Hinweis darauf, dass sich aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte kein Hinweis auf ein Führen des Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss ergeben habe, lehnte die Beklagte eine Regulierung des Schadens unter Hinweis darauf ab, dass der Kläger die Unfallstelle unerlaubt verlassen habe (Anlage K 3). In der Folge wurden mit Verfügung vom 19.02.2019 die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (Staatsanwaltschaft Mosbach, Az.: 25 Js 6742/18) gegen den Kläger eingestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 20.02.2019 (Anlage K 4) forderte der Kläger die Beklagte erneut zur Zahlung des Kaskoschadens unter Fristsetzung bis zum 27.02.2019 auf. Mit Schreiben der Beklagten vom 19.03.2019 lehnte die Beklagte endgültig die Regulierung des Schadens ab (Anlage K 6).

Der Kläger hat vorgetragen:

Er sei berechtigt, den Kaskoschaden geltend zu machen. Er habe circa 20 Minuten an der Unfallstelle gewartet, ohne dass zur Feststellung bereite Personen anwesend gewesen seien. Er sei nicht alkoholisiert gefahren, sondern habe erst nach dem Unfall Alkohol aufgrund eines Unfallschocks konsumiert.

Die AKB seien im Sinne des StGB auszulegen, wonach ein bedeutender Fremdschaden für das Vorliegen einer Verkehrsunfallflucht im Sinne von § 142 StGB vorausgesetzt sei. Es fehle an der Entstehung eines Fremdschadens von bedeuteten Wert. Im Übrigen bestehe auch keine Verpflichtung zur Selbstanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden. Vom Kläger sei der Kausalitätsgegenbeweis geführt worden, da er nicht alkoholisiert gefahren und der Verkehrsunfall aufgrund anderer versicherter Umstände eingetreten sei.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43.402,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.03.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.706,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.02.2019 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Kläger und sein Bruder hätten noch an der Unfallstelle gegenüber einer Zeugin angegeben, dass sie alkoholisiert seien. Auch aus der um 11.15 Uhr entnommenen Atemalkoholprobe lasse sich auf eine Alkoholisierung zum Fahrzeitpunkt zurückrechnen. Der Kläger habe bei der Fahrt den sogenannten „Race-Modus“ aktiviert, was eine Obliegenheitsverletzung des Klägers darstelle. Der Kläger habe bei dem Unfallgeschehen bedeutenden Fremdschaden verursacht. Er habe hierbei bewusst die Unfallstelle verlassen, um auszunüchtern. Dadurch habe er Feststellungen zu seinem körperlichen Zustand, insbesondere zu seiner Fahrtüchtigkeit, vereitelt. Die Beklagte sei deshalb auch wegen einer Obliegenheitsverletzung in Gestalt der Verkehrsunfallflucht leistungsfrei. Darüber hinaus ergebe sich die Leistungsfreiheit der Beklagten aus dem vom Kläger eingeräumten Nachtrunk.

