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Auffahrunfall nach Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden

AG Hamburg-Barmbek, Az.: 814 C 300/12

Urteil vom 05.12.2013

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 359.50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2013 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den Rabattverlust zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass die Klägerin aus Anlass des Verkehrsunfalls vom … ihre Vollkaskoversicherung bei der … Schaden-Nr.: … in Anspruch genommen hat.

4. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auffahrunfall nach Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden
Symbolfoto: kung_tom/bigstock

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am … 2012 auf der B. in Höhe der Hausnummer … vor der Kreuzung B./… straße ereignete.

Zum Unfallzeitpunkt war die Klägerin Eigentümer und Fahrerin des Fahrzeuges … mit dem amtlichen Kennzeichen …. Der Beklagte zu 1) war Fahrer des Fahrzeuges … mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Beklagte zu 2) war Haftpflichtversicherer des letztgenannten Fahrzeuges.

Die Klägerin befuhr die linke Spur der B. in Richtung Innenstadt. Der Beklagte zu 1) befand sich auf der rechten Spur der B. in gleicher Richtung.

Vor der Klägerin fuhr ein silberner … . Die Klägerin wechselte von der linken Fahrspur auf die rechte Fahrspur. Es kam zu einer Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug. Beide Fahrzeuge waren zum Unfallzeitpunkt gleichgerichtet, d.h. die Fahrzeugfronten waren in die gleiche Fahrtrichtung ausgerichtet.

Es entstand Sachschaden an den beiden Fahrzeugen, wobei das klägerische Fahrzeug hinten rechts und das Beklagtenfahrzeug vorne links beschädigt wurde. Laut Gutachten des Sachverständigen S… belaufen sich die Schäden am klägerischen Fahrzeug auf 1.975,70 € brutto (Anlage K 2). Der Sachverständige stellte der Klägerin seine Leistung mit 497,78 € in Rechnung (Anlage K 3). Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug reparieren. Die Kosten der Reparatur belaufen sich laut Rechnung vom … (Anlage K 4) auf 2.166,56 € brutto. Die Reparatur dauerte 8 Tage.

Der Prozessvertreter der Klägerin forderte die Beklagte zu 2) zuletzt mit Schreiben vom 17.07.2012 (Anlage K 5) zum Schadensausgleich bis zum 13.08.2012 auf. Mit Schreiben vom 17.07.2012 (Anlage K 7) und 19.07.2012 (Anlage K 6) lehnte die Beklagte zu 2) eine Haftung dem Grunde nach ab.

Die Klägerin wandte sich sodann mit anwaltlichen Schreiben vom 20.07.2012 (Anlage K 8) an ihre Kaskoversicherung mit der Bitte, in die Regulierung einzutreten. Die Kaskoversicherung regulierte einen Betrag in Höhe von 2.861,34 € abzgl. der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 €.

Die Klägerin behauptet, dass der silberne … abgebremst habe, weil die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung B…/… straße auf gelb umsprungen sei. Sie habe sich sodann etwa 50 bis 75 Meter vor der Lichtzeichenanlage durch einen Blick in den Rück- und rechten und Außenspiegel sowie über ihre Schulter vergewissert, dass die rechte Fahrspur frei ist und insoweit in ca. 75 Metern Entfernung das Fahrzeug des Beklagten erblickt. Sie habe die Fahrzeuggeschwindigkeit auf ca. 20 km/h reduziert, den Blinker gesetzt und sei sodann auf die rechte Fahrspur gewechselt, um dort an der mittlerweile auf Rot umgesprungenen Lichtzeichenanlage zu warten. Sie habe etwa 3 Sekunden an der roten Ampel gestanden, als der Beklagte zu 1) auf ihr Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit aufgefahren sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2012 zu zahlen;

2. die Beklagten zu als Gesamtschuldner verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 359,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den Rabattverlust zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass die Klägerin aus Anlass des Verkehrsunfalls vom … ihre Vollkaskoversicherung bei der …, Schaden-Nr. …, in Anspruch genommen hat.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, die Klägerin habe ohne vorherige Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers unvermittelt und für den Beklagten zu 1) unvorhersehbar einen Fahrstreifenwechsel von dem linken auf den rechten Fahrstreifen vorgenommen, als sich dieser der Kreuzung B./… straße genähert habe. Die Lichtzeichenanlage sei sodann auf Orange gesprungen und die Klägerin habe abgebremst, so dass der Beklagte zu 1) der Klägerin aufgefahren sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird zudem auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Klägerin und den Beklagte zu 1) informatorisch angehört. Es hat über den Hergang des Verkehrsunfalls Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen B., S., N. und D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.09.2013 (Bl. 119 – 125 d.A.) und vom 12.11.2013 (Bl. 145 – 148 d.A.) verwiesen. Zudem wurde die polizeiliche Unfallakte zum Az. … beigezogen und zu Beweiszwecken verwertet.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Amtsgericht Hamburg-Barmbek auch zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO bzw. § 20 StVG, die sachliche Zuständigkeit §§ 23 Nr. 1, 711 GVG.

