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Atypischer Verkehrsverlauf bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn

AG Eisenach – Az.: 54 C 845/11 – Urteil vom 30.05.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

(entbehrlich gemäß § 313 a ZPO)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 02.12.2010 gegen 2.00 Uhr auf der BAB 4 Eisenach Richtung Frankfurt gemäß §§ 7 StVG, 47 VVG.

Gegen den Kläger spricht der Anscheinsbeweis, da der den klägerischen Wagen führende Zeuge … auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1) aufgefahren ist.

Der Anscheinsbeweis kann nur dann entkräftet werden, wenn der Auffahrende einen atypischen Verkehrsablauf darlegen und beweisen kann.

Zwischen den Parteien ist zwar unstreitig, dass der Beklagte zu 1) auf der linken Spur der Autobahn mit seinem Fahrzeug gestanden hat, wobei Motor und Licht ausgeschaltet waren. In dieser Situation kann tatsächlich von einem atypischen Ablauf der Geschehnisse ausgegangen werden. Diese führen trotzdem nicht dazu, dass dem Kläger, wie von ihm gefordert, 2/3 seines Schadens durch die Beklagten ersetzt wird. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1) aus einer Notsituation heraus sein Auto auf der Autobahn anhalten musste und nicht, wie von dem Kläger behauptet, das Auto unbeleuchtet und ohne Motorkraft an der Unfallstelle stand, weil der Beklagte zu 1) eingeschlafen wäre.

Zum einen ist dem Kläger nicht der Beweis für seine Behauptung gelungen, der Beklagte zu 1) sei eingeschlafen. Hier handelt es sich lediglich um eine Behauptung des Klägers „ins Blaue hinein“. Selbstverständlich ist gerichtsbekannt, dass die Fahrer auch, wenn sie auf der Autobahn unterwegs sind, einschlafen können. Hierbei handelt es sich jedoch in der Regel um einen sogenannten „Sekundenschlaf“, der während der Fahrt passiert. Selten wird ein Fahrer, bevor er in den Schlaf fällt und sich auch noch auf der linken Seite der Autobahn befindet, Licht und Motor ausschalten.

Durch den Zeugen … ist die Behauptung der Beklagten bewiesen, dass in der Nacht extremer Schneefall und Kälte herrschte, so dass der Straßenverkehr in diesem Abschnitt zwischen Thüringen und Hessen gegen Abend zum Erliegen kam. Aus diesem Grunde ist auch davon auszugehen, dass der Beklagte gegen 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens in einen andauernden Stau geraten war. Dabei war auf der linken Fahrbahn der Verkehr zum Stehen gekommen. Der Stau war 18 km lang. Es ging nur selten voran. Da Benzin knapp werden konnte, wenn bei laufendem Motor das Licht brannte, schalteten die sich in dieser Situation befindlichen Verkehrsteilnehmer an ihren Fahrzeugen den Motor zwischendurch ab oder ohne Licht wieder an, um den Wagen aufzuheizen.

Der Zeuge … war in der besagten Nacht selbst vor Ort auf der betreffenden Autobahn. Er befand sich zwar nicht direkt auf dem Abschnitt, auf dem sich der Unfall ereignete, vielmehr fuhr er im Auftrag der Autobahnmeisterei die Strecke 13 km vor dem Kirchheimer Dreieck ab. Er selbst beobachtete, wie sich einzelne Fahrzeuge in dieser Nacht sozusagen „durchgemogelt“ haben, um schneller voranzukommen.

Die Glaubwürdigkeit des Zeugen … wird dadurch bestätigt, dass er kein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat. Im Gegensatz dazu bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen …, der als Fahrer und Enkel des Klägers mit Sicherheit daran interessiert ist, den Prozess zu gewinnen.

Seine Aussage ist außerdem in sich widersprüchlich. Einerseits erklärt er, dass sich auf der Autobahn keine stehenden Fahrzeuge befunden hatten. Erst, als das Gericht ihm Lichtbilder vorlegte, worauf zu erkennen ist, dass auf dem Autobahnabschnitt reihenweise LKW standen, die wegen der Witterungslage zum Erliegen kamen, räumte er ein, dass die Situation so war, dass die LKW sich auf dem Standstreifen befunden hätten. Nicht glaubhaft ist auch seine Erklärung, dass er einerseits 5 Minuten vor dem Unfallgeschehen in einem Stau gestanden hätte und dann plötzlich vor dem Unfall keine Fahrzeuge mehr vor ihm gewesen sein sollen. Dem widerspricht die nachfolgende Aussage des Zeugen, dass er auf der linken Spur gefahren sei, weil er rechts fahrende Fahrzeuge überholt hätte.

Atypischer Verkehrsverlauf bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn
Symbolfoto: Von Dmitry Kalinovsky/Shutterstock.com

Aus all dem, was der Zeuge in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2012 (Bl. 46 – 47 d.A.) äußerte, ist zu entnehmen, dass er offensichtlich ohne Rücksicht auf die sichtlich angespannte Verkehrssituation durch Schnee, Eisglätte und behinderte Sicht sich nicht verkehrsgerecht verhalten hat und mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren ist. Der Zeuge hat damit gegen § 3 StVO verstoßen, wonach der Fahrzeugführer nur so schnell fahren darf, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Er hat seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Dies hat der Zeuge Hohl offensichtlich nicht beachtet, ansonsten wäre er in der Lage gewesen, sein Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten. Im Übrigen war durch die am rechten Straßenrand stehenden LKW und die sich zumindest auf der rechten Seite stauenden Fahrzeuge damit zu rechnen, dass auch auf der linken Straßenseite ein Fahrzeugstau sein kann. Trotz der unklaren Verkehrslage hat der Führer des klägerischen Fahrzeuges den PKW nicht entsprechend geführt.

Richtig ist zwar, dass auch von dem Beklagtenfahrzeug eine Gefährdung ausging. Hier handelt es sich um die einfache Betriebsgefahr, die angesichts des schwerwiegenden Verkehrsverstoßes des Zeugen Hohl, den sich der Kläger zurechnen lassen muss, zurücktritt.

Da der Kläger damit zu 100 % haftet, kommt ein Schadensersatz für ihn nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708, 713 ZPO.

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