Der Kläger sei, nachdem es sich um ein Leasingfahrzeug handele, schon nicht berechtigt, Zahlung der Versicherungsleistung an sich zu verlangen. Im Übrigen sei sie leistungsfrei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles in alkoholisiertem Zustand sowie wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers in Gestalt der Verkehrsunfallflucht und des Nachtrunks. Darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Anspruch auf den Bruttobetrag, da er vorsteuerabzugsberechtigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung des Klägers die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers in Gestalt des Nachtrunks leistungsfrei (§ 28 Abs. 2 VVG i.V.m. E.1.1.3, E.2 AKB). Der Nachtrunk stelle in der Kaskoversicherung eine Obliegenheitsverletzung dar, wenn Dritte zu Schaden gekommen seien. Das sei hier der Fall, da bei dem Unfallereignis ein Fremdschaden an dem im Privateigentum stehenden Zaun und der Mauer entstanden sei sowie ein Schaden an öffentlichem Eigentum in Gestalt des Verkehrsschildes. Selbst wenn ein Fremdschaden nicht vorliege, stelle der Nachtrunk eine Obliegenheitsverletzung dar, wenn er in der Erwartung eines bevorstehenden polizeilichen Eingreifens in der Absicht erfolge, eine zum Unfallzeitpunkt bestehende Alkoholisierung zu verschleiern. Auch diese Voraussetzung sei erfüllt. Bei einer Gesamtwürdigung der Indizien und der Angaben des Klägers sei das Landgericht davon überzeugt, dass der Kläger allein aus dem Grund Alkohol nach dem Unfall zu sich genommen habe, um Feststellungen zum Grad seiner Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt zu erschweren bzw. zu verschleiern. Den Kausalitätsgegenbeweis habe der Kläger nicht geführt. Dieser sei schon nicht schlüssig dargelegt. Soweit sich der Kläger auf Zeugenbeweis dafür berufen habe, dass er zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor dem Unfall nicht wahrnehmbar alkoholisiert gewesen sei, sei dieser Beweis ungeeignet, da Zeugen nicht mit der gleichen Sicherheit und Eindeutigkeit wie eine direkt nach dem Unfall erhobene Blutprobe Aufschluss über den Grad der Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt geben könnten.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, die er wie folgt begründet:

Das Landgericht habe bei der Feststellung einer Verschleierungsabsicht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger durchgängig für den Abend Zeugen benannt habe, die bestätigten könnten, dass er keinerlei Alkohol konsumiert habe. Auch für die Zeit nach dem Eintritt des Schadensfalls habe er den Taxifahrer als Zeugen für die Behauptung benannt, dass dieser keinerlei Alkoholgeruch bei dem Kläger festgestellt habe. Mit der Vernehmung dieses Zeugen könne der Kläger den Kausalitätsgegenbeweis führen. Das Landgericht verkenne im Übrigen, dass auch bei einer Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt nicht automatisch eine Leistungsfreiheit oder -kürzung eintrete, sondern nur bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadensfalls aufgrund der Alkoholisierung.

Der Kläger beantragt:

Auf die Berufung wird das Urteil des LG Mosbach vom 30.07.2019, Az 7 0 12/19, zugestellt am 28.08.2019 abgeändert, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 43.402,61 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.03.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 1.706,94 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.02.2019 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Ergänzend wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Kläger ist als Versicherungsnehmer auch im Hinblick auf die Rechte der Leasinggeberin als versicherte Person (A.2.3 AKB) nach § 45 Abs. 1 VVG prozessführungsbefugt (§ 45 Abs. 1 VVG). Dabei handelt es sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft (Beckmann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 45 Rn. 11). Aufgrund der Ermächtigung in X.4. der AGB des Leasingvertrags (AH Kläger, S. 43) kann er – seinem Antrag entsprechend – Zahlung der Entschädigung an sich verlangen. Prozessführungsbefugt ist der Kläger auch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten, da die Rechtsschutzversicherung ihn ermächtigt hat, diese im eigenen Namen geltend zu machen (Anlage K 10, AS I 75)

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist nach E.2.1 AKB i.V.m. § 28 Abs. Abs. 2 Satz 1 VVG leistungsfrei, da der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit aus E.1.1.3 AKB vorsätzlich verletzt hat. Die Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich zwar nicht allein aus der Verletzung der Rechtspflichten aus § 142 Abs. 2 StGB (a), aber aus dem nicht unerheblichen Nachtrunk (b).

a) Der Kläger hat jedenfalls gegen seine aus § 142 Abs. 2 StGB folgenden Rechtspflichten verstoßen und hierdurch möglicherweise objektiv seine Aufklärungsobliegenheit aus E.1.1.3 AKB verletzt. Allerdings kommt insoweit eine Kausalität im Sinne von E.2.2 AKB nicht in Betracht.