2. Die Klage ist zudem begründet. Die Klägerin kann von den Beklagten Schadensersatz in der zugesprochenen Form gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 115 VVG, 421 BGB verlangen.

Der Unfall ist bei dem Betrieb der beiden beteiligten Fahrzeuge im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG entstanden. Keiner der Beteiligten kann für sich in Anspruch nehmen, dass der Unfall durch höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verursacht worden ist oder ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG darstellt, da der Unfall für einen gedachten Idealfahrer vermeidbar gewesen wäre.

Die Haftung der Beteiligten hängt daher von der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäß § 17 StVG ab. Bei der Abwägung der für den Unfall ursächlichen Umstände können nur die zugestandenen oder nachgewiesenen Tatsachen berücksichtigt werden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass das Verkehrsunfallgeschehen vom … in so überwiegendem Maße von dem Beklagten zu 1) verursacht und verschuldet worden ist, dass die Beklagten für die Folgen des Verkehrsunfallgeschehens alleine einzustehen hat. Insoweit ist auf Seiten der Beklagten neben der Betriebsgefahr des beteiligten Fahrzeuges auch ein unfallursächlich schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1) einzustellen, was zu einer Alleinhaftung der Beklagten führt.

Vorliegend handelt es sich um einen Auffahrunfall. Für die Klägerseite streitet insoweit freilich nicht der Beweis des ersten Anscheins, weil der Zusammenstoß zwar achsparallel aber nicht mit einer wesentlichen Überdeckung der Schäden von 2/3 erfolgte (vgl. Anlagenkonvolut K 1). Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin bereits einige Sekunden an der Lichtzeichenanlage angehalten hatte, bevor es zur Kollision der Fahrzeuge gekommen ist und diese sich somit nicht in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel der Klägerin ereignet hat, so dass der Klägerin kein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO zur Last fällt.

Der Zeuge B… hat im Rahmen ihrer Vernehmung glaubhaft bekundet, dass die Klägerin nach dem Spurwechsel auf die rote Ampel zugerollt sei und dann vor der Kollision noch zwischen 3 und 4 Sekunden an der roten Ampel gestand habe. Das Gericht hat keinen Anlass, an den Angaben des Zeugen zu zweifeln. Der Zeuge hat das Unfallgeschehen im freien Bericht widerspruchsfrei, detailreich ohne Dramatisierung und ohne erkennbare Belastungstendenz geschildert. Er hat auf das Gericht einen äußerst glaubwürdigen Eindruck gemacht, wobei das Gericht nicht verkennt, dass es sich bei Herrn B. um einen sogenannten Insassenzeugen handelt, deren Bekundungen erfahrungsgemäß mit Zurückhaltung zu bewerten sind.

Diese Angaben werden auch nicht durch die Aussagen der Zeugen N. und D. erschüttert. Die Aussage des Zeugen N. war unergiebig. Er hatte das Unfallgeschehen nicht miterlebt. Auch der Zeuge D. hatte keine konkreten Erinnerungen mehr an den Unfallhergang. Er konnte sich an den konkreten Geschehensablauf nicht mehr erinnern. Zwar hat der Zeuge bekundet, dass er der Meinung sei, dass der Beklagte zu 1) keine ausreichende Zeit gehabt habe, um noch abzubremsen. Er konnte hierfür jedoch keine Anhaltspunkte nennen.

Dem Beklagten zu 1) fällt als Auffahrender somit ein Verstoß gegen §§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und/oder § 1 Abs. 2 StVO zur Last. Beim Auffahren spricht grundsätzlich der erste Anschein gegen den Auffahrenden. Entweder wurde der nötige Sicherheitsabstand (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO) bzw. die der Verkehrssituation entsprechende Geschwindigkeit nicht eingehalten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVO) oder die erforderliche Aufmerksamkeit fehlte (§ 1 Abs. 2 StVO) (BGH NZV 89, 105; NZV 07, 354). Fährt ein Verkehrsteilnehmer im gleichgerichteten Verkehr auf das vor ihm fahrende Fahrzeug auf, streitet gegen den Auffahrenden der Beweis des ersten Anscheins einer allgemeinen Unfallverursachung.

Allerdings kann derjenige, der gegen einen Anscheinsbeweis streitet, diesen durch Darlegung und Beweis der Möglichkeit eines atypischen Verlaufs erschüttern. Die Beklagten haben mit Ausnahme des Spurwechsels der Klägerin keine entsprechenden Tatsachen vorgetragen. Insbesondere haben sie nicht dargelegt, dass die Klägerin nicht verkehrsbedingt und stark gebremst hat.

Unter Würdigung der Gesamtumstände geht das Gericht daher davon aus, dass der Beklagte zu 1) das Unfallgeschehen alleine verursacht – und verschuldet – hat und eine mögliche Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges hinter diesem Verursachungsbeitrag vollständig zurückzutreten hat.

Der Anspruch auf die Nebenforderungen folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 709 ZPO.

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