aa) Das bloße Verlassen der Unfallstelle stellt nur dann eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (BGH, Urteil vom 01.12.1999 – IV ZR 71/99, juris Rn. 9; Senat, Urteil vom 05.06.2008 – 12 U 13/08, juris Rn. 21). Das ist auch durch die Neufassung von E.1.1.3 Satz 2, 1. Spiegelstrich AKB klargestellt (Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. E. Pflichten im Schadensfall Rn. 47; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2016, RuS 2016, 287, 288f.; Stiefel/Maier/Maier E.1 AKB Rn. 79), was der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu älteren Fassungen der AKB entspricht. Eine eindeutige Haftungslage steht der Aufklärungsobliegenheit nicht entgegen (BGH, Urteil vom 01.12.1999 aaO). Für den Tatbestand der Obliegenheitsverletzung und damit auch für die Verletzung der Wartepflicht trägt der Versicherer die Beweislast (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. E.1 AKB Rn. 94).

bb) Den Straftatbestand des § 142 Abs. 1 StGB erfüllt das Verhalten des Klägers bei Zugrundelegung seines Vortrags, er habe mindestens eine halbe Stunde an der Unfallstelle gewartet, nicht. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe sich mit seinem Bruder sehr zügig von der Unfallstelle entfernt und sich dafür auf die Zeugin S beruft (AS I 45 f.), steht dieser Vortrag im Widerspruch zu deren Angaben gegenüber der Polizei (EA 59) und erfolgt damit ins Blaue hinein. Nach den Angaben der Zeugin hat sich der Kläger erst nach Ablauf einer Wartezeit von mindestens 15 Minuten und damit zunächst erlaubt vom Unfallort entfernt.

cc) Jedoch hat der Kläger seine Pflichten aus § 142 Abs. 2 StGB verletzt, da er sich zwar nach Ablauf der Wartefrist vom Unfallort entfernt, aber Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht hat. Ob der Verstoß gegen die Pflicht zur Ermöglichung nachträglicher Feststellungen gemäß § 142 Abs. 2 StGB zugleich eine Verletzung der in E.1.3 AKB geregelten Obliegenheit darstellt, obwohl dessen Formulierung unmittelbar nur die Einhaltung der Wartezeit fordert (verneinend OLG Celle, Urteil vom 25.04.2019 – 8 U 210/18, juris Rn. 73; OLG Dresden, Urteil vom 27.11.2018 – 4 U 447/18, juris Rn. 10; vgl. allerdings BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11, juris Rn. 15 ff.), kann hier offen bleiben. Denn insoweit fehlt es jedenfalls an der Kausalität im Sinne der Ziffer E.2.2 AKB und § 28 Abs. 3 VVG.

(1) Auch durch eine Verletzung dieser Pflicht wird grundsätzlich das Aufklärungsinteresse des Versicherers beeinträchtigt, da die unverzügliche nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen noch eine Aufklärung der Fahrtüchtigkeit ermöglichen kann (BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11, juris Rn. 20 f.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2016 – 5 U 75/14, juris Rn. 61). Dem steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer nach § 142 Abs. 3 StGB seine Pflicht zur nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen grundsätzlich auch durch eine Benachrichtigung des Berechtigten i.S. des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen kann. Dieses Wahlrecht besteht nur in den Grenzen des Unverzüglichkeitsgebots (BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11, juris Rn. 21). Hier war dem Kläger eine Benachrichtigung der Straßenmeisterei Mosbach am Unfalltag, einem Sonntag, nicht möglich, so dass er seine Pflichten aus § 142 Abs. 2 StGB nur durch eine Mitteilung seiner Beteiligung an dem Unfall gegenüber der Polizei erfüllen konnte.

(2) Ein die Pflichten des § 142 Abs. 1 und 2 StGB auslösender Fremdschaden wurde durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht. Von einem Unfall im Straßenverkehr ist allenfalls bei Minimalschäden nicht auszugehen (Geppert in Laufhütte u.a., Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. § 142 Rn. 31). Da der Zweck des § 142 StGB darin liegt, die beweismäßige Durchsetzung berechtigter oder die Abwehr unberechtigter zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche sicherzustellen, scheiden nur solche Schäden aus, bei denen üblicher- oder vernünftigerweise, d.h. unabhängig von den Vermögensverhältnissen des Geschädigten nicht mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu rechnen ist (Senat, Urteil vom 19.08.1993 – 12 U 145/92, VersR 1995, 528; OLG Stuttgart, Urteil vom 6.10.2014 – 7 U 121/14, juris Rn. 50; Geppert aaO). Die Grenze eines minimalen Sachschadens wird regelmäßig mit 50,- € angesetzt, jedoch nicht höher als 150,- € (Geppert aaO; vgl. auch OLG Stuttgart aaO, jeweils m.w.N.; Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. E. Pflichten im Schadensfall Rn. 56 m.w.N.). Diese Grenze eines völlig belanglosen Sachschadens ist hier überschritten. Zwar ist der Schaden am Leasingfahrzeug nicht als Fremdschaden zu werten, wenn der Leasingnehmer – wie hier der Kläger nach Ziff. XI.1 der AGB des Leasingvertrags – für jeden Schaden am Leasingfahrzeug einzustehen hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.05.1997 – 20 U 10/97, juris Rn. 7; Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. E. Pflichten im Schadensfall Rn. 51 m.w.N.; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. AKB E.1 Rn. 77). Nach den Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils wurden aber zudem eine Gartenmauer, ein Betonpfosten und ein Verkehrsschild beschädigt, wobei sich allein der Schaden am Verkehrsschild auf 400,- € belief. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beseitigung des Schadens am Verkehrsschild weder aus optischen noch aus Sicherheitsgründen erforderlich war (vgl. Senat, Urteil vom 19.08.1993 – 12 U 145/92, VersR 1995, 528); vielmehr ergibt sich aus den von der Polizei angefertigten Lichtbildern des Unfallortes (EA 117 f. und 131) die offenkundige Reparaturbedürftigkeit des Verkehrsschildes.

(3) Der Kläger war daher, nachdem er sich vom Unfallort entfernt hatte, nach § 142 Abs. 2 StGB verpflichtet, die erforderlichen Feststellungen unverzüglich nachträglich zu ermöglichen. Diese Verpflichtung hat er verletzt.

Bei nächtlichen Unfällen mit eindeutiger Haftungslage kann die Unverzüglichkeit je nach Sachverhalt noch zu bejahen sein, wenn der Unfallbeteiligte die Feststellungen bis zum frühen Vormittag des darauffolgenden Tages ermöglicht hat (BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11, juris Rn. 22; Koch in Bruck/Möller aaO Rn. 77; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2016 – 5 U 75/14, juris Rn. 62; MünchKomm-StGB/Zopfs, 3. Aufl. § 142 Rn. 110) bzw. am nächsten Morgen zu Beginn üblicher Geschäftszeiten (OLG Hamm, Urteil vom 09.04.2003 – 20 U 212/02, juris Rn. 19; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. AKB E.1 Rn. 98)

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und der Umstände des Einzelfalls hat der Kläger dem Unverzüglichkeitsgebot nicht genügt. Da er lediglich einen relativ geringen Fremdschaden an stehenden Objekten verursacht hat, weshalb die Alkoholisierung für seine Haftung gegenüber den Geschädigten nicht relevant war (vgl. MünchKomm-StGB/Zopfs, 3. Aufl. § 142 Rn. 109), wäre eine Meldung gegenüber der Polizei oder gegenüber den Geschädigten am frühen Vormittag des 30.09.2018 (d.h. bis 9 oder 10 Uhr) noch unverzüglich gewesen. Der Kläger hat sich jedoch erst gegen 11.15 Uhr zur Polizeidienststelle begeben. Unerheblich ist, dass dieses Verhalten von der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Einstellungsverfügung als unverzüglich im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB gewertet worden ist (EA 181). An diese Bewertung ist der Senat nicht gebunden (vgl. Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. AKB E.1 Rn. 81).

(4) Auch den subjektiven Tatbestand des § 142 Abs. 2 und 3 StGB hat der Kläger erfüllt. Ihm ist ein vorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Der Vorsatz muss zum Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen, also zu dem letztmöglichen Zeitpunkt, in dem der Unfallbeteiligte es unterlassen hat, noch unverzüglich zu handeln (MünchKomm-StGB/Zopfs, 3. Aufl. § 142 Rn. 118). Hier ist jedenfalls von bedingtem Vorsatz auszugehen. Im Hinblick auf den nicht unerheblichen Schaden am Verkehrsschild muss dem Kläger bewusst gewesen sein, dass er Feststellungen zum Unfallgeschehen unverzüglich ermöglichen muss. Die Verzögerung ist nicht durch eine Schockreaktion des Klägers zu erklären. Der Unfall hatte sich bereits gegen 4.00 Uhr zugetragen, während sich der Kläger erst gegen 11.15 Uhr zur Polizeidienststelle begeben hat. In der Zwischenzeit hatte er sich um eine Bergung des Fahrzeugs bemüht und auch nach dem gescheiterten Bergungsversuch mehrere Stunden verstreichen lassen, bevor er sich zur Polizei begeben hat.

(5) Allein auf die verspätete Meldung gegenüber der Polizei kann die Beklagte indes eine Leistungsfreiheit nicht stützen. Für eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger bestehen insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte, so dass dem Kläger nach E.2.2 AKB, § 28 Abs. 3 VVG der Kausalitätsgegenbeweis offensteht. Dieser ist bereits aufgrund der unstreitigen Umstände als geführt anzusehen. Im Hinblick auf den Nachtrunk ist es ausgeschlossen, dass die zeitlich frühere Vorstellung des Klägers bei der Polizei, die dem Unverzüglichkeitsgebot genügt hätte, der Beklagten zusätzliche Aufklärungsmöglichkeiten verschafft hätte. Bereits aufgrund des Nachtrunks waren objektive Feststellungen zur Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt nicht mehr möglich.

Auf die Frage, ob der Kläger durch die verspätete Meldung bei der Polizei seine Aufklärungsobliegenheit gegenüber der Beklagten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, kommt es daher nicht an.

b) Die Beklagte ist indes aufgrund des nicht unerheblichen Nachtrunks leistungsfrei. Nach eigenen Angaben hat der Kläger nach dem Unfall mindestens drei doppelte Jägermeister-Schnapsgläser getrunken (AS I 81 und EA 77) und damit eine zuverlässige Ermittlung seines Blutalkoholgehalts zur Unfallzeit vereitelt. Diese Ermittlung hätte es der Beklagten ermöglicht, zu prüfen, ob sie sich auf eine Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach A.2.9.2 AKB hätte berufen können.

aa) Nach E.1.1.3 der AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Diese Obliegenheit verletzt der Versicherungsnehmer durch einen ins Gewicht fallenden Nachtrunk (jeweils zu § 3 Nr. 1, § 7 V AKB a.F.: BGH, Urteil vom 22.05.1970 – IV ZR 1084/68, VersR 1970, 826; Urteil vom 19.10.1967 – II ZR 53/65, juris Rn. 4). Das gilt nicht nur in der Haftpflichtversicherung, sondern auch in der Fahrzeugversicherung, wenn Dritte durch den Unfall geschädigt sind; denn in diesem Fall besteht eine durch § 142 StGB strafrechtlich sanktionierte Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers, die seine Verpflichtung einschließt, sich auch für eine polizeilich angeordnete, nicht durch Nachtrunk verfälschte Blutprobe bereitzuhalten. In diesen Fällen kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung mit dem Versicherer davon ausgegangen werden, dass die vertragliche Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers diese Verpflichtung ebenfalls mit umfasst (BGH, Urteil vom 12.11.1975 – IV ZR 5/74, juris Rn. 9; OLG Nürnberg, Urteil vom 20.07.2000 – 8 U 4357/99, juris Rn. 8; Senat, Urteil vom 19.10.1995 – 12 U 122/95, ZfS 1997, 139, 140; KG Berlin, Beschluss vom 26.10.2010 – 6 U 209/09; OLG Frankfurt, Urteil vom 24.07.2014 – 3 U 66/13, juris Rn. 12).

Unerheblich ist, dass hier, da lediglich stehende Objekte beschädigt worden sind, die Frage einer Alkoholisierung des Klägers auf die Haftungsfrage keinen Einfluss haben kann (vgl. Koch in Bruck/Möller aaO Rn. 66; OLG Köln, Urteil vom 19.01.1999 – Ss 526/98, juris Rn. 15). Da den Kläger die Pflichten aus § 142 Abs. 2 StGB trafen, ist aus dem Nachtrunk eine Obliegenheitsverletzung gegenüber dem Versicherer unabhängig von einem Beweisinteresse des Geschädigten abzuleiten. Insoweit ist der Schutzzweck des Straftatbestands unerheblich. Der Inhalt der Aufklärungsobliegenheit wird durch den Schutzzweck des § 142 StGB nur insoweit berührt, als bei fehlendem Verstoß gegen die Strafrechtsnorm auch keine entsprechende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegeben ist. Im Übrigen ist der strafrechtliche Schutzzweck für die versicherungsvertragliche Aufklärungsobliegenheit ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 01.12.1999 – IV ZR 71/99, juris Rn. 10). Deren Zweck besteht darin, dem Versicherer die sachgerechte Prüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht zu ermöglichen, wozu auch die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängender Tatsachen gehört, aus denen sich seine Leistungsfreiheit ergeben kann (BGH aaO Rn. 11).

bb) Soweit – wie hier – ein die Pflichten aus § 142 StGB auslösender Fremdschaden entstanden ist, ist es für die Obliegenheitsverletzung nicht erforderlich, dass der Nachtrunk der Verschleierung des Sachverhalts diente (BGH, Urteil vom 12.11.1975 – IV ZR 5/74, juris Rn. 9 und 12; KG, Beschluss vom 26.10.2010 – 6 U 209/09, juris Rn. 3).

cc) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass seine Aufklärungsobliegenheit dort ihre Grenze findet, wo dem Versicherungsnehmer eine Verpflichtung zur Selbstanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden im Sinne eines aktiven Tätigwerdens zugemutet wird. Das gilt nur dann, wenn § 142 StGB nicht einschlägig ist, z.B. bei einem ausdrücklichen Verzicht der Geschädigten auf polizeiliche Feststellungen, so dass allein eine vertragliche Aufklärungsobliegenheit in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1982 – IVa ZR 33/81, juris Rn. 17). Hier traf demgegenüber den Kläger zum Zeitpunkt des Nachtrunks noch die Pflicht zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung Feststellungen aus § 142 Abs. 2 StGB, die er nach Sachlage bei Erfüllung des Unverzüglichkeitsgebots nur gegenüber der Polizei erfüllen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11, juris Rn. 21). Gewissermaßen als Reflexwirkung wird damit auch das Aufklärungsinteresse der Beklagten geschützt, insbesondere deren Interesse an objektiven Feststellungen zur Alkoholisierung des Klägers zum Unfallzeitpunkt (vgl. BGH Urteil vom 15.12.1982 – IVa ZR 33/81, juris Rn. 17).

dd) Der Kläger hat seine Aufklärungsobliegenheit durch den Nachtrunk vorsätzlich verletzt.

(1) Zwar ist das Landgericht bei seinen Ausführungen zum Vorsatz des Klägers von einer Beweislast des Klägers ausgegangen, obwohl die Beklagte den Vorsatz als Voraussetzung ihrer Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG bzw. E.2.1 Abs. 1 Satz 1 AKB zu beweisen hat (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. § 28 Rn. 193 m.w.N.). Bereits aus dem erheblichen und offensichtlichen Schaden an dem Verkehrsschild ist aber auf das Bewusstsein des Klägers zu schließen, dass er einen Fremdschaden verursacht hat und dass er deshalb polizeiliche Feststellungen zum Unfallhergang – auch zum Grad seiner Alkoholisierung – zu erwarten hat. Für einen Vorsatz spricht sodann, dass sich der Kläger für mehrere Stunden unauffindbar gemacht hat, statt nach Hause zu gehen und sich zumindest dort für eine etwaige Entnahme einer Blutprobe bereit zu halten (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.1970 – IV ZR 1089/68, juris Rn. 12). Bei der Polizei hat er sich erst um 11.15 Uhr und damit mehr als 7 Stunden nach dem Unfall gemeldet.

Auch aus den Feststellungen des Landgerichts zur Verschleierungsabsicht ergibt sich ein vorsätzliches Handeln des Klägers. Die aufgrund der informatorischen Anhörung getroffenen Feststellungen des Landgerichts, bei einer Gesamtwürdigung der Indizien und der Angaben des Klägers habe der Kläger allein aus dem Grund Alkohol nach dem Unfall zu sich genommen, um Feststellungen zum Grad seiner Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt zu erschweren bzw. zu verschleiern, sind überzeugend begründet. Hieran ist der Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen könnten. Nachvollziehbar hat sich das Landgericht insoweit auf die erhebliche Trinkmenge sowie auf das Bewusstsein des Klägers gestützt, dass er einen Fremdschaden verursacht hatte und mit polizeilichen Ermittlungen rechnen musste. Eine Schockreaktion hat das Landgericht im Hinblick auf den Zeitablauf von mindestens drei Stunden zwischen dem Unfall und dem Nachtrunk ausgeschlossen; insoweit hat es berücksichtigt, dass der Kläger in der Zwischenzeit versucht hatte, mit Hilfe seines Bruders und des gemeinsamen Bekannten S. sein Fahrzeug zu bergen, also planvoll vorgegangen ist. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, der Kläger habe bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, er habe „gerade eben“ mindestens drei Gläser Jägermeister getrunken, während er tatsächlich erklärt hatte, „vorhin“ drei Jägermeister getrunken zu haben (EA 77), ist das ohne Belang. Das Landgericht hat eine Schockreaktion zutreffend mit der Begründung als unplausibel angesehen, dass zwischen Unfall und Nachtrunk mindestens drei Stunden verstrichen waren.

Von einer Beweisaufnahme zu der Behauptung des Klägers, er sei zum Unfallzeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen, hat das Landgericht zu Recht abgesehen. Zum einen hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor dem Unfall zwei Radler getrunken, wenn er auch nunmehr – insoweit im Widerspruch zu seinen Angaben gegenüber der Polizei (EA 77) – erklärt hat, das erste Radler nicht auf dem „Oktoberfest“, sondern bereits am frühen Abend gegen 19.00 oder 20.00 Uhr getrunken zu haben. Vor diesem Hintergrund konnte er nicht ausschließen, dass bei ihm eine – wenn auch nur geringfügige Alkoholisierung – feststellbar war.

(2) Allerdings erfordert vorsätzliches Handeln grundsätzlich auch das Bewusstsein, gegen eine bestehende Verhaltensnorm zu verstoßen (BGH, Urteil vom 18.02.1970 – IV ZR 1089/68, juris Rn. 14), wobei es für das Bewusstsein der Obliegenheitsverletzung genügt, dass der Versicherungsnehmer kraft „Parallelwertung in der Laiensphäre“ die Merkmale der Obliegenheit im Kern kennt (OLG Stuttgart, Urteil vom 16.10.2014 – 7 U 121/14, juris Rn. 57; OLG Frankfurt, Urteil vom 02.04.2015 – 14 U 208/14, juris Rn. 9). Anders ist es jedoch bei elementaren, allgemein bestehenden und bekannten Pflichten, die auch im Versicherungsvertrag ihren Niederschlag gefunden haben. Hier genügt zum Bewusstsein der Rechtswidrigkeit die vorhandene Erkenntnis, gegen das unzweifelhafte, generelle Verbot zu verstoßen. Die weitere Vorstellung, im Besonderen auch dem Versicherer gegenüber zur Beachtung dieses Verbots verpflichtet zu sein, ist dann nicht zu fordern (BGH, Urteil vom 18.02.1970 – IV ZR 1089/68, juris Rn. 15; Senat, Urteil vom 19.10.1995 – 12 U 122/95, ZfS 1997, 139, 140). Zu diesen allgemeinen Verhaltensregeln nach einem Verkehrsunfall gehört in erster Linie das für jeden Beteiligten gültige Gebot, im Interesse der Aufklärung bis zur Aufnahme des Unfalls durch die verständigte Polizei am Unfallort zu bleiben (BGH aaO). Soweit sich der Unfallverursacher nach Ablauf einer angemessenen Wartefrist vom Unfallort entfernt hat, trifft ihn die Verpflichtung, die erforderlichen Feststellungen – zu welchen auch der Grad seiner Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt gehört – unverzüglich nachträglich zu ermöglichen. Dessen war sich der Kläger auf Grundlage der Feststellungen des Landgerichts zum Zeitpunkt des Nachtrunks bewusst.

ee) Einen Kausalitätsgegenbeweis im Sinne von E.2.2 AKB, § 28 Abs. 3 VVG kann der Kläger nicht führen.

(1) Der Kausalitätsgegenbeweis ist indes nicht wegen arglistigen Handelns des Klägers nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG, E.2.2 Satz 2 AKB ausgeschlossen. Eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11, juris Rn. 28). Allein aus der Verschleierungsabsicht kann auf ein arglistiges Verhalten in diesem Sinne nicht geschlossen werden. Es ist vielmehr denkbar, dass der Kläger mit dem Nachtrunk in erster Linie eine Strafverfolgung aufgrund einer Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt verhindern wollte.

(2) Den Kausalitätsgegenbeweis kann der Kläger jedoch mit den von ihm angebotenen Beweismitteln nicht führen. Erforderlich ist der Beweis, dass die Feststellungen selbst im Ergebnis nicht zum Nachteil des Versicherers beeinflusst worden sind (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. E.2 Rn. 38 m.w.N.).

Offenbleiben kann, ob im Falle des unerlaubten Entfernens vom Unfallort immer dann von einer Kausalität auszugehen, wenn infolge einer Unfallflucht oder eines Nachtrunks keine objektiven Feststellungen mehr dazu getroffen werden können, ob der Versicherungsnehmer bei dem Unfall unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand und seine Fahrtüchtigkeit hierdurch eingeschränkt war (so OLG Stuttgart, Urteil vom 16.10.2014 – 7 U 121/14, juris Rn. 59; OLG Frankfurt, Urteil vom 02.04.2015 – 14 U 208/14, juris Rn. 12; KG, Beschluss vom 27.08.2010 – 6 U 66/10, juris Rn. 14; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. § 28 Rn. 255; a.A: Maier in Stiefel/Maier aaO Rn. 43).

Denn jedenfalls ist die Benennung der Zeugen H (I 3 f.), A (I 69), G (I 91), Z (I 93) und S (I 95) zum Beweis einer fehlenden Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt nicht geeignet. Die Zeugen können keine Angaben dazu machen, wie viel Alkohol der Kläger insgesamt in den letzten Stunden vor der Unfallfahrt, insbesondere auf dem „Oktoberfest“ in Fahrenbach konsumiert hat. Keiner der Zeugen hat den Kläger in dem Zeitraum der letzten ein bis zwei Stunden bis unmittelbar vor Beginn der Fahrt und vor dem Unfall durchgehend begleitet. Die Behauptung des Klägers, die Zeugen H und E hätten nach dem Unfall bei ihm keinen Alkoholgeruch und auch im Übrigen keine Anzeichen für eine Alkoholisierung wahrgenommen, ist unerheblich. Entsprechendes gilt für seine Behauptung, der auf dem „Oktoberfest“ mit dem Ausschank beschäftigte Zeuge Z könne bestätigten, dass der Kläger nicht nach Alkohol gerochen habe. Auch bei Zugrundelegung dieser Behauptung ist eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls nicht ausgeschlossen.

e) Die Belehrungspflicht (§ 28 Abs. 4 VVG bzw. E.2.1 Abs. 3 AKB) gilt für spontan, also ohne vorhergehende Aufforderung, zu erfüllende Obliegenheiten nicht (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. § 28 Rn. 262).

III.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Verkehrsrecht, Versicherungsrecht und der Regulierung von Verkehrsunfällen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile aus dem Verkehrsrecht und Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!